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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
ASVG §18a Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Strohmayer, Dr. Köller und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der Pensionsversicherungsanstalt, vertreten durch Dr. Vera Kremslehner, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Singerstraße 12/9, gegen den Bescheid des Bundesministers für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz vom 27. Oktober 2003, Zl. 224.976/2-3/03, betreffend Selbstversicherung in der Pensionsversicherung gemäß § 18a ASVG (mitbeteiligte Partei: M in M, vertreten durch Mag. Johann Juster, Rechtsanwalt in 3910 Zwettl, Landstraße 52), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund (Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 21. April 1999 gab die Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten dem Antrag der Mitbeteiligten auf Selbstversicherung für Zeiten der Pflege eines (am 6. Februar 1995 geborenen) behinderten Kindes ab 1. März 1999 gemäß § 18a ASVG statt.
Dem Zuerkennungsbescheid lag ein ärztliches Gutachten mit der Diagnose "Handaplasie links als genetischer Defekt (linke Hand ab dem Radio-Ulnargelenk knöchern nicht angelegt)" zu Grunde. Das Kind trug diesem Befund zufolge seit 1995 eine myoelektrische Handprothese. Es seien geringe Restfunktionen im Sinne von Haltefunktionen schon erlernt worden. Es könne aber ein Kugelschreiber sicher nicht gehalten werden. Dieser Zustand bestehe seit Geburt und es sei ständige persönliche Wartung und Hilfe erforderlich. Das Kind könne beim Essen nur vorgeschnittene Speisen mit der rechten Hand aufnehmen, beim Anziehen von Beinkleidern, beim Schuhebinden, beim Umschnallen der Schultasche und beim Abtrocknen nach Körperreinigung sei Hilfe erforderlich.
Nachuntersuchungen erfolgten am 7. Juni 2001 und am 15. Oktober 2002. Bei der zuletzt genannten Nachuntersuchung wurde im ärztlichen Gutachten festgehalten, dass im Vergleich zum Vorgutachten "adoleszenzbedingt" die Selbstständigkeit zugenommen habe. Es seien lediglich für Tätigkeiten, die eine beidhändige Feinmotorik voraussetzen, Hilfestellungen erforderlich (z.B. Schuhbandbinden). Ansonsten sei die Bewältigung des Alltages, ausgenommen "diverse Verrichtungen im Haushalt", selbstständig möglich. Das Erfordernis "persönlicher Hilfe und Wartung" beim An- und Auskleiden, bei der Körperreinigung, beim Körperhaltungswechsel, bei der Aufnahme von Mahlzeiten, bei der Verrichtung der Notdurft wurde verneint, hingegen beim Waschen der kleinen Wäsche, bei Zubereitung einer warmen Hauptmahlzeit, bei der Beheizung des Wohnraumes und bei der Wohnungsreinigung sowie "beim Herbeischaffen von Nahrungsmitteln und sonstigen Bedarfsgütern des täglichen Lebens" bejaht. "Zeitaufwändige Hilfeleistungen bzw. Betreuungs- und/oder Überwachungsmaßnahmen" seien ebenso wenig erforderlich wie Lernhilfe. Nicht erforderlich sei Schulwegbegleitung, Begleitung zu Therapien, Hilfestellung bei Medikamenteneinnahme, Hilfestellung bei "Krisenmanagement", Überwachung notwendiger diätischer Einschränkungen und zeitaufwändige Manipulationen im häuslichen Bereich. Es sei auch nicht behinderungsbedingt mit gehäuften Erkrankungen des Kindes und dadurch bedingten Verhinderungen der Betreuungsperson zu rechnen. Durch die konsequente Verwendung der myoelektrischen Prothese sei mit einer weiteren Besserung zu rechnen. In der dazu abgegebenen Stellungnahme des chefärztlichen Dienstes der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten heißt es wie folgt:
"Bei angeborenem Fehlen der linken Hand (Handaplasie als genetischer Defekt) und Versorgung mit einer myoelektrischen Handprothese kam es zu einer deutlichen Verbesserung der Selbstständigkeit, die zum Teil auch altersbedingt ist, sodass lediglich noch für Tätigkeiten, die eine beidhändige Feinmotorik voraussetzen (z.B. Schuhbandbinden) Hilfestellungen erforderlich sind, ansonsten ist die Bewältigung der persönlichen Verrichtungen ohne fremde Hilfe möglich. Mit Ausnahme der Versorgung des Haushaltes und der Zubereitung der Mahlzeiten, die auch einem gleichaltrigen gesunden Kind noch nicht zugemutet werden könnte, ist praktisch keine fremde Hilfe mehr erforderlich, insbesondere auch nicht in Form einer Lernhilfe oder einer Schulwegbegleitung, wobei durch eine weitere konsequente Verwendung der myoelektrischen Prothese noch mit einer Zunahme der Selbstständigkeit gerechnet werden kann. Der für die Betreuungsperson erforderliche Zeitaufwand ist allerdings schon jetzt nicht mehr so massiv, dass die Betreuungsperson nicht zumindest einer Halbtagstätigkeit nachgehen könnte."
Mit Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten vom 7. November 2002 wurde daraufhin ausgesprochen, dass die Selbstversicherung der Mitbeteiligten in der Pensionsversicherung der Angestellten für Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes gemäß § 18a ASVG am 31. Oktober 2002 ende.
Die Mitbeteiligte erhob Einspruch u.a. mit der Begründung, ihr Sohn benötige weiterhin ihre intensive persönliche Betreuung, damit er seine Prothese entsprechend verwende und in seiner Schulbildung zügig vorankomme. Eine dauernde Verwendung der Prothese sei nicht immer möglich, weil er auch zusätzlich an Neurodermitis-Schüben leide.
