TE OGH 1989/11/30 6Ob679/89

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.11.1989
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Melber, Dr.Schlosser und Dr.Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Joseph A. W***, Pensionist, 144 Edison Avenue, Ogdensburg, New Jersey 07439 USA, vertreten durch Dr.Erich Gugenberger, Rechtsanwalt in Frankenmarkt, wider die beklagte Partei Hermann V***, Wirtschaftstreuhänder, Starhembergstraße 19, 4020 Linz, vertreten durch Dr.Emmerich Welzl, Dr.Oskar Welzl, Rechtsanwälte in Linz, wegen Räumung infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 28.Juni 1989, GZ 19 R 33/89-88, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Linz vom 20.März 1989, GZ 9 C 1/89-76, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 6.172,20 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 1.028,70 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist Eigentümer der Liegenschaft EZ 798 KG Linz mit dem Haus Linz, Starhembergstraße 19.

Er begehrte vom Beklagten die Räumung dieser Liegenschaft und brachte vor, das damals unbenützbare Einfamilienhaus, eine "Ruine", sei in den Jahren 1975/76 durch Um- und Neubau mit einem Aufwand von "erheblich" über 1 Mill. S in ein zeitgemäßes Bürohaus umgebaut worden. Dem Beklagten sei ein zeitlich beschränktes Benützungsrecht zum Betrieb seiner Wirtschaftstreuhänderkanzlei eingeräumt worden. Der Beklagte habe keinen Mietzins zu bezahlen gehabt, sondern er sei nur verpflichtet gewesen, während der Dauer der Benützung die monatlichen Abzahlungen "zur Tilgung der entstandenen Wiederherstellungskosten" zu leisten. Absicht der Vertragsparteien sei es gewesen, daß der Beklagte die Liegenschaft längstens bis zum Zeitpunkt der Erfüllung der übernommenen Abzahlungsverpflichtung benützen dürfe. Das Benützungsrecht sei auch durch Aufkündigung erloschen.

Der Beklagte wendete ein, bei der Renovierung habe es sich um einen Neubau gehandelt. Es bestehe ein Mietverhältnis, auf welches die Kündigungsbeschränkungen des Mietrechtsgesetzes anzuwenden seien. Der Beklagte stellte den Zwischenantrag auf Feststellung, daß mit der "Abzahlung- und Benützungsvereinbarung" ein Mietverhältnis begründet worden sei, welches nach wie vor aufrecht sei und auf welches das Mietrechtsgesetz und insbesondere dessen Kündigungsbeschränkungen anzuwenden seien.

Das Erstgericht erkannte im Sinne des Zwischenantrages auf Feststellung und wies das Klagebegehren ab. Aus seinen Feststellungen ist folgendes hervorzuheben:

