TE OGH 1989/11/16 6Ob701/89

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Veröffentlicht am 16.11.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Melber, Dr. Schlosser und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Franz B***, Gastwirt, Gaadnerstraße 26, 2500 Siegenfeld, vertreten durch Dr. Reinhard Armster, Rechtsanwalt in Maria Enzersdorf, wider die beklagte Partei S*** M***, Pfarrgasse 7-9, 2340 Mödling, vertreten durch Dr. Fritz Wintersberger, Rechtsanwalt in Mödling, und der Nebenintervenienten auf seiten der beklagten Partei

1. Hannelore S***, Gastwirtin, und 2. Horst Z***,

Kaufmann, beide Dominikanersteig 8, 2340 Mödling, beide vertreten durch Dr. Erhard C.J. Weber, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung infolge der Revisionen der beklagten Partei und der beiden Nebenintervenienten gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 27. Jänner 1989, GZ 48 R 691/88-34, womit infolge der Berufungen der beklagten Partei und der beiden Nebenintervenienten das Urteil des Bezirksgerichtes Mödling vom 22. August 1988, GZ 4 C 334/87-24, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Revision der Nebenintervenienten wird zurückgewiesen. Dagegen wird der Revision der beklagten Partei Folge gegeben. Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten. Die Kosten der Revisionsbeantwortung zur Revision der Nebenintervenienten hat der Kläger selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Mit als "Pachtvertrag" bezeichnetem Vertrag vom 20. Juni 1959 gab die beklagte Gemeinde dem Kläger das sogenannte "Meiereigebäude" sowie die Grundstücke 1772, 2215 und 2216 im Ausmaß von 2340,8 m2 zwecks Errichtung eines Fremdenbeherbergungs- und Restaurationsbetriebes in Bestand. Das Bestandverhältnis hatte schon am 1. März 1959 begonnen und sollte ohne stillschweigende Verlängerung am 28. Feber 1979 enden. Die Punkte VI und XV des Vertrages lauten wie folgt:

"Der Pächter übernimmt die Verpflichtung, auf den vertragsgegenständlichen Liegenschaften einen Fremdenbeherbergungsbetrieb in einem Mindestausmaß von 10 Zimmern mit zusammen 20 Betten sowie einen Restaurationsbetrieb im Mindestumfang eines Mittelbetriebes zu errichten, bzw. einzurichten, mit der Umwandlung und Adaptierung der Bauwerke für die angestrebte Betriebsform unverzüglich zu beginnen und innerhalb von 2 Jahren ab Vertragsabschlußtag gemäß den vorgelegten und genehmigten Plänen zu vollenden und das Unternehmen im Mindestumfang eines Mittelbetriebes zu eröffnen. Der Restaurationsbetrieb ist das ganze Jahr hindurch zu führen, und zwar so, daß jederzeit in den üblichen Stunden der Mahlzeiten mindestens 50 gleichzeitig anwesende Gäste versorgt werden können. Eine Stillegung des Betriebes durch länger als einen Monat würde die Folgen des Punktes XV. dieses Vertrages eintreten lassen, soferne diese Stillegung nicht durch eine außerhalb der Person des Pächters gelegene höhere Gewalt bedingt ist ... Alle Auf-, Zu-, An- und Umbauten gehen ohne Anspruch auf Ersatz der Kosten und sonstige Auslagen sofort in das Eigentum der Verpächterin über. Ausgenommen hievon sind das bewegliche Inventar sowie alle sonstigen Aufwendungen, die ohne Schaden der Substanz zu entfernen sind. Bei höherer Gewalt, die nicht in der Person des Pächters sich ereignet, tritt das Heimfallsrecht an die Stadtgemeinde Mödling hinsichtlich der baulichen Investitionen ebenfalls nicht ein.

Während der Pachtdauer notwendig werdende Reparaturen an dem Pachtobjekt hat der Pächter auf eigene Kosten ohne Anspruch auf Rückersatz vorzunehmen.

Der Pächter ist überhaupt verpflichtet, die vertragsgegenständlichen Liegenschaften in ordnungsgemäßem Zustande zu erhalten und sie in einem solchen nach Beendigung des Pachtverhältnisses der Verpächterin zurückzustellen. Der Pächter kann gegen die Verpächterin keine wie immer gearteten Ansprüche stellen, insbesondere ist im Falle einer Neuverpachtung der neue Pächter von Herrn B*** derart klag- und schadlos zu halten, daß der neue Pächter gegen die Gemeinde keinerlei Ansprüche stellen kann.

Alle Beschädigungen der vertragsgegenständlichen Liegenschaften, durch welchem Umstand immer, gehen zu Lasten des Pächters.

XV.

Die Verpächterin ist berechtigt, bei Nichteinhaltung der in diesem Vertrag festgesetzten Bedingungen denselben mit sofortiger Wirksamkeit für aufgelöst zu erklären, dies insbesondere

a) wenn der Pächter der im Punkt VI dieses Vertrages übernommenen Verpflichtung nicht, nicht zur gehörigen Zeit oder nicht im vereinbarten Umfang nachkommt ..."

Mit "Vertragsnachtrag" vom 30. Mai 1979 vereinbarten die

Streitteile im Punkt I, daß der zwischen ihnen am 20. Juni 1959

abgeschlossene "Pachtvertrag und der am 13. Mai 1976 abgeschlossene

Vertragsnachtrag ... insoferne abgeändert" werden, "als nachfolgende

Vertragspunkte nunmehr wie folgt lauten: ......" Weiters heißt es

dort im Punkt II. wörtlich:

"Im übrigen finden die Bestimmungen des am 20. Juni 1959 abgeschlossenen Pachvertrages vollinhaltlich Anwendung."

Der Kläger begehrte unter anderem die Feststellung, daß der zwischen den Streitteilen über das "Meiereigebäude Föhrenhof" geschlossene Bestandvertrag den Kündigungsbeschränkungen der §§ 30 bis 33 MRG unterliege, und brachte hiezu vor, er habe die früher als Meierei und nach dem Zweiten Weltkrieg von der sowjetischen Besatzungsmacht als Prosektur verwendeten, in völlig devastiertem Zustand befindlichen Gebäude in Bestand genommen und diese unter großem Aufwand zu einem Hotel mit Restaurant ausgestaltet. Da ihm keinerlei Unternehmen überlassen worden sei, sei der Vertrag in Wahrheit keine Unternehmenspacht, sondern Geschäftsraummiete, so daß das Bestandverhältnis den Kündigungsbeschränkungen des Mietrechtsgesetzes unterworfen sei. Das Feststellungsinteresse begründete der Kläger vor allem damit, es seien umfangreiche Instandsetzungsarbeiten erforderlich, denen er sich aber nur unterziehen wolle, wenn er des Kündigungsschutzes gewiß sein könne. Die beklagte Partei wendete ein, im Pachtobjekt sei schon früher eine Gaststätte betrieben worden. Überdies verstoße der Kläger laufend gegen die vertraglich festgeschriebene Betriebspflicht, weshalb die beklagte Partei unter anderem unter Berufung auf Punkt XV das Bestandverhältnis für aufgelöst erkläre. Sei aber das Bestandverhältnis bereits wirksam aufgelöst, müsse dem Kläger das rechtliche Interesse an der begehrten Feststellung schon allein deshalb abgesprochen werden, weil es für dessen Rechtsstellung unerheblich sei, ob das schon vorher beendete Vertragsverhältnis besonderen Kündigungsbeschränkungen unterworfen gewesen sei. Das Erstgericht gab dem Feststellungsbegehren statt. Es stellte fest:

Das Bestandobjekt befand sich bei Vertragsabschluß in devastiertem Zustand. In der Zwischenkriegszeit wurde auf dem Grundstück eine kleine Jausenstation geführt, in der Milch, Butterbrote und dergleichen abgegeben wurden. Dieser Betrieb wurde aber schon 1932 stillgelegt. Von da an bis zum Kriegsausbruch wurde auf der Bestandliegenschaft nur eine Meierei ohne jedweden Ausschank betrieben. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Gebäude beschädigt und danach bis 1955 von der sowjetischen Besatzungsmacht als Prosektur verwendet. Ein Hotel- bzw. Restaurantbetrieb hat dort nie bestanden. Der Kläger strebte zwar zunächst einen Mietvertrag an, die beklagte Partei fand sich jedoch nur zum Abschluß eines Pachtvertrages bereit. Dem juristisch nicht vorgebildeten Kläger ging es in erster Linie um das Objekt, so daß er sich schließlich mit dem Abschluß des genannten Vertrages abfand. Danach begann er unverzüglich mit der Sanierung und dem Umbau der Baulichkeiten sowie der Einrichtung des Restaurant- und Beherbergungsbetriebes "Föhrenhof". Die Betriebsmittel und die Einrichtungsgegenstände stammen ausschließlich vom Kläger, der auch alle Investitionen allein bestritten hat. Auch die gewerberechtliche Konzession wurde ihm von der beklagten Partei nicht zur Verfügung gestellt. Am 13. August 1986 kündigte die beklagte Partei das Bestandverhältnis gerichtlich auf und begründete ihren Schritt mit Betriebspflichtverletzungen durch den Kläger. Diese Aufkündigung nahm die beklagte Partei jedoch am 29. Mai 1987 unter Anspruchsverzicht zurück. Am 24. Mai 1988 verkaufte die beklagte Partei die Betriebsliegenschaft an die beiden Nebenintervenienten. In rechtlicher Hinsicht meinte das Erstgericht, da bei Vertragsabschluß kein lebendes Unternehmen vorhanden gewesen sei, sei das Bestandverhältnis nicht als Unternehmenspacht, sondern als Geschäftsraummiete zu beurteilen. Die vereinbarte Betriebspflicht wöge die fehlenden übrigen Elemente der Pacht nicht auf. Der Einwendung, das Bestandverhältnis sei infolge Nichteinhaltung der Betriebspflicht bereits aufgelöst, sei nicht zu folgen. Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes (des Feststellungsbegehrens) S 300.000,-- übersteige. Es übernahm die erstinstanzlichen Feststellungen und führte zur Rechtsrüge aus, das Feststellungsinteresse sei zu bejahen. Da die beklagte Partei bestreite, daß das Bestandverhältnis den Kündigungsbeschränkungen der §§ 30 bis 33 MRG unterliege, könne dem Kläger das Feststellungsinteresse nicht deshalb abgesprochen werden, weil es ihm ohne weiteres zumutbar sei, bis zur Beendigung des Pachtverhältnisses zuzuwarten und die Überreichung einer Räumungsklage abzuwarten. Es sei schon angesichts der vom Kläger beabsichtigten umfangreichen Investitionen, die bei "freier Kündbarkeit" nicht zu rechtfertigen wären, zu bejahen. Überdies sei das Bestandobjekt bereits an die Nebenintervenienten veräußert worden. Da sich die Rechtskraft des dem Feststellungsbegehren stattgebenden Urteil auch auf die Rechtsnachfolger erstrecke, werde das streitige Rechtsverhältnis "bindend für alle zukünftigen Streitigkeiten" hierüber geklärt. Die Betriebspflicht sei zwar ein wesentliches Merkmal der Unternehmenspacht, doch habe das Erstgericht nicht auch festgestellt, daß zuletzt zumindest eine Meierei vorhanden gewesen und dem Kläger ein nur infolge der Kriegswirren vorübergehend stillgelegter Meiereibetrieb zur Verfügung gestellt worden sei. Nach den erstinstanzlichen Feststellungen sei in den 30er-Jahren, vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges, dort nur eine Meierei geführt worden. Bei Vertragsabschluß sei dagegen in den Bestandräumlichkeiten kein Unternehmen betrieben worden und es sei auch kein Inventar zur Verfügung gestanden. Es seien nicht einmal intakte Räumlichkeiten überlassen worden, sondern kriegszerstörte devastierte Gebäude, die der Kläger mit eigenen finanziellen Mitteln wieder aufgebaut habe. Die von der beklagten Partei übernommene Bürgschaft sei im Hinblick auf die Rückgriffsrechte des Bürgen keinesfalls als Kriterium der Unternehmenspacht heranzuziehen. Von der beklagten Partei sei auch keine Konzession zur Ausübung des Gewerbes zur Verfügung gestellt worden. Auch das von den Nebenintervenienten ins Treffen geführte Entgegenkommen der beklagten Partei in Form einer Bestandzinsreduktion spreche noch nicht für die Annahme eines Pachtverhältnisses, zumal die Zinsentlastung zur Erhaltung der wirtschaftlichen Lebensfähigkeit des Unternehmens für jeden Bestandgeber von Interesse sein müsse. Es sei davon auszugehen, daß - abgesehen von den verwahrlosten Räumen - alles, was das neu errichtete Unternehmen "Föhrenhof" ausgemacht habe, vom Kläger getragen worden sei. Eine Unternehmenspacht setze ein lebendes Unternehmen als organisierte Erwerbsgelegenheit voraus. Es könne zwar auch ein erst zu errichtendes Unternehmen Bestandgegenstand sein, doch müßten dann die wesentlichen Unternehmensgrundlagen vom Bestandgeber beigestellt werden. Wurde hingegen ein für die Unternehmenszwecke gar nicht ausgestatteter Raum in Bestand gegeben, liege Raummiete auch bei Vereinbarung der Betriebspflicht vor. Die nachträgliche Vereinbarung eines fixen Bestandzinses deute außerdem darauf hin, daß die Betriebspflicht für die Beklagte nicht mehr von uneingeschränktem Interesse gewesen sein dürfte, so daß dieser Pflicht seit diesem Zeitpunkt keine besondere Bedeutung mehr zukomme. Im vorliegenden Fall sei kein lebendes Unternehmen mit Betriebsmitteln, Warenlager, Kundenstock, Gewerbeberechtigung und Arbeitskräften überlassen worden. Da es bei der Abgrenzung der strittigen Vertragstypen darauf ankomme, sei die von den Parteien gewählte Bezeichnung des Vertrages für dessen rechtliche Qualifikation ohne Bedeutung. Für das von den Nebenintervenienten behauptete arglistige Vorgehen des Klägers beim Vertragsabschluß fehle jeder Anhaltspunkt, weil der Vertragsinhalt beiden Parteien bekannt gewesen und allein dieser für die rechtliche Zuordnung maßgebend sei. Auch der Argumentation der beklagten Partei, das Pachtverhältnis aus dem ursprünglichen Vertrag sei beendet, sei unrichtig. Nach dem "Vertragsnachtrag", in dem lediglich zwei Punkte des ursprünglichen Vertrages abgeändert worden seien, sei das ursprüngliche Pachtverhältnis vollinhaltlich aufrecht geblieben. Die Frage, ob der Kläger bei der Unternehmensführung der vertraglichen Betriebspflicht zuwidergehandelt habe, die beklagte Partei deshalb zu sofortiger Auflösung des Bestandverhältnisses berechtigt gewesen sei und ob die Auflösungserklärung rechtswirksam habe abgegeben werden können, könne für die Beurteilung des Feststellungsbegehrens ungeprüft bleiben: Auch eine wirksame Auflösungserklärung beeinflusse das rechtliche Interesse des Bestandnehmers an der alsbaldigen Feststellung des strittigen Rechtes nicht. Bis zur Verwirklichung des Räumungsanspruches, somit bis zur Rechtskraft der "anzustrebenden" Räumungsklage, bestehe das Feststellungsinteresse des Klägers fort, weil erst im Räumungsstreit zu entscheiden sei, ob die Auflösungserklärung berechtigt sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Nebenintervenienten ist verspätet erhoben. Sie sind zwar als Käufer des Bestandobjektes Einzelrechtsnachfolger der beklagten Partei, so daß sich die Rechtskraft der in diesem Verfahren ergehenden Sachentscheidung auch auf sie erstrecken wird (Jud 63 neu = SZ 28/265, SZ 34/166; Fasching, Zivilprozeßrecht, Rz 1526), und deshalb deren streitgenössische Nebenintervenienten (§ 20 ZPO), für die die Rechtsmittelfrist von der Zustellung der Entscheidungen an sie selbst zu berechnen ist (Fasching, aaO, Rz 410), doch kommt diesem Umstand im vorliegenden Fall keine Bedeutung zu, weil das berufungsgerichtliche Urteil der beklagten Partei und den Nebenintervenienten jeweils am 20. Juli 1989 und somit während der Gerichtsferien zugestellt worden ist. Gemäß den §§ 222, 225 Abs 1 und 505 Abs 2 ZPO wurde damit die vierwöchige Revisionsfrist um die gesamte Dauer der Gerichtsferien verlängert und lief demnach am 28. Tag nach deren Ende (25. August 1989), also am Freitag, dem 22. September 1989, ab. Die von den Nebenintervenienten erst am 25. September 1989 zur Post gegebene Revisionsschrift ist demnach verspätet erhoben und deshalb zurückzuweisen (§ 507 Abs 1 ZPO).