Die Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten legte den Einspruch dem Landeshauptmann von Niederösterreich mit einer Stellungnahme vor, worin sie im Wesentlichen an ihrer Auffassung festhielt.
Die Einspruchsbehörde verfügte die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens und führte eine Einvernahme der Mitbeteiligten durch. Diese gab an, dass sie ihrem Sohn bei der Morgentoilette die Zahnpastatube aufmachen und die Zahnpasta geben müsse. Was das Ankleiden betreffe, so brauche er Hilfe beim Zuknöpfen, "sowie bei einem Reißverschluss". Auch das Frühstück müsse sie ihm zubereiten und das Jausenbrot für die Schule herrichten. Sie müsse ihm auch die Schuhbänder zumachen, weil es für seine Schuhgröße keine Schuhe mit "Klettverschlüssen" gebe. Feste Speisen müsse sie ihm zum Großteil schneiden. Die Schulaufgaben erledige er weitgehend selbstständig. Für das Anziehen am Nachmittag benötige er wieder die Hilfe der Mitbeteiligten, ebenso beim Abendessen. Einmal am Tag müsse sie ihm die "Nägel pflegen". Da die Prothese sehr leicht verschmutze, werde sie von der Mitbeteiligten mit Hilfe eines speziellen Sprays einmal täglich gereinigt.
In einer schriftlichen Stellungnahme vom 20. Jänner 2003 ergänzte die Mitbeteiligte, dass sie ihrem Sohn auch beim Anziehen von Hemd und Hose helfen müsse. Sie müsse ihm ferner "mit praktischen Tätigkeiten bei seinen Hausaufgaben helfen (Schultasche aufmachen, Federpennal, Hefte, Bücher heraus geben, aufschlagen, umblättern, Lineal halten etc. und sodann die Schulsachen einräumen)". Dies erfordere ihre ständige Anwesenheit während der Erledigung der Hausaufgaben. Er benötige auch regelmäßig Hilfe, wenn er auf die Toilette gehe, weil er mit nur einer Hand Schwierigkeiten beim Ankleiden habe und z.B. allein die Hosenknöpfe nicht zumachen könne. Auch sonst benötige er dabei der "Hilfe und Kontrolle". Beim Duschen müsse ihm die Mitbeteiligte den Rücken waschen und ihm auch beim Abtrocknen helfen, da er nicht in der Lage sei, mit nur einer Hand sämtliche Körperpartien zu erreichen. Auch die Nagelpflege erfordere die Hilfe der Mitbeteiligten.
Der Amtssachverständige der Einspruchsbehörde kam in seinem Gutachten zum Ergebnis, dass "die im Bescheid der PVA ... getroffene Entscheidung ... auf Grund der vorliegenden Unterlagen und ha. Befunderhebungen vom medizinischen Standpunkt aus aufrecht zu erhalten" sei. Aus der Niederschrift mit der Mitbeteiligten und deren schriftlichen Darlegungen ergebe sich, dass der zeitliche Betreuungsaufwand "kursorisch und kurz überdacht" möglicherweise einen "potenziellen Anspruch auf eine Pflegestufe 0-2" ergebe. Beim Sohn der Mitbeteiligten bestehe auf Grund einer angeborenen Aplasie der linken Hand ein Unterarmstumpf links. Der Jugendliche trage eine übliche Prothese mit Zwei-Finger-Griffmöglichkeit. Er sei "Regelschüler und geistig unbehindert und zeige psychomotorisch keine Auffälligkeiten". "Nach eingeholter Rechtsauskunft" sehe die Rechtslage ein Recht auf Selbstversicherung im Sinne des § 18a ASVG dann vor, wenn keine Schulfähigkeit trotz Schulpflicht gegeben sei, jedenfalls ab Pflegegeldstufe 5, bei ständiger persönliche Wartung und Hilfe und zwar im Ausmaß "gänzlicher(!) ...Beanspruchung" der Pflegeperson sowie bei Bettlägerigkeit des zu Betreuenden. "Anhand dieser Beurteilungshinweise" habe der Sachverständige den vorliegenden Fall geprüft und Vergleiche gezogen. Die Arbeitskraft der Mitbeteiligten werde im vorliegenden Fall eines geistig unbehinderten dreizehnjährigen Sohnes mit einseitiger A-Prothesen-Versorgung nicht ganztags beansprucht, wie aus dem gegenständlich geschätzten Pflegeaufwand für den Pflegegeldbezieher der Stufe 0 bis 2 (75 bis 120 Stunden monatlich bedeute bis zu drei Stunden täglich) "nachvollziehbar werde". Ein "gleichzuwertender" Pflegeaufwand wie bei Pflegestufe 4 (etwa einer Bettlägerigkeit entsprechend) oder Pflegestufe 5 (außergewöhnlicher, z.B. auch nächtlicher Pflegeaufwand) werde ebenso wie eine Pflegestufe 3, wie sie z.B. vergleichsweise bei Patienten mit "aktiver Rollstuhlpflicht oder Rollator-Nutzungspflicht oder Gehen mit Reziprokgestell" gegeben sei, im vorliegenden Fall mit Sicherheit nicht erreicht.
