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20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);Norm
ABGB §1091;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Köller, Dr. Moritz und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des W in A, vertreten durch Dr. Johannes Hochleitner, Rechtsanwalt in 4070 Eferding, Kirchenplatz 8, gegen den Bescheid des Bundesministers für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz vom 10. Juli 2003, Zl. 126.907/5-6/02, betreffend Versicherungspflicht nach ASVG und AlVG (mitbeteiligte Parteien: 1. R in A; 2. Oberösterreichische Gebietskrankenkasse, 4010 Linz, Gruberstraße 77; 3. Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillgeist-Straße 1; 4. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1201 Wien, Adalbert-Stifter-Straße 65;
5. Arbeitsmarktservice Oberösterreich, Landesgeschäftsstelle, 4021 Linz, Europaplatz 9), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund (Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge gegeben und festgestellt, dass die Erstmitbeteiligte "auf Grund ihrer Tätigkeit als Landarbeiterin beim Dienstgeber Firma (Beschwerdeführer), 'Erdbeerland' in der Zeit vom 1.04.1998 bis 31.08.1998, vom 19.04.1999 bis 31.08.1999 und vom 15.05.2000 bis 14.07.2000 gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG und § 1 Abs. 1 lit. a AlVG der Voll- und Arbeitslosenversicherungspflicht unterlag."
Gleichzeitig wies die belangte Behörde die Berufung der Erstmitbeteiligten wegen entschiedener Sache als unzulässig zurück.
Begründend gab die belangte Behörde den ihrem eigenen Abspruch entsprechenden Spruch des erstinstanzlichen Bescheides wieder. In dem dagegen vom Beschwerdeführer und der Erstmitbeteiligten erhobenen Einspruch sei ausgeführt worden, dass für diese Produktionssparte einerseits Dienstnehmer beschäftigt würden und andererseits Landwirte im Rahmen des Maschinen- und Betriebshilferinges herangezogen würden. Die Landwirte erhielten ihre Aufträge entweder durch Vermittlung des Maschinenringes oder durch den zuständigen Plantagenleiter. Der Maschinenring übernehme auch die gesamte Abrechnung der Betriebshelfer. Bei den Tätigkeiten seien landwirtschaftliche Kenntnisse erforderlich. Hiebei handle es sich unter anderem um die Herstellung der Feldeinstreu, Erntevorbereitung (Zaunaufbau), Unkrautbekämpfung und Feldbearbeitung. Die Erstmitbeteiligte sei Betriebsführerin ihres landwirtschaftlichen Betriebes und sei damit bei der Sozialversicherungsanstalt der Bauern pflichtversichert. Das mit dieser Tätigkeit verbundene Leistungsentgelt würde auf das Betriebskonto der Erstmitbeteiligten überwiesen werden. Es erfolge ein Leistungsaustausch von Landwirt zu Landwirt (Unternehmer zu Unternehmer). Weiters fehle es an jeglichen Sanktionen bei Nichterbringung der Tätigkeit, es liege keine Tätigkeitsverpflichtung vor, die Erstmitbeteiligte habe das Recht, Aufträge abzulehnen. Weiters fehlten arbeitsrechtliche Normen eines Dienstverhältnisses (kein Urlaub, keine Entgeltfortzahlung, keine Sonderzahlungen usw.). Die Sachverhaltsfeststellungen enthielten keine Aussage zu einer bestimmten Arbeitszeitverpflichtung. Es gebe nur Bindungen, die sich aus der Natur der Sache ergäben. So sei auf die Erfordernisse der Erdbeerproduktion bzw. auf die Wetterlage Rücksicht zu nehmen gewesen. Die Mitbeteiligte habe Dienstleistungen mit oder ohne Betriebsmittel für einen anderen landwirtschaftlichen Betrieb nach § 2 Abs. 1 iVm § 23 BSVG und den Punkten 3.2.1. und 3.2.2. der Anlage 2. zum BSVG erbracht, die seit 1. Jänner 1999 ausdrücklich dem bäuerlichen Versicherungs- und Beitragsrecht zuzuordnen seien, und auch die bäuerliche Unfallversicherung erfasse ab 1. Jänner 1999 die seit alters übliche zwischenbetriebliche Zusammenarbeit und Dienstleistungserbringung außerhalb einer "ASVG-Dienstnehmereigenschaft".
