Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Werner Jeitschko und Mag. Wilhelm Patzold als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Franz W***, Kaufmann, Steyr, Ennser Straße Nr. 37, vertreten durch Dr. Ronald Klimscha, Rechtsanwalt in Steyr, wider die beklagte Partei Gerhard H***, Arbeiter, Steyr, Resthofstraße 33/11, vertreten durch Dr. Josef Lechner und Dr. Ewald Wirleitner, Rechtsanwälte in Steyr, wegen S 38.600,- sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 25. Juli 1989, GZ 13 Ra 29/89-12, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Steyr als Arbeits- und Sozialgericht vom 5. Jänner 1989, GZ 8 Cga 76/88-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Kläger ist schuldig, dem Beklagten die mit S 3.292,80 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (davon S 548,80 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger ist Inhaber einer Schlosserei, die er als Einzelunternehmen führt, und einer Dachdeckerei (Bauspenglerei), die von der Franz W*** Gesellschaft mbH betrieben wird. Der Beklagte war seit 5. Juni 1972 beim Kläger in der Schlosserei beschäftigt. Anfang 1983 erkundigte sich der Beklagte beim Buchhalter des Klägers, "was man machen könne, damit er zu seiner Abfertigung komme, weil er Geld brauche". Der Buchhalter gab dem Beklagten den Rat, den Kläger zu fragen, ob er von der Schlosserei (Einzelunternehmen) in die Spenglerei (Franz W*** Gesellschaft mbH) umgemeldet werden könne; dies wäre eine Möglichkeit, die Abfertigung sozialversicherungsrechtlich und steuerrechtlich "unterzubringen". Der Beklagte hatte damals einen fiktiven Abfertigungsanspruch in Höhe von S 38.600,-. Er trug sein Anliegen dem Kläger vor; dieser war mit der Auszahlung der Abfertigung an den Beklagten einverstanden, verlangte aber vom Beklagten, daß er bei ihm bleiben müsse, weil er ja die Abfertigung als Entgegenkommen erhalten habe; der Beklagte war damit einverstanden. Er wurde ab 1. März 1983 bei der Franz W*** Gesellschaft mbH mit seinem bisherigen Stundenlohn angemeldet und auch tatsächlich in der Dachdeckerei beschäftigt. Für künftige Abfertigungsansprüche des Beklagten sollte die Anwartschaftszeit mit 1. März 1983 neu zu laufen beginnen. Am 9. Juni 1988 kündigte der Beklagte das Dienstverhältnis zum 30. Juni 1988 auf, weil er bei den BMW-Werken Steyr einen besser bezahlten Arbeitsplatz gefunden hatte. Der Kläger begehrt vom Beklagten die Rückzahlung der Abfertigung in Höhe von S 38.600,-s.A., weil er diesen Betrag in der Erwartung gezahlt habe, einen Vorschuß auf die dem Beklagten nach Beendigung seiner Berufslaufbahn oder nach Dienstgeberkündigung gebührende Abfertigung zu leisten. Diese "weitergehende" Erwartung habe der Beklagte schuldhaft vereitelt.
Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, daß die Initiative zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses im Jahre 1983 und zur Begründung eines neuen Arbeitsverhältnisses bei der Franz W*** Gesellschaft mbH vom Kläger ausgegangen sei. Von einer Verpflichtung des Beklagten zur Rückzahlung der Abfertigung sei nie die Rede gewesen. Das Erstgericht wies das Klagebegehren - von dem bereits eingangs wiedergegebenen Sachverhalt ausgehend - ab. Das Dienstverhältnis zwischen den Streitteilen sei durch die "Ummeldung" auf die Franz W*** GesmbH nicht beendet worden, doch sollten durch die freiwillige Zahlung der Abfertigung die bis 28. Februar 1983 entstandenen Abfertigungsansprüche abgegolten werden. Die Vereinbarung der Streitteile, der Beklagte müsse beim Kläger bleiben, weil er die Abfertigung aus Entgegenkommen erhalten habe, sei dahin zu verstehen, daß der Kläger das Dienstverhältnis nicht sofort, also arglistig beenden dürfe. Die Vereinbarung eines unkündbaren Arbeitsverhältnisses sei darin nicht zu erblicken. Durch die weitere langjährige Dauer des Dienstverhältnisses sei der vom Kläger aus der Vereinbarung erwartete Erfolg ohnehin eingetreten. