Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Kellner als weitere Richter sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr.Richard Bauer (AG) und Dipl.Kfm.Reinhard Keibl (AG) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Aloisia K***, Pensionistin,
4154 Kollerschlag Nr.23, vertreten durch Dr.Karl Hatak, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei S*** DER
G*** W***, Wiedner Hauptstraße 84-86, 1051 Wien, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Ausgleichszulage, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 21.Juni 1989, GZ 12 Rs 96/89-10, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 12.April 1989, GZ 15 Cgs 1035/88-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit Bescheid vom 19.September 1988 stellte die beklagte Partei fest, daß der Klägerin ab 1.April 1988 die Ausgleichszulage nicht gebühre, weil das Gesamteinkommen einschließlich der Pensionsleistung die Höhe des Richtsatzes übersteige. Das Erstgericht wies das Klagebegehren, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, der Klägerin ab 1.April 1988 die Ausgleichszulage im gesetzlichen Ausmaß zu gewähren, ab.
Es traf folgende Feststellungen:
Mit Notariatsakt vom 11.Juli 1975 übergab die Klägerin ihren Hälfteanteil an der Liegenschaft EZ 519 KG Kollerschlag (bestehend aus den Grundstücken 799/2 Wiese, 214 Baufläche und 215 Baufläche) ihrem Sohn Erwin K***. Gemäß Punkt 3 a dieses Notariatsaktes steht der Klägerin das ausschließliche Wohnrecht an der im ersten Stock geradeaus gelegenen Wohnung zu, gemäß Punkt 3 b dieser Vereinbarung eine monatliche Leibrente von S 2.000. Dafür wurde nach Punkt 5 dieses Notariatsaktes eine Wertsicherung nach dem Index der Verbraucherpreise 1966 vereinbart. Gemäß Punkt 4 wurde zugunsten der Klägerin ein Belastungs- und Veräußerungsverbot begründet. Mit Kaufvertrag ohne Datum übergab Erwin K*** die Liegenschaften EZ 42 und 519 je der KG Kollerschlag seinem Bruder Franz K***. Die tatsächliche Übergabe und Übernahme des Kaufobjektes erfolgte nach dem Vertrag mit 1.Jänner 1979. Der Käufer Franz K*** übernahm auch ausdrücklich die Ausgedingerechte der Klägerin auf Grund des Übergabsvertrages vom 11.Juli 1975. Mit Löschungserklärung vom 17.Juni 1985 verzichtete die Klägerin auf die ihr aus dem Übergabevertrag vom 11.Juli 1975 zustehende monatliche wertgesicherte Leibrente. Diese Erklärung wurde von Franz K*** zustimmend zur Kenntnis genommen. Die Löschungserklärung enthält keine Befristung oder sonstige Möglichkeit des Wiederauflebens der Leibrentenverpflichtung.
Zum Stichtag 5.Oktober 1988 hatte Franz K*** zusammen mit seiner Ehefrau vier Kredite bei der R*** Kollerschlag aushaften, die einen Gesamtschuldenstand von S 450.573,99 ergaben. Die Klägerin erhielt ab Übergabe des Hauses und der darin befindlichen Tischlerei an Erwin K*** niemals die vereinbarte Leibrente ausbezahlt. Sie hat auch nicht versucht, die Leibrente zwangsweise durchzusetzen.
Das übergebene Haus Kollerschlag Nr.22 wird vom Leibrentenverpflichteten Franz K*** seiner Ehefrau und deren drei Kindern sowie von der Klägerin bewohnt.
Franz K*** ist für zwei minderjährige Kinder im Alter von 12 und 4 Jahren sorgepflichtig, die älteste Tochter ist bereits selbsterhaltungsfähig. Die Ehefrau des Franz K*** ist nicht berufstätig.
Auf Grund des schlechten Geschäftsganges sperrte Franz K*** im Jahre 1986 die Tischlerei mit einem Schuldenstand von rund S 400.000 zu. Auch zu dem Zeitpunkt, in dem die Klägerin im Jahre 1985 auf die Leibrente verzichtet hatte, war der Schuldenstand ähnlich.
Franz K*** ist neben dem Haus Kollerschlag Nr.22 auch Eigentümer der Liegenschaft EZ 42 Haus Kollerschlag Nr.23. Dieses Haus ist mit einem Wohnrecht belastet, sodaß daraus derzeit keine Einkünfte bezogen werden.
Seit Anfang 1987 ist Franz K*** bei der Firma H*** in Traun als Tischler beschäftigt. Er bezog im Jahre 1988 ohne Familienbeihilfe brutto S 225.632,94, abzüglich der einbehaltenen Sozialversicherungsbeiträge und Lohnsteuer S 173.652,44. Dies ergibt ein monatliches durchschnittliches Nettoeinkommen von S 14.471,03. An Familienbeihilfen wurden Franz K*** 1988 insgesamt S 31.800 ausbezahlt.
Der Wert des Hauses Kollerschlag 22 dürfte derzeit bei etwa 1,5 Millionen S, vielleicht auch weniger liegen.