Der Landeshauptmann von Oberösterreich habe dem Einspruch keine Folge gegeben und begründend zur Bindung an die Arbeitszeit ausgeführt, dass Arbeitsaufzeichnungen vorlägen, aus denen sich der Dienstbeginn, das Dienstende und eine genaue Pausenregelung ergäben. Eine freie Zeiteinteilung liege nicht vor, da den Landwirten auf Grund der erforderlichen Teamarbeit auf der Setzmaschine und den Maschineneinsatzplänen gesagt werde, wann und wo sie genau zum Einsatz kämen. Bezüglich der Weisungs- und Kontrollunterworfenheit werde auf die stille Autorität verwiesen. Aus der Ausstattung mit Handys ergebe sich, dass der Dienstgeber die Befugnis gehabt habe, das arbeitsbezogene Verhalten zu bestimmen. Eine funktionierende Arbeitseinteilung sei auch zur Aufrechterhaltung einer funktionierenden Erdbeerproduktion unerlässlich. Eine persönliche Arbeitspflicht habe auch bestanden, da sich die Beschäftigten im Fall einer Verhinderung beim Plantagenleiter abgemeldet hätten und sich dieser um Ersatz gekümmert habe. Eine sanktionslose Ablehnungsmöglichkeit habe auch nicht bestanden, da im Hinblick auf eine funktionierende Arbeitseinteilung der Plantagenleiter mit der Arbeitskraft der Beschäftigten disponieren habe müssen. Zur Entgeltvereinbarung sei darauf verwiesen, dass schon das Vorliegen eines Entgeltanspruches genüge. Landwirtschaftliche Nachbarschaftshilfe liege nur vor, wenn sie unentgeltlich und deswegen erbracht werde, weil der Hilfe Leistende ähnliche oder gleiche Gegenleistungen in seinem eigenen Betrieb erwarte. Eine Nachbarschaftshilfe liege nicht vor, weil die Arbeitskraft auf Stundenlohnbasis zur Verfügung gestellt worden sei und die Betriebsmittel vom Beschwerdeführer beigestellt worden seien. In der Gewerbeordnung seien ausschließlich Tätigkeiten geregelt, die selbständig, regelmäßig und mit Gewinnabsicht betrieben würden. Die Ausnahmebestimmungen des § 2 Gewerbeordnung seien nur dann anzuwenden, wenn bei der betreffenden Tätigkeit die Merkmale der Gewerbsmäßigkeit vorlägen. Die Tätigkeiten für den Betrieb des Beschwerdeführers würden nicht gewerbsmäßig ausgeführt. Nach der Rechtsprechung werde eine Tätigkeit gewerbsmäßig ausgeführt, wenn die Merkmale des Erwerbszweckes (Gewinnabsicht), der Regelmäßigkeit und der Selbständigkeit vorlägen. Insgesamt läge keine Gewerbsmäßigkeit vor.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung habe der Beschwerdeführer die bereits im Einspruch vorgetragenen Argumente wiederholt und bezüglich der entgeltlichen Nachbarschaftshilfe auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. September 2001, Zl. 98/04/0182, verwiesen, in dem die entgeltliche Bauaushilfe eines Landwirtes bei einem anderen grundsätzlich dem land- und forstwirtschaftlichen Dienstleistungsgewerbe zugeordnet worden sei.
In der Folge stellte die belangte Behörde die Rechtslage dar, und traf folgende Feststellungen:
"(Die Erstmitbeteiligte) ist im Hauptberuf Betriebsführerin des eigenen landwirtschaftlichen Betriebes. Darüber hinaus verrichtet sie für den Betrieb (des Beschwerdeführers), welcher sich mit der Erdbeerproduktion beschäftigt, Tätigkeiten wie Pflanzen und Unkraut hacken. Die Auftragsvergabe erfolgt durch den Maschinenring bzw. durch den Plantagenleiter des Betriebes (des Beschwerdeführers). Die Betriebsmittel werden seitens des Betriebes (des Beschwerdeführers) zur Verfügung gestellt. Bis zum Jahr 1999 füllte (die Erstmitbeteiligte) die Lieferscheine aus, welche die Arbeitstage, die Arbeitszeit, Arbeitsort und die Art der Tätigkeit beinhalten. Dienstbeginn war grundsätzlich 7.00 Uhr. Das Dienstende schwankte zwischen 16.00 Uhr und 17.00 Uhr. Mittagspausen (1/2 Stunde täglich) wurden bei der Stundenaufzeichnung in Abzug gebracht und auch nicht vergütet. (Die Erstmitbeteiligte) war im Zeitraum vom 1.04.1998 bis 31.08.1998, vom 19.04.1999 bis 31.08.1999 und vom 15.05.2000 bis 14.07.2000 bei der Firma (des Beschwerdeführers) tätig. Seit dem Jahr 2000 werden die geleisteten Arbeitsstunden auf dem Maschinenringabrechnungsblock eingesetzt. ...