Der Mitbeteiligten wurde Gelegenheit gegeben, zu diesem Gutachten Stellung zu nehmen. In ihrer Stellungnahme vom 13. Februar 2003 wirft sie dem Amtssachverständigen vor, er gehe von "falschen Prämissen und Voraussetzungen" aus. Unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. September 1999, Zl. 99/08/0053, vertrat sie die Auffassung, es komme nicht darauf an, ob das betroffene Kind Pflegegeld beziehe. Es sei auch nicht darauf abzustellen, ob eine ganztägige Betreuung erfolge oder notwendig sei. Es komme vielmehr darauf an, welche Tätigkeiten des täglichen Lebens das Kind ohne fremde Hilfe meistern könne und ob der Betreuungsaufwand für den das Kind betreuenden Elternteil ein Ausmaß erreiche, dass diesem Elternteil unter Berücksichtigung des Umstandes, dass auch ihm eine angemessen Zeit der Erholung und Regeneration zuzugestehen sei, die Aufnahme eines Beschäftigungsverhältnisses unzumutbar sei. Dazu habe der Gutachter nicht Stellung genommen. Sie beantragte daher eine Ergänzung des Sachverständigengutachtens zu näher bezeichneten Punkten.
Der Amtssachverständige nahm dazu in der Weise Stellung, dass er einräumte, es sei den Angaben der Mitbeteiligten "grundsätzlich wohl" zuzustimmen, allerdings darauf hinwies, dass
"die Auffassungen des Gutachters und der Rechtsmittelwerberin über das jeweilige Ausmaß und den notwendigen (!) Umfang der Hilfestellungsleistungen bei einem Jugendlichen mit angeborene Unterarm-Aplasie und sonst körperlich und geistig unbehinderten 13- jährigen Regelschüler, der gelernt hat, eine übliche Prothese mit Greiffunktion zu bedienen und zu nutzen"
nicht übereinstimmten. Sonstige "physiologische Funktionseinbußen" fänden sich nicht. Die nach Auffassung des Sachverständigen erforderliche Zeit für die einzelnen Hilfestellungen wird für das "Aufbereiten von gewissen Mahlzeiten" mit durchschnittlich täglich zehn Minuten, für Hilfestellungen bei der täglichen Körperpflege einschließlich Baden und Duschen mit täglich maximal 50 Minuten, für Hilfestellung beim An- und Ausziehen (z.B. in den Mantel helfen) mit "geschätzt" täglich 20 Minuten angegeben. Dazu wies der Amtssachverständige darauf hin, dass er die Richtwerte des Bundespflegegeldgesetzes herangezogen habe. Ob eine psychologische Betreuung und Stütze "laufend notwendig" oder "laufend durch die Mutter notwendig" sei, liege "primär im Ermessensentscheid der Familienmitglieder, also auch der Mutter". Aus "ärztlich-psychologischerpsychotherapeutischer Sicht" sei seines Erachtens eine solche zusätzliche, "aus mancher situativer Notwendigkeit sich allenfalls ergebend" eingesetzte "Lebenshilfe-Unterstützung" wohl vermutlich förderlich, es sei aber eine "zwingende Notwendigkeit" dafür nicht gegeben. Eine "behandlungswürdige psychische Situation bestand jedenfalls nicht". Der Jugendliche sei Regelschüler, geistig unbehindert und zeige psychomotorisch, psychodynamisch oder emotionell keine Auffälligkeiten. Der Sachverständige beziehe sich daher "uneingeschränkt (!)" auf seine Darlegungen im Gutachten vom 28. Jänner 2003.
Die Einspruchsbehörde übermittelte auch dieses Ergänzungsgutachten der Mitbeteiligten zur Stellungnahme. Diese kritisierte in ihrer Äußerung vom 10. März 2003, dass der Amtssachverständige nur zu einigen Punkten des täglichen Aufwandes Stellung genommen habe und nicht "auf die tägliche Gesamtbetreuung" eingegangen sei. Das Kind sei ständig auf die Hilfe der Mitbeteiligten "in der Alltagsroutine" angewiesen. Die Betreuung bezüglich der neuen Neurodermitis nehme enorm viel Zeit in Anspruch und sei notwendig, damit weitere Schübe bzw. Anfälle verhindert werden. Das sollte in der Stellungnahme berücksichtigt werden. Sie beantrage daher neuerlich eine entsprechende Ergänzung des Gutachtens.
Die Einspruchsbehörde holte dazu eine weitere Stellungnahme des Amtssachverständigen ein. Dieser wies darauf hin, dass unter "tägliche Gesamtbetreuung in der Alltagsroutine" auch jener pflegerische Mehraufwand gegenüber gleichaltrigen Kindern und Jugendlichen zu verstehen sei, der bereits "taxativ angeführt und zu allen relevanten Fragen ausführlich und hinsichtlich Aufwandsbezogenheit adäquat und schlüssig beantwortet worden ist". Darunter falle aus ärztlicher Sicht auch die angegebene Betreuung bezüglich der Neurodermitis.
Die Mitbeteiligte kritisierte in einer weiteren schriftlichen Äußerung vom 3. April 2003, dass der Amtssachverständige nicht auf die "Neurothermitis Schübe bzw. Anfälle" eingehe, welche zu einem enormen Zeitaufwand der täglichen Körperpflege, wie Helfen beim täglichen Baden und Duschen mit geeigneten Badezusätzen, mit einem mehrmaligen täglichen Eincremen mit geeigneten Salben gegen das Austrocknen der Haut sowie gegen den Juckreiz führten. Dazu führte der Sachverständige ergänzend aus, eine
"atopischen Dermatitis, auch 'Neurodermitis' genannt, stellt in jedem Fall keinen derart massiven oder zeitaufwändigen pflegerischen Umstand dar, sodass dies eine Selbstversicherung des Pflegenden rechtfertigen oder gar erzwingen"
könne. Darüber hinaus sei ihm "als auch dermatologisch geschulter Arzt" die Bemerkung gestattet, dass das "berichtete tägliche Bad" nicht unbedingt einer Rückfettung der Haut als förderlich anzusehen sei, sondern bisweilen auch eine Reizverstärkung für den trockenen Hauttyp bedeuten könne. Im Übrigen kritisierte der medizinische Sachverständige, dass die Mitbeteiligte
"im Übrigen neuerlich das unbekannte Vokabel 'Neurothermitis' verwendet, obwohl der Unterfertigte bereits in der letzten ergänzenden Stellungnahme in freundlich aufklärender Weise auf den richtigen Begriff 'Neurodermitis' hingewiesen" habe.
