Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Justine R***, Angestellte, Schwarzwaldgasse 39, 1238 Wien, 2. Gerwin R***, Angestellter, Stenographengasse 2/5/6, 1230 Wien,
3. Johanna W***, Angestellte, Martinstraße 28/6, 1180 Wien, alle vertreten durch Dr. Wolfgang Lenneis, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Tennis-Club "B***-W***", Geylinggasse 24, 1130 Wien, vertreten durch Dr. Willibald Hauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 21.Februar 1989, GZ 41 R 752/88-17, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Liesing vom 29.April 1988, GZ 2 C 1267/87-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei die mit S 5.324,04 (darin enthalten S 887,34 an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der am 29.Juni 1982 verstorbene Franz L***, der Alleineigentümer der Liegenschaft Wien 23., Kaserngasse 3, war, vermietete mit Vertrag vom 30.März 1957 der beklagten Partei die auf diesem Grundstück errichtete Tennishalle. Das Vertragsverhältnis wurde ausdrücklich den Bestimmungen des Mietengesetzes unterstellt;
als Bestandzins wurde ein wertgesicherter Pauschalbetrag von 1.000 S monatlich zuzüglich der Kosten für Elektrizität und Wasser vereinbart. Der Mietvertrag wurde auf unbestimmte Zeit geschlossen;
der Vermieter verzichtete für die Dauer von fünf Jahren ab Vertragsschluß auf die Aufkündigung des Vertrages. Für die Folgezeit wurde eine Kündigungsfrist von sechs Monaten zum 31.März eines jeden Jahres vereinbart. Mit Vertrag vom 31.März 1964 gab Franz L*** der beklagten Partei auch fünf im Freien liegende Tennisplätze sowie zwei im rechten Gebäudetrakt gelegene Räume und weitere Flächen der Liegenschaft mit Ausnahme des Grundstücksteils an der Rückseite der Gebäude in Bestand. Als Mietzins wurde ein wertgesicherter Betrag von S 3.750 vierteljährlich zuzüglich anteiliger Betriebskosten sowie bis 30.September 1969 auch ein Betrag von S 5.184 jährlich (Rückzahlungsraten für die Kanalisation) vereinbart. Der Vermieter verzichtete für die Dauer des Bestandes der beklagten Partei auf eine Aufkündigung des Bestandvertrages, insbesondere nach den Bestimmungen des § 19 Abs.2 MG. Vorbehalten wurde die Berechtigung, das Bestandverhältnis gemäß § 1118 ABGB mit sofortiger Wirkung zur Auflösung zu bringen. Im Punkt X des Vertrages wurde vereinbart, daß der Vertrag auf die Erben und Rechtsnachfolger der Vertragsteile übergeht und den Rechtsnachfolgern zu überbinden ist. Am 23.Dezember 1968 wurde ein weiterer Bestandvertrag über das im rechten Seitentrakt befindliche Bestandobjekt, bestehend aus zwei Zimmern und Nebenräumen, abgeschlossen. Es wurde ein Bestandzins von 500 S monatlich, ein Kündigungsverzicht sowie die Überbindungsverpflichtung wie im Vertrag vom 31.März 1964 vereinbart. Der Erstklägerin wurde der Nachlaß nach Franz L*** zur Gänze eingeantwortet, der Zweitkläger wurde als Vermächtnisnehmer Eigentümer eines Viertelanteils der Liegenschaft, ebenso die Drittklägerin auf Grund eines mit der Erstklägerin abgeschlossenen Schenkungsvertrages.
