TE OGH 1989/11/8 9ObA239/89

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Veröffentlicht am 08.11.1989
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisions- und Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Werner Jeitschko und Mag. Wilhelm Patzold als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dipl.Ing. Wolfgang W***, Angestellter, Korneuburg, Schaumannstraße 24/14, vertreten durch Dr. Johann K***, Sekretär der Gewerkschaft der Privatangestellten, Linz Volksgartenstraße 40, dieser vertreten durch Dr. Aldo Frischenschlager, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei V*** A*** AG, Linz Muldenstraße 5, vertreten durch Dr. Harry Zamponi ua, Rechtsanwälte in Linz, wegen S 1,288.899,23 sA, über die Revision und den Rekurs der klagenden Partei gegen das Teilurteil und den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 18. April 1989, GZ 12 Ra 13/89-25, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom 22. November 1988, GZ 15 Cga 1106/87-17, zum Teil bestätigt und zum Teil aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

Weder der Revision noch dem Rekurs wird Folge gegeben. Die Kosten des Revisionsverfahrens werden der Endentscheidung vorbehalten; die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war bei der Beklagten seit 1. April 1978 als Angestellter beschäftigt und mit der Konstruktion von Werkzeugmaschinen befaßt. Für dieses Werkzeugmaschinenprogramm sollten neue Märkte aufgebaut werden. Erhebungen auf dem amerikanischen Markt, die im Jahre 1985 durchgeführt wurden, ließen eine große Nachfrage nach diesen Maschinen erwarten, so daß sich die Beklagte entschloß, ein Team zusammenzustellen und in die USA zu entsenden. Der technische Angestellte Karl-Heinz G*** als Leiter des Teams entschied sich unter anderem für den Kläger, mit dem die Beklagte in der Folge einen Entsendungsvertrag abschloß. Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger einen "Nettobetrag" von S 1,288.899,23 sA. Nach dem Entsendungsvertrag sei die Dauer des Auslandseinsatzes mit zwei Jahren befristet gewesen. Die Beklagte habe diese Vereinbarung dadurch verletzt, daß sie ihn vorzeitig bereits zum 25. September 1986 zurückbeordert habe. Der Kläger habe seine finanziellen Ansprüche aus dieser Vertragsverletzung mehrmals geltend gemacht und nach Fristsetzung am 25. Februar 1987 seinen vorzeitigen Austritt erklärt. Ausgehend von einem gemäß § 3 Z 14 a EStG steuerfreien Monatsentgelt von S 79.244,83 machte der Kläger S 584.576,91 an Kündigungsentschädigung, S 90.050,94 an Urlaubsentschädigung, S 237.734,49 an Abfertigung, S 179.837,09 an Auslandsbezug, S 2.730,83 an Zusatzkrankenversicherung, S 23.996,67 an Überstundenpauschale, S 10.150,- an Aufwendungen für den PKW, S 19.166,65 als Abgeltung für nicht kosumierte Heimflüge und S 40.083,14 an Aufwendungen für die Wohnung geltend. Die Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Es sei kein fester Endtermin für den Auslandsaufenthalt des Klägers vereinbart worden. Die vorzeitige Rückberufung des Klägers sei aus wichtigen wirtschaftlichen Gründen erfolgt und der Kläger sei damit einverstanden gewesen. Er habe sich überdies im USA-Team unkooperativ erwiesen, habe Anordnungen eines Vorgesetzten nicht befolgt und habe es verabsäumt, während seines Heimaturlaubs Kontakt mit der Beklagten in Linz aufzunehmen. Auf Grund seines Fehlverhaltens und der Notwendigkeit zur Personalreduktion sei ein weiterer Verbleib des Klägers in den USA ausgeschlossen gewesen. Eine Steuerfreiheit für seine Bezüge komme nicht in Betracht, zumal seine Einkünfte seit 27. September 1986 nicht mehr unter den Ausnahmetatbestand des § 3 Z 14 a EStG gefallen seien. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit einem "Bruttobetrag" von S 1,269.732,58 sA statt und wies das auf einen Nettobetrag von S 19.166,65 sA gerichtete Mehrbegehren ab. Es stellte im wesentlichen fest:

