TE Vwgh Erkenntnis 2005/11/17 2001/13/0239

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Veröffentlicht am 17.11.2005
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;
32/04 Steuern vom Umsatz;
91/01 Fernmeldewesen;
91/02 Post;

Norm

FG 1993 §2 Z10;
FG 1993 §44 Abs4;
FG 1993 §44;
FG 1993 §45 Abs1;
KommStG 1993 §3 Abs1;
KommStG 1993 §3 Abs3;
KStG 1988 §2 Abs1;
KStG 1988 §2 Abs5;
PostG §16;
PostG §6;
PostG §9;
UStG 1972 §2 Abs4 Z2;
UStG 1994 §2 Abs4 Z2;
UStG 1994 §2 Abs4 Z3;
VwGG §21 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Fuchs, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Keidel LL.M., über die Beschwerde der Landeshauptstadt Linz, vertreten durch den Bürgermeister, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 3. August 2001, GZ. RV/473-16/06/2001, betreffend Zuteilung der kommunalsteuerlichen Bemessungsgrundlage für die Monate Jänner 1994 bis April 1996 (mitbeteiligte Partei:

Telekom Austria AG als Rechtsnachfolgerin der Post und Telekom Austria AG, diese als Rechtsnachfolgerin des Bundes, Post- und Telegraphenverwaltung, in Wien, vertreten durch KPMG Austria GmbH, Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft in 1090 Wien, Kolingasse 19), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Kostenersatzbegehren werden abgewiesen.

Begründung

Mit Antrag vom 14. Jänner 1998 ersuchte die Post und Telekom Austria AG das Finanzamt für Körperschaften gemäß § 10 Abs. 5 KommStG 1993 um Zuteilung der Bemessungsgrundlage der Kommunalsteuer. In der Eingabe wurde ausgeführt, die Stadt Linz habe der Post und Telekom Austria AG als Gesamtrechtsnachfolgerin des Bundes, Post- und Telegraphenverwaltung (im Folgenden: PTV), mit Bescheid vom 17. Juli 1997 Kommunalsteuer vorgeschrieben. Der Vorschreibung sei die Lohnsumme der Dienstnehmer im Fernmeldebereich für die Zeit vom 1. April 1994 bis 30. April 1996 zu Grunde gelegt worden. Die Bemessungsgrundlage sei - wie näher dargestellt - im Schätzungsweg ermittelt worden.

Weiters wurde ausgeführt, dass die Stadt Wien dem Bund mit Bescheid vom 19. März 1997 Kommunalsteuer für die Leistungsbereiche Fernmeldedienste und Postautodienste vorgeschrieben habe. Als Bemessungsgrundlage seien die von der Post und Telekom Austria AG mitgeteilten Bemessungsgrundlagen für den Dienstgeberbeitrag herangezogen worden, ohne eine entsprechende Detaillierung nach dem Einsatzort vorzunehmen. Die "überaus grobe Schätzung" der Stadt Linz und die pauschale Annahme der Bemessungsgrundlage durch die Stadt Wien, sowie das Fehlen der Berücksichtigung von Besonderheiten (z.B. Dienstzuteilungen in eine andere Betriebsstätte) und die Nichterhebung des tatsächlichen Tätigkeitsortes der Außendienstmitarbeiter führe zum Teil zu erheblichen Mehrfacherfassungen derselben Lohnsummenbestandteile.

Dazu vertrat die Antragstellerin in rechtlicher Hinsicht die Ansicht, dass die PTV nicht als Betrieb gewerblicher Art anzusehen sei, sodass keine Kommunalsteuerpflicht bestehe und beantragt werde, den Gemeinden eine Bemessungsgrundlage von S 0,-- zuzuteilen.

Das Finanzamt erließ einen mit 3. September 1998 datierten "Zuteilungsbescheid", in dem die Bemessungsgrundlage der Kommunalsteuer für den Zeitraum Jänner 1994 bis April 1996 hinsichtlich der Städte Wien und Linz jeweils mit "keine" festgestellt wurde. In der Begründung wurde ausgeführt, dass die PTV bis zu ihrer Ausgliederung und Umwandlung in eine Aktiengesellschaft als Ganzes einen Hoheitsbetrieb gebildet habe und eine "Herausschälung" von (unternehmerischen) Teilbereichen unzulässig sei.

