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66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;Norm
ASVG §417a;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Strohmayer, Dr. Köller und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde 1. der Burgtheater GmbH und 2. der Wiener Staatsoper GmbH, beide in Wien, beide vertreten durch Dr. Wolfgang Lenneis, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Singerstraße 8, gegen den Bescheid der Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz vom 8. Februar 2005, Zl. BMSG-122304/0004-II/A/3/2005, betreffend Versicherungspflicht nach dem ASVG und dem AlVG (mitbeteiligte Parteien: 1. Wiener Gebietskrankenkasse, vertreten durch Dr. Heinz Edelmann, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Windmühlgasse 30;
2. Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1; 3. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1200 Wien, Adalbert-Stifter-Straße 65; 4. Arbeitsmarktservice, Landesgeschäftsstelle Wien, 1030 Wien, Landstraßer Hauptstraße 55- 57; 5. sowie weitere 51 Mitbeteiligte), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird, soweit mit ihm die Berufung der beschwerdeführenden Parteien als unzulässig zurückgewiesen wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund (Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz) hat den beschwerdeführenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom 14. Jänner 1999 wurde ausgesprochen, dass die in der Anlage 1 zu diesem Bescheid namentlich angeführten Personen auf Grund ihrer Beschäftigung als Mitarbeiter im Publikumsdienst beim Dienstgeber Republik Österreich (richtig: Bund), Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr (vormals: Wissenschaft, Verkehr und Kunst bzw. Wissenschaft, Forschung und Kunst) Österreichischer Bundestheaterverband, (auch) in den in der Anlage 1 angeführten Zeiten der Voll- und Arbeitslosenversicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2, § 10 Abs. 1 und § 11 Abs. 1 ASVG bzw. § 1 Abs. 1 lit. a AlVG unterliegen. Die für die in der Anlage 2 zu diesem Bescheid genannten Dienstnehmer erstatteten und in dieser Anlage angeführten Anmeldungen und Abmeldungen wurden "abgelehnt". Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Dienstnehmer hätten sich am 31. August jeden Jahres zu einer Dienstinstruktion zu melden gehabt. Hinsichtlich dieses Tages liege Versicherungspflicht vor. Versicherungspflicht bestehe auch während der Zeiten, für die "Urlaubsentschädigung" ausbezahlt worden sei. Die Staatsoper sei bis 6. Dezember 1994, das Burgtheater bis 11. November 1995 wegen Renovierung geschlossen gewesen. Für kurzfristige Arbeiten seien dennoch Dienstgeber angemeldet worden. Diese Meldungen seien zu stornieren gewesen. Schließlich seien einige Mitarbeiter zu bestimmten Zeiten vom Dienst freigestellt gewesen. Die Abmeldung für diese Zeiten sei zu Unrecht erfolgt, da auch während dieser Zeiten Pflichtversicherung bestanden habe.
Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 30. März 1999 wurde der Einspruch des Österreichischen Bundestheaterverbandes hinsichtlich der Versicherungspflicht der in der Anlage 1 des Bescheides vom 30. März 1999 genannten Personen bezüglich der dort angeführten Zeiträume als unbegründet abgewiesen. Bezüglich der Versicherungspflicht der in der Anlage 2 zum Bescheid vom 30. März 1999 genannten Personen und der dort näher bezeichneten Zeiträume wurde der erstinstanzliche Bescheid der Wiener Gebietskrankenkasse gemäß § 417a ASVG behoben und die Angelegenheit zur Ergänzung der Ermittlungen und zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Wiener Gebietskrankenkasse zurückverwiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, angesichts unbefristeter durchgehender Dienstverhältnisse habe es sich um keine "Urlaubsentschädigungen" gehandelt, sondern um Urlaubsentgelt, sodass auch für die diesbezüglichen Zeiträume die Versicherungspflicht bestanden habe. Betreffend die Zeiten der Renovierung des Burgtheaters sei im Einspruch ausgeführt worden, dass (mit Ausnahme des Falles des S.) die Entgelte für die Schließperiode und die Sozialversicherungsbeiträge für das Jahr 1995 nachbezahlt worden seien. Hinsichtlich der Zeiten der Renovierung der Staatsoper sei jedoch im Einspruch ausgeführt worden, dass den Dienstnehmern angeboten worden sei, während dieser Zeit anderweitig beschäftigt zu werden. Diese hätten jedoch lieber die Freizeit konsumiert. Die Einspruchsbehörde hielt diesbezüglich fest, dass keine Erhebungen darüber geführt worden seien, was bezüglich des Zeitraumes der Sperre des Burgtheaters in dem Fall des S. und der Sperre der Staatsoper zwischen dem Dienstgeber und den einzelnen Dienstnehmern vereinbart worden sei, und insbesondere nicht geklärt worden sei, ob sich die entsprechenden Personen jeweils während des gesamten Zeitraumes tatsächlich leistungsbereit gehalten hätten bzw. ob es sich bei den während der Sperre durchgeführten Tätigkeiten allenfalls um eine tageweise Beschäftigung gehandelt habe. Betreffend die Zeiten der "Dienstfreistellung" sei im Einspruch vorgebracht worden, dass es sich nicht um Dienstfreistellungen gehandelt habe, sondern die Dienstnehmer um Karenzierung ersucht hätten. Auf Grund der Aktenlage könne mangels ausreichender Ermittlungen nicht nachvollzogen werden, ob es sich bei den Zeiten der "Dienstfreistellung" tatsächlich um bezahlte Dienstfreistellungen gehandelt habe, die eine Versicherungspflicht ausgelöst hätten. Auch hinsichtlich dieser Frage seien daher weitere Erhebungen unumgänglich. Im Hinblick auf die Anzahl der betroffenen Personen seien umfangreiche Ermittlungen zu führen, weshalb eine Entscheidung gemäß § 417a ASVG zu treffen gewesen sei.
Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde der Berufung der Wiener Gebietskrankenkasse gegen den eine Zurückverweisung aussprechenden Teil des Spruches des Einspruchsbescheides keine Folge gegeben. Der Berufung der beschwerdeführenden Parteien betreffend die Tage der Dienstinstruktion, die Zeiten des Gebührenurlaubes und die Zeiten der Renovierung im Burgtheater (mit Ausnahme des Falles S.) wurde ebenfalls keine Folge gegeben. Die Berufung der beschwerdeführenden Parteien, soweit sie sich auf die Zurückverweisung bezogen hat, wurde als unzulässig zurückgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen dargelegt, die Zeiten des Gebührenurlaubes seien als Zeiten, für die Versicherungspflicht bestanden habe, festzustellen. Hinsichtlich der Dienstinstruktion seien keine Argumente vorgebracht worden, die geeignet wären, die Beurteilung dieser Tage als nicht der Versicherungspflicht unterliegend zu rechtfertigen. Im Übrigen fänden sich im Akt keine Niederschriften oder Protokolle, aus denen einwandfrei nachvollziehbar wäre, dass die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse die Erfüllung der Voraussetzungen für die Pflichtversicherung in jenen Fällen, in welchen eine Zurückverweisung gemäß § 417 a ASVG erfolgt sei, zutreffend angenommen hätte. Die diesbezügliche Entscheidung des Landeshauptmannes von Wien sei daher zu Recht erfolgt.
Gegen diesen Bescheid erhoben die beschwerdeführenden Parteien Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof. Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 7. Juni 2005, Zl. B 372/05-3, ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof ab.
In der auftragsgemäß ergänzten Beschwerde begehren die beschwerdeführenden Parteien die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides zur Gänze wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen und beantragt, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen. Die mitbeteiligte Unfallversicherungsanstalt hat von der Erstattung einer Gegenschrift ausdrücklich Abstand genommen. Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse hat eine Gegenschrift erstattet. Die beschwerdeführenden Parteien haben darauf repliziert. Die übrigen Parteien haben sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zur Beschwerdelegitimation der beschwerdeführenden Parteien ist zunächst gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die diesbezüglichen Ausführungen im hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2005/08/0096, zu verweisen.
Soweit sich die Beschwerde gegen die Versicherungspflicht während jener Zeiträume, für die eine "Urlaubsentschädigung" geleistet worden ist, richtet, gleicht der vorliegende Fall hinsichtlich Sachverhalt und Rechtsfrage jenem, den der Verwaltungsgerichtshof mit dem hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2005/08/0095, entschieden hat. Auf die diesbezüglichen Entscheidungsgründe in diesem Erkenntnis wird daher gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen.
Ist der dem Landeshauptmann (bzw. dem Bundesminister) vorliegende entscheidungsrelevante Sachverhalt mangelhaft erhoben und sind aus diesem Grund umfangreiche Ermittlungen notwendig oder ist die Begründung des bekämpften Bescheides in wesentlichen Punkten unvollständig, so kann der Landeshauptmann (bzw. der Bundesminister) gemäß § 417a ASVG den bekämpften Bescheid beheben und die Angelegenheit zur Ergänzung der Ermittlungen oder der Begründung und zur Erlassung eines neuen Bescheides an den Versicherungsträger (oder den Landeshauptmann) zurückverweisen.
Wenn die Bestimmung des § 417a ASVG unrichtig angewendet wird, kann eine Partei des Verfahrens in ihrem Recht auf Sachentscheidung durch die Einspruchs- bzw. Berufungsbehörde verletzt werden (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren I, 2. Auflage, S 1318 f unter E 408 und E 411 zitierte hg. Rechtsprechung zur vergleichbaren Bestimmung des § 66 Abs. 2 AVG).
Die beschwerdeführenden Parteien haben in ihrer Berufung auch vorgebracht, dass hinsichtlich jener fraglichen Zeiten, hinsichtlich derer eine Zurückverweisung durch den Landeshauptmann an die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse erfolgt ist, keine die Versicherungspflicht auslösenden Beschäftigungsverhältnisse bestanden hätten. Sie haben ein Recht auf Sachentscheidung darüber gehabt, ob die Zurückverweisung durch den Landeshauptmann zu Recht erfolgt ist. Indem die belangte Behörde die Berufung der beschwerdeführenden Parteien insoweit als unzulässig zurückgewiesen hat, hat sie sie daher in diesem Recht verletzt.
Bemerkt wird, dass die Zurückweisung der Berufung nicht bloß Folge eines Vergreifens im Ausdruck ist. Dies ergibt sich einerseits daraus, dass im Bescheidspruch davon deutlich getrennt ausgesprochen wurde, dass der Berufung in den sonstigen Punkten "keine Folge gegeben" und "der angefochtene Bescheid bestätigt" wird. Darüber hinaus ist die belangte Behörde auch in der Bescheidbegründung auf das Sachvorbringen der beschwerdeführenden Parteien im gegenständlichen Zusammenhang nicht eingegangen.
Soweit mit dem angefochtenen Bescheid daher die Berufung der beschwerdeführenden Parteien als unzulässig zurückgewiesen wurde, war dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Im Übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 16. November 2005
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2005080098.X00Im RIS seit
14.02.2006Zuletzt aktualisiert am
28.09.2012