Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes HonProf. Dr. Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch, Dr. Huber, Dr. Schwarz und Dr. Graf als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Franz S***, geboren am 20. September 1930 in Frauendorf, Gendarmeriebeamter, Nißlstraße 19, 4040 Linz, vertreten durch Dr. Rudolf Pum, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei Maria S***, geboren am 9.Juni 1924 in Reichenau an der Maltsch, Hausfrau, Lindemayrstraße 11, 4020 Linz, vertreten durch Dr. Harry Zamponi, Rechtsanwalt in Linz, wegen Ehescheidung infolge Revision der klagenden und der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 14.Juni 1989, GZ 3 R 97/89-35, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 30. Dezember 1988, GZ 3 Cg 15/87-29, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:
Spruch
1.) Die Revision des Klägers wird insoweit zurückgewiesen, als sie die Scheidung der Ehe aus dem Alleinverschulden der Beklagten begehrt;
2.) im übrigen wird beiden Revisionen nicht Folge gegeben. Die Kosten des Revisionsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Streitteile haben am 6.Juli 1957 vor dem Standesamt Linz die Ehe geschlossen. Ihre häusliche Gemeinschaft ist seit Mai 1983 aufgehoben. Die Ehe ist unheilbar zerrüttet.
Der Kläger begehrte die Scheidung der Ehe aus dem Verschulden der Beklagten, "hilfsweise" auch nach § 55 EheG, und brachte vor:
Zur Zerrüttung der Ehe hätten zahlreiche hysterische Wutanfälle und starke Aggressionen der Beklagten geführt. Sie habe ihn in der Öffentlichkeit aus unbegründeter Eifersucht beschimpft. Er habe ihr vergeblich klar zu machen versucht, daß er keine außerehelichen Beziehungen habe. Etwa ein Jahr vor Einbringung der Klage habe sie die Erfüllung der ehelichen Pflichten verweigert. Die Beklagte gehe weitgehend ihre eigenen Wege; sie habe im Jahre 1981 ohne Rücksprache mit ihm alleine einen Urlaub in Spanien verbracht. Seine Versuche, eine Sanierung der ehelichen Gemeinschaft herbeizuführen, seien fehl geschlagen. Wegen eines angeblichen Vorfalls vom 5.11.1983 habe die Beklagte bewußt wahrheitswidrig eine Strafanzeige gegen ihn wegen Raubes erstattet.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und für den Fall der Scheidung gemäß § 55 EheG die Feststellung des Alleinverschuldens des Klägers an der Zerrüttung der Ehe; sie wendete ein:
Die Vorwürfe des Klägers gegen sie entbehrten jeder Grundlage. Bis 30.1.1983 sei es häufig zu geschlechtlichen Beziehungen zwischen den Streitteilen gekommen. Seit einiger Zeit, mindestens seit Herbst 1982, unterhalte der Kläger jedoch ein ehebrecherisches Verhältnis. Seither verletze er seine Unterhaltspflicht gröblich. Zuvor habe er durch Jahre hindurch ein Verhältnis mit einer anderen Frau gehabt. Ihre Strafanzeige über den Vorfall vom 5.11.1983 entspreche den Tatsachen.
Das Erstgericht schied die Ehe der Streitteile und stellte im Spruch fest, daß sie die Zerrüttung der Ehe zu gleichen Teilen herbeigeführt haben. Es traf - zusammengefaßt dargestellt - folgende Feststellungen:
Die ersten Jahre der Ehe verliefen ganz gut. Der Kläger war damals in der Kaserne in Vöcklabruck und kam nur an den Wochenenden nach Hause. Dies ging etwa bis zum Jahre 1973/74, dann vermutete die Beklagte, daß der Kläger Verhältnisse zu anderen Frauen habe. Sie hielt ihm dies unter Beschimpfungen vor. Dabei hieß sie ihn einen Trottel, erklärte, daß er zu blöd sei und ähnliches. Die Beklagte regte sich stark auf und es kam - zumal sie über eine laute Stimme verfügte - immer wieder zu Eskalationen, aber auch zu Tätlichkeiten. So schlug die Beklagte dem Kläger einmal mit dem Telefonhörer auf den Kopf, so daß er blutete. Ab dem Jahr 1982 hielt die Beklagte dem Kläger wiederholt vor, ein ehewidriges Verhältnis zu einer Frau namens F*** zu haben. Zwischen dem Kläger und dieser Frau bestanden tatsächlich ehewidrige Beziehungen:
Diesem Verhältnis des Klägers war die Beklagte dadurch auf die Spur gekommen, daß längere Zeit hindurch mehrmals am Tag in der Wohnung angerufen wurde, sich aber niemand gemeldet hatte. Der Kläger besuchte Hildegard F*** in der Wohnung, wenn deren Ehemann nicht anwesend war. Sie brachte dem Kläger aber auch Essen in seine Dienststelle. Die Tochter der Streitteile, Friederike L***, die im Krankenhaus arbeitete, erzählte der Beklagten, daß sie im Dienst gehört habe, sie werde einen Bruder oder eine Schwester bekommen, wobei die Mutter Hildegard F*** sein solle. Diese hatte damals tatsächlich eine Bauchhöhlenschwangerschaft. Als die Beklagte den Kläger zur Rede stellte, erklärte er, daß er nicht wisse, ob das Kind von ihm sei oder von deren Ehemann.
Hildegard F*** machte der Beklagten auch Mitteilung über ein Verhältnis zwischen dem Kläger und einer Frau namens R***. Sie teilte ihr mit, daß sie sich mit dieser über den Kläger ausgesprochen habe. Weiters erzählte Hildegard F*** der Beklagten, daß sie dem Kläger ein Hemd um S 500,-- oder S 600,-- gekauft habe und daß sie den Kläger mit Maria R*** einkaufen gesehen habe. Sie habe wahrgenommen, daß der Kläger diese küßte. Hildegard F*** habe zum Kläger, der kleiner ist als Maria R***, gesagt, "Du läufiger Hund, soll ich Dir ein Stockerl bringen".
Bis zu dem Zeitpunkt, zu welchem die Beklagte vom Verhältnis des Klägers zu Hildegard F*** erfuhr, war die Ehe ganz gut. Von Scheidung war damals nicht die Rede. Danach beschimpfte sie Hildegard F*** in Kaufhäusern und im Vorhaus des Hauses, in dem Hildegard F*** wohnte.
Im Herbst 1982 war die Freundschaft zwischen dem Kläger und Maria R*** bereits so eng, daß der Kläger mit ihr einkaufen ging und sich in ihrer Wohnung aufhielt. Am 11.10.1982 holte die Beklagte den Kläger sogar aus der Wohnung von Maria R***. Am 17.3.1983 wurde der Kläger vom Detektiven A***
beobachtet, als er sich um etwa 18 Uhr in das Haus Rosenauerstraße 39, in dem Maria R*** wohnte, begab, und es erst um etwa 23,25 Uhr wieder verließ. Am 18.3.1983 wurde er neuerlich gesehen, wie er um etwa 18 Uhr in dieses Haus ging und es erst um 23,30 Uhr wieder verließ. Die Beklagte vermutete, daß sich der Kläger darüber hinaus des öfteren bei Maria R*** aufhielt und dort auch übernachtete, dies insbesondere im Jänner 1983, als sich die Beklagte im Krankenhaus befand. Bei Begegnungen zwischen der Beklagten und Maria R*** kam es zu gegenseitigen Beschimpfungen und Vorwürfen.
Noch bevor Maria R*** den Kläger kennengelernt hatte, hatte ihr die Beklagte mehrmals erklärt, daß sie den Kläger nicht mehr wolle, daß er ohnedies ein "Trottel" sei, daß keinerlei Beziehungen mehr zwischen ihnen bestünden und daß es ihr lieber sei, wenn er gehe, dies unter der Voraussetzung, daß er ihr S 5.000,-- an Unterhalt bezahle. Sie hatte Maria R*** auch das Zimmer gezeigt, in welchem der Kläger alleine schläft. Seit wann Maria R*** ein intimes Verhältnis zu dem Kläger unterhält, konnte nicht festgestellt werden. Jedenfalls besteht derzeit noch ein solches, die beiden wohnen aber nicht zusammen.
Im Mai 1983 zog der Kläger aus der ehelichen Wohnung aus. Zuvor hatte die Beklagte dem Kläger den Vorschlag gemacht, die Sache mit Hildegard F*** auf sich beruhen zu lassen und es nochmals gemeinsam zu versuchen. Der Kläger lehnte dies aber ab, weil er befürchtete, daß das Verhalten der Beklagten ihm gegenüber dadurch keine Veränderung erfahren werde.
Am 5.11.1983 erklärte die Beklagte bei der Bundespolizeidirektion Linz, daß der Kläger und zwei seiner Freundinnen, Maria R*** und Gertrud M***, auf sie zugegangen seien und von ihr den Fotoapparat, den sie in der Plastiktasche bei sich gehabt habe, gefordert hätten. Da sie den Apparat nicht hergegeben habe, hätten ihr alle drei Personen in den Rücken geschlagen und den Fotoapparat entrissen. Der Kläger stellte den Vorfall hingegen so dar, daß er mit seiner Freundin Maria R*** und einer Bekannten zusammengetroffen sei. In diesem Moment habe ihm die Beklagte den Fotoapparat, den er bei sich getragen habe, entreißen wollen; dabei sei es zu einem Handgemenge gekommen, an dem auch Gertrude M*** beteiligt war. Bei der von der Beklagten behaupteten Rückenverletzung handle es sich um eine alte Verletzung.
Mit dem Urteil des Landesgerichtes Linz vom 24.6.1985 wurden der Kläger, Maria R*** und Gertrude M*** schuldig erkannt, am 5.11.1983 die Beklagte angegriffen und ihr eine schwere Körperverletzung, nämlich einen Kompressionsbruch des 12. Brustwirbels verbunden mit einer Gesundheitsstörung von mehr als 24 Tagen zugefügt zu haben und sie außerdem durch Gewalt zu einer Duldung, nämlich zur Wegnahme eines Fotoapparates, genötigt zu haben. Mit dem Urteil des Oberlandesgerichtes Linz vom 2.12.1986 wurden der Beklagte, Maria R*** und Gertrude M*** vom Verdacht des Vergehens der schweren Körperverletzung und des Vergehens der Nötigung jedoch rechtskräftig freigesprochen. Nach der Begründung konnte nicht ausgeschlossen werden, daß die Beklagte sich bei dem Versuch, dem Kläger den Fotoapparat zu entreißen, durch einen Sturz die Verletzungen selbst zugezogen hat.
In der Beziehung der Streitteile hatte es von Beginn an Schwierigkeiten mit der Erziehung der gemeinsamen Tochter Friederike L*** gegeben. Der Kläger wollte, daß die Tochter im Haushalt der Streitteile bleibt, die Beklagte war dagegen. Es kam zu verschiedentlichen, vom Erstgericht bis in Einzelheiten festgestellten Zerwürfnissen, die sich Jahre hindurch dahinzogen und jeweils verschiedene Ursachen hatten.
Der Kläger hatte immer den Eindruck, daß er der Beklagten nichts recht machen konnte. Er durfte nicht Fernsehen; wenn er deshalb zu seinem Schwiegersohn ging, der im selben Haus wohnte, war dies der Beklagten auch nicht recht. Die Beklagte schrie den Kläger an und gab ihm dabei alle möglichen Namen. Sie nannte ihn einen Trottel, erklärte, daß er zu blöd sei udgl. Der Kläger gab seiner Frau sein Gehalt, die ihm dann S 200,-- oder S 300,-- übergab. Er durfte den PKW nicht anrühren und mußte mit dem Rad zur Arbeit fahren. Als er dann 1981 oder 1982 das Konto sperren ließ, von dem die Beklagte das Gehalt behob, wurde das Verhältnis noch schlechter. Die Beklagte schlug ihm dann vor, ihm das Wohnungsrecht im Haus einzuräumen. Auch nach dem Auszug des Klägers aus der Ehewohnung kam es noch zu Auseinandersetzungen. So riß ihm die Beklagte einmal auf der Straße die Brille vom Gesicht.
Mit Maria R*** war der Kläger im September 1982 bei deren Bruder in St.Veit. Zu diesem Zeitpunkt hatte er der Beklagten den Autoschlüssel weggenommen. Die Beklagte war mehrere Male im Landesgendarmeriekommando beim Vorgesetzten des Klägers, wo sie sich über ihn und die Ehe beklagte und auch erklärte, daß sie ihn des Amtsmißbrauches verdächtige.
Noch vor dem Auszug des Klägers fuhr die Beklagte einmal mit einer Werbefahrt nach Spanien, ohne dies dem Kläger vorher mitzuteilen. Sie schrieb einen Zettel, daß sie in einer Woche wieder käme. Es kam auch öfters vor, daß die Beklagte mit dem Auto wegfuhr, ohne dem Kläger zu sagen, wo sie sich aufhielt.
Die Beklagte übereignete das Haus ihrer Tochter (aus erster Ehe) Sieglinde, weil sie das Haus mit dem Vater Sieglindes erbaut hatte und nicht wollte, daß nach ihr jemand anderer dieses Haus bekommt. Die Beklagte weist in ihrer Persönlichkeitsstruktur neurotische Mechanismen auf, die sich insbesondere in einer organisch nicht begründbaren psychischen Starre und in einer Tendenz zu unzweckmäßigen Handlungswiederholungen auswirken. Bei diesen neurotischen Mechanismen handelt es sich aber um eine geringfügige Abweichung von der Norm. Die Beklagte regte sich wegen der Beziehungen des Klägers zu anderen Frauen sehr auf. Rechtlich war das Erstgericht der Ansicht, daß die eheliche Gemeinschaft der Streitteile seit mehr als 6 Jahren aufgehoben sei. Es sei daher nur zu prüfen, wen das Verschulden an der Zerrüttung der Ehe treffe. Bei Abwägung des Verhaltens der Streitteile, nämlich einerseits des in Beschimpfungen des Klägers ausartenden Verhaltens der Beklagten, die im Kläger das Gefühl erweckten, sie achte und schätze ihn nicht, und andererseits der ehewidrigen Beziehungen des Klägers zu anderen Frauen, müsse davon ausgegangen werden, daß das Verschulden der Ehepartner an der Zerrüttung der Ehe gleich schwer wiege. Der Auszug des Klägers aus der Ehewohnung sei nur mehr der letzte Schritt gewesen. Die Frage der Unterhaltsverletzung sei von untergeordneter Bedeutung.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten teilweise Folge und änderte das angefochtene Urteil dahin ab, daß es das Scheidungsbegehren aus dem Verschulden der Beklagten abwies, im übrigen aber die Ehe schied und das überwiegende Verschulden des Klägers an der Zerrüttung der Ehe feststellte. Entgegen der Auffassung des Erstgerichtes sei die eheliche Gemeinschaft der Streitteile bei Schluß der Verhandlung erster Instanz noch nicht seit 6 Jahren, wohl aber seit 3 Jahren aufgehoben. Dem Scheidungsbegehren nach § 55 Abs.1 EheG sei die Beklagte nicht entgegengetreten, sondern