Dagegen ist die von der beklagten Partei gegen das berufungsgerichtliche Urteil erhobene Revision berechtigt. Zutreffend haben die Vorinstanzen allerdings das Bestandverhältnis als Geschäftsraummiete beurteilt. Für die Unterscheidung zwischen Geschäftsraummiete und Unternehmenspacht lassen sich zwar keine allgemein gültigen Regeln aufstellen, sondern es kommt stets auf die Gesamtheit aller erheblichen Umstände des Einzelfalles an, doch ist ein Bestandverhältnis im allgemeinen als Unternehmenspacht zu beurteilen, wenn es ein lebendes Unternehmen, also eine organisierte Erwerbsgelegenheit mit jenen Merkmalen, die unter dem Begriff good will zusammengefaßt werden, zum Gegenstand hat (JBl 1989, 310 und 312; SZ 58/8 uva). Neben den Räumlichkeiten muß dem Bestandnehmer in der Regel also auch all das überlassen werden, was für den Betrieb des in Bestand gegebenen Unternehmens und dessen wirtschaftlichen Fortbestand notwendig ist, somit die Betriebsmittel, wie die Geschäftseinrichtung und das Warenlager, der Kundenstock, das erforderliche Personal und die Gewerbeberechtigung. Das bedeutet allerdings noch nicht, daß im Einzelfall all diese Merkmale gleichzeitig zutreffen müssen, um Unternehmenspacht annehmen zu können. Fehlt es an einzelnen für die Überlassung eines Unternehmens zu dessen Betrieb typischen Merkmalen, so ist entscheidend, ob die dafür maßgeblichen Elemente in wirtschaftlicher Hinsicht überwiegen (SZ 58/8; MietSlg 32.162/23 uva). Im vorliegenden Fall hat die beklagte Partei dem Kläger mit dem Bestandvertrag jedoch neben unbebauten Grundflächen ausschließlich völlig devastierte, in früheren Jahren einer Meierei gewidmete Baulichkeiten überlassen, die in diesem Zustand für das in Aussicht genommene Unternehmen völlig unbrauchbar waren. Der Zustand der halb verfallenen Gebäude kommt in den vom Kläger vorgelegten Lichtbildern besonders anschaulich zum Ausdruck. Von Inventar, Kundenstock und Gewerbeberechtigung war keine Rede, überlassen wurden letztlich bloß Gebäude, die erst nach kostenaufwendiger Instandsetzung bloß den äußeren Rahmen für das gastgewerbliche Unternehmen abgeben sollten, in denen also das vom Kläger erst einzurichtende Unternehmen in Zukunft betrieben werden sollte. Vorher war letztmals 1932 in der Meierei eine unbedeutende Jausenstation betrieben worden. Danach diente das Objekt einem Meiereibetrieb und wurde nach dem Zweiten Weltkrieg von der sowjetischen Besatzungsmacht sogar als Prosektur eines Lazarettes verwendet. Daß dem Kläger bei Abschluß des Pachtvertrages somit kein, wenngleich vorübergehend stillgelegtes Unternehmen überlassen wurde, bedarf angesichts dieser Sachlage keiner weitwendigen Erörterung.