Franz K*** hat derzeit eine monatliche Steuernachzahlung von S 1.500 zu entrichten und muß für einen PKW-Kredit monatlich S 2.500 zurückzahlen. Er benötigt das Fahrzeug, um zum Arbeitsplatz nach Traun zu fahren. Außer in seinem Haus verfügt Franz K*** über keine andere Wohnmöglichkeit.
Die Klägerin bezieht eine Pension nach dem GSVG, die von April 1988 bis Juni 1988 monatlich S 2.640,40 und ab Juli 1988 S 2.701,20 betrug. Sie verfügt weiters über eine Pension nach dem BSVG, welche von April 1988 bis Juni 1988 monatlich S 1.310,50 und ab Juli 1988 S 1.340,60 betrug.
Unter Berücksichtigung des der Höhe nach außer Streit gestellten tatsächlichen Ausgedinges von S 219 monatlich für das Wohnrecht der Klägerin ergibt sich ein anrechenbares Einkommen für die Zeit von April bis Juni 1988 von ingesamt S 4,169,90, ab Juli 1988 von S 4.260,80, dies jeweils ohne Berücksichtigung der wertgesicherten Leibrente und eines von der beklagten Partei in der Klagebeantwortung zusätzlich behaupteten pauschalierten Ausgedinges. Die Leibrente aus dem Übergabsvertrag vom 11.Juli 1975 würde im Jahre 1988 aufgewertet S 3.540,40 betragen.
Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt dahin, daß ein Verzicht auf die Geltendmachung zustehender Einkünfte nur dann beachtlich sei, wenn er in der Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Erfüllung der Leistung durch den dazu Verpflichteten begründet wäre. Im konkreten Fall sei zwar dem Verpflichteten eine Veräußerung der gegenständlichen Liegenschaft nicht zumutbar, vor allem deshalb, weil auch die leibrentenberechtigte Klägerin selbst im gegenständlichen Haus wohne, es sei jedoch davon auszugehen, daß dem Leibrentenverpflichteten ein monatliches Einkommen von durchschnittlich netto S 14.400 zur Verfügung stehe. Schulden des Verpflichteten seien im allgemeinen kein Grund, die Realisierbarkeit einer Leibrentenforderung zu verneinen. Würde man anerkennen, daß die Schulden des Verpflichteten geeignet wären, den Verzicht der Klägerin zu Lasten der Sozialversicherung anzuerkennen, so müßte dies bedeuten, daß die Sozialversicherung und damit die Gemeinschaft der Versicherten zur erleichterten Rückzahlung von Schulden des Verpflichteten beitrüge. Zu berücksichtigen seien nur jene Schulden, die der Verpflichtete zur Aufrechterhaltung seiner Einkommensquelle unbedingt aufzuwenden habe. Dazu zählten die Aufwendungen für die Fahrt zum Arbeitsplatz. Auf Grund der örtlichen Gegebenheiten sei für die Verpflichteten davon auszugehen, daß er für die Fahrt zum Arbeitsplatz einen PKW benötigte. Es seien daher die monatlichen Zahlungen für einen Autokredit von S 2.500 zu berücksichtigen, andererseits stehe dem das Eigentum des Klägers an insgesamt zwei Liegenschaften, von denen nur eine bewohnt sei, die andere jedoch durch ein Wohnrecht wertgemindert sei, gegenüber. Selbst wenn man davon ausgehe, daß die Aufwendungen des Verpflichteten für den Autokredit zu berücksichtigen seien, so verblieben ihm immer noch monatlich rund S 12.000 durchschnittlich netto. Der für Franz K*** hypothetisch auf Grund seiner Sorgepflichten anwendbare Ausgleichszulagenrichtsatz liege bei S 8.236 für 1988. Bei seinem monatlichen Einkommen erscheine es zweifelhaft, ob dem Verpflichteten die Bezahlung der vollen Leibrente von monatlich S 3.540,40 im Jahre 1988 zuzumuten sei. Jedenfalls aber könnte der Verpflichtete einen monatlichen Betrag von S 1.000 an die Klägerin leisten. Schlage man diesen Betrag zu den zweifelsfrei anzurechnenden Einkommensbeträgen hinzu, so sei damit schon der für die Klägerin geltende Richtsatz überschritten. Eine Ausgleichszulage stehe daher nicht zu.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin keine Folge und billigte die Rechtsausführungen des Erstgerichtes.
