Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Ekkehard B***, Rechtsanwalt, Dornbirn, Marktplatz 9, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen des Dkfm. Walter O***, wider die beklagte Partei D*** S***, Dornbirn, Bahnhofstraße 2, vertreten durch Dr. Josef Spiegel und Dr. Martin Spiegel, Rechtsanwälte in Dornbirn, wegen Anfechtung (Streitwert 372.323,85 S) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 22. Juni 1989, GZ 2 R 85/89-48, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 8. Dezember 1988, GZ 6 Cg 50/87-43, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Kläger ist schuldig, der beklagten Partei die mit 13.602,60 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 2.267,10 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Über das Vermögen des Dkfm. Walter O*** wurde mit Beschluß des Landesgerichtes Feldkirch vom 23. Jänner 1985, S 1/85, der Konkurs eröffnet und der Kläger zum Masseverwalter bestellt. Dieser ficht eine Reihe von Zessionen zugunsten der Beklagten an und verlangt im Revisionsverfahren noch die Zahlung von 372.323,85 s.A. Das Klagebegehren wurde von beiden Vorinstanzen abgewiesen, wobei diese von folgenden Feststellungen ausgingen:
Dkfm. O*** wickelte die Gebarung seine Stickereibetriebes über die R*** L*** ab. Dort hatte er einen besicherten Kontokorrentrahmenkredit, der ab 1. Oktober 1983 2,2 Mill S betrug, in der Folge aber überzogen wurde. Tatsächlich handelt es sich nicht um eine echte Darlehenshingabe, sondern es lag eine Überziehung von über 3 Mill S vor. Dkfm. O*** hatte vielfach in afrikanische Staaten exportiert, was ursprünglich zu keinen Schwierigkeiten geführt hatte. Solche traten ab 1982 auf, doch erwirtschaftete Dkfm. O*** noch im Jahre 1982 einen Gewinn. Zu Zahlungsverzögerungen gegenüber der Sozialversicherung kam es bereits im Jahre 1983. Ab Anfang 1984 kam es auch zu exekutiven Pfändungen durch Lieferanten, die sich im Laufe des Jahres 1984 häuften. Versteigerungen konnten allerdings bis zur Konkurseröffnung immer abgewendet werden. Auch das Platzen von Wechseln konnte Dkfm. O*** bis zur Jahreswende 1984/85 verhindern, obwohl sein Schuldenstand im Laufe des Jahres 1984 immer höher wurde. Allerdings hatte Dkfm. O*** auch Außenstände von 2 Mill. S bei afrikanischen Kunden, die jedoch dubios waren. Die letzte Bilanz des Gemeinschuldners wurde im August 1984 für das Jahr 1982 erstellt. Für die Jahre 1983 und 1984 lag keine Bilanz vor. Zur Beklagten trat Dkfm. O*** im Frühjahr 1984 in Verbindung. Dies war auf die Vermittlung seiner Tochter, die im selben Haus wohnte, in dem sich einer Filiale der Beklagten befand, zurückzuführen. Der Beklagten hat Dkfm. O*** nie von seinen finanziellen Schwierigkeiten mitgeteilt. Diese hatte hievon keine Kenntnis und zog darüber auch keinerlei Erkundigungen ein. Am 18. Mai 1984 kam es zwischen Dkfm. O*** und der Beklagten zu einem Rahmenzessionsvertrag, demzufolge ihm die Beklagte einen Exportfinanzierungskredit in laufender Rechnung bis zum Betrag von 124.500 S einräumte. Als Sicherheit unterfertigte Dkfm. O*** ein Blankoakzept. Weiter wurde vereinbart, daß der Beklagten als Sicherung von der Kontrollbank garantierte Forderungen abzutreten seien, deren Gegenwert den jeweils ausgenützten Kreditbetrag um mindestens 20 % übersteigen mußten. Bei den in der Folge zur Sicherung abgetretenen Forderungen handelte es sich zum größten Teil um ein Dokumenteninkasso. Die gesamten Dokumente wurden der Beklagten übergeben, die die Ware nur gegen Bezahlung auslieferte. Die Zessionen wurden gegenüber den Kunden offen gelegt. Das Dokumenteninkasso wurde von der Beklagten sehr genau geführt. Wollte Dkfm. O*** eine Bevorschußung von Rechnungen, so ging er mit der Rechnung bzw den Papieren zum Prokuristen der Beklagten, der über jede Forderung eine Zessionsliste erstellte und sich die Forderung auch von der Kontrollbank bestätigen ließ. Zur Offenlegung der Zessionen trug der Prokurist jede Forderung in ein gebundenes Warenausgangsbuch des Dkfm. O*** ein. In weiterer Folge funktionierte dieses Dokumenteninkasso bzw die Bezahlung der abgetretenen Forderungen vorbildlich, weil es sich um Rechnungen an zahlungskräftige und gute Kunden handelte. Während der gesamten Zeit der vertraglichen Beziehungen zwischen Dkfm. O*** und der Beklagten kam es nur fallweise zu geringfügigen Überziehungen, denen jedoch jeweils ausreichende Deckung in Devisen gegenüberstand. Diese Überziehungen waren nicht auf Schwierigkeiten bei Dkfm. O***, sondern auf Umstände zurückzuführen, die meistens bei der Beklagten lagen. Sie wurden auch stets umgehend beseitigt.
