TE OGH 1989/11/21 4Ob142/89

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Veröffentlicht am 21.11.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Kodek, Dr. Niederreiter und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Fritz B*** und Heribert E***, Wirtschaftstreuhand- und Datenverarbeitungsgesellschaft mbH i.L., Wiener Neustadt, Neunkirchner Straße 52 a, vertreten durch Dr. Willi Fuhrmann und andere Rechtsanwälte in Baden, wider die beklagten Parteien 1.) Heribert E***, Steuerberater, 2.) Brigitte E***, Angestellte, beide Felixdorf, Mießlgasse 37, beide vertreten durch Dr. Norbert Kosch und andere Rechtsanwälte in Wiener Neustadt, wegen Unterlassung (Streitwert 1,000.000 S), infolge Revisionsrekurses der beklagten Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 13. Juli 1989, GZ 3 R 115/89-11, womit der Beschluß des Kreis- als Handelsgerichtes Wiener Neustadt vom 12. März 1989, GZ 2 Cg 74/89-6, teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revisionsrekurs der zweitbeklagten Partei wird zurückgewiesen.

Dem Revisionsrekurs der erstbeklagten Partei wird nicht Folge gegeben. Der angefochtene Beschluß wird mit der Maßgabe bestätigt, daß sein abändernder Teil wie folgt zu lauten hat:

"Dem Rekurs wird teilweise Folge gegeben und der angefochtene Beschluß in seinem zurückweisenden Teil dahin abgeändert, daß dem Erstgericht die Fortsetzung des gesetzlichen Verfahrens unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen wird."

Die zweitbeklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 18.667,80 S (darin enthalten 3.111,30 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Klägerin ist eine zu HRB 472 des Kreisgerichtes Wiener Neustadt registrierte GmbH; Gegenstand ihres Unternehmens sind die in der Wirtschaftstreuhänder-Berufsordnung (WTBO) angeführten Befugnisse eines Steuerberaters und die Datenverarbeitung, so weit sie Wirtschaftstreuhänder betrifft.

Punkt 18 Abs. 1 des am 7. März 1974 errichteten Gesellschaftsvertrages hat folgenden Wortlaut:

"Allen Gesellschaftern ist es verwehrt, sich an Unternehmen, deren Gegenstand wirtschaftstreuhänderische Tätigkeit ist oder Betriebsberatung umfaßt, zu beteiligen oder Dienst- und Werkverträge bei solchen Unternehmen abzuschließen. Ausgenommen hievon ist die Tätigkeit des Gesellschafters Dr. Friedrich B*** in dessen Kanzlei mit dem derzeitigen Standort in 2500 Baden, Flamminggasse 23, und die Stellung von Dr. Friedrich B*** und Frau Leopoldine B*** in der "Badener Wirtschaftstreuhand- und Steuerberatungs- und Datenverarbeitungsgesellschaft mbH".

Punkt 10 des Vertrages regelt das Aufgriffsrecht der verbleibenden Gesellschafter im Fall der Kündigung der Gesellschaft durch einzelne Gesellschafter und enthält Richtlinien für die Berechnung des Abtretungspreises. Sein vorletzter Absatz lautet:

"Diese Berücksichtigung von good will und Klientenstock gilt nicht für den Fall, als die Kündigung zur Umgehung des Konkurrenzverbotes ausgesprochen wird. Eine Umgehung des Konkurrenzverbotes ist auch gegeben, wenn innerhalb von zwei Jahren ab Kündigung eine dem Konkurrenzverbot unterliegende Handlung gesetzt wird".

Die Beklagten wurden im Jahr 1976 Gesellschafter der Klägerin. Am 6. April 1987 wurde die Klägerin vom Registergericht aufgefordert, ihre Satzung durch Erhöhung des Stammkapitals auf mindestens 500.000 S den Vorschriften laut Art. III § 4 GmbHG-Nov. 1980 anzupassen. Nach dem Verstreichen der dafür gesetzten Frist ordnete das Registergericht am 2. März 1988 die Eintragung an, daß die Klägerin gemäß Art. III § 8 des BG BGBl. 1980/320 von Amts wegen aufgelöst ist und die Firma den Zusatz "in Liquidation" führt; zu Liquidatoren wurden die bisherigen Geschäftsführer Dr. Fritz B*** und der Erstbeklagte bestellt.

