TE OGH 1989/11/28 2Ob137/89

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Veröffentlicht am 28.11.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Melber und Dr. Kropfitsch als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Josef S***, Transportunternehmer, Großreichenbach 5, vertreten durch Dr. Gerhard Rößler und Dr. Klemens Schnelzer, Rechtsanwälte in Zwettl, wider die beklagte Partei R*** Ö*** (B*** FÜR L***), vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 17-19, wegen S 65.016,02 sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 3.Juli 1989, GZ 14 R 57/89-22, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 5.Jänner 1989, GZ 54a Cg 1090/87-17, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 2.744,-

bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Josef L*** fuhr am 2.3.1987 mit dem ungefähr 30 Tonnen schweren Sattelschlepper des Klägers auf der Landeshauptstraße 10 von Germanns kommend in Richtung Asparn/Zaya. Im Unfallsbereich verläuft die Landeshauptstraße geradlinig und weist eine Steigung von 9 % auf. Vor Beginn der Steigung war ein Gefahrenzeichen nach § 50 Z 16 StVO mit der Zusatztafel "Wintersperre, daher keine Schneeräumung und keine Sandstreuung" aufgestellt. Um ungefähr 13,45 Uhr blieb der Sattelschlepper infolge der einige Zentimeter hoch mit Schnee bedeckten Fahrbahn fahrbahnachsenparallel mit der Hälfte der Fahrzeugbreite auf dem Bankett hängen. Hätte L*** vor Beginn der Steigung Schneeketten angelegt, so hätte er die Steigung mit großer Wahrscheinlichkeit überwunden. Mit den erst nach dem Hängenbleiben angelegten Schneeketten gelang es nicht, den Sattelschlepper in Bewegung zu setzen. Der Einsatz der Feuerwehr blieb ebenfalls vergeblich. Daraufhin forderte der Vizebürgermeister der Gemeinde Asparn/Zaya die Hilfeleistung des Bundesheeres gemäß § 2 Wehrgesetz 1978 an. Auf Befehl des zuständigen Vorgesetzten wurde ein Bergepanzer der Type "Greif" zur Unfallstelle gelenkt. Er näherte sich dem Sattelschlepper aus entgegengesetzter Fahrtrichtung von vorne auf 4 bis 10 m. Der Bergevorgang des Sattelschleppers sollte nach "Eingraben" des ca. 20 Tonnen schweren Bergepanzers mit Hilfe der Seilwinde durchgeführt werden. Es wurde versucht, den Panzer im Rückwärtsgang bergwärts in Bewegung zu setzen. Der Panzer rutschte aber wegen der glatten Fahrbahn bergab und stieß mit dem Schild gegen die Front des Sattelschleppers. Während sich der unbeschädigt gebliebene Panzer mit Hilfe einer Seilwinde selbst bergen konnte, wurde der beschädigte Sattelschlepper erst durch die Feuerwehr geborgen.

Der Kläger begehrte von der beklagten Partei aus dem Titel der Haftung nach dem EKHG die Zahlung von S 65.016,02 sA mit der Begründung, daß der Lenker des Bergepanzers den Schaden in dieser Höhe durch sein die erkennbaren Fahrbahnverhältnisse nicht berücksichtigendes Fahrmanöver verursacht habe.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sie bestritt die Klageforderung jedoch nur dem Grunde nach und wendete ein, daß das EKHG für Fahrzeuge des Bundesheeres nicht zur Anwendung gelange. Im übrigen habe Josef L*** durch die Nichtbeachtung der "Wintersperre" den Unfall zumindest mitverschuldet.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es beurteilte den oben zusammengefaßt dargestellten Sachverhalt dahin, daß der Sattelschlepper zufolge seines stundenlangen Stillstands nicht mehr "im Betrieb" war. Der Kläger sei daher unbeteiligter Dritter nach § 7 EKHG. Die beklagte Partei hätte sich freibeweisen müssen; dies sei ihr nicht gelungen. Daher hafte sie voll für dessen Schaden. Die Berücksichtigung des Mitverschuldens des Lenkers des Sattelschleppers sei ausgeschlossen, weil die Anordnung der Wintersperre nicht den Zweck habe, Schäden zu verhüten, die bei Bergung eines steckengebliebenen Fahrzeugs entstehen könnten. Damit fehle es am Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen der Nichtbeachtung der verhängten Wintersperre und der Beschädigung des Sattelschleppers durch den Bergepanzer.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei teilweise Folge und änderte die erstgerichtliche Entscheidung dahin ab, daß es dem Kläger nur die Hälfte seines Schadens, somit S 32.508,91 sA zuerkannte. Es ließ die Revision zu, weil ua zum Schutzzweck des Gefahrenzeichens nach § 50 Z 16 StVO mit dem Zusatz "Wintersperre" noch keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliege. Nach Auffassung des Berufungsgerichts sei im Gegensatz zur Ansicht des Erstgerichts die Anordnung der Wintersperre mit der Schneekettenpflicht nach § 52 Z 22 StVO zu vergleichen. Beide hätten unter anderem auch den Zweck, die Gefahren zu vermeiden, die beim Wegschaffen eines "hängen gebliebenen" Fahrzeugs von der schneebedeckten Fahrbahn entstehen. Josef L*** habe durch Verstoß gegen die genannte Schutzvorschrift die gefährliche Situation herbeigeführt, bei deren Bereinigung die Beschädigung des Sattelschleppers des Klägers erfolgte. Bei grundsätzlicher Bejahung der Haftung der beklagten Partei für die aufgetretene Beschädigung treffe den Lenker des Fahrzeugs des Klägers ein Mitverschulden von 50 %, sodaß diesem nur die Hälfte seines Schadens zu ersetzen sei. Gegen die Entscheidung des Gerichts zweiter Instanz richtet sich die Revision des Klägers aus dem Anfechtungsgrund des § 503 Z 4 ZPO mit dem Antrag, das angefochtene Urteil abzuändern und dem Klagebegehren stattzugeben; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt in der Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der Kläger stellt sich in der Revision auf den Standpunkt, daß zwischen dem Verstoß des Lenkers des Sattelaufliegers und dem Bergungsunfall kein Rechtswidrigkeitszusammenhang bestehe. Dies ist jedoch nicht richtig:

Ein Gefahrenzeichen wie das vorliegende nach § 50 Z 16 StVO verpflichtet grundsätzlich zur Anpassung an die angekündigte Gefahr (ZVR 1974/136; ZVR 1987/22 ua). Das Verhalten des Kraftfahrzeuglenkers hat sich also nach den Besonderheiten der angekündigten Gefahren zu richten (vgl. auch ZVR 1979/296 ua). Mit dem auf der Zusatztafel enthaltenen Hinweis "Wintersperre, daher keine Schneeräumung und keine Sandstreuung" wurde dem Lenker des Fahrzeugs des Klägers unmißverständlich kundgetan, daß er sich vor den auf der Strecke zu erwartenden winterlichen Behinderungen und Gefahren selbst entsprechend vorsehen müsse. Dies hat er jedoch nicht getan; er fuhr vielmehr unter Außerachtlassung der ihm angekündigten Gefahren und darüber hinaus auch des von ihm selbst wahrnehmbaren winterlichen Schneebelags, ohne Schneeketten anzulegen, auf der Fahrbahn so lange weiter, bis er mit seinem Sattelschlepper "hängenblieb". Damit hat er aber gegen die ihm mit dem Gefahrenzeichen auferlegte Verpflichtung, sich den angekündigten Gefahren entsprechend anzupassen, verstoßen und dem Gefahrenzeichen, das die Verhinderung von Schäden bezweckt, entgegengehandelt. Die Normen der StVO sind grundsätzlich Schutzvorschriften im Sinne des § 1311 ABGB (ZVR 1976/292; ZVR 1988/41 uva). Der Schutzzweck des Gefahrenzeichens nach § 50 Z 16 StVO besteht auch darin, die Gefahren zu vermeiden, die beim Wegschaffen eines "hängengebliebenen" Fahrzeugs von der schneebedeckten Fahrbahn entstehen (vgl. hiezu auch 2 Ob 128/88 ua). Josef L*** hat somit eine wesentliche und darüber hinaus auch auslösende Ursache für das folgende Geschehen gesetzt, weil die Hilfeleistung durch den Kettenpanzer, die die gefährliche Situation herbeiführte, ohne seinen Verstoß gegen § 50 Z 16 StVO - der zielführenden Eigenvorsorge vor winterlichen Straßenverhältnissen - nicht erforderlich gewesen wäre (vgl. wiederum 2 Ob 128/88). In der Auffassung des Berufungsgerichts, daß sich der Kläger das Mitverschulden seines Lenkers im Ausmaß von 50 % bei seinen Schadenersatzansprüchen anzurechnen habe, kann daher ein Rechtsirrtum zu Lasten des Klägers nicht erblickt werden. Da somit eine höhere Schadenshaftung der beklagten Partei, als ihr vom Berufungsgericht rechtskräftig auferlegt wurde, schon aus den dargelegten Gründen nicht in Betracht kommt, braucht auf weitere, vom Kläger in der Revision im übrigen auch nicht aufgeworfene Fragen (Haftung nach §§ 7, 11 EKHG) nicht mehr näher eingegangen zu werden. Der Revision war schon aus den dargelegten Gründen der Erfolg zu versagen.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E19211

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0020OB00137.89.1128.000

Dokumentnummer

JJT_19891128_OGH0002_0020OB00137_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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