Auch sei in diesem Zusammenhang "das Vokabel Anfälle" praktisch unbrauchbar und auch als so bezeichnete Erläuterung sicher medizinisch irrelevant. Selbst falls umgangssprachlich verwendet, sei dieser Begriff irreführend, bezeichne er doch "ein zerebrales Herdgeschehen beispielsweise der Epilepsie". Eine solche Erkrankung liege beim "Jugendlichen und Sohn" der Mitbeteiligten nicht vor. Die Einwendungen der Mitbeteiligten würden sich
"vielmehr wegen der uneinsichtig verfolgten kuriosen Argumentationslinie, eine Neurodermitis-Erkrankung ihres/eines 13- jährigen Kindes erfordere quasi eine Ganztagesbetreuung, verursache damit quasi die Unmöglichkeit einer sonstigen Berufsausübung und erfordere damit zwingend eine Selbstversicherung, weitab jedes medizinisch fassbaren, erklärbaren oder wissenschaftlich nachvollziehbaren Niveaus".
In ihrer dazu erstatteten weiteren Äußerung vom 7. Mai 2003 bemängelte die Mitbeteiligte neuerlich, dass der Amtssachverständige zu bestimmten (von ihr aufgeworfenen) Fragen keine Stellung beziehe. Die Ausführungen zu ihrer Wortwahl ließen allerdings den Schluss zu, dass der Amtssachverständige gegenüber der Mitbeteiligten nicht mit der vollen Objektivität und Unbefangenheit zu Werke gehe. Sie lehne daher den Amtssachverständigen als befangen ab.
Mit Bescheid vom 2. Juni 2003 wies die Einspruchsbehörde den Einspruch der Mitbeteiligten ab und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid.
Nach einer Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und einer unkommentierten Gegenüberstellung des Vorbringens der Mitbeteiligten und der Ausführungen des Amtssachverständigen vertrat die Einspruchsbehörde die Auffassung, das Gutachten (welches sie zu einem integrierenden Bestandteil ihres Bescheides erhebe) habe sich mit allen "medizinisch relevanten Gesichtspunkten ..... auseinander gesetzt"; es sei nachvollziehbar und in sich widerspruchsfrei sowie glaubwürdig. Die Behörde verneinte eine Befangenheit des Amtssachverständigen, wobei sie darauf hinwies, dass Befangenheitsgründe, wie z.B. ein besonders enges "privat-persönliches Naheverhältnis", nicht vorlägen. Der Gutachter habe keine Veranlassung gehabt, aus persönlichen Gründen ein für die Partei ungünstiges Gutachten zu erstellen. Im Übrigen sei eine Ablehnung von Verwaltungsorganen durch Partei und Mitbeteiligte nicht vorgesehen. Die Einspruchsbehörde nahm eine Gegenüberstellung des von ihr zu entscheidenden Falles mit jenem des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. September 1999, Zl. 99/08/0053, vor und kam zum Ergebnis, dass "bei diesem Kind ... gänzlich andere Pflegemaßnahmen notwendig (seien) als bei dem Kind (der Mitbeteiligten)". Die Beendigung der Selbstversicherung mit 31. Oktober 2002 sei somit zu Recht erfolgt.
Die Mitbeteiligte erhob Berufung.
Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid gab die belangte Behörde dieser Berufung Folge und stellte fest, dass die Selbstversicherung in der Pensionsversicherung der Angestellten gemäß § 18a ASVG für die Mitbeteiligte "bis laufend" bestehe.
