TE OGH 1989/11/30 7Ob714/89

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.11.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als Richter in der Pflegschaftssache der mj. Jasmine P***, geboren am 8. Juni 1978, infolge Revisionsrekurses des Vaters, Horst P***, Angestellter, Graz, Leitnergasse 25, vertreten durch Dr. Hans Lehofer, Rechtsanwalt in Graz, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 17. September 1989, GZ 2 R 379/89-5, womit der Beschluß des Jugendgerichtes Graz vom 26. Juli 1989, GZ 2 P 56/89-2, teils bestätigt und teils abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die am 6. August 1978 geborene Jasmine P*** entstammt der Ehe des Horst P*** mit Inge P***. Die Ehe ist noch aufrecht. Da der Vater im Zuge einer ehelichen Auseinandersetzung die Mutter so schwer verletzt hat, daß diese sich in Spitalspflege begeben mußte und der Vater deswegen in Haft genommen worden war, beantragte das Amt für Jugend und Familie unter Vorlage eines psychologischen Zwischenberichtes, der eine Übertragung der Pflege und Erziehung im Rahmen der Jugendwohlfahrt geboten erscheinen lasse, die diesbezügliche Übertragung an den Jugendwohlfahrtsträger. Das Erstgericht hat dem Antrag des Amtes für Jugend und Familie stattgegeben.

Mit dem angefochtenen Beschluß hat das Rekursgericht diese Entscheidung teilweise dahin abgeändert, daß die Pflege und Erziehung dem Jugendwohlfahrtsträger nur vorläufig bis zur endgültigen Entscheidung über die Übertragung der Obsorge an einen Elternteil übertragen wird. Es erachtete zwar die Voraussetzungen für eine Entscheidung im Sinne des Antrages des Jugendwohlfahrtsträgers vorübergehend als gegeben, führte jedoch aus, daß für eine endgültige Entscheidung weitere Erhebungen erforderlich wären.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen vom Vater erhobene Revisionsrekurs ist unzulässig. Die Entscheidung des Rekursgerichtes stellt gegenüber der erstgerichtlichen Entscheidung ein Minus dar. Soweit derzeit die erwähnten Rechte dem Jugendwohlfahrtsträger übertragen werden, decken sich die beiden Entscheidungen. Die Abänderung betrifft lediglich die Frage der Endgültigkeit der Entscheidung. Sohin liegen im Rahmen der vorläufigen Übertragung übereinstimmende Entscheidungen der Vorinstanzen vor, weshalb gemäß § 16 AußStrG dagegen ein weiteres Rechtsmittel nur wegen Nichtigkeit, Aktenwidrigkeit oder offenbarer Gesetzwidrigkeit zulässig wäre. Eine Nichtigkeit oder eine Aktenwidrigkeit werden nicht behauptet. Eine offenbare Gesetzwidrigkeit liegt hingegen nur vor, wenn ein Fall im Gesetz ausdrücklich und so klar gelöst ist, daß keine Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers aufkommen kann und trotzdem eine damit im Widerspruch stehende Entscheidung gefällt wird (JBl 1975, 547, NZ 1973, 77 ua). In einer Ermessensentscheidung kann schon begrifflich eine offenbare Gesetzwidrigkeit nicht liegen (NZ 1982, 142, SZ 49/76 ua), es sei denn, die Entscheidung lasse tragende Rechtsgrundsätze außer acht, wozu im Pflegschaftsverfahren die Beachtung des Wohles des Kindes gehört (EvBl 1979/214, JBl 1975, 661 ua).

Gemäß § 176 a ABGB in der Fassung des Jugendwohlfahrtsgesetzes 1989, BGBl. 161/1989, hat das Gericht die Obsorge für das Kind dem Jugendwohlfahrtsträger ganz oder teilweise zu übertragen, wenn das Wohl des Kindes gefährdet und deshalb die gänzliche Entfernung aus seiner bisherigen Umgebung gegen den Willen der Erziehungsberechtigten notwendig und seine Unterbringung bei Verwandten oder anderen geeigneten nahestehenden Personen nicht möglich ist. Derartiges wurde von den Vorinstanzen, zumindest nach Vorliegen der vorläufigen Erhebungen, angenommen. Beide Vorinstanzen sind bei ihrer Entscheidung vom Wohl des Kindes ausgegangen. Sie haben daher einerseits nicht gegen die klare Bestimmung des § 176 a ABGB verstoßen und andererseits das Wohl des Kindes nicht unbeachtet gelassen. Nach der Entscheidung des Rekursgerichtes sind für eine endgültige Entscheidung zwar noch weitere Erhebungen notwendig, doch reichen die vorliegenden Verfahrensergebnisse für eine vorläufige Entscheidung. Daß eine solche vorläufige Entscheidung nach den Bestimmungen des Außerstreitgesetzes nicht ausgeschlossen ist, vielmehr unter Berücksichtigung des Kindeswohles geboten sein kann, hat das Rekursgericht richtig erkannt (vgl auch 7 Ob 652/89). Es ergibt sich also, daß der Entscheidung des Rekursgerichtes auch eine offenbare Gesetzwidrigkeit nicht vorzuwerfen ist. Daß dieser Entscheidung noch nicht sämtliche erforderlichen Verfahrensschritte zugrundeliegen, ergibt sich aus ihrem Wesen als vorläufige Entscheidung. Ist eine solche vorläufige Entscheidung grundsätzlich zulässig, so kann in einer Unvollständigkeit des Verfahrens kein so schwerwiegender Verstoß erblickt werden, daß dies allenfalls einer Nichtigkeit gleichkäme. Der Revisionsrekurs erweist sich sohin als unzulässig.

Anmerkung

E19301

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0070OB00714.89.1130.000

Dokumentnummer

JJT_19891130_OGH0002_0070OB00714_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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