TE OGH 1989/11/15 1Ob668/89

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Veröffentlicht am 15.11.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes

Dr. Schubert, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Graf als weitere

Richter in der Rechtssache der klagenden Partei

Gottfried P***, Lofer, Gumping 5, vertreten durch

Dr. Günther Stanonik, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagten Parteien 1.) Dagobert G***, Kufstein, Josef-Egger-Straße 7,

2.) Stefan S***, St. Ullrich am Pillersee 227, beide vertreten durch Dr. Paul Bauer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen

S 7,800.000,-- s.A. infolge Rekurses der beklagten Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 6. Juli 1989, GZ. 2 R 129/89-40, womit das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 7. Feber 1989, GZ. 5 Cg 423/88-35, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Der Kläger begehrt in der am 13. August 1985 beim Erstgericht eingelangten Klage, die Beklagten zur ungeteilten Hand schuldig zu erkennen, den Betrag von S 7,800.000,-- s.A. zu bezahlen. Er brachte zur Begründung vor, die Beklagten hätten ihn im Jahre 1976 durch "betrügerische und listige Irreführung" zur Unterfertigung von zwei Pfandbestellungsurkunden über S 2,600.000,--- und S 5,200.000,--, über deren Bedeutung er sich nicht im klaren gewesen sei, bewogen. Er sei von der L*** T*** auf Zahlung in Anspruch

genommen worden und habe einen Schaden in der Höhe des Klagsbetrages erlitten. Die Beklagten hätten ihn über die wahre Bedeutung und Auswirkung der von ihm unterfertigten Urkunden getäuscht. Die Beklagten beantragten Abweisung des Klagebehrens und brachten vor, der Kläger sei sich voll bewußt gewesen, welche Verbindlichkeit er eingehe, er sei von ihnen in keiner Weise irregeführt oder über den Inhalt der von ihm unterfertigten Urkunden getäuscht worden. Der Kläger habe auch keinen Schaden erlitten. Zu der für den 6. Mai 1987 anberaumten Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung ist keine der Parteien erschienen, weshalb Ruhen des Verfahrens eintrat. Mit dem am 25. November 1988 beim Erstgericht eingelangten Schriftsatz teilte der Kläger einen Vertreterwechsel mit und beantragte die Anberaumung einer Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung. In der Tagsatzung zur Streitverhandlung vom 1. Feber 1989 brachte der Kläger weiters vor, er habe mit seinen Liegenschaften eine Sachhaftung für Kreditverbindlichkeiten des Zweitbeklagten übernommen, diese Haftung sei im Wege des Exekutionsverfahrens realisiert worden, der Anspruch werde gegenüber dem Zweitbeklagten daher auch auf die Einlösung der Forderung des Gläubigers gestützt. Die Beklagten sprachen sich gegen diese Klagsänderung aus. Sie erhoben die Einrede der Verjährung, weil der Kläger das Verfahren nicht gehörig fortgesetzt habe. Der Vertreter der Beklagten gab hiezu an, die Streitverhandlung vom 6. Mai 1987 sei deshalb nicht besucht worden, weil der damalige Vertreter des Klägers ihm zur Überprüfung, ob eventuell ewiges Ruhen vereinbart werden könne, einfaches Ruhen des Verfahrens angeboten habe. In der Folge habe er beim Vertreter des Klägers am 10. September 1987, 1. Oktober 1987, 18. November 1987, 22. Dezember 1987 und 26. Mai 1988 angefragt, ob das einfache Ruhen nunmehr in ewiges Ruhen umgewandelt werde. Lediglich am 9. Oktober 1987 habe er ein Schreiben erhalten, in dem mitgeteilt worden sei, daß Dr. Michael S***, der Vertreter des Klägers, erkrankt sei und er deshalb gebeten werde, noch einige Tage zuzuwarten. Im Schreiben vom 22. Dezember 1987 habe er dem damaligen Vertreter des Klägers mitgeteilt, er gehe davon aus, daß ewiges Ruhen des Verfahrens eintrete, wenn ihm nicht binnen drei Wochen vom Vertreter des Klägers eine anders lautende Nachricht zukomme. Am 30. Mai 1988 sei ihm dann von Dr. Michael S*** mitgeteilt worden, daß der Kläger nicht mehr von ihm, sondern von Rechtsanwalt Dr. Günther S*** vertreten werde.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Auf Grund des Vorbringens des Vertreters der Beklagten sei davon auszugehen, daß das Verfahren iS des § 1497 ABGB nicht gehörig fortgesetzt worden sei. Der Kläger habe keine Gründe für seine prozessuale Untätigkeit seit Eintritt des Ruhens am 6. Mai 1987 vorgebracht. Aus dem Schriftwechsel der beteiligten Rechtsanwälte sei ersichtlich, daß der Kläger in keiner Weise bemüht gewesen sei, den Rechtsstreit weiter zu betreiben. Auf Grund der Untätigkeit des Klägers vom 6. Mai 1987 bis 25. November 1988, somit über einen Zeitraum von mehr als eineinhalb Jahren, sei die durch die Klagseinbringung eingetretene Unterbrechung der Verjährung weggefallen. Auf das weitere Vorbringen des Klägers, daß der Anspruch gegen den Zweitbeklagten ergänzend auch auf die Einlösung der Kreditschuld des Zweitbeklagten gegenüber der L*** T*** gestützt

