TE OGH 1989/11/30 8Ob699/89

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Veröffentlicht am 30.11.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch, Dr. Huber, Dr. Schwarz und Dr. Graf als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach Franziska Z***, verstorben am 12. Jänner 1989, zuletzt wohnhaft in 3950 Gmünd, Walterstraße 14, infolge Revisionsrekurses des Mag. Paul S***, Angestellter, 1090 Wien, Strudelhofgasse 5, vertreten durch Dr. Gerhard Götschhofer, Rechtsanwalt in Vorchdorf, gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Krems an der Donau als Rekursgericht vom 27. September 1989, GZ. 1 c R 64/89-29, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Gmünd vom 2. Mai 1989, GZ. A 21/89-19, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird abgeändert und hat zu lauten:

Die Einantwortungsurkunde ON 19, der Mantelbeschluß ON 18 und die Amtsurkunde ON 20 werden als nichtig aufgehoben. Das Verlassenschaftsverfahren ist unter Beteiligung des Erbansprechers Mag. Paul S*** vom Verlassenschaftsgericht fortzusetzen.

Text

Begründung:

In der Verlassenschaftssache nach der am 12. Jänner 1989 verstorbenen Franziska Z***, für die seinerzeit zur AZ. SW 2/87 des Erstgerichtes gemäß § 273 ABGB ein Sachwalter bestellt worden war, legte Mag. Paul S*** am 19. Jänner 1989 die Kopie eines als Testament überschriebenen, mit "Fanny Zimmel" unterschriebenen und mit 15. März 1987 datierten Schriftstückes vor, nach dessen Inhalt er als Erbe eingesetzt wurde. In einem dem Verlassenschaftsgericht vorgelegten, von einem Notar verfaßten und auch von zwei Zeugen unterschriebenem weiterem Testament der Erblasserin vom 9. November 1987 sind andere Personen eingesetzt; allfällige frühere letztwillige Anordnungen wurden hierin ausdrücklich widerrufen. Nach Kundmachung beider Testamente setzte das Verlassenschaftsgericht das Abhandlungsverfahren ohne Beteiligung des Mag. Paul S*** fort und erließ am 2. Mai 1989 zu ON 19 die Einantwortungsurkunde, mit der den im Testament vom 9. November 1987 eingesetzten Personen der Nachlaß anteilsmäßig eingeantwortet wurde. Eine Zustellung der Einantwortungsurkunde an Mag. Paul S*** erfolgte nicht. Dieser gab mit Schreiben vom 9. Juni 1989, ON 24, eine auf das von ihm vorgelegte Testament vom 15. März 1989 gestützte bedingte Erbserklärung ab, die das Erstgericht mit Beschluß vom 28. Juni 1989 (ON 25) unter Hinweis auf die "rechtskräftige Einantwortungsurkunde" zurückwies. Der Zurückweisungsbeschluß erwuchs in Rechtskraft.

Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluß ON 29 gab das Rekursgericht dem gegen die Einantwortungsurkunde gerichteten Rekurs des Mag. Paul S*** vom 10. Juli 1989 (ON 26) nicht Folge. Es verwies darauf, daß Personen, denen ein Sachwalter nach § 273 ABGB bestellt sei, gemäß § 568 ABGB nur vor Gericht oder vor einem Notar testieren können. Gemäß § 75 AußStrG habe das Verlassenschaftsgericht "die vermutlichen Erben" vom Erbanfall mit der Aufforderung zu verständigen, Erbserklärungen beizubringen, damit die Erbenverhandlung gepflogen werden könne. Als vermutliche Erben seien, je nachdem, ob die gesetzliche, testamentarische oder vertragsmäßige Erbfolge statthabe, die anzusehen, welche zu der einen oder anderen berufen seien. Sowohl der Rekurswerber als auch die im Testament vom 9. November 1987 genannten Personen, denen nunmehr eingeantwortet worden sei, seien Testamentserben. Der Rekurswerber sei kein gesetzlicher Erbe. Da das Testament vom 9. November 1987 ein mit allen gesetzlichen Förmlichkeiten versehenes, unbedenkliches Testament darstelle, habe das Erstgericht zu Recht die dort angeordnete Erbfolge zugrundegelegt. Weiters habe es zufolge der gemäß § 713 ABGB in diesem Testament enthaltenen ausdrücklichen Aufhebung der früheren Testamente zu Recht den Rekurswerber weder verständigt noch zur Abgabe einer Erklärung aufgefordert. Soweit er die Nichtigkeit der Einantwortungsurkunde behaupte, sei er somit ebenso im Unrecht wie mit der behaupteten unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Einantwortungsurkunde. Da der erstgerichtliche Beschluß über die Zurückweisung der vom Rekurswerber abgegebenen Erbserklärung in Rechtskraft erwachsen sei, komme diesem auch nicht die Stellung eines Beteiligten am Abhandlungsverfahren zu.

Gegen den Beschluß zweiter Instanz richtet sich der Revisionsrekurs des Mag. Paul S*** mit den Anfechtungsgründen der offenbaren Gesetzwidrigkeit und Nichtigkeit. Darin wird vorgebracht, das Testament vom 15. März 1987 sei ein den gesetzlichen Vorschriften entsprechendes Testament, weil der Erblasserin bei dieser Errichtung noch kein Sachwalter beigestellt gewesen sei und sie daher eigenhändig habe schriftlich testieren können. Zufolge der Vorlage dieses Testamentes habe er ein Recht auf Beteiligung am Verlassenschaftsverfahren gehabt, das zufolge seiner fehlenden Beteiligung noch nicht rechtskräftig beendet sei. Mangels Aufforderung zur Abgabe der Erbserklärung im Sinne des § 75 AußStrG und mangels Verteilung der Klägerrolle nach § 125 f. AußStrG sei das abgeführte Verlassenschaftsverfahren zufolge Verletzung des rechtlichen Gehörs nichtig. Weiters liege offenbare Gesetzwidrigkeit vor, denn die Vorinstanzen hätten über die Frage der Gültigkeit einer letztwilligen Anordnung nicht entscheiden dürfen. Demgemäß werde der Antrag auf Abänderung der angefochtenen Entscheidung im Sinne der Aufhebung der Einantwortungsurkunde und Rückverweisung der Rechtssache an das Erstgericht zur Annahme der Erbserklärung des Rekurswerbers sowie zur Fortsetzung des Verfahrens gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist gerechtfertigt.