Nach einer Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und der anzuwendenden Rechtsvorschriften leitet die belangte Behörde die Begründung ihres Bescheides damit ein, dass die Mitbeteiligte und ihr Sohn im gemeinsamen Haushalt lebten und nach telefonischer Auskunft der zuständigen Familienbeihilfenstelle die bis November 2003 genehmigte erhöhte Familienbeihilfe auch für die nächsten fünf Jahre zuerkannt werde, da im Hinblick auf den bei der Behinderung des Kindes eingetretenen Dauerzustand keine Nachuntersuchung notwendig sei. Das Kind der Mitbeteiligten leide an einer Handaplasie (linke Hand) und habe eine Prothese zu tragen. Es benötige die Hilfe seiner Mutter in fast allen Angelegenheiten des täglichen Lebens, sei es zur Durchführung seiner Morgen- oder Abendtoilette, beim An- oder Ausziehen, bei der Zubereitung der Mahlzeiten bzw. dem Zerkleinern der Speisen. Auch bei den Schularbeiten müsse die Mitbeteiligte ihrem Kind ständig helfen, da es sich z.B. nicht allein das Federpennal aufmachen könne und ihm ein Umblättern mit einer Hand nicht möglich sei. Weiters leide es auch an Neurodermitis. Es besuche seit September 2003 eine näher bezeichnete Höhere Technische Lehranstalt. Zu dem von der Einspruchsbehörde eingeholten Gutachten verwies die belangte Behörde darauf, dass darin als Voraussetzung für die Selbstversicherung der Bezug von Pflegegeld genannt werde und der Sachverständige davon ausgehe, dass jedenfalls (erst) ab Pflegestufe 5 ein Recht auf Selbstversicherung bestehe. Die Berufungsbehörde habe die Mitbeteiligte darüber informiert, dass das Recht auf Selbstversicherung nicht an den Bezug von Pflegegeld gebunden sei. Der Amtssachverständige meine ferner, dass "ständige Wartung und Hilfe bei einer gänzlichen Beanspruchung der Pflegeperson oder bei Bettlägerigkeit des zu Betreuenden vorliege". Die Berufungsbehörde habe "immer wieder darauf aufmerksam gemacht", dass dieses Kriterium einer überholten Judikatur entspreche, da der Verwaltungsgerichtshof zwischenzeitig in verschiedenen Erkenntnissen ausgesprochen habe, dass das Erfordernis ständiger Wartung und Hilfe nicht nur dann vorliege, wenn die betreffende Person einzelne, dauernd wiederkehrende lebensnotwendige Leistungen, wie insbesondere Tätigkeiten im Zusammenhang mit Körperreinigung und Körperpflege oder die Versorgung mit Speisen nicht selbst durchführen könne, sondern unter Umständen auch (schon) dann, wenn die Pflegeperson auf eine starke psychische Unterstützung z.B. der Mutter angewiesen sei. Dass das Kind der ständigen psychischen Betreuung durch seine Mutter bedürfe, ergebe sich schon allein aus der Tatsache, dass es "zur Durchführung seines täglichen Lebens" auf seine Mutter angewiesen sei, was auch die Unterstützung in psychischer Hinsicht umfasse. Das Gutachten des Amtssachverständigen sei für die Beurteilung nicht heranzuziehen, da dessen Schlussfolgerungen ausschließlich von einem geschätzten Pflegeaufwand mit Bezug zu einer (bestimmten) Pflegegeldstufe ausgehen würde. Im Übrigen sei es Aufgabe eines Sachverständigen, Tatsachen zu erheben und daraus Schlussfolgerungen zu ziehen, nicht jedoch Rechtsfragen zu lösen. Auch sei eine Untersuchung in die Richtung, ob der Vierzehnjährige in der Lage sei, selbstständig einen Haushalt zu führen, grundsätzlich verfehlt, da auch ein nicht behinderter Vierzehnjähriger nach der allgemeinen, nicht näher zu begründenden Lebenserfahrung dazu nicht in der Lage sei und es von ihm auch nicht erwartet werde.
Nach Wiedergabe der Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage betreffend die 44. ASVG-Novelle, einem Hinweis auf den Inhalt des § 18a Abs. 3 ASVG und auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, insbesondere auf das Erkenntnis vom 17. Dezember 1991, Zl. 89/08/0353, vertrat die belangte Behörde schließlich die Auffassung, es zeige sich "unter Zugrundelegung oben festgestellten Sachverhaltes", dass die Mitbeteiligte auch in dieser Zeit dasjenige Maß an Arbeit geleistet habe, das ihr noch habe zugemutet werden können. Hätte man die Mitbeteiligte auch noch verpflichtet, einer darüber hinausgehenden Erwerbstätigkeit nachzugehen, hätte man ihr eine Belastung aufgebürdet, die das Maß des Zumutbaren bei Weitem überschritten hätte. Unter Berücksichtigung der für Erwerbstätige geltenden arbeitsrechtlichen Vorschriften betreffend Arbeitsruhe und Urlaub wäre es für die Mitbeteiligte nicht möglich gewesen, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen und dadurch für eine eigenständige Alterssicherung vorzusorgen. Damit sei die Voraussetzung der "gänzlichen Beanspruchung der Arbeitskraft" im Sinne des § 18a ASVG erfüllt, weshalb von der beantragten Einholung eines weiteren Gutachtens abgesehen worden sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und erklärt, von der Erstattung einer Gegenschrift abzusehen; sie hat -
wie auch die mitbeteiligte Partei in ihrer Gegenschrift - beantragt, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Beschwerdefall ist strittig, ob das Kind der Mitbeteiligten im Sinne der in § 18a Abs. 3 ASVG enthaltenen, nach Altergruppen gegliederten Definition des Begriffs der "gänzlichen Beanspruchung der Arbeitskraft" einer ständigen persönlichen Hilfe und besonderer Pflege bedarf.
Der durch die 44. ASVG-Novelle, BGBl. Nr. 609/1987, geschaffene § 18a ASVG lautete in der Stammfassung auszugsweise wie folgt:
"§ 18 a. (1) Personen, die sich der Pflege eines im gemeinsamen Haushalt lebenden behinderten Kindes, für das erhöhte Familienbeihilfe im Sinne des § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376, gewährt wird, widmen und deren Arbeitskraft aus diesem Grund gänzlich beansprucht wird (Abs. 3), können sich, solange sie während dieses Zeitraumes ihren Wohnsitz im Inland haben, längstens jedoch bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres des Kindes, in der Pensionsversicherung selbstversichern. Der gemeinsame Haushalt besteht weiter, wenn sich das behinderte Kind nur zeitweilig wegen Heilbehandlung außerhalb der Hausgemeinschaft aufhält. Eine Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes kann jeweils nur für eine Person bestehen.
...