In der außerordentlichen Generalversammlung der Klägerin vom 11. Mai 1988 wurde der Erstbeklagte als Liquidator mit 60 Stimmen bei 59 Gegenstimmen abberufen; mit demselben Abstimmungsergebnis wurde dem Liquidator Dr. Fritz B*** die Einzelvertretungsbefugnis erteilt. Am selben Tag wurde unter anderem auch die Wiederaufnahme der Tätigkeit der Klägerin als werbende Gesellschaft beschlossen und Dr. Fritz B*** zum (alleinigen) Geschäftsführer der Gesellschaft bestellt bzw. das Wiederaufleben der erfolgten Bestellung als Geschäftsführer mit Einzelvertretungsbefugnis festgestellt. Die Beklagten erhoben gegen diese Beschlüsse Widerspruch. Mit Schreiben vom 15. Dezember 1988 kündigten die Beklagten und der weitere Gesellschafter Karl H*** die Gesellschaft zum 30. Juni 1989 auf. Die Gesellschafter Dr. Fritz B*** und Leopoldine B*** machten mit Schreiben vom 11. Jänner 1989 von dem ihnen gemäß Punkt 10 des Gesellschaftsvertrages zustehenden Aufgriffsrecht Gebrauch.

Die Klägerin wies in einem Rundschreiben vom 16. Jänner 1989 ihre Kunden darauf hin, daß die Beklagten als Gesellschafter ausgeschieden seien, wodurch ihre steuerliche Vertretung aber nicht berührt werde. Den Beklagten sei es auf Grund eines Konkurrenzverbotes verwehrt, in den nächsten zwei Jahren eine Tätigkeit als Wirtschaftstreuhänder auszuüben. Sie seien auch auf Grund berufsrechtlicher Bestimmungen nicht in der Lage, Kunden zu übernehmen.

Mit Rundschreiben vom 31. Jänner 1989 teilte der Erstbeklagte den Kunden der Klägerin mit, daß er und die Zweitbeklagte bisher die Geschäfte der Klägerin faktisch allein geführt und deren Kunden betreut hätten. Bis zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Aufkündigung der Gesellschaft zum 30. Juni 1989 bleibe der Erstbeklagte Liquidator der Klägerin. Wegen des Verhaltens des Gesellschafters Dr. Fritz B*** sei er jedoch gezwungen, schon jetzt mit Genehmigung der Kammer der Wirtschaftstreuhänder als selbständiger Steuerberater tätig zu sein; er habe sein Büro in Wiener Neustadt (im selben Haus wie die Klägerin) eröffnet. Nach Erhalt dieses Rundschreibens beendeten einige Kunden das Vertretungsverhältnis mit der Klägerin und erteilten dem Erstbeklagten Vollmacht als Steuerberater. Zwei Angestellte der Klägerin kündigten das Dienstverhältnis zur Klägerin und traten zum Erstbeklagten über. Die Zweitbeklagte übt keine selbständige Tätigkeit als Steuerberaterin aus und ist auch nicht beim Erstbeklagten angestellt; sie ist jedoch in der Kanzlei des Erstbeklagten fallweise anwesend, um neue Arbeitskräfte einzuschulen. Mit der Behauptung, das Verhalten der Beklagten verstoße gegen den Gesellschaftsvertrag, gegen § 35 WTBO und gegen § 1 und § 7 UWG sowie § 1330 Abs. 2 ABGB, beantragt die Klägerin, die Beklagten schuldig zu erkennen, die aufgenommene Tätigkeit als Wirtschaftstreuhänder und Steuerberater sofort einzustellen und sich einer derartigen Tätigkeit in Hinkunft bis zum Ablauf des vertraglichen Konkurrenzverbotes zu enthalten und das Abwerben von Klienten und Bediensteten der Klägerin zu unterlassen; weiters beantragt die Klägerin, den Erstbeklagten schuldig zu erkennen, nicht erweislich wahre, für das Unternehmen der Klägerin herabsetzende Behauptungen und das Verbreiten solcher Behauptungen zu unterlassen, insbesondere die in Punkt 2 lit. a bis d des Urteils begehrten angeführten Behauptungen.