Gemäß § 75 Abs 1 AußStrG hat das Gericht die vermutlichen Erben auf die in den §§ 115 und 116 AußStrG festgesetzte Weise von dem Erbanfalle mit der Aufforderung zu verständigen, die Erbserklärung beizubringen, damit die Erbverhandlung gepflogen werden kann. Abs 2 bestimmt: "Als vermutliche Erben sind, je nachdem die gesetzliche, oder die testamentarische oder die vertragsmäßige Erbfolge statthat, diejenigen anzusehen, welche zu der einen oder anderen berufen sind". Damit ordnet das Gesetz an, daß innerhalb jedes einzelnen dieser drei Berufungsgründe, soferne die Erbfolge nach ihm stattfindet, jeweils die nach diesem Berufungsgrund als Erben in Frage kommenden Personen als vermutliche Erben gelten. Findet die testamentarische Erbfolge statt, so hat das Verlassenschaftsgericht daher die nach dem Inhalt der ihm vorliegenden Testamente Berufenen als vermutliche Erben im Sinne des § 75 Abs 1 AußStrG mit der Aufforderung zu verständigen, die Erbserklärung beizubringen. Eine auf ein Testament gegründete Erbserklärung ist nach der ständigen Rechtsprechung immer schon dann vom Verlassenschaftsgericht anzunehmen, wenn dieses Testament dem äußeren Anschein nach mit allen gesetzlichen Förmlichkeiten eines Testamentes ausgestattet ist (NZ 1968, 109; NZ 1981, 105 ua). Nur wenn eine Erbseinsetzung mit Bestimmtheit ausgeschlossen werden kann, ist eine Zurückweisung der Erbserklärung zulässig (8 Ob 657/88; 7 Ob 685/86 ua.). Hinsichtlich des in einem den gesetzlichen Förmlichkeiten entsprechenden Testamentes zum Erben Berufenen ist stets gemäß § 75 AußStrG vorzugehen. Unterbleibt seine Verständigung und Aufforderung im Sinne dieser Gesetzesstelle und wurde er solcherart gesetzwidrigerweise von der Beteiligung am Verfahren ausgeschlossen, so kann die Einantwortungsurkunde ihm gegenüber nicht in Rechtskraft erwachsen. Es steht ihm jederzeit frei, durch Abgabe einer Erbserklärung Beteiligtenstellung im Verlassenschaftsverfahren zu erlangen und die ohne seine Beteiligung ergangenen Beschlüsse zu bekämpfen (SZ 47/142; SZ 25/170; EvBl. 1957/388; 6 Ob 645/88 ua.). Es genügt aber für seine Rechtsmittellegitimation auch, daß er als Erbanwärter spätestens im Rekurs eine Erklärung abgibt, aus der entnommen werden kann, daß er als Erbe den Erwerb des Nachlasses anstrebt, auch wenn diese Erklärung nicht alle Erfordernisse der §§ 799, 800 ABGB enthält (NZ 1966, 28; SZ 42/50; 1 Ob 751/78 ua.). Vorliegendenfalls ist es durch die vom nunmehrigen Rekurswerber erfolgte Vorlage des Testamentes vom 15. März 1987 aktenkundig, daß er in diesem dem äußeren Anschein nach mit allen gesetzlichen Förmlichkeiten ausgestatteten Testament - aus dem vom Obersten Gerichtshof beigeschaffenen Akt AZ. SW 2/87 des Bezirksgerichtes Gmünd geht hervor, daß dieses die Erblasserin betreffende Sachwalterschaftsverfahren im Juli 1987 eingeleitet wurde - als Erbe berufen ist. Die Erblasserin hatte ihn zum Erben ihres gesamten Vermögens eingesetzt und ausdrücklich erklärt, daß sie es eigenhändig geschrieben und unterfertigt habe. Der Rekurswerber war demnach als vermutlicher Testamentserbe im Sinne des § 75 AußStrG vom Erbanfalle zu verständigen und gemäß § 116 AußStrG zur Beibringung der Erbserklärung aufzufordern. All dies ist unterblieben und der Rekurswerber wurde auch am Abhandlungsverfahren nicht beteiligt. Aus seinem Rechtsmittel geht eindeutig hervor, daß er als Erbansprecher auftritt, so daß - ungeachtet der erfolgten Zurückweisung seiner Erbserklärung - seine Rechtsmittellegitimation gegeben ist.

Im Sinne der vorstehenden Rechtsausführungen waren daher gemäß § 16 AußStrG die Einantwortungsurkunde, der Mantelbeschluß und die Amtsurkunde ON 20 wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs des Rekurswerbers als nichtig aufzuheben. Das Verlassenschaftsgericht hat unter Bedachtnahme auf das Testament vom 15. März 1987 das Verfahren im Sinne der §§ 75, 116, 117, 121 ff. AußStrG fortzusetzen.

Anmerkung

E19586

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0080OB00699.89.1130.000

Dokumentnummer

JJT_19891130_OGH0002_0080OB00699_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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