TE OGH 1989/11/21 15Os101/89

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Veröffentlicht am 21.11.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 21.November 1989 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hörburger, Dr. Reisenleitner, Hon.Prof. Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Edelmann als Schriftführer in der Strafsache gegen Margarete S*** wegen des Vergehens der versuchten Entwendung nach §§ 15, 141 Abs. 1 StGB über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen die Strafverfügung des Strafbezirksgerichtes Wien vom 8.November 1988, GZ 7 U 2533/88-3, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Dr. Jerabek, jedoch in Abwesenheit der Verurteilten, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Text

Gründe:

Mit der eingangs bezeichneten, in Rechtskraft erwachsenen Strafverfügung wurde über die am 4.März 1948 geborene, geschiedene und vordem unbescholtene Hausbesorgerin Margarete S***, die über ein Monatsnettoeinkommen von 6.000 S verfügte und für ein Kind sorgepflichtig war, wegen des Vergehens der versuchten Entwendung nach §§ 15, 141 (Abs. 1) StGB eine Geldstrafe verhängt, weil sie am 2. September 1988 in Wien aus Unbesonnenheit versucht hatte, eine "Aufbaucreme" im Wert von 199 S, also eine Sache geringen Wertes, Verfügungsberechtigten der D***-M*** GmbH & Co KG mit dem Vorsatz zu entziehen, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern.

Diese Strafverfügung verstieß nach Auffassung des Generalprokurators gegen das Gesetz in der Bestimmung des § 42 StGB. Die deswegen zur Wahrung des Gesetzes erhobene Nichtigkeitsbeschwerde wird wie folgt begründet:

Sämtliche Voraussetzungen für die - nach der Strafdrohung des § 141 Abs. 1 StGB grundsätzlich mögliche - Annahme mangelnder Strafwürdigkeit der Tat seien gegeben (gewesen).

Geringe Schuld im Sinn des § 42 Z 1 StGB setze ein erhebliches Zurückbleiben des tatbestandsmäßigen Verhaltens hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Schuld- und Unrechtsgehalt voraus; die Schuld des Täters müsse absolut und im Vergleich zu den typischen Fällen der jeweiligen Deliktsverwirklichung gering sein (SSt 47/55, 51/21 uva). Das vorliegend inkriminierte Tatverhalten der unbescholtenen und uneingeschränkt geständigen Verurteilten, die aus Unbesonnenheit ohne einen intensiven Tätervorsatz indizierende Begleitumstände eine Sache geringen Wertes zu entziehen versucht habe, lasse die Einstufung der Täterschuld als geringfügig durchaus zu.

Die im Versuchsstadium gebliebene Tat habe nach der gegebenen Aktenlage keine nachteilige Folge nach sich gezogen (§ 42 Z 2 StGB). Auch durch Belange spezial- und generalpräventiver Art (§ 42 Z 3 StGB) werde eine Bestrafung nicht erfordert:

Zum einen liege ein einziger deliktischer Angriff einer bisher unbescholtenen Täterin vor, zum anderen habe die prompte öffentliche Reaktion in Form der sofortigen sicherheitsbehördlichen Amtshandlung am Tatort einen hinreichenden Abschreckungseffekt auf einen potentiellen Täterkreis bewirkt (so zuletzt 11 Os 51/89 sowie Pallin im WK zu § 42 StGB Rz 17).

Bei richtiger Rechtsanwendung sei sohin das Verfahren gegen Margarete S*** gemäß § 451 Abs. 2 StPO einzustellen gewesen.

Rechtliche Beurteilung

Dieser Rechtsansicht vermag sich der Oberste Gerichtshof in bezug auf die Annahme einer bloß gerigen Schuld der Täterin (§ 42 Z 1 StGB) nicht anzuschließen.

Bei der insoweit gebotenen Gesamtbetrachtung aller hiefür ins Treffen geführten Faktoren zeigt sich nämlich, daß von einem im Vergleich zu den typischen Fällen einer derartigen Deliktsverwirklichung erheblichen Zurückbleiben ihrer hier aktuellen Schuld entgegen der Beschwerdeansicht nicht gesprochen werden kann. So ist die Unbescholtenheit durchaus typisch für den Entwendungstäter schlechthin, sodaß sie in der Regel geradezu als Indiz für das privilegierende Tatbestandsmerkmal der Unbesonnenheit wirksam wird (idS 14 Os 106/89); Anhaltspunkte dafür aber, daß letzteres (über dessen Bedeutung als gesetzliches Privilegierungserfordernis hinaus) in besonders hohem Maß verwirklicht worden wäre (idS 11 Os 51/89), sind weder der Beschwerde noch dem Akt zu entnehmen.

Auch genügt als Kriterium für die Annahme geringer Schuld, der Beschwerdeauffassung zuwider, keineswegs schon das Fehlen von Begleitumständen, die einen intensiven Tätervorsatz indizieren, sondern es müßte umgekehrt eine besonders geringe deliktische Intensität, wie etwa eine ganz untergeordnete Tatbeteiligung oder massive Verleitung durch andere, dargetan werden (idS 11 Os 98/89). Das Geständnis hinwieder fällt im Hinblick auf die Betretung der Täterin auf frischer Tat (idS 14 Op 106/89) bei der Prüfung der Strafwürdigkeit ihrer Tat ebensowenig als exzeptionell schuldmindernd ins Gewicht wie der Umstand, daß das beinahe bis zur tatplangemäßen Vollendung gediehene Delikt aus demselben Grund letztlich beim Versuch blieb. Gleiches schließlich gilt auch für den - gewiß erheblich unter dem für eine Tatbeurteilung als Entwendung maßgebenden Grenzbetrag (vgl RZ 1989/60) gelegenen - Wert der entzogenen Sache, dessen Geringfügigkeit für sich allein die Voraussetzungen des § 42 Z 1 StGB nicht herzustellen vermag (idS 14 Os 106/89).

Schon aus diesen Erwägungen war die von der Generalprokuratur zur Wahrung des Gesetzes erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen, ohne daß es einer Erörterung der übrigen (kumulativ erforderlichen) Voraussetzungen des § 42 StGB bedarf.

Anmerkung

E19182

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0150OS00101.89.1121.000

Dokumentnummer

JJT_19891121_OGH0002_0150OS00101_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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