Zur Sicherung der gegen beiden Beklagten geltend gemachte Unterlassungsansprüche beantragt die Klägerin, den Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu verbieten,

a) ihre Tätigkeit als Wirtschaftstreuhänder und Steuerberater weiter auszuüben, und ihnen aufzutragen, diese Tätigkeit sofort einzustellen sowie

b) Klienten und Bedienstete der Klägerin abzuwerben. In seiner Äußerung zu diesem Sicherungsantrag wendete der Erstbeklagte unter Hinweis auf die gemäß § 28 a WTBO für Streitigkeiten zwischen Wirtschaftstreuhändern vor dem Beschreiten des Rechtsweges vorgesehene Befassung eines Schlichtungsausschusses die Unzuläsigkeit des Rechtsweges für die Klage ein und beantragte, aus diesem Grund die Klage und den Sicherungsantrag zurückzuweisen. In der Sache selbst beantragten die Beklagten, den Sicherungsantrag abzuweisen.

Das Erstgericht wies die Klage und den Sicherungsantrag in Ansehung des Erstbeklagten wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurück; den gegen die Zweitbeklagte gerichteten Sicherungsantrag wies es ab. Es traf - neben den eingangs wiedergegebenen Feststellungen - die weitere Feststellung, daß der zuständige Schlichtungsausschuß von den Parteien mit der vorliegenden Sache noch nicht befaßt worden ist. In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht zum zurückweisenden Teil seines Beschlusses folgendes aus:

Die vorliegende Streitigkeit zwischen der Klägerin und dem Erstbeklagten sei eine Streitigkeit zwischen Wirtschaftstreuhändern im Sinne des § 25 Abs. 2 WTBO; derartige Streitigkeiten seien vor dem Beschreiten des Rechtsweges dem zuständigen Schlichtungsausschuß vorzulegen. Gemäß § 28 Abs. 4 WTBO dürfe der Rechtsweg erst beschritten werden, sobald entweder die in Abs. 3 dieser Bestimmung für die Entscheidung durch den Schlichtungsausschuß festgelegte Zeit verstrichen oder noch vor Ablauf dieser Zeit das Schlichtungsverfahren beendet ist. Da der Schlichtungsausschuß mit der vorliegenden Streitigkeit noch nicht befaßt worden sei, seien Klage und Sicherungsantrag in Ansehung des Erstbeklagten zurückzuweisen gewesen.

Das Rekursgericht änderte den Zurückweisungsbeschluß des Erstgerichtes dahin ab, daß es die vom Erstbeklagten erhobene Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges abwies und dem Erstgericht die Fortsetzung des gesetzlichen Verfahrens unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund auftrug; die Abweisung des gegen die Zweitbeklagte gerichteten Sicherungsbegehrens durch das Erstgericht wurde bestätigt. Weiters sprach das Rekursgericht aus, daß der von der Abänderung betroffene Wert des Streitgegenstandes 300.000 S übersteige. Zum abändernden Teil seiner Entscheidung führte das Rekursgericht in rechtlicher Hinsicht folgendes aus:

Die Klägerin mache im wesentlichen gesellschaftsrechtliche Ansprüche gegen Gesellschafter geltend. Gemäß § 25 Abs. 2 WTBO seien aber nur Streitigkeiten zwischen Wirtschaftstreuhändern untereinander oder mit Berufsanwärtern hinsichtlich Berufsausübung oder Tätigkeit in der Standesvertretung der Kammer der Wirtschaftstreuhänder vor dem Beschreiten des Rechtsweges zur Schlichtung vorzulegen; die vorliegende Streitigkeit falle nicht unter diese Klausel. Darüber hinaus spreche aber auch der Wortlaut des § 25 Abs. 2 WTBO gegen die Annahme der Unzulässigkeit des Rechtsweges. Eine so einschneidende, von der allgemeinen Regel abweichende Maßnahme hätte der Gesetzgeber klar und unmißverständlich anordnen müssen; das sei aber nach dem Wortlaut der WTBO nicht der Fall.

