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10 VerfassungsrechtNorm
VfGG §33Leitsatz
Stattgabe des Wiedereinsetzungsantrages; unrichtige Vormerkung eines Termins durch Kanzleiangestellte des Rechtsvertreters nur minderer Grad des Versehens; Ablehnung der Behandlung der BeschwerdeSpruch
Dem Wiedereinsetzungsantrag wird stattgegeben.
Die Behandlung der Beschwerde wird abgelehnt.
Begründung
Begründung:
I. 1. Mit dem am 17. Oktober 2000 beim Verfassungsgerichtshof eingelangten Schriftsatz beantragt der Beschwerdeführer die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist und erhebt gleichzeitig Beschwerde gegen den im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Finanzlandesdirektion für Kärnten, welcher dem Beschwerdeführer am 4. August 2000 zugestellt wurde.
2. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrages führt der Beschwerdeführer im wesentlichen aus, daß er sich am 1. September 2000 - also innerhalb offener Frist - mit dem Auftrag, eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof zu erheben, an seine ausgewiesene Vertreterin gewandt habe. Am 4. September 2000 habe die erfahrene und bis dahin verläßliche Angestellte (Frau N.B.) der Rechtsvertreterin die Frist für die Einbringung der Beschwerde - unrichtig und entgegen entsprechender Weisung der Rechtsvertreterin - nicht ab dem 4. August 2000, sondern irrtümlich ab dem 4. September 2000 berechnet und vorgemerkt. Nach diesem Fristeintrag liefe die Frist für die Beschwerde mit 16. Oktober 2000 ab. Frau N.B. habe den Fristenvormerk und die Fristenwahrung bisher zur vollsten Zufriedenheit und fehlerlos durchgeführt, sodaß hier ein erst- und einmaliges Fehlverhalten vorliege. Auch die ausgewiesene Vertreterin selbst habe bislang noch niemals eine Frist versäumt.
Erklärbar sei der unterlaufene Fehler nur in Anbetracht der Tatsache, daß am 4. September 2000 die Kanzlei der ausgewiesenen Vertreterin unter anderem mit der Ausarbeitung mehrerer Verfassungsgerichtshofbeschwerden beschäftigt war, sodaß offenbar aufgrund des Arbeitspensums - nach ausdrücklicher Angabe des anzusetzenden Beginns für den Fristenlauf am 4. August 2000, der auch am anzufechtenden Bescheid selbst festgehalten wurde - versehentlich und gegen die Gewohnheiten eine weitere Kontrolle des Fristeintrages entfallen sei. Der Akt sei abgelegt worden und der ausgewiesenen Vertreterin erst am heutigen "letzten" Tag, 16. Oktober 2000, wieder vorgelegt worden, sodaß der Fristablauf erst heute bemerkt werden konnte. Der Antrag auf Wiedereinsetzung sei daher rechtzeitig.
3.a) Da das VerfGG in seinem §33 die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst regelt, sind nach §35 dieses Gesetzes die entsprechenden Bestimmungen des §146 Abs1 ZPO sinngemäß anzuwenden: Danach ist einer Partei, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein "unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis" an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozeßhandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung für sie den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozeßhandlung zur Folge hatte. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Unter "minderem Grad des Versehens" ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes leichte Fahrlässigkeit zu verstehen, die dann vorliegt, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (vgl. z.B. VfSlg. 9817/1983, 11.706/1988, 14.157/1995).
b) Der Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung muß gem. §148 Abs2 ZPO innerhalb von 14 Tagen gestellt werden. Diese Frist beginnt mit dem Tag, an welchem das Hindernis, welches die Versäumung verursachte, weggefallen ist; sie kann nicht verlängert werden. Offenbar verspätet eingebrachte Anträge sind ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen (§148 Abs3 ZPO).
Die Frist - sie begann am 16. Oktober 2000 zu laufen - wurde im gegenständlichen Fall gewahrt (Postaufgabe des Wiedereinsetzungsantrages war am 16. Oktober 2000).
c) Es kam nicht hervor, daß in der vorliegenden Sache Bevollmächtigte des Beschwerdeführers - für welche die Verschuldensregel des §146 Abs1 ZPO gleichfalls gilt (§39 ZPO) - ein leichte Fahrlässigkeit übersteigender Verschuldensgrad trifft. Der Verfassungsgerichtshof sieht nach Lage des Falles keinen Grund, das - durch das Gedächtnisprotokoll bescheinigte - Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag in Zweifel zu ziehen, daß es zu einem Irrtum beim Vormerken der Frist durch die Angestellte der Rechtsvertreterin kam, die diese als stets verläßlich kannte und die sie auch entsprechend stichprobenartig kontrolliert hatte (vgl. VfSlg. 11.537/1987).
Eine solcherart unrichtige Vormerkung des Termins für den Ablauf einer Frist wurde nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes wiederholt als Nachlässigkeit qualifiziert, die gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht und die damit auf einem - die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht hindernden - minderen Grad des Versehens iSd §146 Abs1 ZPO beruht (siehe VfSlg. 10.771/1986, 11.427/1987, 11.537/1987, 13.491/1993).
4. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher - gemäß §33 VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung - zu bewilligen.
II. 1. Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde in einer nicht von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossenen Angelegenheit ablehnen, wenn sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat oder von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten ist (Art144 Abs2 B-VG). Eine solche Klärung ist dann nicht zu erwarten, wenn zur Beantwortung der maßgebenden Fragen spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen nicht erforderlich sind.
2. Die vorliegende Beschwerde rügt die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten. Nach den Beschwerdebehauptungen wären diese Rechtsverletzungen aber zum erheblichen Teil nur die Folge einer unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beurteilung der aufgeworfenen Fragen insoweit nicht anzustellen.
3. Soweit die Beschwerde aber insofern verfassungsrechtliche Fragen berührt, als die Verfassungswidrigkeit der den angefochtenen Bescheid tragenden Gesetzesvorschriften behauptet wird, läßt ihr Vorbringen vor dem Hintergrund der einschlägigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. November 2000, B1340/00) die behauptete Rechtsverletzung, die Verletzung eines anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm als so wenig wahrscheinlich erkennen, daß sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.
Die Angelegenheit ist auch nicht von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossen.
4. Demgemäß wurde beschlossen, von einer Behandlung der Beschwerde abzusehen (§19 Abs3 Z1 VerfGG).
Schlagworte
VfGH / WiedereinsetzungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2001:B1681.2000Dokumentnummer
JFT_09988989_00B01681_00