In den Verhandlungen mit Direktor Dr. Jörg S*** und dem Teamleiter Karl-Heinz G*** bestand der Kläger insbesondere auf die Festlegung des Einsatzbeginns und der Einsatzdauer, da er seine privaten Angelegenheiten und die Verwendung seines Hauses und seines PKW entsprechend regeln wollte. Direktor Dr. S*** hielt dazu eine Einsatzdauer des Klägers vom 1. Jänner 1986 bis 31. Dezember 1987 fest. Am 19. November 1985 stellte der Kläger einen sogenannten "Reiseantrag", dem als Reisebeginn der 8. Jänner 1986 und eine Reisedauer von 24 Monaten aufscheint. Dieser Reiseantrag wurde genehmigt. Am 2. Dezember 1985 beantragte Dr. S*** die Ausstellung eines Entsendungsvertrages, wobei er den 1. Jänner 1986 als Einsatzbeginn nannte und die voraussichtliche Einsatzdauer mit 24 Monaten angab.

Mit Schreiben vom 10. Dezember 1985 teilte die Beklagte dem Kläger unter anderem folgendes mit:

"Betreff: Auslandseinsatz

Baustelle: Bethlehemsteel USA (ohne NY)

Einsatzbeginn: 86 01 08

Einsatzende: ca 88 01 07

Unter der Voraussetzung der ordnungsgemäßen Genehmigung des für diesen Auslandseinsatz erforderlichen Reiseantrages werden Sie im Einvernehmen mit Ihrer Abteilungsleitung zu der im Betreff angeführten Baustelle entsendet.

Die beiliegende Ausfertigung der "Allgemeinen Vertragsbedingungen für Entsendungen in das Ausland", Fassung März 1982, ist ein wesentlicher Bestandteil dieses Entsendungsvertrages.

Im Sinne der einzelnen Punkte dieser Vertragsbedingungen wird folgendes festgelegt:

Sofern dem nachstehenden Auslandsbezug ein Warenkorb zugrundegelegt wurde, gilt er vorbehaltlich neuerlicher Feststellungen über die Lebenshaltungskosten im Entsendungsland. Gemäß Punkt 3 erhalten Sie zusätzlich zum Monatsbruttogehalt einen Auslandsbezug in der Höhe von ÖS 13.270 brutto/pro Monat und zusätzlich erhalten Sie 39 US-Dollar pro Tag Anwesenheit auf der Baustelle.

Quartier wird kostenlos zur Verfügung gestellt.

Sie nehmen einverständlich zur Kenntnis, daß ausschließlich die Bedingungen gemäß dem vorliegenden Vertrag Gültigkeit haben, auch für den Fall, daß es aus irgendwelchen Gründen erforderlich sein sollte, zwischen Ihnen und der V*** New York ein formelles Anstellungsverhältnis zu begründen.

Für Sie wird eine Unfallversicherung mit folgenden Summen

abgeschlossen:

0.6 bis 0.9 (Tod/Invalidität in Mio S)

Neben der in der Flugkarte enthaltenen freien Beförderung des Reisegepäcks übernehmen wir die Kosten für Übergepäck wie folgt: .... Für die Anreise zur Baustelle und für Dienstreisen während Ihres Einsatzes, so er länger als zwei Monate dauert, sind die Reisekostenabrechnungen gesondert und innerhalb einer Frist von zwei Monaten an das Stammhaus zu schicken. Die endgültige Rückreise ist innerhalb von 14 Tagen abzurechnen.

Für die Dauer Ihres Einsatzes werden folgende

Zulagen/Prämien/Pauschalen gewährt:

Statik, PR

UEPAU, INLD

Änderungen dieser Vertragsbedingungen sind nur gültig, wenn sie schriftlich und firmenmäßig gezeichnet ausgeführt werden. Zum Zeichen ihres Einverständnisses ersuchen wir Sie, Ihre Anerkennung dieser Vereinbarung durch Ihre Unterschrift zu bestätigten.

Der Kläger bestätigte diese Vereinbarung mit seiner Unterschrift. In den Allgemeinen Vertragsbedingungen für Entsendungen in das Ausland heißt auszugsweise:

1.2. Einsatzdauer:

Die Einsatzdauer wird im Entsendungsvertrag festgelegt, wobei aus vorher nicht erkennbaren Umständen die Einsatzdauer um ein Viertel verlängert werden kann, vorausgesetzt, daß Sie mindestens ein Monat vor Ablauf der ursprünglich vorgesehenen Einsatzdauer von der zuständigen entsendenden Abteilung schriftlich im Weg der örtlichen Leitung davon verständigt werden. Ab einer Einsatzdauer von 12 Monaten darf diese Verlängerung nicht mehr als drei Monate betragen.