Gegen den abändernden Teil dieses Beschlusses richtet sich der Revisionsrekurs beider Beklagter mit dem Antrag, den Zurückweisungsbeschluß des Erstgerichtes wiederherzustellen. Die Klägerin beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Zweitbeklagten ist unzulässig; derjenige des Erstbeklagten ist zwar zulässig, aber nicht berechtigt. Die Zweitbeklagte übersieht, daß das Erstgericht die Klage und den Sicherungsantrag nur in Ansehung des Erstbeklagten zurückgewiesen hat; im Fall eines Erfolges des Rechtsmittels könnte daher nur dieser Teil des erstgerichtlichen Beschlusses wiederhergestellt werden; die Abweisung des gegen die Zweitbeklagte gerichteten Sicherungsantrages aber ist rechtskräftig geworden. Daran, daß Klage und Sicherungsantrag, soweit sie gegen den Erstbeklagten gerichtet sind, zurückgewiesen werden, hat die Zweitbeklagte kein rechtliches Interesse. Da die Beklagten keine einheitliche Streitpartei im Sinne des § 14 ZPO bilden, erstrecken sich die Wirkungen der Prozeßhandlungen des tätigen Streitgenossen nicht auf den anderen. Der Zweitbeklagten mangelt es somit an der für jedes Rechtsmittel erforderlichen Zulässigkeitsvoraussetzung der Beschwer (EvBl. 1963/346 uva).

Da der Erstbeklagte bereits durch die Zustellung der Klage und die Erteilung des Auftrages, sich zum Sicherungsantrag zu äußern und die Klagebeantwortung zu erstatten, Partei des Verfahrens geworden ist, ist sein Revisionsrekurs nicht im Sinne des Jud. 61 neu - wonach einem Beklagten gegen den Beschluß, mit dem das Rekursgericht die Einleitung des gesetzlichen Verfahrens über eine vom Erstgericht wegen Unzuständigkeit a limine zurückgewiesene Klage aufträgt, kein Rekursrecht zusteht - unzulässig (1 Ob 31/84; 4 Ob 551/88).

Der Revisionsrekurs bekämpft die Auffassung des Rekursgerichtes, daß der vorliegende Streitfall nicht unter die in der WTBO genannten Streitigkeiten falle. Eine Streitigkeit zwischen Wirtschaftstreuhändern untereinander im Sinne des § 25 Abs. 2 WTBO liege auch dann vor, wenn sie im Rahmen eines gesellschaftsrechtlichen Verhältnisses entstanden ist; entgegen der Auffassung des Rekursgerichtes ordneten aber § 25 und § 28 a WTBO an, daß das Beschreiten des Rechtsweges vor der Befassung des Schlichtungsausschusses unzulässig ist.

Ob die vorliegende Streitigkeit unter die in § 25 Abs. 2 WTBO genannten Streitigkeiten fällt, ist nicht entscheidungswesentlich, weil der Klage selbst in diesem Fall das Prozeßhindernis der Unzulässigkeit des Rechtsweges nicht entgegenstünde:

Nach § 25 Abs. 2 WTBO idF der WTBO-Nov. 1986 BGBl. 380 sind Streitigkeiten zwischen Wirtschaftstreuhändern untereinander oder mit Berufsanwärtern hinsichtlich Berufsausübung oder Tätigkeit in der Standesvertretung der Kammer der Wirtschaftstreuhänder vor Beschreiten des Rechtsweges zur Schlichtung vorzulegen. Zu einer solchen Schlichtung ist gemäß § 28 a Abs. 1 WTBO der am Sitz jeder Landesstelle einzurichtende Schlichtungsausschuß berufen, der in Senaten zu 3 Mitgliedern innerhalb von 3 Monaten nach Anrufung zu entscheiden hat. Unter einem solchen "Entscheiden" ist hier - wie sich schon aus dem Begriff der "Schlichtung" ergibt - nicht etwa eine für die Parteien bindende Sachentscheidung des Streitfalles, sondern nur die Entscheidung über die allfällige Erstattung eines Schlichtungsvorschlages - wie dies in §§ 6 ff der auf Grund § 28 a Abs. 1, letzter Satz, WTBO vom Vorstand der Kammer der Wirtschaftstreuhänder beschlossenen Schlichtungsordnung dieser Kammer vorgesehen ist - zu verstehen. Die Zeit, während deren die Kammer mit der Sache befaßt ist, wird in die Verjährungsfrist sowie in andere Fristen für die Geltendmachung des Anspruches bis zur Dauer von 3 Monaten nicht eingerechnet (§ 28 a Abs. 3 WTBO). Nach § 28 a Abs. 4 WTBO darf der Rechtsweg erst beschritten werden, sobald entweder die in Abs. 3 genannte Zeit verstrichen oder noch vor Ablauf dieser Zeit das Schlichtungsverfahren beendet ist. Damit sollte im Interesse des Standesansehens der Wirtschaftstreuhänder eine obligatorische "Kammerschiedsgerichtsbarkeit" eingeführt werden, wie sie sich schon in den Berufsgesetzen anderer freier Berufe finde (1017 BlgNR 16. GP 2).