Wohl kann nach der Rechtsprechung (vgl. etwa MietSlg 32.162/23; 30.174; 28.121 ua) ausnahmsweise auch ein erst zu errichtendes Unternehmen pachtweise in Bestand gegeben werden. In diesem Fall müssen aber die wesentlichen Bestandteile des Unternehmens, die zum Betriebsbeginn erforderlich sind, vom Bestandgeber zur Verfügung gestellt werden. Im vorliegenden Fall hat dagegen der Kläger die Verpflichtung übernommen, auf der in Bestand genommenen Liegenschaft einen Fremdenbeherbergungs- und Restaurationsbetrieb in genau beschriebenem Umfang auf seine Kosten zu errichten und einzurichten (Punkt VI des "Pachtvertrages").

Auch die von der beklagten Partei ins Treffen geführte Vereinbarung einer Betriebspflicht, die sonst gewiß ein besonders gewichtiges Kriterium für das Pachtverhältnis ist (JBl 1989, 310; SZ 58/8 uva), kommt in Fällen wie dem vorliegenden, in dem lediglich für den Zweck des in Aussicht genommenen Unternehmens noch gar nicht geeignete Räumlichkeiten überlassen wurden, keine Bedeutung zu (MietSlg 39.100, 32.162/23, 28.121 ua), weil sich dann der Bestandnehmer, der den in Bestand genommenen Räumlichkeiten ein eigenes Unternehmen organisiert hat und betreibt, dem Bestandgeber gegenüber - aus welchen Motiven immer - zum Betrieb seines Unternehmens verpflichtet hat. Die beklagte Partei beruft sich zur Dartuung des Pachtverhältnisses auch auf die von den Parteien gewählte Bezeichnung des Vertrages. Auf diese kann es aber gerade für die Abgrenzung von Vertragstypen, auf die unterschiedliche bestandrechtliche Eingriffsnormen anzuwenden sind, nicht ankommen, würden doch bei gegenteiligem Standpunkt weitreichende Umgehungsmöglichkeiten eröffnet. Auch durch Floskeln, die der Realität des wahren Vertragsgeschehens entrückt sind, kann die bloße Überlassung von Räumen ohne weitere wesentliche Merkmale eines Unternehmens nicht zu einem Pachtverhältnis gestaltet werden (vgl. JBl 1989, 312 mwN). Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang, daß der (wesentliche) Bestandgegenstand im "Pachtvertrag" selbst als "Meiereigebäude" bezeichnet wurde, die Parteien also schon bei Vertragsabschluß von der Vorstellung bestimmt waren, daß die beklagte Partei dem Kläger mit dem Vertrag nur Räumlichkeiten zum Gebrauch überließ.

Im vorliegenden Fall hat die beklagte Partei dem Kläger bloß Gebäude und Grundstücke überlassen, in bzw. auf welchen dieser auf seine Kosten ein gastgewerbliches Unternehmen (Hotel und Restaurant) einrichten und betreiben sollte. Daraus haben die Vorinstanzen den zutreffenden Schluß gezogen, da die beklagte Partei mit dem "Pachtvertrag" dem Kläger kein lebendes Unternehmen überlassen hat, sondern lediglich Räumlichkeiten (und Grundflächen), in (auf) welchen er ein eigenes Unternehmen organisieren und führen sollte. Dementsprechend war der Kläger auch bei Beendigung des Bestandverhältnisses nur verpflichtet, die Liegenschaften in ordnungsgemäßem Zustand der beklagten Partei zurückzustellen (Punkt VI. des Vertrages). Das Bestandverhältnis ist demnach als Raummiete zu beurteilen, für welche - jedenfalls - die Kündigungsbeschränkungen des Mietrechtsgesetzes (§ 1 Abs 1) gelten. Berechtigt erweist sich indessen die Revision, soweit sie - fälschlich, wenngleich für sie ohne Nachteil als Verfahrensmangel - geltend macht, daß die Vorinstanzen ihre Behauptung, der Kläger habe kraß und nachhaltig gegen die von ihm vertraglich übernommene Betriebspflicht verstoßen, sie habe deshalb den Vertrag wirksam wegen erheblich nachteiligen Gebrauches aufgelöst und der Kläger entbehre deshalb des für sein Begehren wesentlichen Feststellungsinteresses, nicht geprüft haben. Wenngleich die beklagte Partei ihre Auflösungserklärung auf Punkt XV. des Vertrages stützte, weil der Kläger die im Punkt VI. des Vertrages übernommenen Verpflichtungen nicht beachtet habe, kann der Vermieter auch bei einem den Kündigungsbeschränkungen des Mietrechtsgesetzes unterliegenden Bestandverhältnis gemäß § 29 Abs 1 Z 5 MRG die frühere Aufhebung des Mietverhältnisses wegen erheblich nachteiligen Gebrauches des Mietgegenstandes nach § 1118 ABGB fordern. Schwerwiegende Verstöße gegen die vertraglich übernommene Betriebspflicht sind als erheblich nachteiliger Gebrauch anzusehen (vgl. etwa WoBl 1989, 74), weil diesem Tatbestand jede wiederholte, längerwährende, bewußte oder wenigstens grob fahrlässige vertragswidrige Benützung des Bestandgegenstandes zu unterstellen ist (MietSlg 34.260 uva). Das gilt insbesondere dann, wenn der Bestandgeber mit der Betriebspflicht besondere Interessen verfolgt, was im vorliegenden Fall mit den Interessen einer größeren Stadtgemeinde am Angebot repräsentativer Gastronomiebetriebe in ihrem Ortsgebiet zwanglos erklärt werden kann. Solche schwerwiegenden Verstöße, insbesondere die Verlagerung des Betriebes in das "Schweizer Haus", hat die beklagte Partei schon in erster Instanz behauptet, die Vorinstanzen haben Feststellungen hiezu aber für entbehrlich gehalten, weil diese Frage erst in einem auf eine nach § 1118 erster Fall ABGB erhobenen Klage eingeleiteten Räumungsstreit zu klären wäre.