Bis zur Konkurseröffnung gingen aufgrund zedierter Forderungen bei der Beklagten 416.374,48 S ein, wovon jeweils 83,3 % belehnt wurden. Am Tag der Konkurseröffnung (23. Jänner 1985) langte auf dem Konto des Gemeinschuldners bei der Beklagten eine Überweisung des Finanzamtes von 25.359 S ein. Diese Überweisung verwendete die Beklagte zur Abdeckung des noch offenen Saldos.
Am 29. Dezember 1984 hatte der Gemeinschuldner der Beklagten eine Rechnung über 31.381,66 S und am 7. Jänner 1985 eine Rechnung über 15.046,85 S abgetreten. Die Zahlungen auf diese Rechnungen erfolgten jedoch trotz der offenen Zessionen nicht an die Beklagte, sondern nach Konkurseröffnung an den Masseverwalter, der den entsprechenden Gegenwert für die Masse vereinnahmte. Bezüglich dieser Beträge macht die Beklagte im vorliegenden Prozeß Kompensation geltend.
Mit der R*** L*** hat die Beklagte wegen des Dkfm. O*** nie Kontakt aufgenommen, weil sie zu diesem Institut in scharfer Konkurrenz steht und gehofft hatte, Dkfm. O*** als Kunden zu gewinnen.
Die Vorinstanzen haben mit Ausnahme der Zahlung des Finanzamtes von 25.359 S das Vorliegen eines Anfechtungstatbestandes verneint. Der letztgenannten Zahlung stehen jedoch infolge der Vereinnahmung abgetretener Forderungen durch den Masseverwalter übersteigende Gegenforderungen gegenüber.
Ein Anfechtungsgrund nach § 30 KO (wegen Begünstigung) liege deshalb nicht vor, weil es sich bei den Zessionen um kongruente Deckungen gehandelt habe. § 31 Abs 1 Z 2 erster Fall scheide aus, weil nach dem Kredit- und Rahmenzessionsvertrag die einzelnen Zessionen als Zug-um-Zug-Geschäft zu beurteilen seien. Auch eine Anfechtung nach § 31 Abs 1 Z 2 zweiter Fall KO komme nicht in Frage, weil bei Vertragsabschluß zwar Zahlungsunfähigkeit des Gemeinschuldners vorgelegen habe, das Nichtkennen dieser Zahlungsunfähigkeit der Beklagten jedoch nicht als Verschulden angelastet werden könne.
Rechtliche Beurteilung
Die vom Kläger gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision ist nicht berechtigt.
Die Revision wird überhaupt nur hinsichtlich des Anfechtungstatbestandes nach § 31 Abs 1 Z 2 zweiter Fall KO ausgeführt. Es kann daher bezüglich der weiteren Anfechtungsgründe auf die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes verwiesen werden.
Nach dem noch offenen Anfechtungstatbestand des § 31 Abs 1 Z 2 zweiter Fall KO sind nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit vorgenommene Rechtshandlungen des Gemeinschuldners anfechtbar, wenn dem anderen Teil die Zahlungsunfähigkeit bekannt war oder bekannt sein mußte. Der Tatbestand des Kennenmüssens (daß die Beklagte die Zahlungsunfähigkeit des Gemeinschuldners nicht kannte, steht fest) ist dann erfüllt, wenn die Unkenntnis des Anfechtungsgegners auf einer Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt beruht; wobei leichte Fahrlässigkeit des Anfechtungsgegners genügt (SZ 57/87, SZ 55/65 ua). Die Frage, ob die Zahlungsunfähigkeit dem Anfechtungsgegner bekannt sein mußte, ist eine Rechtsfrage. Der Anfechtungsgegner ist jedoch beweispflichtig für die Umstände, die den Schluß rechtfertigen, daß dem Gegner die Zahlungsunfähigkeit bekannt sein mußte (JBl 1983, 654, SZ 40/146, SZ 57/87 ua). Demnach trifft also den Masseverwalter, der eine Rechtshandlung anficht, die Behauptungs- und Beweislast sowohl für den objektiven als auch für den subjektiven Tatbestand (SZ 59/216), SZ 54/39 ua). Allein das Vorbringen des Klägers ergibt das Substrat, aus dem die Berechtigung des Begehrens abzuleiten ist (RZ 1977/165 ua). Demnach hat der ein Rechtsgeschäft oder eine Rechtshandlung anfechtende Masseverwalter jene Tatsachen zu behaupten, aus denen der Anfechtungstatbestand abzuleiten ist, also auch jene Umstände, die eine rechtliche Beurteilung im Hinblick auf ein Kennenmüssen der Zahlungsunfähigkeit ermöglichen. Wenn daher nicht behauptet wurde, daß der Anfechtungsgegner aufgrund eines länger zurückliegenden Insolvenzverfahrens bezüglich der Zahlungsfähigkeit des späteren Gemeinschuldners Schlußfolgerungen ziehen hätte müssen, so hat dieser Umstand bei der Beurteilung in Richtung Fahrlässigkeit außer Betracht zu bleiben. Die Berufungsinstanzen haben sich daher mit Recht mit der Frage eines allfälligen früheren Insolvenzverfahrens gegen den Gemeinschuldner nicht beschäftigt.
Bei Rechtsgeschäften, die während der Krise abgeschlossen werden, erscheint es sachgerecht, den Anfechtungsgegner, der um die Vermögenslage seines Vertragspartners weiß oder davor fahrlässig die Augen verschließt, mit jenen Risken der Verschlechterung der Befriedigungsaussicht der Gläubiger zu belasten, die ihm im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses objektiv erkennbar waren (SZ 57/87, WBl 1988, 374 ua). Ob dem Anfechtungsgegner Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist oder nicht, wird man immer nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen haben. Eine allgemeine Regel darüber, welche Schritte eine Bank bei Kreditgewährung zu unternehmen hat, um sich gegen den Vorwurf der Fahrlässigkeit abzusichern, kann nicht aufgestellt werden. Eine Rolle werden hiebei sicher die Höhe des Kreditrahmens, die Umstände, unter denen der Kredit aufgenommen wurde und die Vorkommnisse während des Laufes des Kredites spielen. Das Bemühen um einen besonders hohen Kredit mag unter Umständen einen Zweifel an der Zahlungsfähigkeit des Kreditwerbers begründen. Im vorliegenden Fall wurde der Kredit jedoch nur bis zu einem Betrag gewährt, der im Geschäftsleben als Kleinkredit anzusehen ist. Derartige Kleinkredite sind im Bankverkehr im allgemeinen als laufende Routinefälle anzusehen, bezüglich derer man von der Bank keine allzu strenge Prüfung des Kreditwerbers verlangen kann. Dazu kommt, daß die Art der Besicherung des Kredites nahezu einer jeweiligen Barzahlung gleichzuhalten war. Bei Kleinkrediten ist es aber zweifelsohne nicht üblich, daß die Bank vom Kreditwerber detaillierte, urkundenbelegte Auskünfte verlangt, etwa die Bilanzen der letzten Jahre. Sicher wird es Fälle geben, in denen man von der Bank die Einholung näherer Auskünfte über den Kreditwerber verlangt, etwa auch Auskünfte von einem Konkurrenzunternehmen. Bei unverdächtigen Routinefällen wird man jedoch eine solche Kontaktnahme zu Konkurrenzunternehmen nicht verlangen können. Schließlich muß einem Kreditunternehmen zugebilligt werden, daß es sich um das Überwechseln von Kunden anderer Unternehmen bemüht. Ein derartiges Bemühen wäre aber auf die Dauer unmöglich, wenn in jedem Einzelfall Erkundigungen beim bisherigen Kreditgeber des umworbenen Kunden eingeholt werden müßten. Im vorliegenden Fall ist noch zu berücksichtigen, daß es sich bei Dkfm. O*** um einen erfolgreichen Geschäftsmann gehandelt hat, der erst durch eine vor kurzem in der gesamten Branche auftretende Krise in Schwierigkeiten geraten ist. Die Tatsache, daß er bei der Beklagten um einen betragsmäßig geringen Kredit angesucht hat und hiefür erstklassige Sicherung anbot, mußte noch keinesfalls den geringsten Zweifel an seiner Zahlungsfähigkeit hervorrufen. Daß aber sonstige Umstände vorlagen, die einen solchen Zweifel nahegelegt und die daher die Beklagte zu weiteren Prüfungsmaßnahmen verpflichtet hätten, steht nicht fest.
Mit Recht haben die Vorinstanzen sohin mit Ausnahme des Betrages von 25.359 S das Vorliegen eines Anfechtungstatbestandes schon mangels fahrlässigen Nichtkennens der Zahlungsunfähigkeit des Klägers durch die Beklagte verneint und daher das Klagebegehren - bzgl. des letztgenannten Begehrens wegen Kompensation - abgewiesen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
Anmerkung
E19308European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1989:0070OB00694.89.1109.000Dokumentnummer
JJT_19891109_OGH0002_0070OB00694_8900000_000