Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz, Dr.Warta, Dr.Egermann und Dr.Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Andreas B***, Rechtsanwalt, Salzburg, Wäschergasse 15, als Masseverwalter im Konkurs der W***-B*** Gesellschaft mbH, wider die beklagte Partei S*** S***, Salzburg, Alter Markt 3, vertreten durch Dr.Nikolaus Topic-Matutin, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen S 90.695,56 s.A., infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 9.Mai 1989, GZ 4 R 127/89-17, womit infolge der Berufungen beider Parteien das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 7.Februar 1989, GZ 8 a Cg 107/88-11, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 4.629,60 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 771,60 USt.) binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Das Erstgericht gab der unter anderem auf die Anfechtungstatbestände der §§ 30 Abs. 1 Z 1 und 31 Abs. 1 Z 2 KO gestützten Anfechtungsklage teilweise statt. Es erklärte die Abtretung der Forderung der Gemeinschuldnerin gegen die B*** Gesellschaft mbH in Höhe von S 156.800 vom 30.4.1987 an die beklagte Partei im Ausmaß von S 81.398,32 den Gläubigern im Konkurs der Gemeinschuldnerin gegenüber für unwirksam und erkannte die beklagte Partei schuldig, dem Masseverwalter S 81.398,32 sA zu bezahlen. Nach den Feststellungen des Erstgerichtes wurde die Gemeinschuldnerin mit Gesellschaftsvertrag vom 29.12.1975 mit einem Stammkapital von S 100.000 gegründet. Zum Geschäftsführer wurde Hubert W*** sen. bestellt. Ab Dezember 1982 wurden sowohl gegen die Gemeinschuldnerin als auch gegen Hubert W*** sen., der auch einen Baustoffhandel als Einzelunternehmer betrieb, laufend Exekutionen geführt. Das Pfändungsprotokoll E 2102/82 umfaßt bis 6.5.1986 rund 340 Pfändungen. Bis zur Konkurseröffnung am 9.7.1987 kam es zu weiteren 200 (Anschluß-)Pfändungen, die ab 20.6.1986 keine Deckung erbrachten. Von 1983 bis 1985 wurden gegen die Gemeinschuldnerin 9 und ab dem 20.6.1986 19 weitere Konkursanträge gestellt, die jedoch mangels kostendeckenden Vermögens und wegen Nichterlags von Kostenvorschüssen abgewiesen wurden. Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 12.3.1987 wurde Hubert W*** sen. des Vergehens der fahrlässigen Krida nach § 159 Abs. 1 Z 1 und 2 StGB und des Vergehens nach § 114 ASVG schuldig erkannt. Die Gemeinschuldnerin war spätestens Anfang 1986 überschuldet. Die Überschuldung dauerte bis zur Konkurseröffnung am 9.7.1987 an. Von den im Konkurs angemeldeten Forderungen von rund S 19 Mill. wurden rund S 13 Mill. festgestellt. Zur Ausschüttung an die Gläubiger stehen derzeit rund S 500.000 zur Verfügung. Im März 1986 eröffnete die Gemeinschuldnerin bei der beklagten Partei ein Girokonto. Der Kontobeziehung wurden die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Österreichischen Kreditunternehmungen zugrundegelegt. Eine Kreditvereinbarung oder eine Vereinbarung über eine Überziehungsmöglichkeit des Girokontos wurden nicht getroffen. Fallweise Überziehungen im Jahre 1986 wurden jeweils durch Zahlungen der Kunden der Gemeinschuldnerin ausgeglichen. Seit 24.2.1987 wies das Girokonto jedoch durchgehend einen Debetsaldo auf, der sich am 30.4.1987 auf S 81.398,32 belief. Die an diesem Tag der beklagten Partei abgetretene Forderung von S 156.800 wurde am 16.6.1987 überwiesen. Dadurch entstand auf dem Girokonto ein Habensaldo von S 24.959,95, da die Kontobelastung inzwischen auf S 131.840,05 angewachsen war. Am 8.9.1987 glich die beklagte Partei das Konto aus, indem sie den Habensaldo von S 9.297,24 zur Abdeckung der Forderung aus einem Wechselankauf verwendete. Zur Abdeckung des Debetsaldos auf dem Girokonto von rund S 140.000 hatte die Gemeinschuldnerin der beklagten Partei bereits eine Forderung gegen die B*** GesmbH in Höhe von S 202.500 abgetreten, die von dieser auch mit Schreiben vom 23.2.1987 bestätigt worden war. Am 19.3.1987 teilte die B*** GesmbH der beklagten Partei jedoch mit, daß zwischenzeitig aufgrund von Forderungsexekutionen ein Betrag von S 78.117,73 habe bezahlt werden müssen, sodaß nur ein Restbetrag von S 124.382,27 bleibe.
