Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Erwin S***, Versicherungsinspektor, St.-Galler-Straße 101, CH-9320 Arbon, Schweiz, und 2. Urs S***, Kaufmann, Romanshornerstraße 102, CH-9322 Egnach, beide vertreten durch Dr. Wilhelm Winkler, Rechtsanwalt in Bregenz, wider die beklagte Partei Heinz J***, Gastwirt, Laterns, Am Kühboden, vertreten durch Dr. Heinz Klocker, Rechtsanwalt in Dornbirn, wegen Räumung (Streitwert 850.000 S), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Berufungsgerichtes vom 12. September 1989, GZ 1 a R 267/89-17, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Feldkirch vom 24. Mai 1989, GZ 3 C 172/89g-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Beklagte ist schuldig, den Klägern die mit 20.089,08 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 3.348,18 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die R*** V*** ist Eigentümerin jener
Liegenschaft, auf der sich das Hotel K*** in Laterns befindet. Sie hat mit Vereinbarung vom 20. Dezember 1985 den Klägern das Verfügungsrecht über das Hotel ebenso eingeräumt. Wie das Recht, das Hotel in Bestand zu geben. Vorgesehen war ein Ankauf der Liegenschaft durch die Kläger, wobei der Erstkläger 1/8 und der Zweitkläger 7/8 des Kaufpreises bezahlen sollten und ihre Eigentumsanteile an der Liegenschaft und am Betrieb auch in diesem Verhältnis begründet werden sollten. Der Erstkläger ist österreichischer Staatsbürger, der Zweitkläger Schweizer. Für den Fall, daß der Erwerb des Objektes durch den Zweitkläger grundverkehrsbehördlich nicht genehmigt werden sollte, was inzwischen eingetreten ist, hat sich der Erstkläger gegenüber der R*** V*** bei solidarischer Haftung mit dem Zweitkläger verpflichtet, das Objekt allein zu kaufen. Da die Kläger dieser Vereinbarung bisher nicht nachgekommen sind, ist zwischen ihnen und der R*** V*** zu 10 Cg 229/88 des Landesgerichtes Feldkirch ein noch nicht beendeter Rechtsstreit anhängig.
Mit Vertrag vom 16. Juli 1986 wurde der Hotelbetrieb von den Klägern mit Zustimmung der R*** V*** für die Zeit
vom 1. Juli 1986 bis 30. Oktober 1991 an den Beklagten verpachtet. Nach dem Pachtvertrag wurde bisher ein Pachtzins von 2,270.000 S fällig. Auf diesen Pachtzins hat der Beklagte insgesamt 320.000 S bezahlt.
Nach dem Pachtvertrag kann die vorzeitige Auflösung des Bestandverhältnisses unter anderem dann begehrt werden, wenn der Bestandzins nicht fristgerecht bezahlt wird. Der Bestandvertrag enthält außerdem eine Bestimmung, derzufolge die Gültigkeit des Vertrages davon abhängt, daß die Bestandgeber auch tatsächlich das grundbücherliche Eigentumsrecht am Bestandobjekt eingeräumt erhalten. Dies scheiterte an der Genehmigung der Grundverkehrsbehörde bezüglich des Zweitklägers. Außerdem enthält der Bestandvertrag unter anderem ein Kompensationsverbot. Die diesbezügliche Bestimmung lautet: "Allfällige Gegenforderungen des Unterbestandnehmers können nicht mit dem Bestandzins aufgerechnet werden". Die Bezeichnung "Unterbestandnehmer" bezieht sich auf den Beklagten.
Mit der vorliegenden Klage erklären die Kläger die Auflösung des Bestandvertrages gemäß § 1118 ABGB wegen nicht vollständiger Bezahlung des Bestandzinses. Sie begehren die Räumung des Objektes. Am 6. März 1989 kam es zwischen dem Erstkläger und dem Beklagten ohne Beiziehung der Parteienvertreter und ohne Beteiligung des Zweitklägers zu einer Vereinbarung die vorsieht, daß der Erstkläger das Bestandobjekt von der R*** kauft und die als
Privatwohnung dienenden Tops an Frau J*** und Verena H*** sowie die restlichen Einheiten an den Beklagten weiterverkauft. Mit dieser Vereinbarung hat sich der Erstkläger verpflichtet, nach Zahlung eines Betrages von 200.000 S durch den Beklagten die Räumungsklage zurückzuziehen. Grundlage der Vereinbarung war, daß der Beklagte den Kauf des Bestandobjektes durch den Erstkläger finanziert und die Finanzierung des Kaufpreises sicherstellt. Mit dem Betrag von 200.000 S sollten die dem Erstkläger im Innenverhältnis mit dem Zweitkläger zustehenden Ansprüche nach Abzug der anteiligen Gegenforderungen des Beklagten aus Investitionen abgegolten werden. Der Antrag des Beklagten, das vorliegende Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Rechtsstreites 10 Cg 229/88 des Landesgerichtes Feldkirch zu unterbrechen, wurde von beiden Vorinstanzen abgewiesen.