(3) Eine gänzliche Beanspruchung der Arbeitskraft im Sinne des Abs. 1 liegt vor, solange das behinderte Kind
1. das Alter für den Beginn der allgemeinen Schulpflicht (§ 2 des Schulpflichtgesetzes 1985, BGBl. Nr. 76/1985) noch nicht erreicht hat und ständiger persönlicher Hilfe und Wartung bedarf,
2. während der Dauer der allgemeinen Schulpflicht wegen Schulunfähigkeit (§ 15 des Schulpflichtgesetzes 1985) entweder von der allgemeinen Schulpflicht befreit ist oder ständiger persönlicher Hilfe und Wartung bedarf,
3. nach Vollendung der allgemeinen Schulpflicht und vor Vollendung des 30. Lebensjahres dauernd bettlägrig ist oder ständiger persönlicher Hilfe und Wartung bedarf.
..."
Nach den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage nimmt die Frage der pensionsversicherungsrechtlichen Berücksichtigung der Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes durch einen Elternteil ihren Ausgang von der Tatsache, dass die Mutter bzw. der Vater eines solchen Kindes (in der Regel wird es die Mutter sein), sofern sie bzw. er sich ausschließlich und allein seiner Pflege widmet, aus diesem Grund nicht in der Lage ist, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, und damit auch nicht für eine eigenständige Alterssicherung vorsorgen kann. Für die Selbstversicherung in der Pensionsversicherung kommen alle jene Personen in Betracht, die sich der Pflege eines behinderten Kindes, das nicht älter als 27 Jahre (in der Fassung der hier anzuwendenden Novelle BGBl. Nr. 294/1990: 30 Jahre; seit 1. Jänner 2005 in der hier noch nicht anzuwendenden Fassung des Art. II Z. 14 des Pensions-Harmonisierungsgesetzes, BGBl. I Nr. 142/2004: 40 Jahre) ist, widmen, für das erhöhte Kinderbeihilfe nach § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 gewährt wird, und deren Arbeitskraft als Folge der Pflege zur Gänze in Anspruch genommen ist. Bei Zutreffen der Voraussetzungen des Abs. 3 des neuen § 18a ASVG gilt die gesetzliche Vermutung, derzufolge die Arbeitskraft der Pflegeperson durch die Pflege auf jeden Fall gänzlich in Anspruch genommen ist. Die Aufzählung ist taxativ, sodass es daneben keine Fälle gibt, die zur Stellung eines Antrages auf eine Selbstversicherung gemäß § 18a ASVG berechtigen. Sinn dieser Regelung ist es, den Antragsteller davon zu befreien, im Einzelfall nachweisen zu müssen, dass seine Arbeitskraft durch die Pflege des behinderten Kindes zur Gänze beansprucht wird. Dies könnte vor allem dann auf Schwierigkeiten stoßen, wenn eine Pflegeperson neben der Betreuung eines behinderten Kindes noch weitere Kinder versorgt und betreut bzw. den Haushalt führt. Gemäß § 18a Abs. 3 ASVG sind dies die Pflegefälle, in denen das behinderte Kind das sechste Lebensjahr noch nicht erreicht hat (Z. 1), wenn es älter ist während der Dauer der allgemeinen Schulpflicht (9 Schuljahre nach Beginn der allgemeinen Schulpflicht), sofern das Kind wegen Schulunfähigkeit von der allgemeinen Schulpflicht befreit ist oder ständiger persönlicher Hilfe und Wartung bedarf (Z. 2) bzw. nach Vollendung der allgemeinen Schulpflicht und vor Vollendung des 27. Lebensjahres (seit der Novelle BGBl. Nr. 294/1990: 30 Jahre), wenn das Kind dauernd bettlägerig ist oder ständiger persönlicher Hilfe und Wartung bedarf (Z. 3). Die zuletzt genannten Kriterien decken sich im Wesentlichen mit den Voraussetzungen, die nach den einzelnen Sozialhilfe- und Behindertengesetzen der Länder für den Anspruch auf die höchste Stufe des Pflegegeldes erforderlich sind (vgl. 324 BlgNR 17. GP, Seite 24 f).
Vor diesem Hintergrund hatte der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 17. Dezember 1991, Zl. 89/08/0353, über den Fall eines zufolge einer Hörbehinderung in seiner Kommunikationsfähigkeit gestörten Kindes zu entscheiden, das - vergleichbar mit dem vorliegenden Sachverhalt - ab Montag
7.30 Uhr bis freitagmittags, außer in den gesetzlichen Schulferien und im Krankheitsfall, internatsmäßig untergebracht war. Der Verwaltungsgerichtshof vertrat in diesem Fall folgende Auffassung:
"Unabhängig von der Frage, ob das Kind in diesem Zeitraum gemäß § 18a Abs. 1 ASVG im gemeinsamen Haushalt mit der Beschwerdeführerin lebte, kann im Hinblick auf den in den Erläuternden Bemerkungen zum Ausdruck kommenden Zweck der Regelung nicht davon gesprochen werden, dass sich die Beschwerdeführerin in diesem Fall ausschließlich und allein der Pflege ihres Kindes widmete, womit ihre Arbeitskraft gänzlich beansprucht wurde. Dass das behinderte Kind in den Ferien bzw. im Krankheitsfalle unter Umständen ihrer Hilfe bedurfte, führte nicht zu einem Ausschluss jeglicher Erwerbstätigkeit."
Dabei stellte der Verwaltungsgerichtshof insbesondere auf die Behinderung des Kindes (hochgradige irreparable sensoneurale Hörschädigung) ab und hob den bekämpften Bescheid betreffend Zeiten, in denen das Kind tagsüber eine Sonderschule besuchte, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf, weil insbesondere nicht im Wege eines Sachverständigengutachten geklärt gewesen war, ob unter Berücksichtigung des Alters und der spezifischen Behinderung des Kindes dessen ständige Betreuung auch außerhalb der Zeit des Schulbesuches erforderlich war und ob bei Unterbleiben dieser Betreuung die Entwicklung des Kindes im Verhältnis zu einem ähnlich behinderten Kind, dem diese Zuwendung zuteil wird, benachteiligt und gefährdet wäre, worauf es nach diesem Erkenntnis somit entscheidend ankommt.