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Die Ummeldung des Beklagten zur Franz W*** Gesellschaft mbH sei kein Scheingeschäft gewesen (was der Kläger auch gar nicht behauptet habe). Der Wille der Streitteile sei nämlich darauf gerichtet gewesen, den Dienstvertrag mit 28. Februar 1983 zu beenden und ab 1. März 1983 mit der Franz W*** Gesellschaft mbH "fortzusetzen", also ein anderes Dienstverhältnis zu begründen. Diese Vorgangsweise habe dem Vorschlag des Buchhalters entsprochen. Durch diese Änderung sollte gerade ein Anspruchsgrund für die Auszahlung der Abfertigung herbeigeführt werden. Hätten die Parteien das nicht gewollt, so hätten sie denselben wirtschaftlichen Zweck auch durch Gewährung eines Darlehen an den Beklagten herbeiführen können. Für die Begründung eines neuen Dienstverhältnisses spreche auch, daß die Anwartschaftszeiten für die Abfertigungsansprüche vereinbarungsgemäß neu zu laufen beginnen sollten. Sei es aber Absicht der Parteien gewesen, das bisherige Dienstverhältnis zu beenden und einen Abfertigungsanspruch zu begründen, so habe der Kläger diesen Anspruch mit 28. Februar 1983 tatsächlich erworben, so daß eine Rückforderung des gezahlten Betrages nicht in Betracht komme.
Mit der Franz W*** Gesellschaft mbH habe der Beklagte ab 1. Jänner 1983 ein Dienstverhältnis auf unbestimmte Zeit begründet. Die Vereinbarung, daß "der Beklagte beim Kläger bleiben müsse", bedeute nur, daß er sein Dienstverhältnis nicht sofort beenden durfte. Durch die langjährige Fortdauer dieses Dienstverhältnisses nach Auszahlung der Abfertigung sei jeder vernünftigerweise zu erwartende Erfolg eingetreten. Die Meinung des Klägers, der Beklagte hätte bis zu seiner Pensionierung bei ihm bleiben müssen, widerspreche auch dem Wesen der Abfertigung, mit der die erwiesene Betriebstreue abgegolten werde. Der Kläger habe eine weitere Dienstleistung des Beklagten über den in § 1158 Abs 3 ABGB normierten fünfjährigen Zeitraum hinaus nicht als "Gegenleistung" für die Gewährung der Abfertigung erwarten dürfen. Eine Vereinbarung, daß der Beklagte im Falle der Beendigung des Dienstverhältnisses durch eine der im § 23 Abs 7 AngG aufgezählten Arten die Abfertigung zurückzahlen müsse, sei nicht erwiesen. Der Kläger bekämpft die Entscheidung des Berufungsgerichtes mit Revision wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und beantragt, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren Folge gegeben werde. Hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag. Der Beklagte beantragt, der Revision des Klägers nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Wie das Berufungsgericht zutreffend ausführte, haben die Streitteile mit den zu Beginn des Jahres 1983 getroffenen Vereinbarungen das ursprüngliche Arbeitsverhältnis mit 28. Februar 1983 beendet. Die Absicht der Parteien ging dahin, mit der Beendigung dieses Arbeitsverhältnisses die Grundlage dafür zu schaffen, daß der Beklagte für seine bisherigen Dienstleistungen beim Kläger einen - auch steuer- und sozialversicherungsrechtlich unanfechtbaren - Abfertigungsanspruch erwarb und ein neues Dienstverhältnis zwischen dem Beklagten und der Franz W*** GesmbH zu begründen. Da es sich dabei nicht um denselben Dienstgeber (vgl § 23 Abs 1 Satz 3 AngG iVm § 2 Abs 1 ArbAbfG) handelte, zwischen dem Kläger und der Franz W*** GesmbH aber enge personelle Verflechtungen bestehen, stellten die Streitteile bei ihren Vereinbarungen auch klar, daß der Beklagte für die bei der Franz W*** GesmbH verbrachten neuen Dienstzeiten nur Anwartschaftsrechte auf einen neuen Abfertigungsanspruch erwerben sollte, weil er für die beim Kläger zugebrachten Dienstzeiten bereits eine Abfertigung erhalten hatte.