Die Vorinstanzen haben dem Räumungsbegehren stattgegeben, wobei das Berufungsgericht aussprach, daß der Wert des Streitgegenstandes 300.000 S übersteigt.
Die Vorinstanzen erachteten die Aktivlegitimation der Kläger als gegeben, weil ihnen von der Eigentümerin der Liegenschaft, ungeachtet eines Eigentumsüberganges, das Verfügungsrecht bezüglich des Hotelbetriebes eingeräumt worden sei und die Kläger auch zur Verpachtung des Betriebes ermächtigt worden seien.
Die Voraussetzungen des § 1118 ABGB für das Räumungsbegehren seien gegeben. Das Kompensationsverbot beziehe sich auf den Beklagten. Es sei rechtswirksam. Demnach sei es unerheblich, ob dem Beklagten allfällige Gegenansprüche gegen die Kläger zustünden. Die Kläger könnten lediglich einem Begehren auf Zinsminderung nicht entgegentreten. Da jedoch selbst nach dem Vorbringen des Beklagten auch unter Berücksichtigung einer Zinsminderung ein Rückstand von 500.000 S bis 600.000 S bestehe, müsse nicht geprüft werden, inwieweit ein Zinsminderungsbegehren gerechtfertigt wäre. Im übrigen könne der Beklagte dem Räumungsbegehren schon deshalb nicht wirksam entgegentreten, weil nach seiner Rechtsansicht der Bestandvertrag unwirksam wäre. Es fehle ihm daher jeglicher Rechtstitel an einer Benützung des Objektes, unabhängig davon, ob er seinen Verpflichtungen zur Zinszahlung nachgekommen sei oder nicht.
Rechtliche Beurteilung
Die vom Beklagten gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision ist nicht gerechtfertigt.
Auf die Frage einer Unterbrechung des Verfahrens war gem § 192 Abs 2 ZPO nicht einzugehen.
Inwieweit einer der beiden Kläger allein über das Bestandobjekt verfügen könnte, muß hier nicht untersucht werden. Keinesfalls wäre aber der Erstkläger, als Minderheitsbeteiligter an dem Vertrag, berechtigt, einseitig über das Objekt zu verfügen. Dies mag einer einseitigen Erklärung des Zweitklägers, das Bestandverhältnis aufzulösen, entgegenstehen. Die Auflösungserklärung, die mit der Klage wirksam erfolgt ist (Würth in Rummel, Rz 6 zu § 1118, MietSlg. 29.183, 27.209 ua.), wurde jedoch von beiden Klägern abgegeben. Die Auflösung des Bestandverhältnisses wird mit dem Zeitpunkt des Zuganges der Auflösungserklärung an den Bestandnehmer wirksam (Würth aaO EvBl. 1968/121, MietSlg. 23.184 ua.). Dies zeigt aber, daß die Rücknahme der Auflösungserklärung und die Rückziehung einer auf sie gestützten Räumungsklage in Wahrheit einer Neubegründung des Bestandverhältnisses gleichkäme. Hiezu wäre aber einer der Teilhaber gegen den Willen des anderen nicht berechtigt. Dies hat aber zur Folge, daß die vom Beklagten mit dem Erstkläger allein geschlossene Vereinbarung keinesfalls zu einer Beendigung des vorliegenden Prozesses und zum Wegfall der Berechtigung des Räumungsbegehren führen konnte.
Das grundsätzliche Bestehen eines Pachtzinsrückstandes wurde vom Beklagten ebenso zugestanden, wie der Umstand, daß selbst unter Berücksichtigung einer Zinsminderung ein Rückstand von 500.000 S bis 600.000 S bestehen würde (S 8 und 9 des Aktes). Aus diesem Grund war von dem Bestehen eines Pachtzinsrückstandes auch im Falle der Berechtigung eines Zinsminderungsbegehrens auszugehen. Was das vertragliche Kompensationsverbot anlangt, so liegt eine für den Obersten Gerichtshof bindende Feststellung dahin vor, daß sich die diesbezügliche Vereinbarung auf den Beklagten und nicht auf einen weiteren Untermieter beziehen sollte. Diese Feststellung wurde nicht ausschließlich auf eine Urkunde, sondern auch auf Aussagen (insbesondere des Zeugen Dr. Manfred de M***) gestützt (S 116 des Aktes). Die Ausführungen der Revision, denenzufolge das Kompensationsverbot nach dem Vertrag nicht den Beklagten treffen sollte, stellen sohin den unzulässigen Versuch einer Bekämpfung der Beweiswürdigung dar.