1.3. Unterstellungsverhältnis:

Ab dem Zeitpunkt des Eintreffens am Einsatzort werden Sie der jeweiligen örtlichen Leitung in allen Belangen der Koordination und Administration unterstellt. Sie haben sich den örtlichen Gepflogenheiten anzupassen und die Anweisung des örtlichen Leiters zu respektieren ...

3.3. Besteuerung:

3.3.1. Für begünstigte Tätigkeiten im Sinne des § 3 Z 14 a EStG:

3.3.1.1. Für allfällige ausländische Personalsteuern und ausländische Sozialversicherungsbeiträge kommt das Unternehmen auf. Als Abgeltung für die Übernahme der ausländischen Personalsteuer wird die fiktiv errechnete österreichische Steuer zu einem mit dem Betriebsrat zu vereinbarenden Prozentsatz einbehalten (derzeit 50 %), wobei es ohne Belang ist, ob und wieviel im Ausland an Steuern anfällt.

3.3.1.2. Da ausländische Steuern vom Unternehmen zu tragen sind, haben Mitarbeiter vor persönlichen Kontakten mit ausländischen Steuerbehörden die Vorgangsweise mit V*** A*** AG, Abteilung Finanzen-Steuerwesen, abzustimmen. Allfällige Schäden aus einem Verstoß gegen diese Regelung zu Lasten des einzelnen Mitarbeiters.

3.3.1.3. Kommt es zu einer Besteuerung im Ausland, ist hievon die Abteilung Finanzen-Steuerwesen unter Anschluß der entsprechenden Unterlagen (Bescheide, Zahlungsbelege) umgehend zu verständigen ... Der Kläger hätte kein anderes Datum als Einsatzende akzeptiert. Nachdem auch noch andere Forderungen des Klägers erfüllt worden waren, vergab er sein Haus für zwei Jahre und verkaufte seinen PKW. Er traf am 7. Jänner 1986 in den USA ein, wo das Team ein Büro im Haus der Firma H*** bezog. Das Arbeitsklima war von Anfang an schlecht. Es kam ständig zu Streitigkeiten, vor allem zwischen dem Kläger und dem Teamleiter G*** und zu wechselseitigen Vorwürfen der Kompetenzüberschreitung. Die Beklagte entsandte schon in den ersten Monate die Verkaufsleiter Dr. S*** und Dipl.Ing. B*** in die USA, um klare Kompetenzabgrenzungen zu treffen und den Zustand der Verkaufs- und Vertriebstätigkeit zu bestimmen.

Es hatte sich nämlich inzwischen herausgestellt, daß das Marktpotential bei weitem nicht so groß war, wie es im Jahre 1985 eingeschätzt worden war. Die vom Teamleiter G*** (damals) aufgezeigten Großprojekte konnten im Jahre 1986 nicht verwirklicht werden, da das Interesse der Kunden zufolge des Dollarverfalls nachgelassen hatte. Allerdings hatte auch G*** seinerseit schon darauf hingewiesen, daß die Verkaufstätigkeit nur dann lukrativ werde, wenn der Dollar nicht unter S 17,- sinke. Zum Zeitpunkt des Besuchs durch die beiden Verkaufsleiter befand sich der Dollar auf einem Tiefstand von ca. S 14,- oder S 15,-. Diese nahmen durch eine Arbeitsanweisung vom 25. April 1986 eine klare Kompetenzabgrenzung vor, worauf sich die Zusammenarbeit im Team etwas normalisierte. Im Juni 1986 verbrachte der Kläger einen 14-tägigen Urlaub in Linz. Die Beklagte ersetzte ihm zwar die Flugkosten, hielt ihm aber vor, daß er keinen Kontakt mit ihr aufgenommen habe. Der Kläger fand diesen Vorwurf als ungerechtfertigt.

