Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei DDr. Michael T***, Arzt, Innsbruck, Müllerstraße 1 a, vertreten durch Dr. Bernt Strickner und Dr. Friedrich Huber, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagte Partei Dagmar T***, Hausfrau, Innsbruck, Adolf-Pichler-Platz 2, vertreten durch Dr. Klaus Nuener, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen S 92.473,-- s.A., infolge ao. Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 23. Mai 1989, GZ 3 R 165,166/89-10, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 6. März 1989, GZ 15 Cg 246/88-6, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 13.487,-- bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (hievon S 1.414,50 Umsatzsteuer und S 5.000,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Ehe der Streitteile wurde mit Teilurteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 26.3.1983, 10 Cg 295,296/82-104, geschieden; die Entscheidung ist seit Mai 1984 rechtskräftig.
Auf Grund eines am 17.11.1970 abgeschlossenen Mietvertrages war der Kläger Bestandnehmer der im 2.Stock des Hauses Innsbruck, Adolf-Pichler-Platz 2, gelegenen Wohnung, bestehend aus vier Zimmern, Küche, Gang, Kabinett, Balkon und WC (Gesamtfläche ca. 163 m2) sowie Keller- und Dachbodenabteil. Der wertgesichert vereinbarte Mietzins betrug im Jahre 1985 monatlich S 4.711,50. Während der Ehe wurde die Wohnung von den Streitteilen und den drei Kindern, den Töchtern Theresa, geb. 20.7.1972, Michaela, geb. 21.4.1974, und dem Sohn Gabriel, geb. 24.7.1977, gemeinsam benützt. Im Zuge des Ehescheidungsverfahrens brachte der Kläger die ihm zur Pflege und Erziehung überlassenen Töchter bei seiner Mutter unter. Der Sohn Gabriel verblieb bei der Beklagten. Mit Endurteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 30.5.1985, 10 Cg 280/84-138, wurde der Kläger verpflichtet, der Beklagten für die Zeit vom 4.5.1983 bis 30.8.1984 einen monatlichen Unterhaltsbetrag von S 4.000,-- und für die Zeit ab 1.9.1984 einen monatlichen Unterhaltsbetrag von S 3.000,-- zu bezahlen. Dabei wurde davon ausgegangen (Teilurteil S 17), daß der Kläger bis Ende 1984 auch die Miete für die frühere Ehewohnung in der Höhe von S 4.300,-- bezahlt hat. Am 29.2.1984 stellte der Kläger im Verfahren 4 F 4/84 des Bezirksgerichtes Innsbruck über die Aufteilung ehelichen Gebrauchsvermögens und ehelicher Ersparnisse den Antrag auf Zuweisung der früheren Ehewohnung. Die Beklagte sprach sich im Schriftsatz vom 13.3.1984 (ON 2) gegen diesen Antrag aus und beantragte ihrerseits die Zuweisung der Ehewohnung. Am 26.1.1985 ließ die Beklagte in der Wohnung eine Trennwand errichten; damit wurde bewirkt, daß der Kläger nur noch Zugang zu einem Raum der Wohnung, das sogenannte Studio, hatte, jedoch die anderen Räume, insbesondere Bad, WC und Küche nicht mehr benützen konnte. Das Studio verfügte weder über einen Strom- noch über einen Telefonanschluß. Der übrige Teil der Wohnung wurde von der Beklagten und dem Sohn Gabriel bewohnt. Da das Studio ohne die Möglichkeit der Benützung von Bad, WC und Küche für den Kläger wertlos war, stellte er mit 1.3.1985 die Mietzinszahlungen ein. Gleichzeitig zog er mit seinen beiden Töchtern in eine der Dipl.Ing. Eva W*** gehörende Eigentumswohnung in Innsbruck, Anton-Rauch-Straße. In dieser Wohnung wurden vier Räume für Wohnzwecke des Klägers und seiner beiden Töchter adaptiert. Für die Benützung der Wohnung bezahlt der Kläger an Dipl.Ing. Eva W*** seit 1.3.1985 monatlich S 6.000,--. Mit Beschluß vom 8.9.1986, 4 F 4/84-77,ordnete das Bezirksgericht Innsbruck an, daß mit dem vom Kläger angestrengten Verfahren zur Entfernung der von der Beklagten errichteten Trennwand formlos innegehalten und das Verfahren erst über entsprechenden Antrag des Klägers fortgesetzt werde.