Die Kläger haben bereits in zwei Prozessen erfolglos versucht, den beklagten Verein zur Räumung der auf Grund der drei dargestellten Verträge insgesamt gemieteten Bestandsache zu verpflichten. Im Verfahren 2 C 615/85 des Erstgerichtes gründeten sie eine gerichtliche Aufkündigung zunächst darauf, daß im wesentlichen nicht kündigungsgeschützte Flächenmiete vorliege, sodann aber darauf, daß das Bestandobjekt ausschließlich privaten Zwecken des beklagten Vereines diene. Die Aufkündigung wurde rechtskräftig für unwirksam erklärt, weil das einheitlich aufgekündigte Mietverhältnis als Geschäftsmiete im Sinne des § 1
Abs.1 MRG Kündigungsschutz genieße (6 Ob 592/86 vom 12.6.1986 =
MietSlg.38.254 = RdW 1986, 368). Im Verfahren 3 C 443/83 des Erstgerichtes behaupteten die Kläger Sittenwidrigkeit und damit Nichtigkeit des Vertrages, weil die beklagte Partei Franz L*** bewuchert und überlistet habe. Das Räumungsbegehren wurde rechtskräftig abgewiesen, sowohl eine Geschäftsunfähigkeit des Franz L*** als auch Wucher und List der beklagten Partei wurden verneint (1 Ob 511/87 vom 18.2.1987).
Mit der vorliegenden Klage kündigten die Kläger der beklagten Partei die auf Grund des Vertrages vom 31.3.1964 in Bestand gegebenen Objekte mit der Begründung gerichtlich auf, dieser mit den beiden anderen Verträgen keine Einheit bildende Vertrag betreffe eine nicht dem Mietrechtsgesetz unterliegende Freifläche, da die mitgemieteten Räumlichkeiten von untergeordneter Bedeutung seien. Die beklagte Partei brachte in ihren Einwendungen vor, das aufgekündigte Objekt bilde mit den anderen Mietobjekten ein einheitliches Bestandverhältnis, welches als Geschäftsraummiete den Kündigungsschutzbestimmungen des MRG unterliege, wie im Verfahren 2 C 615/85 des Erstgerichtes bereits rechtskräftig festgestellt worden sei. Der Bestandgeber habe überdies auf eine Aufkündigung des Mietverhältnisses für die Bestanddauer des beklagten Vereines rechtswirksam verzichtet und diesen Verzicht auf seine Erben und Rechtsnachfolger, sohin die Kläger, überbunden.
Gegen den Einwand der Beklagten, der Bestandgeber habe auf sein Kündigungsrecht mit Wirkung für die Kläger verzichtet, erhoben die Kläger den Gegeneinwand der sittenwidrigen Knebelung, ohne diesen näher auszuführen.
Das Erstgericht hob die Aufkündigung als rechtsunwirksam auf. Es stellte ausführlich die Tätigkeiten des beklagten Vereines sowie die Örtlichkeiten des gesamten Bestandobjektes und weiter fest: Beim Abschluß der Bestandverträge sei es ein wesentliches Anliegen des beklagten Vereines gewesen, daß das Mietverhältnis nach dem Tode des Franz L*** nicht aufgelöst werden sollte. Damit sei auch dieser einverstanden gewesen. Eine Überbindung des Vertrages auch an einen Rechtsnachfolger des beklagten Vereines sei nicht beabsichtigt gewesen.
In rechtlicher Beurteilung führte das Erstgericht aus, der vom Bestandgeber im Anwendungsbereich des Mietengesetzes unter Nennung des § 19 Abs.2 MG erklärte Verzicht auf eine Aufkündigung für die Bestanddauer des beklagten Vereines sei kraft Größenschlusses auch als Verzicht auf eine Aufkündigung, für die nunmehr (nach dem 31.12.1988) überhaupt keine Kündigungsgründe mehr angegeben werden müssen, anzusehen und auch nicht sittenwidrig. Die Kläger seien an diesen Kündigungsverzicht gebunden, so daß ihre Aufkündigung für unwirksam zu erklären sei, ohne daß noch die Einheitlichkeit des Bestandverhältnisses untersucht werden müßte.
Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 300.000 S übersteigt. Ein allgemeiner Kündigungsverzicht auch nur von einer Vertragsseite sei zulässig, sofern er auf bestimmte oder bestimmbare Zeit abgegeben worden sei, wie es im vorliegenden Fall zutreffe. Dieser Verzicht des Bestandgebers sei auch weiter wirksam, weil jedenfalls die Erstklägerin als Hälfteeigentümerin des Bestandgegenstandes kraft Gesamtrechtsnachfolge an ihn gebunden sei.