Sie haben dabei aber übersehen, daß dem Kläger bei Wirksamkeit der Auflösungserklärung das Feststellungsinteresse abzusprechen wäre. Er strebt - zulässigerweise (zuletzt wieder MietSlg 36.236/48) - die Feststellung an, daß das Bestandverhältnis vom Bestandgeber nur unter Beachtung der Kündigungsbeschränkungen der §§ 30 bis 33 MRG beendet werden könne. Des Interesses an einer solchen Feststellung, die sich schon ihrem Wesen nach auf die Voraussetzungen für die Beendigung des Bestandverhältnisses durch Erklärung seitens des Bestandgebers beschränkt, entbehrte der Kläger jedoch dann, wenn bereits feststünde, daß das vom Rechtsstreit betroffene Bestandverhältnis (durch wirksame Auflösungserklärung seitens der beklagten Partei gemäß § 1118 erster Fall ABGB, § 29 Abs 1 Z 5 MRG) bei Schluß der Verhandlung erster Instanz schon beendet gewesen sein sollte, weil seine Rechtsstellung durch die begehrte Feststellung dann nicht mehr berührt werden könnte (vgl. Fasching, aaO, Rz 1097). Die Frage, ob die Rechtsstellung des Klägers durch die Feststellung, daß das Bestandverhältnis zur beklagten Partei als Raummiete zu beurteilen sei, in anderer Weise berührt worden wäre, wenn es bei Schluß der Verhandlung erster Instanz bereits aufgelöst gewesen wäre, kann ungeprüft bleiben, weil sie weder durch das Feststellungsbegehren noch durch das Vorbringen des Klägers Prozeßgegenstand geworden ist. Das Verfahren ist deshalb mangelhaft geblieben, weil die Vorinstanzen von ihrer Rechtsansicht ausgehend zu den Behauptungen der beklagten Partei über Verstöße des Klägers gegen die Betriebspflicht keine Feststellungen getroffen haben.

Diese werden im fortgesetzten Verfahren - allenfalls nach Erörterung mit den Parteien - nachzutragen sein. Dabei wird zu beachten sein, daß die geltend gemachten Verstöße, auf die die unter Anspruchsverzicht zurückgenommene gerichtliche Aufkündigung zu 4 C 290/86 des Erstgerichtes gestützt war, durch diesen Prozeßschritt unerheblich wurden. Sollte dem Beklagten aber für die Zeit danach (neuerlich) eine schwerwiegende Verletzung seiner vertraglichen Betriebspflicht zur Last gefallen sein, so könnte der zurückgenommenen Aufkündigung immer noch die Bedeutung einer Abmahnung durch den Bestandgeber zukommen.

In Stattgebung der Revision war deshalb dem Erstgericht die Fortsetzung der Verhandlung und die neuerliche Entscheidung aufzutragen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

Anmerkung

E19529

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0060OB00701.89.1116.000

Dokumentnummer

JJT_19891116_OGH0002_0060OB00701_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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