Das Haus, um das sich der Kläger seit Jahrzehnten nicht gekümmert hatte, war im Jahre 1975 desolat und baufällig, Teile der Decke waren eingestürzt. Durch die Renovierung wurde am Grundriß und an den Stockwerken nichts geändert. Durch An- und Zubauten wurden keine neuen Räume geschaffen, doch wurden Zwischenwände entfernt bzw. versetzt. Im wesentlichen ging es bei den Arbeiten darum, die Räume wieder bewohnbar zu machen. Für diese Arbeiten hat der Kläger ohne öffentliche Förderung S 1,267.553,58 aufgewendet. Die Vertreter des Klägers, die einen Mieter für das Haus suchten, schlossen mit dem Beklagten einen als "Abzahlungs- und Benützungsvereinbarung" bezeichneten Vertrag, als dessen Zweck angeführt wurde, daß der Beklagte berechtigt ist, das Haus zum Betrieb seiner Wirtschaftstreuhänderkanzlei zu benützen, und er für die Dauer der Benützung die Tilgung der Renovierungskosten übernimmt. Der Beklagte hatte monatlich wertgesichert S 7.000 zuzüglich Umsatzsteuer sowie die Betriebskosten zu bezahlen. Die Vereinbarung wurde auf unbestimmte Zeit geschlossen. Beiden Teilen wurde die Möglichkeit einer Kündigung durch eingeschriebenen Brief eingeräumt. Die Absicht der Parteien bei Abschluß dieses Vertrages war, dem Beklagten entgeltlich Räume zur Verfügung zu stellen. Der Kläger hatte die Absicht, die Vereinbarung mit der Abzahlung der aufgenommenen Kredite zu befristen, doch wurde dem Beklagten die genaue Höhe der Renovierungskosten nicht mitgeteilt. Der monatliche Betrag von S 7.000 wurde nicht aufgrund der Kreditrückzahlungsraten bestimmt, sondern nach ortsüblichen Mietzinsen in der Innenstadt von Linz. Mit Schreiben vom 24.Juni 1982 bot der Kläger durch seinen Vertreter dem Beklagten einen bis 31.Dezember 1984 befristeten Mietvertrag an, der Beklagte nahm dieses Anbot aber nicht an. Mit Schreiben vom 19. Dezember 1985 kündigte der Kläger dem Beklagten außergerichtlich die "Abzahlungs- und Benützungsvereinbarung" auf und forderte ihn zur Räumung binnen drei Monaten auf.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, die Vereinbarung sei als ein auf unbestimmte Zeit geschlossener Mietvertrag zu qualifizieren. Die außergerichtliche Aufkündigung sei daher gemäß § 33 MRG unwirksam. Das Gebäude sei durch die Renovierungsarbeiten in den Jahren 1975/76 nicht neu geschaffen worden, weshalb es unerheblich sei, daß der Beklagte das Anbot auf Abschluß eines befristeten Mietvertrages nicht angenommen habe. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht statt. Es übernahm die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen und führte in rechtlicher Hinsicht aus, es komme nicht darauf an, wie die Parteien die zwischen ihnen geschaffene Rechtsbeziehung benennten, maßgebend sei der gewollte Inhalt der Vereinbarung. Der Inhalt der "Abzahlungs- und Benützungsvereinbarung" sei die Gestattung der Benützung gegen einen bestimmten Preis gewesen, also der typische Inhalt eines Bestandvertrages. Die Vereinbarung sei daher als Mietvertrag zu qualifizieren. Ein Erlöschen des Mietverhältnisses durch Zeitablauf hätte eine entsprechende schriftliche Vereinbarung zur Voraussetzung gehabt. Eine solche sei nicht erfolgt, der Vertrag sei daher auf unbestimmte Zeit geschlossen worden. Da § 33 Abs 1 MRG nur die gerichtliche Kündigung für wirksam erkläre, führe die außergerichtliche Kündigung nicht zur Auflösung des Mietvertrages. Die Vereinbarung einer Aufkündigung mittels eingeschriebenen Briefes verstoße gegen die zwingende Vorschrift des § 33 Abs 1 MRG. Das Räumungsbegehren sei daher abzuweisen. Für die Frage, ob die Kündigungsbeschränkungen des Mietrechtsgesetzes anzuwenden seien, sei die Übergangsregel des § 49 Abs 2 MRG maßgebend. Habe für das Mietobjekt der Kündigungsschutz des Mietengesetzes bestanden, so liege kein Anwendungsfall dieser Bestimmung vor. Entscheidend sei daher, ob der Mietgegenstand nach dem 31.Dezember 1967 durch Neu-, Um-, Auf-, Ein- oder Zubau ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel neu geschaffen worden sei. Dies sei aber nicht der Fall gewesen.

Der Kläger bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes mit Revision, macht die Anfechtungsgründe der Mangelhaftigkeit, Aktenwidrigkeit und unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend und beantragt, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren vollinhaltlich stattgegeben und der Zwischenantrag auf Feststellung abgewiesen werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die vom Klagevertreter eingebrachte Revisionsschrift beruht wörtlich auf einem vom Kläger persönlich verfaßten Schriftsatz und enthält keine getrennte Ausführung der einzelnen Revisionsgründe. Worin ein Verfahrensmangel oder eine Aktenwidrigkeit liegen sollten, ist nicht zu erkennen, die Revisionsausführungen stellen zum Großteil eine unzulässige Bekämpfung der Beweiswürdigung dar. Die Revisionsausführungen, mit denen unter Hinweis auf die Kosten der Renovierung des Hauses von einer "Neuanschaffung" ausgegangen und dem Berufungsgericht eine unrichtige Auslegung des § 49 MRG zum Vorwurf gemacht wird, können als gesetzmäßig ausgeführter Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung aufgefaßt werden. Da auch in der Berufung erkennbar eine Rechtsrüge enthalten war (und zwar die Ausführungen, aufgrund der Nichtannahme des Anbotes des befristeten Mietvertrages bestehe eine Ausnahme vom Kündigungsschutz), ist auf die rechtliche Beurteilung einzugehen.