Nach der Ansicht des Erstgerichtes seien die Anfechtungsvoraussetzungen nach § 31 Abs. 1 Z KO gegeben. Dies gelte jedoch nur für jenen Teil der zedierten Forderung, den die beklagte Partei vor der Konkurseröffnung eingezogen habe, das seien S 81.398,32. Die Verrechnung des restlichen Kontoguthabens von S 9.297,24 mit der Forderung aus dem Ankauf eines Wechsels sei erst im September 1987 erfolgt und unterliege daher nicht der Anfechtung nach den §§ 27 ff KO.
Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil dahin ab, daß es die Unwirksamkeit der Abtretung entsprechend dem Urteilsantrag im Ausmaß von S 90.695,56 feststellte und dem Kläger demgemäß diesen Betrag samt Anhang zusprach. Das Berufungsgericht erklärte die Revision für zulässig. Nach seiner Auffassung sei die Zession jedenfalls nach § 30 Abs. 1 Z 1 KO anfechtbar und die Zulässigkeit des Begehrens auf Zahlung gemäß § 39 Abs. 1 KO zu bejahen. Den Zulässigkeitsausspruch begründete das Berufungsgericht damit, daß zur Frage des Leistungsanspruchs bei Anfechtung einer bereits durch Einziehung erledigten Forderungsabtretung eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehle.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revision der beklagten Partei ist nicht berechtigt.
Der behauptete Verfahrensmangel liegt nicht vor (§ 510 Abs. 3 ZPO).
Beizupflichten ist dem Standpunkt der Revision, daß die beklagte Partei kongruente Deckung erhalten hat. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen wurde zwischen den Streitteilen nach Eintritt der Krise lediglich ein Girovertrag abgeschlossen, dessen Wesen darin bestand, daß sich die Bank dem Kunden gegenüber zur Durchführung von Gutschriften auf das Konto und von Überweisungen, Scheckeinlösungen und Barauszahlungen zu Lasten des Kontos verpflichtet. Der Girovertrag geht von der Voraussetzung der Deckung der Dispositionen des Kunden durch ein Guthaben aus. Es steht aber der Bank frei, Dispositionen auch zu Lasten des Kontos durchzuführen, wenn keine ausreichende Deckung vorhanden ist. Dies hat aber die Verpflichtung des Kunden zur Abdeckung des Debetsaldos und zur Zahlung der banküblichen Kreditzinsen zur Folge (vgl. Schinnerer-Avancini, Bankverträge3 I 76 f). Durch die Abtretung der Forderung gegen die B*** GesmbH zahlungshalber und deren Einziehung zugunsten des Girokontos hat die beklagte Partei demnach nur das erhalten, was sie zur Abdeckung des infolge Überziehung entstandenen Debetsaldos aufgrund des erst nach Beginn der kritischen Frist begründeten Schuldverhältnisses zu fordern hatte. Diese Befriedigung der beklagten Partei ist daher, entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes, nicht nach § 30 Abs. 1 Z 1 KO anfechtbar (vgl. König, Die Anfechtung nach der Konkursordnung Rz 244). Die Durchführung der durch ein Guthaben nicht gedeckten Dispositionen der Gemeinschuldnerin durch die beklagte Partei zu Lasten des Girokontos wurde aber nach den Feststellungen des Erstgerichtes nicht von entsprechenden Forderungsabtretungen abhängig gemacht. Die beklagte Partei hat ohne solche Abrede und ohne entsprechende Deckung Dispositionen der Gemeinschuldnerin zugelassen und dadurch die Stellung einer Gläubigerin nach Eintritt der Krise erlangt. Zu Recht hat daher das Berufungsgericht das Vorliegen eines Zug-um-Zug-Geschäftes verneint. Hatte aber die beklagte Partei zum Zeitpunkt der Vornahme der angefochtenen Forderungsabtretung bereits eine Gläubigerstellung, ist die Rechtshandlung nach § 31 Abs. 1 Z 2 erster Fall KO unter der Voraussetzung anfechtbar, daß der beklagten Partei die Zahlungsunfähigkeit der Gemeinschuldnerin bekannt war oder bekannt sein mußte. Der Nachweis der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit der Gemeinschuldnerin durch die beklagte Partei wurde vom klagenden Masseverwalter nicht erbracht. Entscheidende Bedeutung kommt daher der zur rechtlichen Beurteilung gehörenden Frage zu (SZ 40/146), ob der beklagten Partei verschuldete Unkenntnis anzulasten ist. Hiezu genügt bereits leichte Fahrlässigkeit. Ob dem Anfechtungsgegner Fahrlässigkeit zur Last fällt, bestimmt sich nach dem ihm im Zeitpunkt der Vornahme der Rechtshandlung zu Gebote stehenden Informationen und dem Maß ihrer vernunftgemäß zuzumutenden Heranziehung und der Ordnungsmäßigkeit ihrer Bewertung, wobei das Wissenmüssen der mit der Sache für den Anfechtungsgegner befaßten Personen entscheidet (EvBl. 1983/151; König aaO Rz 280). Wie der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen hat, muß die Verfolgung des Schuldners mit Befriedigungsexekutionen, selbst wenn diese bisweilen Erfolg haben, den Schluß auf die Zahlungsunfähigkeit nahelegen, da ein Schuldner in der Regel die gerichtliche Zwangsvollstreckung nicht ohne Not an sich herankommen läßt (EvBl. 1983/151 mwN; König aaO). Hier steht fest, daß im Zeitpunkt der Vornahme der angefochtenen Rechtshandlung die Gemeinschuldnerin bereits mit zahlreichen Exekutionen verfolgt wurde. Es waren bis zu diesem Zeitpunkt aber auch schon zahlreiche Konkursanträge gestellt worden. Außerdem war der Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin bereits rechtskräftig des Vergehens der fahrlässigen Krida nach § 159 Abs. 1 Z 1 und 2 StGB und des Vergehens nach § 114 ASVG schuldig erkannt worden. Waren früher allfällige Überziehungen des Girokontos durch Kundenzahlungen abgedeckt worden, wies das Konto ab Feber 1987 einen anhaltenden Passivsaldo auf. Ein Versuch der Abdeckung des Passivsaldos scheiterte schon im Feber 1987 an den Forderungsexekutionen, von denen die beklagte Partei ausdrücklich unterrichtet wurde. Insbesondere aufgrund der zuletzt genannten Umstände konnte die beklagte Partei, die immerhin die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes anzuwenden hat, bei gehöriger Beachtung der Indizwirkungen von Exekutionen nicht mehr von einer bloß vorübergehenden Zahlungsstockung ausgehen. Sie hätte mit zumutbaren Mitteln weitere Erkundigungen einziehen müssen, deren Ergebnis aufgrund der zahlreichen Exekutionen und Konkursanträge sowie der Verurteilung des Geschäftsführers der Gemeinschuldnerin nicht zweifelhaft sein konnte. Darauf, ob und wann die beklagte Partei Bedenken gegen die Bonität der Gemeinschuldnerin hatte und ob sie deshalb die (inhaltsleeren) Bankauskünfte (Beilage 3) einholte, kommt es nach dem Gesagten nicht mehr an. Nur dagegen richtete sich aber die Beweisrüge der Berufung der beklagten Partei. Die übrigen Feststellungen des Erstgerichtes blieben unbekämpft. Auf der Basis dieser Feststellungen hat das Erstgericht aber der beklagten Partei schuldhafte Unkenntnis der Zahlungsunfähigkeit angelastet und, da die Wahrung der Frist des § 31 Abs. 4 KO nicht zweifelhaft ist, das Vorliegen der Anfechtungsvoraussetzungen nach § 31 Abs. 1 Z 2 erster Fall KO bejaht. Die Rechtsansicht der zweiten Instanz, daß bei Aufhebung einer abgetretenen Forderung durch Einziehung Ersatz in Geld zu leisten ist, entspricht dem Wortlaut des § 39 Abs. 1 KO und der Ansicht der Lehre (vgl. Bartsch-Pollak3 I 248; König aaO 363) und ist daher zu billigen. Die Revisionsausführungen zu dieser Frage erschöpfen sich in der begründungslosen Ablehnung der berufungsgerichtlichen Auffassung.
Demgemäß ist der Revision ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E19802European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1989:0070OB00662.89.1130.000Dokumentnummer
JJT_19891130_OGH0002_0070OB00662_8900000_000