In seinem Erkenntnis vom 21. September 1999, Zl. 99/08/0053, sprach der Verwaltungsgerichtshof aus, dass der Gesetzgeber - freilich in typisierender Weise - davon ausgehe, dass der Bedarf eines behinderten Kindes nach persönlicher Betreuung durch einen Elternteil im Verhältnis zur Betreuungstätigkeit durch Dritte variabel sei und vom Alter des Kindes in Kombination mit der Schwere der Behinderung abhänge. Dabei sei auch eine angemessene Zeit der Erholung und Regeneration von der Pflegeleistung in Rechnung zu stellen, worauf jedoch schon der Gesetzgeber, wie sich aus der typisierenden Gesetzestechnik ergibt, in abschließender Weise Bedacht genommen habe, ohne dass der Erholungsbedarf der betreuenden Person im Einzelfall gesondert (d.h. neben den Voraussetzungen des § 18a Abs. 3 ASVG) zu prüfen wäre, solange das behinderte Kind tatsächlich mit der Pflegeperson im gemeinsamen Haushalt lebt.
Daraus hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 27. Juli 2001, Zl. 97/08/0651, den Schluss gezogen, dass es der Gesetzgeber offenbar bewusst bei der die Kriterien der Inanspruchnahme der Arbeitskraft sehr formalisiert umschreibenden Regelung in § 18a Abs. 3 ASVG habe bewenden lassen. Der Gesetzgeber habe damit zwar einerseits entsprechende Unschärfen in den Anspruchsvoraussetzungen in Kauf genommen, andererseits aber auch die Möglichkeit einer begünstigten Selbstversicherung mit dem 30. Lebensjahr des Kindes begrenzt. Eine solche Regelungstechnik - die freilich den Vorteil der leichteren Handhabbarkeit für sich habe - bringe es zwangsläufig mit sich, dass die im Einzelfall trotz der Pflege allenfalls für die Pflegeperson gegebene Möglichkeit, eine die Pensionsversicherungspflicht begründende Teilzeitbeschäftigung einzugehen, ebenso unberücksichtigt bleiben müsse wie das ausnahmsweise, die Aufnahme einer Beschäftigung hindernde Fortbestehen eines an die bisherige Pflegeperson gebundenen Pflegebedarfs über das 30. Lebensjahr des Kindes hinaus. Der Gesetzgeber habe - wie auch die Materialien zeigten - eine (weil unter Außerachtlassung der emotionalen Seite stattfindende und daher für die Pflegeperson mitunter auch entwürdigende) Untersuchung der Frage der Zumutbarkeit der Aufnahme einer Beschäftigung vor dem Hintergrund der rein zeitlichen Dimension der Inanspruchnahme bewusst vermeiden wollen. Stattdessen habe er an der Schwere der Behinderung allein und typisierend angeknüpft und das Ausmaß der (psychischen und physischen) Belastung der Pflegeperson als eine Reflexwirkung der Schwere der Behinderung verstanden wissen wollen. Diesen Zusammenhang sehe das Gesetz nur in dem Fall als aufgelöst an, in dem von einem gemeinsamen Haushalt nicht mehr gesprochen werden könne und somit - wenn auch hier wieder in typisierender Weise - feststehe, dass Pflegeleistungen tatsächlich nur in einem untergeordneten Ausmaß persönlich erbracht würden.
Ohne dass die konkrete zeitliche Inanspruchnahme durch die Pflege daher einer gesonderten Untersuchung bedürfte, lägen die Voraussetzungen des § 18a ASVG lediglich dann nicht vor, wenn das - in einem dem Gesetz entsprechenden Ausmaß behinderte - Kind in einem solchen zeitlichen Ausmaß in einer Einrichtung untergebracht sei, dass von einem gemeinsamen Haushalt mit dem Elternteil, der sich in der verbleibenden Zeit seiner Pflege widmet, nicht mehr gesprochen werden könne.
Das schon erwähnte Erkenntnis vom 27. Juli 2001, Zl. 97/08/0651, betraf den Fall eines Kindes mit einer so schweren Behinderung, die eine Betreuung "rund um die Uhr" erforderte, welches ferner von Montag früh bis Freitag Nachmittag internatsmäßig untergebracht war, aber an den Wochenenden, während der über das gesetzliche Maß hinaus gehenden Ferien sowie im jederzeit unvorhersehbaren Krankheitsfall von der Mutter zu Hause betreut wurde. Der Verwaltungsgerichtshof hat darin die Frage, ob die Arbeitskraft der Mutter durch ein den Voraussetzungen des § 18 Abs. 3 ASVG entsprechendes Betreuungserfordernis zur Gänze in Anspruch genommen worden ist, bejaht.
Die hier anzuwendende Fassung des § 18a Abs. 3 ASVG unterscheidet sich von der in der bisherigen Rechtsprechung jeweils maßgebenden darin, dass durch Z. 6 der 59. Novelle zum ASVG, BGBl. I Nr. 1/2002, mit 1. Jänner 2002 in § 18a Abs. 3 Z. 1 bis 3 ASVG der Begriff der "Wartung" jeweils durch den der "besonderen Pflege" ersetzt wurde; dies wurde in den Gesetzesmaterialien (RV 834 Blg. NR 21. GP) damit begründet, dass
"der unzeitgemäße Ausdruck 'Wartung' durch den Begriff '(besondere) Pflege' - ein Fachausdruck, dessen sich auch das Krankenanstaltenrecht bedient - ersetzt werden"
solle. Eine inhaltliche Änderung war mit dieser Novelle offenkundig nicht beabsichtigt.
