Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Dr. Angst als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am 11. April 1983 verstorbenen Frederic Christian R***, wohnhaft gewesen in D-7830 Emmendingen, Karl-Friedrich-Straße 20/3, Pflegeheim, infolge Revisionsrekurses der Waltraud R***, D-7830 Emmendingen, Reinhold-Schneider-Weg 12, vertreten durch Dr. Franz Purtscher, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 10. Februar 1989, GZ. 2 b R 28/89-135, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Landeck vom 12. Dezember 1988, GZ. A 254/83-132, bestätigt wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Am 11. April 1983 starb der zuletzt in der Bundesrepublik Deutschland wohnhaft gewesene finnische Staatsangehörige Frederic Christian R***. Er hinterließ die ehelichen Kinder Frederic Christopher R***, geboren 13. Juli 1943 und Catharina Amber R***, geboren 7. Juni 1963, sowie die in der Bundesrepublik Deutschland wohnhafte Ehefrau Waltraud R***, welche die deutsche und die finnische Staatsangehörigkeit besitzt. Eine letztwillige Verfügung liegt nicht vor. Der Erblasser war Alleineigentümer der Liegenschaft EZ 688 II KG St. Anton.
Die ehelichen Kinder gaben zum inländischen unbeweglichen Nachlaß eine bedingte Erbserklärung je zur Hälfte ab, die zu Gericht angenommen wurde. Die Witwe beantragte die Sicherstellung ihres güterrechtlichen Auseinandersetzungsanspruches durch Einräumung einer Hypothek in Höhe von 1,5 Mio S und die Einholung eines Sachverständigengutachtens des Max-Planck-Instituts für Internationales Privatrecht in Hamburg zur Rechtsnatur ihres güterrechtlichen Auseinandersetzungsanspruches.
Das Erstgericht antwortete den in Österreich gelegenen unbeweglichen Nachlaß mit der Rechtswohltat des Inventars je zur Hälfte den beiden ehelichen Kindern ein und erklärte die Verlassenschaftssache für beendet, wies den Sicherstellungsantrag der Ehefrau zurück und den Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens ab.
Das Gericht zweiter Instanz bestätigte den Beschluß des Erstgerichtes.
Die beiden Vorinstanzen waren der Auffassung, daß gemäß § 28 Abs. 1 IPRG finnisches Erbrecht anzuwenden sei. Gemäß § 1 Abs. 1 des dritten Kapitels des finnischen Erbgesetzes vom 5. Februar 1965 Nr. 40 stehe der Ehefrau ein gesetzliches Erbrecht nur zu, wenn der Erblasser keine Leibeserben hinterlasse. Die Ehefrau sei allerdings gemäß § 1 Abs. 1 des 18. Kapitels des finnischen Erbgesetzes Nachlaßbeteiligte, und gemäß § 1 Abs. 2 des 23. Kapitels des finnischen Erbgesetzes habe vor der Erbsauseinandersetzung die güterrechtliche Auseinandersetzung zu erfolgen. Diese im finnischen Recht vorgesehenen Rechte der Ehefrau gehörten aber zum Bereich des Erbschaftserwerbes und der Haftung für Nachlaßschulden, welche gemäß § 28 Abs. 2 IPRG nach österreichischem Recht zu beurteilen seien. Das Gattenanteilsrecht (giftorätt) des finnischen Rechtes begründe nur eine Art Forderungsrecht gegen den Nachlaß. Nach österreichischem Recht hindere der Bestand einer solchen Forderung die sofortige Einantwortung nicht, und es sei auch keine Sicherstellung einer solchen allenfalls bestehenden Forderung vorgesehen. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens im Sinne des § 4 Abs. 1 IPRG sei entbehrlich, weil die finnische Rechtslage eindeutig sei.
Soweit der Revisionsrekurs die Abweisung des Antrages auf Einholung eines Sachverständigengutachtens betrifft, ist das Rechtsmittel inhaltsleer und unzulässig, weil nicht erkennbar ist, worin hier eine offenbare Gesetzwidrigkeit im Sinne des § 16 Abs. 1 AußStrG idF. vor der WGN 1989 liegen soll.
Aber auch bei Anwendung der Kollisionsnormen des Internationalen Privatrechtes durch die Vorinstanzen vermag die Revisionsrekurswerberin keine offenbare Gesetzwidrigkeit aufzuzeigen.