Auf Grund der Berichte der Verkaufsleiter Dr. S*** und Dipl.Ing. B*** sowie des Teamleiters G*** mußte die Beklagte feststellen, daß sich der Export in die USA als unrentabel erweise und daß entsprechende Maßnahmen erforderlich sein würden. Es wurde daher beschlossen, das Team stufenweise abzubauen, wobei noch eine Messe in Chicago abgewartet werden sollte. Anläßlich dieser Messe sprachen der Geschäftsbereichsleiter für Maschinentechnik und Produktionstechnik, Dr. Helmut G***, Direktor Dr. Jörg S***, und der Chef des Vertriebes der Finalindustrie, Dipl.-Vw. Norbert J***, mit den Mitgliedern des Teams. Dr. G*** erläuterte die Notwendigkeit des Personalabbaus in den USA auf Grund der wirtschaftlichen Situation und der im Team herrschenden Streitigkeiten und ordnete an, daß der Teamleiter G*** und der Kläger nach der Messe nach Hause fahren müßten. Der technische Angestellte Kurt S*** sollte Ende des Jahres 1986

zurückkehren, wurde aber erst im April 1988 zurückberufen. Die Mitglieder des Teams nahmen die Entscheidung der Beklagten zur Kenntnis. Der Kläger lehnte die Rückberufung nicht ausdrücklich ab; er erklärte aber auch kein Einverständnis.

Der Kläger trat am 25. September 1989 die Heimreise an. Er erhielt vorerst keinen adäquaten Arbeitsplatz und verbrachte die erste Zeit nach der Rückkehr ohne Aufgaben und Arbeitszuweisung. Er machte Direktor Dr. S*** auf die Probleme seiner Rückreise aufmerksam. Ab November 1986 wurde der Kläger seiner Qualifikation entsprechend mit Entwicklungsaufgaben betraut. Da bekannt war, daß er aus dem Unternehmen ausscheiden werde, wenn sich seine finanziellen Forderungen aus dem Entsendungsvertrag nicht regeln ließen, erhielt er keine langfristigen Projekte.

Mit Schreiben vom 16. Jänner 1987 bezifferte der Kläger seine Ansprüche aus der einseitigen Vertragsänderung mit S 834.434,-. Am 28. Jänner 1987 kündigte er unter Setzung einer Nachfrist seinen vorzeitigen Austritt an. Die Beklagte reagierte auf keines dieser Schreiben. Daraufhin erklärte der Kläger mit 25. Februar 1987 seinen vorzeitigen Austritt wegen Vertragsbruchs.

Der Kläger bezog bei der Beklagten zuletzt monatlich ein Gehalt von S 27.920,- (14-mal jährlich), ein Überstundenpauschale von S 6.416,50 und eine Statikerzulage in Höhe von S 1.810,-. Ab 1. September 1986 betrug der Auslandsbezug S 35.780,-. Gemäß Schreiben vom 17. Oktober 1986 wurde das Überstundenpauschale in Höhe von S 6.260,- eingestellt. Für die Dauer der Tätigkeit in den USA wurde von der Beklagten die Prämie der Zusatzkrankenversicherung in Höhe von monatlich S 565,- gezahlt. Weiters wurden dem Kläger in den USA eine möblierte Wohnung samt Betriebskosten unentgeltlich zur Verfügung gestellt, ebenso ein eigener PKW, den dieser auch privat nützte, wie dies in den USA auch unumgänglich notwendig ist. Zum Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis waren aus dem Urlaubsjahr 1987 noch 25 Arbeitstage Urlaub offen. In den USA wurden die Wohnungen für die Dauer von zwei Jahren angemietet und auch die Leasingraten für den benützten PKW auf der Grundlage einer zweijährigen Nutzung gerechnet und gezahlt. Im Juni 1987 hat der Kläger S 24.955,10 netto, im Juli 1987 S 25.983,15 netto und im August 1987 S 30.348,65 netto verdient und muß seit Juni 1987 monatlich S 3.507,19 an Mietkosten zahlen. Für die Erlangung der Wohnung in Korneuburg mußte er einen Kredit aufnehmen, für den er eine Gebühr von S 1.040,- entrichtete.

Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß sich aus dem Entsendungsvertrag eine klar vereinbarte Vertragsdauer von 24 Monaten ergebe. Die Wendung "ca. 7.1.88" im Schreiben vom 10. Dezember 1985 sei dahin zu verstehen, daß der Auslandsaufenthalt mindestens bis zu diesem Zeitpunkt vorgesehen gewesen sei und damit lediglich auf die in den Allgemeinen Vertragsbedingungen angeführte allfällige Verlängerung Bezug genommen werde. Auf eine vorzeitige Beendigung des Vertragsverhältnisses sei weder dadurch noch in den Allgemeinen Vertragsbedingungen Bedacht genommen worden. Da sich die Beklagte eine Rückbeorderung aus wichtigen Gründen nicht vorbehalten habe, gingen wirtschaftliche Gründe allein zu ihren Lasten. Selbst wenn das Verhalten des Klägers zu einer Belastung des Teams geführt habe, hätte die Beklagte allenfalls nur eine Entlassung aussprechen können; sie sei aber keineswegs zur einseitigen Abänderung des Vertrags berechtigt gewesen. Mangels Ersatzes des finanziellen Schadens sei der Austritt des Klägers berechtigt erfolgt. Die Beklagte habe daher seinen Forderungen mit Ausnahme der Flugkosten für die Heimflüge, die ein Aufwandersatz seien, zu entsprechen. Dem Kläger gebührten überdies nur Bruttobeträge, da nach den Allgemeinen Vertragsbedingungen keine Nettobeträge vereinbart worden seien und ihm im Zeitpunkt seines vorzeitigen Austritts die Steuerbefreiung des § 3 Z 14 a EStG nicht mehr zugekommen sei.

Das Berufungsgericht bestätigte die teilweise Abweisung des Klagebegehrens als Teilurteil und hob die angefochtene Entscheidung im klagestattgebenden Teil unter Rechtskraftvorbehalt auf. Es vertrat die Rechtsansicht, daß der Kläger seinen Anspruch auf Abgeltung der nicht konsumierten Heimflüge nicht auf die Bestimmung des § 29 AngG stützen könne. Nach Punkt 5.4. der Allgemeinen Vertragsbedingungen für Entsendungen in das Ausland hätte der Kläger nur Anspruch auf Abgeltung eines Auslagenersatzes gehabt, nicht aber auf einen entsprechenden Entgeltbestandteil.

Hinsichtlich des klagestattgebenden Teils sei das erstgerichtliche Verfahren jedoch mangelhaft geblieben. Die Beklagte habe zu ihrem Vorbringen über die Dauer des Auslandsaufenthaltes des Klägers, die Ursachen für seine Rückberufung, die Höhe seiner Bezüge, die Berechtigung, einen PKW für Privatfahrten in Anspruch zu nehmen, die Überlassung einer Dienstwohnung, die Gewährung eines Auslandsbezuges als Aufwandsentschädigung und über die einvernehmliche Beendigung des Auslandsaufenthaltes, sohin für alle relevanten Fragen, die Einvernahme der Zeugen Dipl.Ing. Wolfgang B***, Dr. Wolfgang M*** und Helmut O*** beantragt

(ON 8). Das Erstgericht habe die Vernehmung dieser Zeugen beschlossen, jedoch ohne Begründung nicht durchgeführt, da es entgegen der Bestimmungen der §§ 914 ff ABGB der irrigen Meinung gewesen sei, bei diesen Vereinbarungen komme es nur auf die Auslegung der vorgelegten Urkunden und nicht auf die Parteienabsicht an. Das Beweisverfahren sei sohin in einem erheblichen Umfang ergänzungsbedürftig. Sei die angefochtene Entscheidung aber schon aus diesem Grund aufzuheben, habe das Erstgericht auch auf die in der Berufung weiters vorgebrachten zulässigen Neuerungen (§ 63 Abs.1 ASGG) betreffend ein Einverständnis des Klägers mit der Rückberufung, das Verhalten des Klägers nach seiner Rückkehr, den Aufwandscharakter der "Auslandsbezüge", die Schadenminderungspflicht und die Einrechnung im Sinne des § 29 Abs.1 AngG Bedacht zu nehmen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision und der Revisionsrekurs (richtig Rekurs) des Klägers mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne des Klagebegehrens. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantrage in ihrer Revisions- und Rekursbeantwortung, dem Rechtsmittel des Klägers nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Weder die Revision noch der Rekurs ist berechtigt.

Der geltend gemachte Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs.3 ZPO). Soweit das Berufungsgericht den klageabweisenden Teil des Urteils erster Instanz als Teilurteil bestätigte, hat es weder darüber abgesprochen, ob die übrigen Ansprüche des Klägers "netto" oder "brutto" zustehen, noch hatte es insoweit Veranlassung, darüber "mit Rechtskraftwirkung" zu entscheiden.

Wie das Berufungsgericht richtig erkannte, handelt es sich bei der Refundierung der Flugreisekosten nach Punkt 5.4. (Heimreisen) der Allgemeinen Vertragsbedingungen für Entsendungen in das Ausland nicht um einen Entgeltanspruch, sondern um einen Anspruch auf Ersatz von Auslagen und Aufwendungen (vgl. Martinek-Schwarz, AngG6 § 6 Erl.6, S. 195), der dann nicht zusteht, wenn tatsächlich keine Auslagen angefallen sind. Auch aus Punkt 5.4.2. der Allgemeinen Vertragsbedingungen ist für den Standpunkt des Revisionswerbers nichts zu gewinnen, da eine Aliquotierung dieser Kosten nur dann vorzunehmen ist, wenn die Heimreise "bedingt durch die Auftragsverhältnisse nicht möglich oder nicht vertretbar ist". Dieser Fall liegt aber hier nicht vor, weil der Kläger nicht aus diesen bestimmten Gründen an der Heimreise gehindert war, sondern weil er sich bereits in Linz befand und daher ein (weiterer) Heimflug nicht mehr erforderlich wurde. Abgesehen davon, daß nach Punkt 5.4.3. der Auslandseinsatz bezüglich der unter Punkt 5.4.2. geregelten Abfindung durch eine Urlaubsinanspruchnahme in der Heimat unterbrochen wird, entspricht es nicht den Feststellungen, daß die Beklagte dem Kläger die Kosten seines Heimflugs im Juni 1986 nicht ohnehin ersetzt hätte. Dem Kläger stehen daher auch keine anteiligen Flugreisekosten für Juli und September 1986 zu.

Hinsichtlich des Aufhebungsbeschlusses ist davon auszugehen, daß in den Fällen, in denen das Berufungsgericht der Ansicht ist, daß der Sachverhalt in der von ihm dargestellten Richtung noch nicht hinreichend geklärt ist, der Oberste Gerichtshof, weil er nicht Tatsacheninstanz ist, dieser Ansicht nicht entgegentreten kann. Es stellt sich daher lediglich die Frage, ob das Berufungsgericht nicht verpflichtet gewesen wäre, das Beweisverfahren im Sinne des § 496 Abs.3 ZPO selbst zu ergänzen. Diese Frage ist zu verneinen, da das erstgerichtliche Verfahren auf Grund irriger Rechtsansicht über die Auslegung der Entsendungsvereinbarung (vgl. dazu Rummel in Rummel ABGB § 914 Rz 4 ff) noch im erheblichen Umfange ergänzungsbedürftig ist und daher der Umfang des Prozeßstoffes und die Erweiterungen des Verfahrens noch gar nicht abzusehen sind (SZ 59/134 ua). Hebt das Berufungsgericht das Urteil der ersten Instanz aber aus diesen Gründen auf, hat das Erstgericht im fortgesetzten Verfahren auch über die im Berufungsverfahren vorgebrachten Neuerungen zu verhandeln und zu entscheiden (§ 63 Abs.2 ASGG; Kuderna, ASGG § 63 Erl. 10). Es mag sein, daß der in erster Instanz für die Beklagte einschreitende Angestellte Dr. Rainer L*** als rechtskundig anzusehen ist; er ist jedoch, wie der Revisionswerber selbst einräumt, keine qualifizierte Person im Sinne des § 40 Abs.1 ASGG. Die Beklagte war daher im Sinne des § 63 Abs.1 ASGG berechtigt, im Berufungsverfahren Neuerungen vorzubringen. Ob diese Vorgangsweise angesichts der andere Unternehmen weit überragenden Stellung der Beklagten den Intentionen des Gesetzgebers entsprach, ist insoweit ohne Belang. In der Sache selbst kann zu den einzelnen Ansprüchen des Klägers mangels jeglicher Feststellungen noch nicht abschließend Stellung genommen werden. Es ist lediglich dem Berufungsgericht allgemein darin beizupflichten, daß von einem ungebührlichen Vorenthalten des Entgelts nur dann gesprochen werden kann, wenn der Arbeitgeber gewußt hat oder infolge der ihm obliegenden Sorgfaltspflicht hätte wissen müssen, daß seine Vorgangsweise unrechtmäßig ist. Der Tatbestand des § 26 Z 2 AngG ist demnach nicht erfüllt, wenn nur eine objektive Rechtswidrigkeit vorliegt, insbesondere also, wenn über das Bestehen des Anspruches verschiedene Rechtsmeinungen vertreten werden können und daher der Ausgang eines diesbezüglichen Rechtsstreites nicht abzusehen ist (Arb. 9.082 uva). Die Sachverhaltsgrundlage ist dazu noch nicht eindeutig geklärt. Entgegen der Ansicht des Erstgerichtes ist eine Entsendungsvereinbarung, auch wenn sie im Rahmen des Arbeitsvertrages abgeschlossen wurde, eine eigene vertragliche Regelung, in der die mit der Entsendung zusammenhängenden Fragen gesondert geregelt werden; diese Sondervereinbarung hat ein eigenes rechtliches Schicksal (9 Ob A 130/88, 9 Ob A 164/88, 9 Ob A 131/89), so daß nicht unterstellt werden kann, daß dafür wirtschaftliche oder persönliche Kriterien schlechthin unbeachtlich seien. Die Sondervereinbarung begründet insbesondere kein selbständiges befristetes Arbeitsverhältnis. Jedem Dauerschuldverhältnis ist aber eine vorzeitige Auflösung aus wichtigem Grund schon seinem Wesen nach immanent (vgl. Schwarz-Löschnigg, Arbeitsrecht4 117 und 438). Es kann auch in der Natur einer derartigen Entsendung liegen, daß sie in erster Linie an einen bestimmten Erfolg, der erst die Erbringung der bedungenen Arbeitsleistung ermöglicht (vgl. Schwarz-Löschnigg, aaO 212 ff), orientiert ist. Kann dieser Erfolg auf Grund objektiver wirtschaftlicher Veränderungen oder auf Grund des subjektiven Verhaltens des Entsandten nicht verwirklicht werden, fällt damit unter Umständen die Geschäftsgrundlage (§ 901 ABGB; vgl. Rummel aaO § 901 Erl.3 und 6, insbesondere zur Abgrenzung zum unbeachtlichen Motivirrtum) für die in vorübergehender Ergänzung des Arbeitsvertrages vereinbarte Entsendung weg, ohne daß aus diesem Grunde schon eine Entlassung oder sonst eine Beendigung des an sich weiterbestehenden Arbeitsverhältnisses ausgesprochen werden müßte. Sind aber beide Teile für sie klar erkennbar davon ausgegangen, daß Voraussetzung der Entsendung die erfolgreiche Erschließung eines neuen Marktes für Werkzeugmaschinen der Beklagten war, wurde diese Voraussetzung ohnehin Vertragsinhalt (9 Ob A 513/88 mwH). Auch diesbezüglich ist der Sachverhalt noch ergänzungsbedürftig. Wie das Berufungsgericht weiters zutreffend aufzeigte, bedarf es im Falle eines - bisher offengebliebenen - Zurechtbestehens der Ansprüche des Klägers dem Grunde nach noch der weiteren Klärung, inwieweit den Auslandsbezügen des Klägers ganz oder zum Teil der Charakter von Aufwandsentschädigungen zukam, auf welche Differenzierung etwa schon der im Schreiben vom 10. Dezember 1985 erwähnte, auf die Lebensverhältnisse im Ausland abgestellte "Warenkorb" hinweist. Der Ersatz entgangener Aufwandsentschädigungen stünde dem Kläger im Sinne des § 12 AngG nämlich nur dann zu, wenn er von der Beklagten vertragswidrig (schuldhaft) daran gehindert worden wäre, solche zu verdienen (vgl. Martinek-Schwarz aaO § 12 Erl.3 und 4; Arb. 9.557 ua). Es müßte daher diesbezüglich erst die Entgeltkomponente derartiger Entschädigungen geprüft werden (vgl. Martinek-Schwarz aaO Erl.6 f; Arb. 8.905 ua), wie auch überhaupt die Begriffe "brutto" oder "netto" in diesem Zusammenhang nicht aussagekräftig sind, da etwa auch bei den Auslandsbezügen ein Abzug fiktiver Lohnsteuer vorzunehmen gewesen wäre. Die Arbeitsrechtssache erweist sich sohin insgesamt als noch nicht spruchreif. Die Kostenentscheidung ist in den §§ 52 Abs.1 und 2, 392 Abs.2 ZPO begründet.

Anmerkung

E19125

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:009OBA00239.89.1108.000

Dokumentnummer

JJT_19891108_OGH0002_009OBA00239_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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