Der Liberalitätsakt des Dienstgebers bestand bei dieser Vereinbarung nicht in der Gewährung einer "freiwilligen" Abfertigung, sondern in der Zustimmung zur Lösung des Arbeitsverhältnisses aus einem Grund, der - dies war geradezu Zweck der Vereinbarung - einen Abfertigungsanspruch des Beklagten zur Folge hatte. Dieser Abfertigungsanspruch wäre damals ohne das Entgegenkommen des Klägers nicht entstanden; es wäre in Schwebe geblieben, ob der Beklagte später jemals einen Abfertigungsanspruch nach den §§ 23 und 23 a AngG (iVm § 2 Abs 1 ArbAbfG) erworben hätte oder ob - insbesondere durch Arbeitnehmerkündigung - ein gesetzlicher Ausschließungsgrund (§ 23 Abs 7 AngG) eingetreten wäre. Wegen dieses Entgegenkommens hat der Kläger vom Beklagten verlangt, "er müsse aber bei ihm bleiben", womit der Beklagte einverstanden war.
Diese Nebenbestimmung der Vereinbarung - sei sie nun eine auflösende Bedingung oder eine ähnlich wirkende Auflage (Koziol-Welser8 I 152) - konnte die infolge der Auflösung des früheren Arbeitsverhältnisses zwingende (§ 3 ArbAbfG) Verpflichtung des Klägers zur Zahlung einer Abfertigung schon deshalb nicht beschränken, weil der Beklagte damit einseitig auf sein Kündigungsrecht nach den §§ 1158 ff ABGB verzichtet hätte, der Kläger (bzw die Franz W*** GesmbH) aber weiterhin zur Kündigung berechtigt gewesen wäre. Der Kläger wollte ja mit der Vereinbarung, der Beklagte "müsse bei ihm (gemeint: bei der Franz W*** GesmbH) bleiben", nicht ein auch von seiner Seite - ohne wichtigen Grund - unauflösbares Arbeitsverhältnis (etwa iS des § 1158 Abs 3 ABGB) begründen, sondern sich nur gegen eine künftige Arbeitnehmerkündigung, also gegen jenen Auflösungsfall sichern, bei dem er - rückblickend betrachtet - (ohne den vereinbarten Arbeitgeberwechsel) nicht verpflichtet gewesen wäre, dem Beklagten eine Abfertigung zu zahlen.
Ein solcher einseitiger Kündigungsverzicht kann aber zum Nachteil des Arbeitnehmers nicht rechtswirksam vereinbart werden. Die Berechtigungen des Arbeitnehmers, die sich aus den Bestimmungen der §§ 1158 - 1159 b ABGB ergeben, können nämlich durch Dienstvertrag nicht aufgehoben oder beschränkt werden (§ 1164 Abs 1 ABGB). Die ebenfalls zwingende (Krejci in Rummel, ABGB, Rz 86 zu §§ 1158 - 1159 c; Rz 2 zu § 1164) Bestimmung des § 1159 c, wonach die Kündigungsfrist immer für beide Teile gleich sein muß (- ihre Verletzung hat nicht die Unwirksamkeit der ungleichen Fristsetzung insgesamt zur Folge; es gilt dann vielmehr für beide Teile die längere Frist -), kommt im vorliegenden Fall nicht in Betracht, weil Vereinbarungen über Kündigungsfristen überhaupt nicht getroffen wurden. Die Nebenbestimmung, der Beklagte müsse bei der Franz W*** GesmbH bleiben, ist daher unwirksam; der Arbeitsvertrag zwischen der Franz W*** GesmbH und dem Beklagten war insofern teilnichtig.
Dazu kommt noch, daß der Kläger die Nebenbestimmung, der Beklagte müsse "bei ihm bleiben", nicht näher konkretisiert hat, so daß im Zweifel davon auszugehen ist, daß der Beklagte die Zusage "beim Kläger zu bleiben" dadurch, daß er das Dienstverhältnis mehr als fünf Jahre hindurch nicht aufkündigte, ohnehin eingehalten hat; bei längeren Bindungen wäre ihm überdies gem § 1158 Abs 3 ABGB ein Kündigungsrecht zugestanden.
Der Kläger hat daher aus der Auflösung des zweiten Arbeitsverhältnisses durch den Beklagten keinen Anspruch auf Rückforderung der Abfertigung nach § 1435 ABGB. Eine Rückzahlungsvereinbarung ist nicht erwiesen, so daß es sich erübrigt zu prüfen, wie weit sie mit zwingenden Bestimmungen des Arbeitsrechtes in Einklang stünde.
Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E19122European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1989:009OBA00299.89.1108.000Dokumentnummer
JJT_19891108_OGH0002_009OBA00299_8900000_000