Auch bezüglich der Höhe des Bestandzinses wurde für den Obersten Gerichtshof bindend festgestellt, daß die diesbezügliche Vertragsvereinbarung zwischen den Streitteilen eingehend besprochen worden ist und daß die schriftliche Wiedergabe das Ergebnis der Vereinbarungen wiedergibt. Die Revision kann selbst nicht ernstlich bestreiten, daß nach dem Vertragstext (S 135 f. des Aktes) für den Zeitraum vom 1. Juli 1986 die von den Vorinstanzen festgestellten Beträge zu zahlen sind. Ein gegenteiliger Vertragswille wurde von den Vorinstanzen nicht festgestellt. Mit Recht wurde daher von ziffernmäßig bestimmten Pachtzinsforderungen ausgegangen. Vertragspartner des Beklagten waren ausschließlich die Kläger. Demnach können nur sie die Ansprüche aus dem Vertrag geltend machen und sind nur sie berechtigt, Maßnahmen zur Auflösung des Vertrages zu setzen. Daß irgendein Umstand eingetreten wäre, der eine Änderung der Vertragsparteien bewirkt hätte, wurde von den Beklagten gar nicht behauptet. Die Berechtigung zum Abschluß des Pachtvertrages hat die Liegenschaftseigentümerin den Klägern eingeräumt. Diese Berechtigung schließt aber auch die Geltendmachung sämtlicher Rechte aus dem Pachtvertrag in sich. Die Einräumung dieser Berechtigung war von der Übertragung des Eigentums an der Liegenschaft unabhängig. Eine derartige Übertragung wurde nur als Motiv für die Einräumung des Verfügungsrechtes genannt. Die Freimachung des Objektes ist daher ebenfalls durch die Einräumung des Verfügungsrechtes gedeckt. Aus diesem Grunde fehlt den Klägern nicht die aktive Klagslegitimation.
Was nun die Frage des Kompensationsverbotes anlangt, wurde bereits oben darauf hingewiesen, daß sich die diesbezügliche vertragliche Bestimmung auf den Beklagten bezog. Einem Räumungsanspruch nach § 1118 ABGB könnte daher der Beklagte Gegenforderungen nicht entgegensetzen. Geht man von den festgestellten Zinsrückständen aus und von dem Zugeständnis des Beklagten, daß auch unter Berücksichtigung einer allfälligen Zinsminderung noch immer ein Zinsrückstand von 500.000 S bis 600.000 S bestünde (die Ausführungen der Revision zur Höhe des Zinses verstoßen, wie bereits dargelegt wurde, gegen das Verbot der Anfechtung der vorinstanzlichen Beweiswürdigung), so sind im Hinblick auf die gar nicht bestrittene Einmahnung die Voraussetzungen des § 1118 ABGB erfüllt.
Der Beklagte behauptet nun, die Kläger könnten sich nicht auf das vertragliche Kompensationsverbot berufen, weil der Vertrag nur unter der Bedingung eines Erwerbes der Liegenschaft durch die Kläger zustandegekommen wäre. Es ist zwar richtig, daß die Kläger keinen Rückabwicklungsanspruch geltend machen, doch steht fest, daß sie über das Objekt verfügungsberechtigt sind. Das Verfügungsrecht schließt auch Maßnahmen zur Freimachung des Objektes in sich. Der Beklagte benützt das Objekt gegen den Willen der Kläger. Dem Räumungsbegehren kann er daher wirksam nur begegnen, wenn er ein Recht zur Benützung gegenüber den Klägern nachweist. Wenn er daher auf dem Standpunkt steht, der Bestandvertrag sei deshalb unbeachtlich, weil die für seine Gültigkeit festgesetzte Bedingung nicht eingetreten sei, könnte er das Räumungsbegehren nur mit der Behauptung eines anderen Benützungstitels zum Scheitern bringen. An einer solchen Behauptung fehlt es. Falls man demnach von der Richtigkeit der Behauptung des Beklagten, der Bestandvertrag sei nicht wirksam zustandegekommen, ausgeht, so ist die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, der Beklagte müsse das Objekt mangels eines Benützungstitels räumen, richtig.
Was schließlich die Ausführungen der Revision zu einer allfälligen Sittenwidrigkeit anlangt, ist dem entgegenzuhalten, daß Sittenwidrigkeit vom Beklagten im Verfahren erster Instanz nicht eingewendet worden ist.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
Anmerkung
E19560European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1989:0070OB00702.89.1130.000Dokumentnummer
JJT_19891130_OGH0002_0070OB00702_8900000_000