habe nur einen Mitschuldantrag gemäß § 61 Abs.3 EheG gestellt. Dieser sei insoweit berechtigt, als den Kläger tatsächlich das überwiegende Verschulden an der Zerrüttung der Ehe treffe. Wohl könne ein Verschulden der Beklagten nicht gänzlich verneint werden; ihr festgestelltes Verhalten gegenüber der gemeinsamen Tochter und dem Kläger könne nicht ausschließlich mit Reaktionen auf ein vorangegangenes Verhalten des Klägers erklärt und entschuldigt werden. Dieses Zerrüttungsverschulden der Beklagten trete aber gegenüber jenem des Klägers weit in den Hintergrund. Dieser habe nämlich nicht versucht, die Ehe zu retten, sondern sich in ehebrecherische Beziehungen mit anderen Frauen geflüchtet. Durch sein Verhalten sei die Zerrüttung der Ehe unheilbar geworden, weil er den Vorschlag der Beklagten im April 1983, es noch einmal gemeinsam zu versuchen, ablehnte, anschließend die häusliche Gemeinschaft aufgab und seine Beziehung zu Maria R*** aufnahm bzw. intensivierte. Der Vorfall vom 5.11.1983 sei von untergeordneter Bedeutung, weil er nur dem Verschulden des Klägers mehr Gewicht verleihen, nicht aber das Verschulden der Beklagten beseitigen könnte. Dafür, daß sie die Anzeige bewußt wahrheitswidrig erstattet hätte, fehle jeder Anhaltspunkt. Auf § 49 EheG gestützte Eheverfehlungen der Beklagten seien verjährt.
Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richten sich die Revisionen des Klägers und der Beklagten. Beide stützen sich auf den Anfechtungsgrund des § 503 Z 4 ZPO. Der Kläger beantragt die Abänderung des angefochtenen Urteiles derart, daß die Ehe der Streitteile aus dem alleinigen Verschulden der Beklagten geschieden werde oder ein Mitschuldausspruch nach § 61 Abs.3 EheG unterbleibe. Die Beklagte begehrt, das Alleinverschulden des Klägers an der Zerrüttung der Ehe auszusprechen. Beide stellen auch entsprechende Aufhebungsanträge.
In den Revisionsbeantwortungen beantragen sie, der Revision der Gegenseite nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Beide Revisionen sind nicht berechtigt.
1.) Zur Revision des Klägers:
Der Kläger ließ das erstgerichtliche Urteil auf Scheidung der Ehe aus beiderseitigem Verschulden unbekämpft. Soweit sein Revisionsantrag dies negiert, ist er auf die Teilrechtskraft der Entscheidung des Erstgerichtes zu verweisen.
Im übrigen macht der Kläger nicht etwa als Verfahrensmangel vor dem Berufungsgericht geltend, daß dieses Gericht über das erstgerichtliche Urteil hinaus zur Abweisung des auf § 49 EheG gestützten Scheidungsbegehrens gelangte; er vertritt lediglich den Standpunkt, daß die von ihm unter diesem Klagegrund geltend gemachten Eheverfehlungen im Gegensatz zur Auffassung des Berufungsgerichtes nicht verjährt seien. Demgegenüber hat das Berufungsgericht in seiner zusammenfassenden Beurteilung des festgestellten Verhaltens beider Ehegatten zutreffend darauf verwiesen, daß keine das Scheidungsbegehren nach § 49 EheG rechtfertigende Eheverfehlungen der Beklagten festgestellt wurden, die innerhalb der im § 57 EheG normierten Halbjahresfrist gelegen wären. Es ist zwar richtig, daß das Erstgericht nicht genau festgestellt hat, wann die Beklagte ankündigungslos nach Spanien fuhr; aus dem eigenen Vorbringen des Klägers ist aber zu entnehmen, daß dies schon im Jahr 1981 und daher außerhalb der Frist des § 57 EheG der Fall war (vgl. AS 2 unten). Den insoweit summarisch gehaltenen Ausführungen des Klägers kann somit kein Vorfall entnommen werden, der die Auffassung des Berufungsgerichtes in diesem Belang widerlegt.