Welche Folgen das vorschriftswidrige sofortige Beschreiten des Rechtsweges hat, ist den Erläuterungen zur WTBO-Nov. 1986 nicht zu entnehmen. Der erkennende Senat hat zu dieser Frage bereits im Beschluß vom 11. Juli 1989, 4 Ob 553/89, wie folgt Stellung genommen:

"Zu § 33 Abs. 1 DentistenG, wonach die selbständigen Dentisten verpflichtet sind, alle sich zwischen ihnen bei Ausübung des Dentistenberufes ergebenden Streitigkeiten vor Einbringung einer gerichtlichen Klage der Dentistenkammer vorzulegen, hat der Oberste Gerichtshof in SZ 27/174 ausgesprochen, daß einer dennoch eingebrachten Klage nicht die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges entgegengehalten werden könne; eine so einschneidende Maßnahme müßte der Gesetzgeber in klarer, unmißverständlicher Weise ausdrücklich anordnen. Im gleichen Sinn hat der Oberste Gerichtshof die Zulässigkeit des Rechtsweges für eine Klage bejaht, die ein Mitglied einer Ingenieurkammer entgegen § 20 Abs. 2 der V 25. April 1947 BGBl 107 über das Kammerstatut der Ingenieurkammer für Wien, Niederösterreich und das Burgenland - welche Bestimmung im wesentlichen dem § 33 Abs. 1 DentistenG entspricht - eingerbracht hatte (RZ 1960, 124).

Auch der Wortlaut der § 25 Abs. 2, § 28 a Abs. 4 WTBO läßt entgegen der Meinung der Beklagten keineswegs erkennen, daß für Klagen, die ohne vorangegangenes Schlichtungsverfahren eingebracht werden, der Rechtsweg unzulässig sein sollte. Zwar wird dort angeordnet, daß der Rechtsweg erst nach einem Schlichtungsversuch beschritten werden darf; damit ist aber noch nicht gesagt, daß eine dennoch eingebrachte Klage für die Zeit bis zum Ablauf der Frist des § 28 a Abs. 3 WTBO den ordentlichen Gerichten entzogen wäre (§ 42 Abs. 1 JN), die Sache also nicht auf den Rechtsweg gehörte (§ 477 Abs. 1 Z 6 ZPO). Nur dort, wo das Gesetz die Durchführung eines Güte- oder Schlichtungsverfahrens zwingend vorschreibt und die Zurückweisung einer vorher erhobenen Klage ausdrücklich anordnet - wie etwa in Art. 105 des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland zur Regelung vermögensrechtlicher Beziehungen, BGBl. 1958/119 - ist der Rechtsweg unzulässig (Fasching III 168). Da dies auf § 25 Abs. 2, § 28 a Abs. 4 WTBO nicht zutrifft, muß hier die Zulässigkeit des Rechtsweges bejaht werden (Mayr, Schlichtungsverfahren zwischen Wirtschaftstreuhändern als Prozeßvoraussetzung, RdW 1988, 159 f). Ob eine Verletzung der § 25 Abs. 2, § 28 a Abs. 4 WTBO - wie Mayr aaO meint - nur disziplinäre Folgen für den klagenden Wirtschaftstreuhänder hat oder ob sie den Beklagten auch den materiellrechtlichen Einwand der mangelnden Klagbarkeit eröffnet (vgl. Kuderna, Schlichtungsstellen für Rechtsstreitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis, DRdA 1978, 9; 9 Ob A 263/88), ist hier nicht zu erörtern."