Für die Rechtsnatur eines Vertrages ist nicht dessen Bezeichnung durch die Parteien maßgebend, sondern der Inhalt und Zweck sowie die Absicht der Vertragschließenden über seine Wirkungen (MietSlg Band XXXVII Nr. 46). Der Kläger hat dem Beklagten im Vertrag den Gebrauch der Räume seines Hauses gegen einen monatlich zu bezahlenden Geldbetrag gestattet, sodaß gemäß den §§ 1090, 1091 ABGB ein Mietverhältnis zustandekam. Dieses fällt in den Anwendungsbereich des Mietrechtsgesetzes (§ 1 Abs 1 - Ausnahmetatbestände im Sinne der Absätze 2 und 3 liegen nicht vor). Das Vertragsverhältnis wurde auf unbestimmte Zeit geschlossen, eine Auflösung durch Zeitablauf im Sinne des § 29 Abs 1 Z 3 MRG kommt daher nicht in Frage, sondern nur eine solche durch Kündigung. Da gemäß § 33 Abs 1 MRG Mietverträge nur gerichtlich gekündigt werden können, eine derartige Kündigung aber nicht erfolgte, ist das Mietverhältnis aufrecht und das Klagebegehren daher nicht berechtigt.

Die Entscheidung über den Zwischenantrag auf Feststellung hängt davon ab, ob auf das Bestandverhältnis die Kündigungsbeschränkungen des § 30 MRG Anwendung finden. Dies könnte nur bei Vorliegen der Voraussetzungen der Übergangsvorschrift des § 49 Abs 2 MRG nicht der Fall sein. Nach dieser Bestimmung gelten die Kündigungsbeschränkungen des § 30 MRG für vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes (1.Jänner 1982) geschlossene Mietverträge nicht, wenn der Mietgegenstand nach dem 31.Dezember 1967 durch Neu-, Um-, An-, Ein- oder Zubau ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel geschaffen worden ist und der Vermieter dem Mieter bis 30.Juni 1982 einen zumindest bis 31.Dezember 1984 befristeten Hauptmietvertrag anbietet. Da ein Anbot auf Abschluß eines befristeten Mietvertrages innerhalb der im Gesetz hiefür eingeräumten Frist erfolgte, ist zu prüfen, ob der Mietgegenstand im Sinne des § 49 Abs 2 MRG nach dem 31. Dezember 1967 durch Neu-, Um-, Auf-, Ein- oder Zubau neu geschaffen wurde. Der Begriff der Neuanschaffung eines Mietgegenstandes im Sinne dieser Gesetzesstelle ist streng auszulegen. Es muß sich um die Gewinnung neuen und nicht um die bauliche Umgestaltung schon vorhandenen Raumes für Wohn- und Geschäftszwecke handeln (Würth in Rummel, ABGB, Rz 10 zu § 16 MRG mwN; MietSlg Band XXXVI Nr. 41; Band XXXVII Nr. 5). Bei der Renovierung eines Einfamilienhauses, das mangels Instandhaltung unbenützbar geworden ist, handelt es sich nicht um eine Neuanschaffung eines Mietgegenstandes (vgl. MietSlg 34.378). Auch durch die Entfernung oder Verlegung von Zwischenwänden werden Räume nicht neu geschaffen (Würth, aaO, mwN). Die Höhe des für die Renovierung aufgewendeten Betrages kann es ebenfalls nicht rechtfertigen, von einer Neuschaffung zu sprechen. Das Anbot eines befristeten Mietvertrages konnte daher nicht zu einer Ausnahme von den Kündigungsbeschränkungen des Mietrechtsgesetzes führen, weshalb dem Zwischenantrag auf Feststellung mit Recht stattgegeben wurde. Aus diesem Grunde war der Revision ein Erfolg zu versagen. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E19792

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0060OB00679.89.1130.000

Dokumentnummer

JJT_19891130_OGH0002_0060OB00679_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten