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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §66 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der S in G, vertreten durch Dr. Erich Kaltenbrunner, Rechtsanwalt in 4040 Linz, Aubergstraße 63, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 23. Dezember 2003, Zl. Ge-600143/8-2003-Pö/Th, betreffend Haftung gemäß § 25a Abs. 7 BUAG (mitbeteiligte Partei:
Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse, 1050 Wien, Kliebergasse 1a), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Aus dem Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes ergibt sich Folgendes:
Die Beschwerdeführerin war handelsrechtliche Geschäftsführerin der F GmbH, über deren Vermögen am 6. April 2001 der Konkurs eröffnet wurde. Mit Rückstandsausweis der mitbeteiligten Kasse vom 21. Mai 2001 wurde die F GmbH verpflichtet, für den Verrechnungszeitraum November 2000 bis Jänner 2001 rückständige Zuschläge zum Lohn inklusive Kosten und Zinsen in der Höhe von insgesamt S 415.399,-- zu bezahlen.
Mit einem weiteren Rückstandsausweis der mitbeteiligten Kasse vom 28. Mai 2001 wurde die Beschwerdeführerin gemäß § 25a Abs. 7 BUAG als Geschäftsführerin der F GmbH zur Haftung für rückständige Zuschläge und Nebengebühren für den Zeitraum November 2000 bis Jänner 2001 im Gesamtbetrag von S 411.050,-- samt Zinsen herangezogen.
Gegen beide Rückstandsausweise erhob die Beschwerdeführerin einen gemeinsamen Einspruch, der von der Bezirkshauptmannschaft Perg mit Bescheid vom 14. Mai 2002 abgewiesen wurde.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung der Beschwerdeführerin hat die belangte Behörde wie folgt entschieden:
"I. Die Berufung gegen die Abweisung des Einspruches gegen den Rückstandsausweis über die F GmbH vom 21.5.2001 ... wird als unbegründet abgewiesen.
II. Der Berufung gegen die Abweisung des Einspruches gegen den Rückstandsausweis über (die Beschwerdeführerin) vom 28.5.2001 ... wird mit der Maßgabe Folge gegeben, dass die (Beschwerdeführerin) für die Zuschlagsschulden für den Monat September 2000 in Höhe von 3.666,38 Euro (ATS 50.450,50) samt 7 Prozent Zinsen jährlich haftet."
Zu Spruchpunkt I. führte die belangte Behörde begründend aus, dass die Beschwerdeführerin wegen der Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der F GmbH am 6. April 2001 am 24. Juli 2001 nicht mehr berechtigt gewesen sei, für die F GmbH zu handeln, weshalb der Einspruch gegen den Rückstandsausweis die F GmbH betreffend zurückzuweisen gewesen sei. Durch die Abweisung sei die Beschwerdeführerin jedoch nicht in ihren Rechten verletzt worden.
Zu Spruchpunkt II. hob die belangte Behörde in der Begründung hervor, dass der die Beschwerdeführerin betreffende Rückstandsausweis über die Zeiträume November und Dezember 2000 sowie Jänner 2001 abgesprochen habe. Für die Zuschläge für diese Zeiträume hafte die Beschwerdeführerin nicht, weil sie nach der ersten Konkurstagsatzung am 20. Dezember 2000 keine Zahlungen mehr geleistet und den Betrieb im Jänner 2001 eingestellt habe, während Zahlungen für den genannten Zeitraum erstmals am 18. Jänner 2001 fällig geworden seien. Es fehle daher an einem rechtswidrigem Verhalten der Beschwerdeführerin. Sie sei am 7. September 2000 handelsrechtliche Geschäftsführerin der F GmbH geworden, weshalb ihr davor liegende Pflichtverstöße nicht angelastet werden könnten. Eine Haftung für die nachverrechneten Zuschläge ergebe sich daher nur für September 2000. Der dafür ausgewiesene Zuschlag in der Höhe von S 52.368,-- sei um den Betrag von S 1.917,50 (139,35 EUR) zu kürzen gewesen, weil dieser Betrag im Rahmen des Konkurses der F GmbH der mitbeteiligten Kasse zugeflossen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - wie die mitbeteiligte Kasse - eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die vorliegende Beschwerde richtet sich erkennbar nur gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides. Mit diesem hat die belangte Behörde der Berufung der Beschwerdeführerin insoweit Folge gegeben, als sie für einen bisher im Verfahren nicht behandelten Zeitraum (September 2000) die Haftung der Beschwerdeführerin für Zuschlagsschulden samt Nebengebühren festgestellt hat. Dadurch hat sie gleichzeitig - wie sich auch aus der Begründung zu diesem Spruchpunkt ergibt - eine Haftung für Zuschläge für die vom Rückstandsausweis und vom erstinstanzlichen Bescheid umfassten Zeiträume November und Dezember 2000 sowie Jänner 2001 verneint.
Gemäß § 66 Abs. 4 AVG hat die Berufungsbehörde außer dem in Abs. 2 dieser Bestimmung erwähnten Fall, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Dies berechtigt sie, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und dem gemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.
Nach der Rechtsprechung ist Sache des Berufungsverfahrens die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches des Bescheides der Unterinstanz gebildet hat. Die Berufungsbehörde darf sachlich nicht über mehr entscheiden, als Gegenstand der Entscheidung der unteren Instanz war (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren I2, E 108 ff zu § 66 AVG wiedergegebene Rechtsprechung).
Der Abspruch über die Haftung für Zuschläge ist entsprechend der gesondert zu betrachtenden Zuschlagszeiträume (gemäß § 22 Abs. 4 BUAG in der Regel ein Monat) zeitraumbezogen zu beurteilen und insoweit auch teilbar. Die Berufungsbehörde ist daher nur insofern berechtigt, die Entscheidung der Unterinstanz in jeder Richtung abzuändern, als über den betreffenden Zeitraum im Verfahren bereits in bestimmter Weise entschieden worden ist (vgl. zum zeitraumbezogenen Abspruch über die Versicherungspflicht das Erkenntnis vom 26. Mai 2004, Zl. 2001/08/0009).
Im Beschwerdefall ist der Abspruch des erstinstanzlichen Bescheides - im Hinblick auf jene Zeiträume, über die im Rückstandsausweis entschieden wurde - auf die Monate November und Dezember 2000 sowie Jänner 2001 beschränkt. Für die für diese Zeiträume vorgeschriebenen Zuschläge hat die erstinstanzliche Behörde die Haftung der Beschwerdeführerin bejaht.
Die belangte Behörde hat in Abänderung dieses Bescheides die Haftung für die genannten Zuschlagszeiträume verneint, allerdings entgegen der dargestellten Rechtsprechung über einen Zeitraum entschieden, der bisher nicht Gegenstand des Verfahrens gewesen ist. Insoweit hat die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet. Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 16. November 2005
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die SacheEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2004080025.X00Im RIS seit
25.12.2005