Rechtliche Beurteilung
Die von den Klägern gegen das Urteil des Berufungsgerichtes erhobene Revision ist nicht berechtigt.
An einen Kündigungsverzicht des Vermieters ist sein Erbe, der in seine Rechtsverhältnisse eintritt (MietSlg.24.264), jedenfalls dann gebunden, wenn - wie im vorliegenden Fall - der Verzicht über den Tod des Erblassers hinaus wirksam sein sollte (MietSlg.27.201). Die Kläger sind daher schon kraft der Gesamtrechtsnachfolge der Erstklägerin, die auch Hälfteeigentümerin des Bestandobjektes ist, an diesen Verzicht gebunden. Von einer sittenwidrigen Knebelung des im Vertragszeitpunkt voll geschäftsfähigen Franz L*** durch den vereinbarten Kündigungsverzicht kann keine Rede sein, da Franz L*** zu seinen Lebzeiten über sein Vermögen auch durch Schenkungscharakter aufweisende Rechtsgeschäfte verfügen konnte und durch den Kündigungsverzicht nur sich selbst (und seinen Rechtsnachfolgern) Bindungen auferlegte. Im Vertrag blieben zudem ausdrücklich die Auflösungsmöglichkeiten des § 1118 ABGB vorbehalten; zudem ist in Rechtsprechung (MietSlg 37.394, 30.355 ua; 3 Ob 511/88; 5 Ob 596/87 uva) und Lehre (Würth in Rummel, ABGB, Rz 7 zu § 1116; Klang in seinem Kommentar2 V 11) anerkannt, daß auch unkündbare Bestandverträge aus gewichtigen, in der Person des Bestandnehmers gelegenen Gründen, welche die Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht mehr zumutbar erscheinen lassen, zu den gesetzlichen Kündigungsterminen vorzeitig aufgelöst werden können. Zutreffend hat das Gericht zweiter Instanz darauf verwiesen, daß derartige, eine Aufkündigung rechtfertigende Umstände von den Klägern gar nicht behauptet wurden. Ebenso fehlt eine Behauptung, der Kündigungsverzicht sei nur im Hinblick auf die Kündigungsbeschränkungen und für deren Dauer erklärt worden. Die in der Revision befürchtete "Ewigkeit" des Bestandverhältnisses zufolge Weitergabe der Mietrechte durch die beklagte Partei übersieht die Feststellung, daß solches Weitergaberecht der beklagten Partei von den Vertragsparteien, wenngleich solches im schriftlichen Vertragstext aufgeschienen war, nicht vereinbart wurde. Der in der Revision mit dem Hinweis auf die gesetzlich verfügte oder in der Rechtsprechung angenommene zeitliche Beschränkung anderer Rechtsinstitute (Veräußerungs- und Belastungsverbot, Vorkaufsrecht, Wiederkaufsrecht usw) auf die Lebensdauer eines Menschen behaupteten übermäßig langen Bindung der Kläger an den Kündigungsverzicht für die Bestandsdauer der beklagten Partei als juristischer Person ist zu erwidern, daß der vorliegende Vertrag aus 1964 derzeit noch nicht die Dauer der Lebenserwartung eines Menschen aufweist, welcher Zeitraum etwa in der Entscheidung SZ 60/37 als mögliches Maß für ein einer juristischen Person eingeräumtes Wiederkaufsrecht angesehen wurde.
Die zutreffende Überbindung des rechtswirksamen Kündigungsverzichtes des Bestandgebers auf die Kläger entzieht somit der Aufkündigung der Kläger ihre Berechtigung, sodaß die Entscheidung des Berufungsgerichtes zu bestätigen ist, ohne daß noch
die weitere in der Revision aufgeworfene Rechtsfrage der Einheitlichkeit des Mietverhältnisses von Bedeutung wäre.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E19030European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1989:0010OB00606.89.1115.000Dokumentnummer
JJT_19891115_OGH0002_0010OB00606_8900000_000