Mit Anerkenntnisurteil des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 16.6.1986, 11 C 470/85-12, wurde der Kläger schuldig erkannt, die frühere Ehewohnung binnen 14 Tagen zu räumen und geräumt zu übergeben. Tatsächlich erfolgte die Räumung durch den Kläger erst am 15.10.1986. Seit diesem Zeitpunkt ist die Beklagte Mieterin der Wohnung. Der Kläger verzichtete deshalb auch auf die Fortsetzung des beim Bezirksgericht Innsbruck anhängigen Aufteilungsverfahrens. Mit Urteil des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 25.11.1987, 11 C 471/85-32, wurde der Kläger verpflichtet, der Bestandgeberin an Mietzins für die Zeit vom 1.3.1985 bis 15.10.1986 den Betrag von S 92.473,95 s.A. zu bezahlen.
Der Kläger begehrt den Betrag von S 92.473,-- samt 12 % Zinsen seit 15.6.1988 und brachte vor, durch die Errichtung der Trennwand in der Wohnung sei er gezwungen gewesen, in seiner Ordination zu nächtigen. Da er aus von der Beklagten zu vertretenden Gründen keinen Nutzen aus der von ihm gemieteten Wohnung zu ziehen vermochte, sei die Beklagte aus dem Titel des Schadenersatzes und der Bereicherung zum Ersatz jenes Betrages verpflichtet, den er laut Urteil des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 25.11.1987, 11 C 471/85-32, an die Bestandgeberin zu bezahlen hatte. Der Anspruch werde auch darauf gestützt, daß er durch das Verhalten der Beklagten zur Anmietung einer Ersatzwohnung gezwungen gewesen sei, wofür er in der Zeit vom 1.3.1985 bis 15.10.1986 einen Betrag von S 117.000,-- aufgewendet habe.
Die Beklagte begehrte Abweisung des Klagebegehrens. Der Kläger sei mit der vorgenommenen Teilung der Wohnung einverstanden gewesen. Er habe die Wohnung auch vorher nicht zu Wohnzwecken benützt, sondern nur, um sie "unkorrekt" zu behandeln.
Das Erstgericht verurteilte die Beklagte zur Bezahlung des Betrages von S 92.473 samt 4 % Zinsen seit 15.6.1988. Das Mehrbegehren an Zinsen wies es ab. Durch die Errichtung der Trennwand habe die Beklagte dem Kläger die ordnungsgemäße Benützung der von ihm gemieteten Wohnung unmöglich gemacht und ihn gezwungen, eine andere Wohnung zu mieten. Hiedurch seien ihm Kosten in der Höhe des Klagsbetrages entstanden. Der Kläger könne von der Beklagten gemäß § 1041 ABGB den Ersatz dieser Kosten begehren, weil sich die Beklagte durch die Zahlungen des Klägers Mietzinszahlungen an die Vermieterin erspart habe.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge und wies das Klagebegehren ab. Die Revision ließ es nicht zu. Der Kläger und die Beklagte hätten im Verfahren 4 F 4/84 des Bezirksgerichtes Innsbruck den Antrag auf Zuweisung der früheren Ehewohnung gestellt. Der Kläger wäre nicht gehindert gewesen, nach Errichtung der Trennwand am 26.1.1985 seinen Antrag auf Zuweisung der Wohnung zurückzuziehen und sich der Zuweisung der Wohnung an die Beklagte nicht weiter zu widersetzen. In diesem Falle hätte er sich die Entrichtung von Mietzins erspart. Wenn der Kläger dies nicht getan, sondern seine Ansprüche auf die frühere Ehewohnung aufrecht erhalten und letztlich auch seiner Räumungsverpflichtung nicht rechtzeitig entsprochen habe, könne er nicht von der Beklagten aus dem Titel des