werde, sei bei diesem Verfahrensergebnis nicht weiter einzugehen. Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung des Klägers Folge, hob das angefochtene Urteil unter Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Rechtssache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Das Berufungsgericht stellte ergänzend fest, mit Beschluß des Untersuchungsrichters des Landesgerichtes Innsbruck vom 28. November 1979 sei gegen die Beklagten die Voruntersuchung wegen des Verbrechens des schweren Betrugs nach den §§ 146, 147 Abs. 3 StGB eingeleitet und mit Beschluß vom 12. Juni 1980 gemäß § 109 StPO eingestellt worden. Mit Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 31. Jänner 1984 sei der vom Kläger als Subsidiarankläger gegen die Beklagten eingebrachten Anklageschrift, in der ein S 100.000,-- übersteigender Schaden angeführt sei, keine Folge gegeben und das Verfahren gegen die Beklagten gemäß § 213 Abs. 1 Z 3 StPO eingestellt worden. Das Erstgericht, das offenkundig von der Geltung der dreijährigen Verjährungsfrist des § 1489 erster Satz ABGB ausgegangen sei, habe das Vorbringen des Klägers in der Klage übersehen, wonach die Beklagten ihn durch betrügerische und listige Irreführung einen Schaden in der Höhe von S 7,800.000,-- zugefügt hätten. In diesem Vorbringen sei die Behauptung enthalten, daß die Beklagten einen schweren Betrug iS der §§ 146 und 147 Abs. 3 StGB begangen hätten, wofür eine Freiheitsstrafe von ein bis zehn Jahren angedroht sei. Auf der Grundlage dieser Behauptungen komme aber für die Beurteilung der Verjährung die Bestimmung des § 1489 zweiter Satz ABGB zur Anwendung, wonach bei einem Schaden, der aus gerichtlich strafbaren Handlungen entstanden sei, die nur vorsätzlich begangen werden können und die mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht seien, das Klagerecht erst nach dreißig Jahren erlösche. Gemäß § 1489 zweiter Satz ABGB beginne dabei die Verjährungsfrist ohne Rücksicht auf den eingetretenen Schaden oder die Kenntnis des Schädigers mit dem schädigenden Ereignis. Da dieses nach den Klagebehauptungen am 19. August 1976 eingetreten sei, wäre die dreißigjährige Verjährungsfrist noch nicht abgelaufen. Es erübrige sich daher ein Eingehen auf die an sich zutreffenden Ausführungen des Erstgerichtes über die nicht gehörige Fortsetzung des Verfahrens iS des § 1497 ABGB. Fehle es, wie hier, an einem verurteilenden Straferkenntnis, an das der Zivilrichter bei der Beurteilung der Verjährungsfrist gebunden wäre, weil das Strafverfahren eingestellt bzw. die Anklageschrift des Subsidiaranklägers zurückgewiesen worden sei, obliege es dem Zivilgericht festzustellen, ob eine im Sinne des § 1489 zweiter Satz ABGB qualifizierte strafbare Handlung vorliege. Zu Recht werde vom Berufungswerber aber auch geltend gemacht, daß das Erstgericht in Ansehung des Zweitbeklagten über die Zulassung der Klagsänderung zu entscheiden gehabt hätte. Werde die Klagsänderung zugelassen, sei in Ansehung des Zweitbeklagten auf der Grundlage des hilfsweise geltend gemachten Klagsgrundes der Einlösung der Kreditschuld des Zweitbeklagten gegenüber der Hypothekenbank von einer dreißigjährigen Verjährungsfrist auszugehen, weil Ansprüche aus Darlehen in dreißig Jahren verjähren und für den gemäß § 1358 ABGB übergegangenen Anspruch dieselbe Verjährungsfrist gelte wie für die eingelöste Schuld. Das Erstgericht werde daher im fortgesetzten Verfahren auch über die Zulassung der Klagsänderung zu entscheiden haben.

Rechtliche Beurteilung

Dem gegen den Beschluß des Berufungsgerichtes erhobenen Rekurs der Beklagten kommt Berechtigung nicht zu.

Während der Anspruch auf Aufhebung (bzw. Anpassung) eines Vertrages und der Anspruch auf Erstattung der auf Grund des fehlerhaften Vertrages erbrachten Leistung gemäß § 1487 ABGB im Falle der List der dreißigjährigen Verjährung unterliegt (SZ 59/126; JBl. 1988, 172), gilt für Schadenersatzansprüche, die aus listiger Irreführung abgeleitet werden (§ 874 ABGB), die Bestimmung des § 1489 ABGB. Selbst wenn sich jemand einer Arglist schuldig gemacht hat, diese aber keine strafbare Handlung iS des § 1489 zweiter Satz ABGB begründet, ist der Schadenersatzanspruch daraus der dreijährigen Verjährungsfrist des § 1489 erster Satz ABGB unterworfen (4 Ob 543/87). In der Regel wird jedoch die dreißigjährige Verjährungsfrist Platz greifen, weil die arglistige Schädigung, die mit Bereicherungsvorsatz verbunden ist, iS der §§ 146, 147 StGB qualifiziert sein wird (Rummel in Rummel, ABGB, Rz 5 zu § 874). Der Kläger hat behauptet, daß ihn die Beklagten durch Täuschungshandlungen zur Unterfertigung von Pfandbestellungsurkunden bewogen haben (Pkt. 5, 8 der Klage); der Zweitbeklagte sei von der Absicht geleitet gewesen, die Gewährung eines Kredits durch die L*** T*** zu erwirken, und

der Erstbeklagte sei als Geschäftsführer der Filiale Wörgl dieses Kreditinstituts an der Täuschungshandlung beteiligt gewesen (Punkte 5, 6, 7, 8 der Klage). Dieses Vorbringen beinhaltet die Behauptung, die Beklagten hätten dem Kläger durch gemeinschaftliches Zusammenwirken einen Schaden durch eine iS des § 1489 zweiter Satz ABGB qualifizierte Täuschungshandlung (§§ 146 ff StGB) zugefügt, so daß die dreißigjährige Verjährungsfrist zur Anwendung gelangt. Daß diese Behauptung nicht dazu dienen konnte, der von den Beklagten erst später erhobenen Verjährungseinrede entgegenzutreten, ist ohne Belang. Der Kläger war auch nicht gehalten, der Verjährungseinrede der Beklagten entgegenzutreten; aus seinem Verhalten ist nicht auf ein stillschweigendes Anerkenntnis der Verjährung des Anspruchs zu schließen. Ob der geltend gemachte Anspruch verjährt ist, ist vielmehr auf der Grundlage des behaupteten und zu erweisenden Sachverhalts zu prüfen. Daß der Anspruch bei Anwendung der dreijährigen Verjährungsfrist verjährt wäre, zieht auch der Kläger nicht in Zweifel. Im Hinblick auf das vom Kläger erstattete Sachvorbringen ist daher zu prüfen, ob die dreißigjährige Verjährungsfrist zur Anwendung gelangt. Fehlt es an einem verurteilenden strafgerichtlichen Erkenntnis, weil das Strafverfahren gar nicht eingeleitet, eingestellt oder mit einem Freispruch beendet wurde, so obliegt die Feststellung und Beurteilung, ob iS des § 1489 zweiter Satz ABGB ein Verbrechen vorliegt, ausschließlich dem Zivilgericht (EFSlg. 48.713/3; ZVR 1980/258; RZ 1970, 151; JBl. 1966, 210; Klang in seinem Komm.2 VI 637). Der Oberste Gerichtshof hat auch bereits in Übereinstimmung mit der Lehre ausgesprochen, daß selbst die Bindung des Zivilrichters an ein strafgerichtliches Erkenntnis dem Gebot des fair trial und damit der im Verfassungsrang stehenden Bestimmung des Art. 6 MRK nicht widerspricht (RZ 1977/75; Fasching, Gutachten zum dritten österreichischen Juristentag, Band I S 35). Von einer verfassungsmäßigen Bedenklichkeit der mangelnden Bindung des Zivilrichters im Falle der Einstellung des Strafverfahrens kann dann keine Rede sein.

Demzufolge ist dem Rekurs der Erfolg zu versagen.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E19442

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0010OB00668.89.1115.000

Dokumentnummer

JJT_19891115_OGH0002_0010OB00668_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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