Rechtliche Beurteilung
Der Revision der Klägerin kommt keine Berechtigung zu. Unter dem Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens rügt die Klägerin lediglich fehlende Feststellungen, die inhaltlich der Bekämpfung der rechtlichen Beurteilung zuzuordnen sind. Da das Verfahren am 28.12.1988 geschlossen wurde und die Beurteilung eines Sachverhaltes auf diesen Zeitpunkt abzustimmen ist und überdies die Klägerin keinerlei Behauptung dahin aufgestellt hat, daß sich in den Einkommensverhältnissen des Leibrentenverpflichteten künftig eine wesentliche Änderung ergeben werde, konnten Feststellungen über dessen Einkommenssituation ab 1.Jänner 1989 unterbleiben. Gemäß § 149 Abs 1 GSVG hat der Pensionist, so lange er sich im Inland aufhält, Anspruch auf eine Ausgleichszulage, soferne die Pension zuzüglich eines aus übrigen Einkünften des Pensionsberechtigten erwachsenden Nettoeinkommens und der gemäß § 151 zu berücksichtigenden Beträge nicht die Höhe des für ihn geltenden Richtsatzes erreicht. Nettoeinkommen im Sinne dieser Bestimmung ist die Summe sämtlicher Einkünfte in Geld oder Geldeswert nach Ausgleich mit Verlusten vermindert um die gesetzlich geregelten Abzüge. Stehen einem Pensionsberechtigten auf vertraglicher oder gesetzlicher Grundlage Ansprüche mit Vermögenscharakter zu, so ist grundsätzlich davon auszugehen, daß diese Ansprüche tatsächliches Einkommen darstellen und daher bei Prüfung des Anspruches auf Ausgleichszulage zu berücksichtigen sind. Der subsidiäre fürsorgeähnliche Charakter der Ausgleichszulage verbietet im allgemeinen die Berücksichtigung der Tatsache, daß der Berechtigte von sich aus auf solche Leistungen verzichtet. Ein Verzicht auf die Geltendmachung zustehender Einkünfte ist nur dann beachtlich, wenn er in der Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Erfüllung der Leistung durch den dazu Verpflichteten begründet wäre. Dabei ist davon auszugehen, daß ein zur Erbringung der Leistung Verpflichteter, der nur über ein Einkommen verfügt, das die Höhe des Richtsatzes nicht übersteigt, nicht in der Lage sein wird, eine vertragliche Verpflichtung zur Erbringung einer geldwerten Leistung zu erfüllen (SSV-NF 1/60).
Maßgeblich ist das gesamte Einkommen des Verpflichteten, auch Vermögen, soweit es nicht dessen Existenzgrundlage bildet, muß angemessen berücksichtigt werden. Es besteht daher keinerlei Grund, das 13. und 14.Monatsgehalt des Sohnes der Klägerin sowie allfällige Zulagen oder Überstundenentgelte im Rahmen des Arbeitseinkommens, welche ihm zur Erfüllung seiner Verpflichtungen ja zur Verfügung stehen, nicht in die Beurteilung einzubeziehen. Nähere ziffernmäßige Feststellungen über den Anteil solcher Einkommensbestandteile am Gesamteinkommen waren daher nicht erforderlich.
Die Vorinstanzen haben zutreffend darauf verwiesen, daß Schulden des Verpflichteten oder rückständige Steuern - die laufenden Steuerabzüge wurden ohnedies berücksichtigt - grundsätzlich nicht dazu führen können, die Realisierung einer Leibrente als unzumutbar anzusehen, weil damit die Gemeinschaft der Versicherten im Wege der Ausgleichszulagengewährung zur erleichterten Rückzahlung der Schulden des Verpflichteten beitragen müßte. Dies aber widerspräche dem Wesen und der Funktion der Ausgleichszulage. Reicht das Einkommen des Verpflichteten zu einer bescheidenen Lebensführung aus, ist der Verzicht auf ein zustehendes Ausgedinge für den Anspruch auf Ausgleichszulage unbeachtlich. Davon muß aber im vorliegenden Fall ausgegangen werden. Berücksichtigt man noch, daß der Sohn der Klägerin mit seiner Familie im eigenen Haus wohnt, in dessen Eigentum er auch durch die Übernahme der Leibrentenforderung gelangt ist, geringe Wohnkosten zu tragen hat und überdies Eigentümer eines zweiten Hauses ist, mag dieses auch wegen eines bestehenden Wohnrechtes nicht leicht oder nur zu einem geringeren Preis als ein unbelastetes Haus zu veräußern sein, so stellt sich seine Gesamtsituation jedenfalls so dar, daß der vollständige und auch künftig unwiderrufliche Verzicht der Klägerin auf ihren Ausgedingeanspruch zwar die Schuldentilgung durch ihren Sohn erleichtert, aber nach objektiven Maßstäben nicht in der Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Erfüllung durch den Verpflichteten begründet ist.
Nur der Vollständigkeit halber soll erwähnt werden, daß, wie sich aus dem im Pensionsakt erliegenden Notariatsakt ergibt, die Klägerin den beiden minderjährigen Töchtern des Verpflichteten mit Schenkungsvertrag vom 23.Februar 1988 die in ihrem Alleineigentum gestandene Liegenschaft EZ 304 KG Pogendorf im Ausmaß von 1,6 ha übergeben hat.
Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Revisionskosten beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.
Anmerkung
E19373European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1989:010OBS00333.89.1205.000Dokumentnummer
JJT_19891205_OGH0002_010OBS00333_8900000_000