Der Ausdruck "Wartung und Hilfe" war entgegen der Auslegung, die die gleich lautende Wendung des seinerzeitigen § 105 a ASVG durch die Rechtsprechung des OLG Wien erfahren hat, als ein einheitlicher Begriff, ein einziges Tatbestandsmerkmal zu verstehen; eine Trennung dieses Wortpaares hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung als nicht zulässig angesehen. Dies hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 17. Dezember 1991, 89/08/0353, auf § 18a Abs. 3 ASVG unter Hinweis auf das Erkenntnis vom 20. November 1985, Slg.Nr. 11952/A, übertragen.
Der Sohn der Mitbeteiligten ist nicht als schulunfähig von der allgemeinen Schulpflicht befreit. Für die Lösung des vorliegenden Falls ist somit unter Berücksichtigung der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 18a Abs. 3 ASVG wesentlich, ob (und in welchem Umfang) unter Berücksichtigung des Alters und der spezifischen Behinderung des Kindes dessen ständige Betreuung erforderlich war und ob bei Unterbleiben dieser Betreuung die Entwicklung des Kindes im Verhältnis zu einem ähnlich behinderten Kind, dem diese Zuwendung zuteil wird, benachteiligt und gefährdet wäre (vgl. das Erkenntnis vom 17. Dezember 1991, Zl. 89/08/0353).
Die belangte Behörde ist zu Recht davon ausgegangen, dass das Gutachten des Amtssachverständigen der Einspruchsbehörde als Entscheidungsgrundlage schon deshalb ungeeignet ist, weil es von verfehlten rechtlichen Vorstellungen über eine gleichsam analoge Anwendung des Pflegegeldgesetzes ausgeht und - in der rechtsirrigen Auffassung, dass die Voraussetzungen des § 18a Abs. 3 ASVG mit jenen Pflegegeldstufe 5 gleichzusetzen seien - wegen Fehlens der Kriterien dieser Pflegegeldstufe zu einer Verneinung des Erfordernisses der "ständigen Wartung und Hilfe" gelangte. Im Hinblick auf die Unbrauchbarkeit dieses Gutachtens kann es daher auf sich beruhen, ob in Bezug auf diesen Amtssachverständigen angesichts der - in einem Sachverständigengutachten ganz unangebrachten - Kritik an der laienhaften Wortwahl der Mitbeteiligten und der vom Sachverständigen vorgenommenen Bewertung ihrer - durchaus stets sachlich bleibenden - Argumentation als "kurios" auch die Besorgnis der Befangenheit bestanden hätte.
Allerdings ist der im Verhältnis zu den Bescheiden der Vorinstanzen zum gegenteiligen Ergebnis gelangende angefochtene Bescheid mit dem Mangel behaftet, dass es die belangte Behörde unterlassen hat, ein anderes Sachverständigengutachten einzuholen. Die entscheidende Frage ist nach der zitierten Rechtsprechung in erster Linie eine medizinische Fachfrage, die von der Behörde ohne Zuhilfenahme von Gutachten einschlägiger Sachverständiger nicht gelöst werden darf. Das Verfahren ist daher in einem wesentlichen Punkt ergänzungsbedürftig geblieben, sodass der angefochtene Bescheid schon aus diesem Grunde gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben ist.
Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich für das fortzusetzende Verfahren zu folgenden Hinweisen veranlasst: Die belangte Behörde wird im fortzusetzenden Verfahren unter Zuhilfenahme medizinischer Sachverständiger zu klären haben, in welchen Belangen das Kind der Mitbeteiligten seit 1. November 2002 der persönlichen Hilfe und besonderen Pflege bedurft hat und ob bei Unterbleiben der Betreuung durch die Mitbeteiligte das Kind im Verhältnis zu einem ähnlich behinderten Kind, dem diese Zuwendung zuteil wird, in seiner Entwicklung benachteiligt und gefährdet wäre. Im ersten Teil dieser Fragestellung wird in erster Linie die angeborene Behinderung zu berücksichtigen, aber auch zu untersuchen sein, ob und in welchem Ausmaß die behauptete Hauterkrankung vorliegt, ob sie einen zusätzlichen ständigen Betreuungsaufwand erfordert sowie, ob und welche Wechselwirkung allenfalls zwischen der Hauterkrankung und dem Tragen und Verwenden der Handprothese besteht.
Sollte sich ergeben, dass ein ständiger häuslicher Betreuungsaufwand der Mitbeteiligten zur Vermeidung einer Benachteiligung in der Entwicklung ihres Sohnes im Verhältnis zu vergleichbar behinderten Kindern, die über eine entsprechende Betreuung verfügen, erforderlich gewesen ist, dann lägen die Voraussetzungen für die Selbstversicherung im Sinne des § 18a ASVG vor, ohne dass dann noch zu prüfen wäre, ob der Mitbeteiligten ungeachtet der erforderlichen Pflegemaßnahmen die Aufnahme einer Beschäftigung zumutbar (gewesen) wäre.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003; der zuerkannte Aufwandersatz wurde jedoch begrenzt mit dem in der Beschwerde geltend gemachten - hinter den Pauschalsätzen der genannten Verordnung zurückbleibenden - Betrag.
Wien, am 16. November 2005
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2003080261.X00Im RIS seit
08.01.2006