Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Graf als weitere Richter in der Pflegschaftssache der Martina S***, geborene S***, geboren 21. Jänner 1971, und Marianne S***, geboren 4. Oktober 1975, vertreten durch die Mutter Roswitha S***, Hausfrau, Schönbühel 120, diese vertreten durch Dr. Erich Proksch und Dr. Richard Proksch, Rechtsanwälte in Wien, infolge Revisionsrekurses der Kinder gegen den Beschluß des Landesgerichtes St. Pölten als Rekursgericht vom 6. Juli 1989, GZ R 47/89-29, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Melk vom 22. Dezember 1988, GZ P 58/84-25, bestätigt wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Der Vater der Kinder, Dkfm. Hubertus S***, ist am 3. November 1985 verstorben. Die Kinder entstammen der Ehe des Vaters mit Roswitha S***, die Ehe der Eltern wurde mit Beschluß des Bezirksgerichtes Melk vom 20. November 1984, Sch 67/84, gemäß § 55 a EheG rechtskräftig geschieden. Das Abhandlungsverfahren nach Dkfm. Hubertus S*** ist noch nicht beendet. Martina S*** hat am 15. Juli 1989 vor dem Standesamt Melk mit Herbert S*** die Ehe geschlossen.
Die Kinder begehren die pflegschaftsbehördliche Genehmigung einer Klage, wonach die erbl. Witwe Irene S*** schuldig ist,
a) den Klägern ein Verzeichnis über sämtliche Aktiven und Passiven der Verlassenschaft nach Dkfm. Hubertus S*** vorzulegen und einen Eid dahin zu leisten, daß diese Angaben richtig und vollständig sind,
b) den Klägern je einen Betrag von S 574.064,47 s.A. als Pflichtteil zu bezahlen.
Das Erstgericht genehmigte die Klagsführung in Ansehung des Punktes a) und wies das Begehren auf Genehmigung des Leistungsbegehrens (Punkt b) ab. Den Kindern seien bereits Teilbeträge von je S 430.000,-- im Oktober 1988 zu Handen der Vormünderin überwiesen worden. Ein Betrag von je S 62.500,-- gebühre den Kindern dann, wenn eine Lebensversicherung zur Auszahlung gelange; derzeit sei hierüber beim Landesgericht St. Pölten zu 4 Cg 458/86 ein Rechtsstreit anhängig, der noch nicht rechtskräftig erledigt sei. Die Pflichtteilsforderung sei insoweit noch nicht fällig. Auch über einen weiteren Betrag von S 31.565,--, der als eine aus der Verlassenschaft den Kindern geleistete Unterhaltszahlung in Abzug gebracht werde, sei ein Rechtsstreit anhängig.
Das Rekursgericht gab dem gegen diesen Beschluß erhobenen Rekurs der Kinder nicht Folge. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes sei eine von einem mj. Noterben vor Erledigung des Pflichtteilsausweises durch das Verlassenschaftsgericht eingebrachte Leistungsklage, mit der der Pflichtteilsanspruch geltend gemacht werde, abzuweisen. Vor Genehmigung des von der Erbin vorzulegenden Pflichtteilsausweises durch das Verlassenschaftsgericht bzw. der allfälligen Verweisung der Noterben auf den Rechtsweg sei die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung der beabsichtigten Klagsführung mangels Erfolgsaussicht der Klage nicht zu erteilen. Der gegen den Beschluß des Rekursgerichtes erhobene Revisionsrekurs der Kinder ist zurückzuweisen.
Da Martina S*** im Zeitpunkt der Erhebung des Revisionsrekurses bereits volljährig war (§ 175 Abs. 1 ABGB), bedarf sie keiner pflegschaftsbehördlichen Genehmigung zur Klagsführung, so daß ihr Rechtsmittel schon aus diesem Grund zurückzuweisen ist. In Ansehung der mj. Marianne S*** ist von folgenden Erwägungen auszugehen:
Rechtliche Beurteilung
Da das Rekursgericht den angefochtenen Beschluß bestätigte, ist der Revisionsrekurs gemäß § 16 AußStrG nur wegen offenbarer Gesetzwidrigkeit, Aktenwidrigkeit oder Nullität zulässig. Eine offenbare Gesetzwidrigkeit, die als Rechtsmittelgrund hier allein in Betracht zu ziehen ist, liegt nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nur vor, wenn eine Rechtsfrage im Gesetz klar und eindeutig gelöst ist und dennoch im Widerspruch dazu entschieden wurde (EFSlg. 52.757 u.v.a.). Die Rechtsmittelwerber machen geltend, sie seien in Kenntnis der vom Erstgericht zur Stützung seiner Rechtsansicht herangezogenen Entscheidung des Obersten Gerichtshofes EvBl. 1960/64, wonach die Pflichtteilsklage eines Minderjährigen vor Erledigung des im Abhandlungsverfahren zu erstattenden Pflichtteilsausweises abzuweisen sei; diese Entscheidung sei jedoch im vorliegenden Fall nicht anwendbar, weil die Gefahr drohe, daß ihr Pflichtteilsanspruch wegen nicht rechtzeitiger Genehmigung des Pflichtteilsausweises verjähre. Mit diesen Ausführungen wird eine offenbare Gesetzwidrigkeit im vorgenannten Sinn nicht dargetan, da die Frage, ob von Minderjährigen der Klagsweg zur Hereinbringung der Pflichtteilsforderung vor Genehmigung des Pflichtteilsausweises beschritten werden kann, im Gesetz nicht klar und eindeutig geregelt ist. Immerhin sei jedoch festgehalten, daß die Gefahr der Verjährung im vorliegenden Fall nicht besteht, weil die Verjährungsfrist erst mit der objektiven Möglichkeit zu klagen zu laufen beginnt (SZ 58/122; MietSlg. 34.303 u.a.), im vorliegenden Fall daher nicht vor rechtskräftiger Genehmigung des Pflichtteilsausweises oder der Verweisung der Pflichtteilsberechtigten auf den Rechtsweg. Demzufolge ist spruchgemäß zu entscheiden.
Anmerkung
E19020European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1989:0010OB00669.89.1115.000Dokumentnummer
JJT_19891115_OGH0002_0010OB00669_8900000_000