Die Ausführungen im Revisionsrekurs veranlassen den erkennenden Senat nicht, von dieser Entscheidung wieder abzugehen. § 8 AHG (idF vor der WGN 1989) und § 22 FernmeldeG sind mit den zitierten Vorschriften der WTBO nicht vergleichbar; sie ordnen kein Schlichtungsverfahren, sondern eine Aufforderung an den schädigenden Rechtsträger zur Anerkennung eines Schadenersatzanspruches vor dessen gerichtlicher Geltendmachung an. Eine solche Anordnung hat im Hinblick auf die streitbeendende Wirkung des Anerkenntnisses eine andere Wirkung als die Anordnung des § 28 a Abs. 4 WTBO, weil in dem vorgelagerten Schlichtungsverfahren nur die Erstattung eines Schlichtungsvorschlages vorgesehen ist, an der die Parteien nicht gebunden sind. Auch aus den Hinweisen im Revisionsrekurs über die Wirkungen von Schiedsklauseln in Kollektiv- oder Einzelarbeitsverträgen auf die Arbeitsgerichtsbarkeit kann nichts für den Standpunkt des Erstbeklagten gewonnen werden; selbst die als Gesetze im materiellen Sinn anzusehenden Schlichtungsklauseln im normativen Teil von Kollektivverträgen geben nur einen im materiellen Recht begründeten Einwand, der im Fall seiner Berechtigung zur Abweisung der Klage führt (Kuderna aaO). Das Prozeßhindernis der Unzulässigkeit des Rechtsweges können sie nicht begründen.

Der angefochtene Beschluß war jedoch nur mit der aus dem Spruch ersichtlichen Maßgabe zu bestätigen: Das Erstgericht hat zwar erst nach Vorliegen der Äußerung zum Sicherungsantrag, jedoch in amtswegiger Wahrnehmung des von ihm angenommenen Prozeßhindernisses der Unzulässigkeit des Rechtsweges die Klage und den Sicherungsantrag zurückgewiesen. Zur amtswegigen Zurückweisung der Klage war es - ungeachtet des § 261 Abs. 1 ZPO, wonach über die wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges, wegen Unzuständigkeit des Gerichtes, wegen Streitanhängigkeit oder Rechtskraft vorgebrachten Einreden und Anträge nach vorgängiger mündlicher Verhandlung zu entscheiden ist - auch ohne solche Verhandlung berechtigt (Fasching IV 128 f). Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens ist daher gar nicht die - allenfalls schon mit der Äußerung erhobene - Prozeßeinrede des Erstbeklagten. Zu Unrecht hat daher das Rekursgericht, das nach dem Wortlaut seiner Begründung zum abändernden Teil seiner Entscheidung auf die Prozeßeinrede des Erstbeklagten ebenfalls nicht Bezug genommen hat, die Zurückweisung der Prozeßeinrede in den Spruch seiner Entscheidung aufgenommen. Da über diese Einrede somit gar nicht entschieden worden ist (aber auch erst nach Abhaltung einer mündlichen Verhandlung entschieden werden könnte), war der Spruch des angefochtenen Beschlusses dahin zu modifizieren, daß die Zurückweisung der Prozeßeinrede des Erstbeklagten zu entfallen hat. Dem Revisionsrekurs war daher ein Erfolg zu versagen. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50, 52 Abs. 1 ZPO. Die Klägerin hat im Zwischenstreit über das Prozeßhindernis obsiegt; sie hat daher Anspruch auf Ersatz der Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung auf der Basis des Streitwertes der Hauptsache. Ein Streitgenossenzuschlag steht der Klägerin aber nicht zu, weil die Zweitbeklagte am Zwischenstreit nicht beteiligt war; auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses der Zweitbeklagten hat die Klägerin nicht hingewiesen. In dem vom Revisionsrekursverfahren gleichfalls betroffenen Provisorialverfahren war hingegen keine Kostenentscheidung zu fällen, weil dafür keine weiteren Kosten aufgewendet wurden. Die gesonderte Bewertung des Anspruches für das Provisorialverfahren geht im Streitwert der Hauptsache auf.

Anmerkung

E19064

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0040OB00142.89.1121.000

Dokumentnummer

JJT_19891121_OGH0002_0040OB00142_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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