Die Einsatzpläne der Maschinen wurden vom Plantagenleiter erstellt. Die Maschinen selbst wurden vom Betrieb (des Beschwerdeführers) zur Verfügung gestellt und von den Stammarbeitern auf das zu bearbeitende Feld gebracht. (Der Plantagenleiter) ruft die Landwirte selbst an, teilt ihnen mit, wann die Maschine auf dem Feld ist und vereinbart mit den Landwirten die zu erbringende Tätigkeit. Auf Grund der Erfahrungswerte des (Plantagenleiters) wird mit dem Landwirten auch vereinbart, wann ca. die Arbeiten zu beenden sind. Zu 80 % bis 90 % werden die Arbeiten von den Personen verrichtet, die er anruft. Die Erteilung von Absagen ist der Ausnahmefall.
Für das Aufstellen der Zäune sind zwischen 2 und 3 Personen erforderlich, wobei (der Plantagenleiter) in erster Linie jene Personen heranzieht, welche mit dieser Tätigkeit am besten vertraut sind. Zu 90 % fährt ein Stammarbeiter entweder mit der Pfahlsetzmaschine oder mit der Zaunwickelmaschine. Mit der anderen Maschine fährt der Mann vom Maschinenring.
Wenn jemand, der bereits eine Arbeit zugesichert hat, krank wird oder aus sonstigen Gründen die Arbeit nicht verrichten kann, schickt derjenige entweder eine Ersatzkraft (nur ganz selten) - im allgemeinen sorgt (der Plantagenleiter) selbst für einen Ersatz."
In der Beweiswürdigung verneinte die belangte Behörde die Frage nach einem Recht auf Ablehnung der Erbringung einer bereits abgerufenen Arbeitsleistung. Das Setzen der Pflanzen und das Jäten von Unkraut habe nicht irgendwann verrichtet werden können, es hätten die Witterungsverhältnisse und jeweils erforderliche Vorarbeiten berücksichtigt werden müssen. Hätte ein Landwirt die bereits angenommene Tätigkeit einfach ablehnen können, hätten diese Arbeiten nicht verrichtet werden können, was wiederum dem Unternehmen geschadet hätte. Absagen seien nur im Ausnahmefall vorgekommen. Daraus lasse sich kein generelles Ablehnungsrecht ableiten.
In rechtlicher Hinsicht war für die belangte Behörde entscheidend,
"ob (die Erstmitbeteiligte) auf Grund ihrer Tätigkeit im Betrieb (des Beschwerdeführers) 'Erdbeerland' als Dienstnehmerin gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 iVm Abs. 2 ASVG oder auf Grund einer bäuerlichen Nebentätigkeit der Pflichtversicherung gemäß § 2 Abs. 1 lit. a BSVG unterliegt."
Eine Nebentätigkeit im Sinne des § 2 BSVG - so die belangte Behörde weiter - könne immer nur eine selbständige Erwerbstätigkeit sein. Nach den Sachverhaltsfeststellungen und der folgenden rechtlichen Würdigung liege im vorliegenden Fall jedoch eine unselbständige Erwerbstätigkeit vor. Dazu werde einerseits auf die Begründung des zweitinstanzlichen Bescheides verwiesen und darauf, dass die Tätigkeit als Aushilfe auf einem Obst(Erdbeer)- oder Gemüsefeld (Pflanzen setzen, Unkraut jäten usw.) die Voraussetzungen für eine Tätigkeit in persönlicher Abhängigkeit erfüllte, zumal diese Tätigkeit nach den zeitlichen (gemeinsamer morgendlicher Arbeitsbeginn und gemeinsames Arbeitsende) und örtlichen (zu bearbeitendes Feld) Vorgaben des Dienstgebers zu erbringen seien und nur durch eine Einordnung in den Betriebsorganismus ("welche Arbeitskraft wann und wie zu welcher Zeit eingesetzt wird") die Tätigkeit wirtschaftlich sinnvoll zu erledigen sei. Dass es im Betrieb des Beschwerdeführers gegen die allgemeinen Erfahrungen des Wirtschafts- und Arbeitslebens anders sei, sei weder behauptet worden noch ergäben sich im Sachverhalt Anhaltspunkte dafür. Das Recht, jederzeit und ohne Einschränkungen eine Dienstleistung abzulehnen, habe nach den Feststellungen nicht bestanden und sei in der Berufung auch nicht behauptet worden. Ob Nachbarschaftshilfe vorgelegen sei, sei nicht mehr zu prüfen gewesen, weil ein Dienstverhältnis festgestellt worden sei. Eine Nebentätigkeit im Sinne der Anlage 2 zu § 2 BSVG, Punkt 3.2.1., liege nicht vor,
"auch wenn der Text der Entscheidung, insbesondere die Bezeichnung 'Betriebshelfer' keine eindeutige Abgrenzung zu einer Landarbeitertätigkeit bietet, kommt nach dem oben genannten Grundsatz der Zuordnung zur ASVG-Pflichtversicherung der Vorrang zu".