Schadenersatzes den Ersatz des von ihm bezahlten Mietzinses bzw. Benützungsentgelts fordern. Aber auch ein Bereicherungsanspruch stehe dem Kläger nicht zu. es möge zutreffen, daß die Beklagte bei einem anderen Verhalten des Klägers schon ab einem früheren Zeitpunkt Mietzins an die Vermieterin zu bezahlen gehabt hätte. Ein Verwendungsanspruch iS des § 1041 ABGB sei daraus gleichwohl nicht abzuleiten, weil die Benützung der Wohnung durch die Beklagte und den Sohn Gabriel nicht ungerechtfertigt, sondern auf Grund familienrechtlicher Beziehungen erfolgt sei. Die Benützung sei durch den von der Beklagten im Verfahren 4 F 4/84 des Bezirksgerichtes Innsbruck gestellten Antrag auf Zuweisung der Wohnung gedeckt. Dem Kläger stehe aber auch kein Anspruch auf Ersatz der Kosten für die von ihm gemietete Ersatzwohnung in der Höhe von S 6.000,-- monatlich zu. Selbst wenn sich die Beklagte durch die Errichtung einer Trennwand dem Kläger gegenüber schadenersatzpflichtig gemacht hätte, würden von ihrer Ersatzpflicht nicht jene Kosten umfaßt, die durch Dispositionen des Klägers verursacht wurden, die nicht der Schadensbeseitigung einschließlich der Schaffung einer Ersatzlage, sondern der Schaffung einer neuen Lage dienten. Die Schaffung einer Ersatzlage komme dann in Frage, wenn der gleiche Zustand überhaupt nicht oder nach den Grundsätzen der Tunlichkeit nicht hergestellt werden könne; sie bestehe in der Herbeiführung einer im wesentlichen gleichen (wirtschaftlichen) Lage. Der Kläger hätte sich mit rechtlichen Mitteln gegen die seiner Meinung nach widerrechtlich erfolgte Errichtung der Trennwand zur Wehr setzen und auf Wiederherstellung des früheren Zustandes drängen können. Darüber hinaus habe der Kläger keine gleichwertige Ersatzlage, sondern eine neue Lage geschaffen, deren Kosten von der Schadenersatzpflicht der Beklagten nicht umfaßt seien.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen das Urteil des Berufungsgerichtes erhobenen außerordentlichen Revision des Klägers kommt Berechtigung zu. Der Kläger wurde mit Endurteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 30.5.1985 verpflichtet, der Beklagten vom 4.5.1983 bis 30.8.1984 monatlich S 4.000,-- und ab 1.9.1984 monatlich S 3.000,-- an Unterhaltsleistungen zu erbringen. Das Gericht wendete bei der Unterhaltsbemessung die Anspannungstheorie an und ging davon aus, daß der Beklagte als Unterhaltspflichtiger (nur) bis Ende 1984 den Mietzins in der Höhe von S 4.300,-- bezahlt hat (Endurteil S 25). Der Ausmessung der Unterhaltsverpflichtung wurde nach dem Inhalt der Entscheidung nicht zugrundegelegt, daß der Kläger auch weiterhin den Mietzins für die frühere Ehewohnung zu bezahlen habe; die Beklagte hat dies auch nicht behauptet. Sie hat weiters nicht geltend gemacht, daß der Kläger etwa im Rahmen seiner Unterhaltsverpflichtung für den mj. Sohn Gabriel zur gänzlichen oder teilweisen Bezahlung des Mietzinses verpflichtet wäre. Der bloße Antrag auf Zuweisung der Wohnung im Verfahren 4 F 4/84 des Bezirksgerichtes Innsbruck verpflichtete den Kläger im Verhältnis zur Beklagten nicht zur Tragung des Miezzinsaufwandes. Das allfällige Fortbestehen der Rechte aus § 97 ABGB (vgl. MietSlg.37.003) besagt noch nicht, daß der die Wohnung nicht benützende, geschiedene Ehegatte nur, weil er Mieter ist, bis zur rechtskräftigen Entscheidung im nachehelichen Aufteilungsverfahren auch im Innenverhältnis abschließend zahlungspflichtig bleibt. Hätte der Kläger dem im Verfahren 4 F 4/84 des Bezirksgerichtes Innsbruck gestellten Begehren der Beklagten auf Übertragung der Bestandrechte an sie zugestimmt, so wäre, da dem Kläger ab 1.3.1985 eine Wohnung zur Verfügung stand, eine gerichtliche Verfügung voraussichtlich in diesem Sinne ergangen. Es wäre dann zwar dem Kläger kein Wohnungsaufwand mehr erwachsen, ab diesem Zeitpunkt hätte aber die Beklagte den Mietzins für die von ihr benützte Wohnung zu bezahlen gehabt. Nach Errichtung der Trennwand durch die Beklagte benützte der Kläger das sognannte Studio seit 1.3.1985 nicht mehr zu Wohnzwecken; irgendeine andere Art der Benützung durch ihn steht nicht fest. Der "Räumung" der Wohnung durch den Kläger als Mieter am 15.10.1986 kam offenbar nur die Bedeutung zu, daß er der Vermieterin die Schlüssel der Wohnung übergab (vgl. die Aussage des Klägers S 21 d. A.). Mit diesem Tag wurde die Beklagte (auf Grund eines von ihr mit der Vermieterin abgeschlossenen Bestandvertrages: Aussage der Beklagten S 29 d.A.) Mieterin der Wohnung.
Die Wohnung wurde ab 1.3.1985 praktisch nur von der Beklagten benützt. Gemäß § 1041 ABGB kann der Eigentümer, wenn seine Sache ohne Geschäftsführung zum Nutzen eines anderen verwendet worden ist, den Wert, den sie zur Zeit der Verwendung hatte, verlangen. Aus dem weiten Sachbegriff des § 285 ABGB folgt, daß es sich dabei nicht nur um körperliche Sachen, sondern um alle Arten von wirtschaftlichen Werten handeln kann. Das Wort Sache ist im weitesten Sinn zu verstehen, auch Bestandrechte fallen darunter (SZ 44/92; SZ 49/63; Stanzl in Klang Komm.2 IV/1, 917; Rummel in Rummel, ABGB, Rz 2 zu § 1041). Anspruchsberechtigt ist, wessen Sache (im weitesten Sinn) unberechtigt verwendet wurde; daher kann auch der Bestandnehmer von Dritten wegen ungerechtfertigter Benützung der Bestandsache ein Entgelt fordern (SZ 44/92; MietSlg.8.568; Apathy in Schwimann, ABGB, Rz 2 zu § 1041; Rummel a.a.O. Rz 6 zu § 1041; Stanzl a.a.O. 919). Dabei bestimmt sich der Nutzen des Bereicherten nach den ersparten Auslagen (SZ 47/130; Apathy a.a.O. Rz 9 und 11 zu § 1041; Rummel a. a.O. Rz 15 zu § 1041). Durch die Bezahlung des Bestandzinses durch den der Beklagten hiezu nicht verpflichteten Kläger ersparte sich die Beklagte die Begründung eines Bestandverhältnisses und die Bezahlung des (ortsüblichen) Bestandzinses. Daß der vom Kläger entrichtete Bestandzins nicht ortsüblich gewesen wäre, behauptete die Beklagte nicht. Demzufolge erweist sich der Anspruch des Klägers gemäß § 1041 ABGB als gerechtfertigt, so daß nicht zu prüfen ist, ob dieser Anspruch auch nach schadenersatzrechtlichen Gesichtspunkten gerechtfertigt wäre.
Aus den dargelegten Gründen ist spruchgemäß zu entscheiden. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E19188European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1989:0010OB00703.89.1129.000Dokumentnummer
JJT_19891129_OGH0002_0010OB00703_8900000_000