Rechtliche Beurteilung
Eine solche offenbare Gesetzwidrigkeit liegt nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nur vor, wenn die Entscheidung der Vorinstanzen einer klar ausgedrückten Absicht des Gesetzgebers widerspricht (EFSlg. 52.757) oder gegen Grundprinzipien des Rechts verstößt (EFSlg. 52.758). Eine schlichte unrichtige rechtliche Beurteilung reicht hingegen nicht aus (EFSlg. 52.741 ff.). Eine solche offenbare Gesetzwidrigkeit liegt zunächst bei der Beurteilung des Ehevertrages vom 14. Februar 1980 (bei ON 79) nicht vor, zumal die von den Vorinstanzen zugrunde gelegte Übersetzung (Mützel) nicht ein sofort entstandenes Miteigentumsrecht, sondern nur einen zunächst latenten güterrechtlichen Anspruch an dem nicht zum Vorbehaltsgut gehörenden Vermögen beider Ehegatten (dazu ausführlich Korkisch/Karsten in Bergmann-Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Länderteil Schweden, 10 b) erkennen läßt. Problematisch könnte nur der Normenwiderspruch sein, der aus der Anwendung des finnischen Erbstatuts einerseits und des österreichischen Rechts für den Erbschaftserwerb und die Haftung für Nachlaßschulden andererseits (§ 28 Abs. 1 und 2 IPRG) entsteht. Das österreichische Erbrecht schützt den überlebenden Ehegatten auch bei Vorhandensein von Kindern durch ein entsprechendes gesetzliches Erbrecht, gewährt hingegen im Fall der Auflösung der Ehe durch den Tod des anderen Eheteils keinen besonderen güterrechtlichen Anspruch und sieht daher naturgemäß auch nichts für die Sicherstellung eines solchen Anspruches im Verlassenschaftsverfahren vor.
Das finnische Erbrecht gewährt demgegenüber gemäß § 1 Abs. 1 des dritten Kapitels des finnischen Erbgesetzes beim Vorhandensein von Kindern dem überlebenden Ehegatten überhaupt kein gesetzliches Erbrecht. Andererseits sieht aber § 85 des finnischen Ehegesetzes vom 13. Juni 1929, Nr. 234, für den Fall des Todes eines Ehegatten eine güterrechtliche Auseinandersetzung vor, welche die Abwicklung des gemäß § 35 des finnischen Ehegesetzes bestimmten Gattenanteilsrechts (giftorätt) eines jeden der Ehegatten und allenfalls auch eine Teilung dieses Vermögens bezweckt. Sowohl das finnische Erbgesetz wie das finnische Ehegesetz enthalten auch eine Reihe von Bestimmungen, die der Sicherung dieser güterrechtlichen Auseinandersetzung dienen.
Diese Regelungen kommen einer Art Sondererbrechtsnachfolge gleich, zumindest ist es nicht offenbar gesetzwidrig, in dem im Zeitpunkt des Todes entstehenden Ausgleichsanspruch des überlebenden Ehegatten nur ein Forderungsrecht zu sehen (so Korkisch in Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Länderteil Finnland, 22 mit der Abschwächung "am ehesten"), das durch verschiedene Sicherungsbestimmungen privilegiert ist. Würden finnisches Erbstatut und österreichisches Güterrechtsstatut zusammentreffen, ginge ein überlebender Ehegatte gänzlich leer aus, weil ihm weder die Erbportion noch der güterrechtliche Ausgleichsanspruch zustünden. Für ein solches durch Normenmangel entstehendes untragbares Ergebnis schlägt die Lehre vor, die beiden Rechtsordnungen im Wege der sog. Angleichung zu harmonisieren (Schwimann in Rummel, ABGB, Rz 2 zu § 28 IPRG; vgl. auch den ausführlich behandelten "Schwedenfall" bei Gamillscheg in Staudinger, BGB10/11, RZ 344 f. zu Art. 15 EGBGB). Aber auch, wenn finnisches Erbstatut und österreichisches Erbschaftserwerbsrecht zusammentreffen, könnte man an eine ähnliche Angleichung denken. Eine gesetzliche Norm, welche die Angleichung überhaupt vorsehen oder Richtlinien dafür angeben würde, in welcher Weise die Harmonisierung zu erfolgen habe, besteht jedoch nicht. Die Unterlassung einer Angleichung der beiden Rechtsordnungen in der von der Revisionsrekurswerberin im Ergebnis gewünschten Form, daß zwar nicht gerade eine Vorbefriedigung des güterrechtlichen Anspruchs wie nach finnischem Recht, wohl aber eine Sicherstellung wie bei privilegierten Ansprüchen nach den §§ 158 f. AußStrG erfolgt, kann daher nicht einer im Gesetz ausdrücklich und klar gelösten Absicht des Gesetzgebers widersprechen. Da nach österreichischem Recht eine volljährige Witwe, welche sich nicht auf ein gesetzliches Erbrecht berufen kann, keinen Anspruch auf Sicherstellung ihres Pflichtteilsanspruches oder allfälliger Vermächtnisansprüche hat, kann aber auch nicht gesagt werden, die Unterlassung einer Angleichung sei mit den Grundwerten der österreichischen Rechtsordnung unvereinbar.
Anmerkung
E19465European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1989:0030OB00569.89.1129.000Dokumentnummer
JJT_19891129_OGH0002_0030OB00569_8900000_000