Entgegen seinem weiters in der Revision vertretenen Standpunkt kann dem Kläger auch nicht darin gefolgt werden, daß die festgestellten Verhaltensweisen der Beklagten bei Beurteilung ihres Mitschuldantrages nach § 61 Abs.3 EheG vom Berufungsgericht nicht entsprechend ihrem Unrechtsgehalt beurteilt worden wären:
Im Vordergrund stehen die schweren Verstöße des Klägers gegen die eheliche Treue. Diese kränkten die Beklagte zutiefst und veranlaßten sie zu den festgestellten Beschimpfungen und Beschuldigungen. Ihre dabei übers Ziel schießenden Äußerungen und Maßnahmen dürfen nicht dazu führen, den vom Kläger bis zum Auszug aus der gemeinsamen Wohnung immer wieder unter Beweis gestellten wirklichen Mangel an wahrer ehelicher Gesinnung als weniger ehewidrig zu beurteilen. Es mußte die Beklagte besonders hart treffen, daß sie nicht nur in der Familie, sondern auch in der Öffentlichkeit als Ehefrau durch die Gerüchte um die Schwangerschaft einer Geliebten des Klägers gedemütigt wurde. Seine Erklärung dazu, nicht zu wissen, ob das Kind von ihm oder dem Ehemann dieser Frau sei, mußte die Beklagte besonders stark kränken und zeigt die mangelnde eheliche Gesinnung des Klägers mit einprägsamer Deutlichkeit auf. Bei seinem Verhältnis zu Hildegard F*** blieb es jedoch nicht. Die von den Voristanzen festgestellte Liebschaft zu Maria R*** verlief ähnlich kränkend für die Beklagte und läßt in ihrer Tragweite nur den Schluß zu, daß der Kläger für die Beklagte überhaupt kein eheliches Verständnis mehr hatte. Es ist richtig, daß das überwiegende Verschulden an der Zerrüttung der Ehe nur bei augenscheinlichem Hervortreten desselben festgestellt werden dar; gerade dies ist aber bei Bedachtnahme auf den festgestellten Sachverhalt in seiner Gesamtheit hier zum Nachteil des Klägers der Fall. Die gegenteiligen Argumente scheitern daran, daß seine Verstöße gegen die eheliche Treue besonders schwerwiegend sind.
Der Revision des Klägers war daher der Erfolg zu versagen.
2.) Zur Revision der Beklagten:
Die Beklagte argumentiert durch eine Zusammenfassung der Eheverfehlungen des Klägers einerseits und eine Verharmlosung ihrer eigenen verfehlten Verhaltensweisen dahin, daß ihr überhaupt kein Verschulden an der Zerrüttung der Ehe anzulasten sei. Wenngleich der Großteil ihrer Eheverstöße als, allerdings überschießende, Reaktion auf das oben beurteilte ehewidrige Verhalten des Klägers zu beurteilen ist, sind ihr jedoch die den Kläger belastende reservierte Behandlung ihrer Tochter und das unvermittelte Verreisen nach Spanien als durchaus selbständige Eheverfehlungen anzulasten. Es ist zwar richtig, daß diese Verfehlungen gegenüber jenen des Klägers sehr stark zurücktreten; davon, daß sie aber ganz geringfügig waren und deshalb bei der Beurteilung der Zerrüttung der Ehe vernachlässigt werden könnten, kann jedoch nicht die Rede sein. Auch ihrer Revision war somit der Erfolg zu versagen. Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf §§ 43 Abs.1, 50 ZPO.
Anmerkung
E19325European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1989:0080OB00661.89.1109.000Dokumentnummer
JJT_19891109_OGH0002_0080OB00661_8900000_000