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, die Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht. Die belangte Behörde hat zu den hg. Verfahren Zlen. 2003/08/0175 und 0176 die Verwaltungsakten vorgelegt und von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen. Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse hat zu den hg. Verfahren Zlen. 2003/08/0175 und 0176 eine Gegenschrift erstattet. Das mitbeteiligte Arbeitsmarktservice hat einen als Gegenschrift bezeichneten Schriftsatz eingebracht. Die mitbeteiligte Unfallversicherungsanstalt hat von der Erstattung einer Gegenschrift ausdrücklich Abstand genommen; die übrigen mitbeteiligten Parteien haben sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im vorliegenden Fall ist unstrittig, dass die Erstmitbeteiligte Betriebsführerin ihres land(forst)wirtschaftlichen Betriebes war und deshalb der Pflichtversicherung nach dem BSVG unterlegen ist. Strittig ist, ob sie während der in Rede stehenden Zeiträume im Betrieb des Beschwerdeführers in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit beschäftigt gewesen ist und diese Beschäftigung - zusätzlich - zu einer Voll- und Arbeitslosenversicherungspflicht nach ASVG und AlVG geführt hat.
Gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 ASVG sind in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung die bei einem oder mehreren Dienstgebern beschäftigten Dienstnehmer auf Grund dieses Bundesgesetzes versichert (vollversichert), wenn die betreffende Beschäftigung weder gemäß den §§ 5 und 6 von der Vollversicherung ausgeschlossen ist, noch nach § 7 eine Teilversicherung begründet.
Nach § 4 Abs. 2 ASVG ist Dienstnehmer im Sinne dieses Bundesgesetzes, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber jenen der selbständigen Ausübung dieser Erwerbstätigkeit überwiegen.
Ob bei Erfüllung einer übernommenen Arbeitspflicht (also der Beschäftigung) die Merkmale persönlicher Abhängigkeit einer Person vom Empfänger der Arbeit gegenüber jenen persönlicher Unabhängigkeit im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG überwiegen, hängt nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes davon ab, ob nach dem Gesamtbild der konkret zu beurteilenden Beschäftigung die Bestimmungsfreiheit des Beschäftigten durch die Beschäftigung weitgehend ausgeschaltet oder - wie bei anderen Formen einer Beschäftigung (zB auf Grund eines Werkvertrages oder eines freien Dienstvertrages) - nur beschränkt ist (vgl. etwa das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 10. Dezember 1986, Slg. Nr. 12325/A, uva).
Für die Beantwortung der Frage, ob ein auf einem Vertrag beruhendes Beschäftigungsverhältnis in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit besteht, ist zwar nicht primär der Vertrag maßgebend, auf Grund dessen die Beschäftigung ausgeübt wird, sondern sind die "wahren Verhältnisse" entscheidend, d.h. ob bei der tatsächlichen und nicht bloß vereinbarten Art der Beschäftigung die Kriterien persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit überwiegen. Dem Vertrag kommt allerdings zunächst die Vermutung seiner Richtigkeit zu, d.h. die Annahme, dass er den wahren Sachverhalt widerspiegelt. Soweit der Inhalt eines Vertrages von den tatsächlichen Gegebenheiten nicht abweicht, ist der Vertrag als Teilelement der vorzunehmenden Gesamtbeurteilung (an Hand der in der Judikatur herausgearbeiteten Kriterien) in diese einzubeziehen, weil er die von den Parteien in Aussicht genommenen Konturen des Beschäftigungsverhältnisses sichtbar werden lässt (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung etwa das hg. Erkenntnis vom 16. Mai 2001, Zl. 96/08/0200).
Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde ausschließlich Feststellungen über die praktische Durchführung der Tätigkeit der Erstmitbeteiligten getroffen und diese für ihre rechtliche Beurteilung herangezogen, ohne sich mit der dieser Tätigkeit zu Grunde gelegten Vereinbarung zu beschäftigen. Feststellungen über die vertraglichen Grundlagen der Beschäftigung sind aber - ungeachtet der von der Rechtsprechung geforderten Einbeziehung des Vertrages in die Gesamtbeurteilung - im vorliegenden Fall unerlässlich. Gerade bei der Gestaltung von Rechtsverhältnissen, die land(forst)wirtschaftliche Tätigkeiten zum Gegenstand haben, stehen nämlich den Vertragsparteien verschiedene Möglichkeiten offen:
Land(forst)wirtschaftliche Tätigkeiten bzw. Tätigkeiten in einem land(forst)wirtschaftlichen Betrieb können auch auf Grund von Rechtsverhältnissen ausgeübt werden, die keine versicherungspflichtige Beschäftigung nach ASVG und AlVG begründen. Vorstellbar sind nicht nur die üblichen Vereinbarungen von Pacht oder Fruchtgenuss, eine land(forst)wirtschaftliche Tätigkeit kann etwa auch auf Grund einer "Dienstlandvereinbarung" verrichtet werden (vgl. das Erkenntnis vom 16. November 1993, Zl. 93/08/0031); ein land(forst)wirtschaftlicher Betrieb kann - ungeachtet der Eigentumsverhältnisse hinsichtlich der land(forst)wirtschaftlichen Flächen - auch von Gesellschaftern einer Gesellschaft bürgerlichen Rechtes auf gemeinsame Rechnung und Gefahr geführt werden (zur "Drittelpacht" vgl. das Erkenntnis vom 18. Juni 1991, Zl. 90/08/0197); abhängig von der vertraglichen Gestaltung kann die Tätigkeit eines "Holzakkordanten" (Gewinnung, Schlägerung und Bringung von Holz in fremden Wäldern) auch als Führung des Betriebes einer Waldwirtschaft angesehen werden (vgl. das Erkenntnis vom 26. Mai 2004, Zl. 2001/08/0140).
Diese Beispiele zeigen die Vielfalt der vertraglichen Gestaltungsmöglichkeiten, die den Parteien eines Vertrages über die Verrichtung land(forst)wirtschaftlicher Tätigkeiten offen steht. Eine alle Aspekte berücksichtigende rechtliche Beurteilung setzt daher in erster Linie Feststellungen darüber voraus, ob zwischen den Parteien ausdrückliche - schriftliche oder mündliche -
vertragliche Vereinbarungen abgeschlossen wurden und welchen Inhalt diese hatten. Wenn feststeht, dass ausdrückliche Vereinbarungen über die zu erbringenden Leistungen nicht getroffen worden sind, sind präzise Feststellungen über den genauen Ablauf und die näheren Umstände der wechselseitigen Leistungserbringungen erforderlich, weil erst auf Grund dieser beurteilt werden kann, ob schlüssige Willenserklärungen im Sinne des § 863 ABGB vorliegen, die zumindest die Konturen des von den Parteien in Aussicht genommenen Rechtsverhältnisses erkennen lassen.
Die belangte Behörde hat keine Feststellungen über die - nach dem Akteninhalt wohl mündlich getroffene - Vereinbarung über die Tätigkeit der Erstmitbeteiligten getroffen, weshalb die von der belangten Behörde bejahte Frage nach einer versicherungspflichtigen Beschäftigung noch nicht endgültig beantwortet werden kann.
Im weiteren Verfahren wird die belangte Behörde auf die unterschiedlichen Rechtslagen vor und ab dem 1. Jänner 1999 Bedacht zu nehmen haben. Das Bestehen oder Nichtbestehen der Sozialversicherungspflicht ist nämlich hinsichtlich der Sach- und der Rechtslage zeitraumbezogen zu beurteilen (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung etwa das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 4. Mai 1977, Slg. Nr. 9315/A). Die maßgebende Rechtslage für die Zeit ab dem 1. Jänner 1999 ist im bereits zitierten Erkenntnis vom 26. Mai 2004, Zl. 2001/08/0140, dargestellt. Danach sollen auch Nebengewerbe und Nebentätigkeiten, die von Personen, die auf eigene Rechnung und Gefahr einen land(forst)wirtschaftlichen Betrieb führen, für andere land(forst)wirtschaftliche Betriebe verrichtet werden, einschließlich der Tätigkeit als Betriebshelfer im Rahmen eines Maschinen- und Betriebshilferinges, beitragsrechtlich dem Einkommen aus land(forst)wirtschaftlicher Unternehmertätigkeit zugeordnet werden.
Da nach dem Gesagten der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt, nämlich der Feststellung der vertraglichen Grundlagen für die Tätigkeit der Erstmitbeteiligten beim Beschwerdeführer, einer Ergänzung bedarf, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333. Wegen der auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden sachlichen Abgabenfreiheit (§ 110 ASVG) war das Mehrbegehren auf Ersatz der Stempelgebühren abzuweisen.
Wien, am 16. November 2005
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2003080177.X00Im RIS seit
25.12.2005