Gegen diesen Bescheid wurden von den Städten Wien und Linz Berufungen erhoben. Die Stadt Wien machte geltend, dass zwischen den Gemeinden Linz und Wien keine Differenz hinsichtlich der Bemessungsgrundlage bestehe. Die Linzer Abgabenbehörde habe ausschließlich jene Arbeitslöhne, die an Dienstnehmer mit Zugehörigkeit zu Linzer Betriebsstätten gewährt worden seien, als Grundlage der Bemessung der Kommunalsteuer herangezogen. Die Stadt Wien habe ihrerseits keine Bemessungsgrundlagen in Anspruch genommen, welche auf Dienstnehmer entfallen würden, die einer in einer anderen Gemeinde gelegenen Betriebsstätte zuordenbar wären. Von der Stadt Linz wurde vorgebracht, dass der Antrag der Post und Telekom Austria AG vom 14. Jänner 1998 vom Finanzamt als unzulässig zurückzuweisen gewesen wäre, weil die Antragstellerin nicht legitimiert gewesen sei, einen Antrag auf "Nichtzuteilung" zu stellen. Die Bundesfinanzbehörde sei nicht berechtigt, im Falle unstrittiger Bemessungsgrundlagen die "Nichtzuteilung" festzustellen.

Mit Schriftsatz vom 9. März 1999 trat die Post und Telekom Austria AG den Berufungen der Städte Wien und Linz gegen den "Zuteilungsbescheid" bei. In der Sache wiederholte sie ihre Rechtsansicht, wonach die PTV im maßgebenden Zeitraum in ihrer Gesamtheit ein Hoheitsbetrieb gewesen sei. Da die Tätigkeiten überwiegend der Erfüllung öffentlich-rechtlicher Aufgaben gedient hätten, sei der Betrieb in seiner Gesamtheit als Hoheitsbetrieb zu behandeln.

Mit Berufungsvorentscheidungen je vom 15. März 1999 gab das Finanzamt den Berufungen Folge und hob den Bescheid vom 3. September 1998 auf.

Die Post und Telekom Austria AG beantragte die Entscheidung über die Berufungen durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz. In der eingehenden Begründung des Vorlageantrages blieb sie bei ihrer Auffassung, dass die PTV kein Unternehmen iS des § 3 KommStG 1993 gewesen sei und die Steuerbemessungsgrundlagen daher mit "keine" festzustellen wären.

Mit Bescheiden je vom 20. November 1999 wurde den Berufungen der Städte Wien und Linz stattgegeben und der "Zuteilungsbescheid" aufgehoben. In der Begründung der beiden Bescheide wurde gleich lautend darauf hingewiesen, dass eine Zuteilung der Bemessungsgrundlage nur dann in Betracht komme, wenn zwei oder mehrere Gemeinden die auf einen Dienstnehmer entfallende Bemessungsgrundlage ganz oder teilweise für sich in Anspruch nähmen. Im Falle von Streitigkeiten zwischen Gemeinden um die Bemessungsgrundlage solle das Finanzamt zur Vermeidung von Mehrfachbelastungen als "Schiedsrichter" darüber entscheiden, welcher Betriebsstätte ein Dienstnehmer bzw. die Arbeitslöhne zuzurechnen seien. Da in den Beschwerdefällen keine Streitigkeiten zwischen den Gemeinden bestünden, seien die Voraussetzungen für die Erlassung eines Zuteilungsbescheides nicht gegeben.

Mit Erkenntnis vom 31. Jänner 2001, 2000/13/0001, 0002, hob der Verwaltungsgerichtshof die beiden Bescheide wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes auf. Die belangte Behörde sei erkennbar davon ausgegangen, dass ein Bescheid über die Zuteilung einer (festgestellten) Bemessungsgrundlage mangels Uneinigkeit der Gemeinden nicht zu ergehen habe. Damit habe sie die Rechtslage verkannt, weil eine bescheidmäßige Feststellung iSd § 10 Abs. 5 KommStG 1993 auch dann zu ergehen habe, wenn der Steuerschuldner behaupte, dass zwei oder mehrere Gemeinden die auf einen Dienstnehmer entfallende Bemessungsgrundlage ganz oder teilweise für sich in Anspruch nehmen. Überdies habe die belangte Behörde auch gegen die Anordnung des § 290 Abs. 1 BAO verstoßen, wonach im Berufungsverfahren nur einheitliche Entscheidungen getroffen werden können.

Im fortgesetzten Verwaltungsverfahren forderte die belangte Behörde die Post und Telekom Austria AG auf, zur Frage Stellung zu nehmen, ob die bis 30. April 1996 durch die PTV wahrgenommenen Tätigkeiten im Fernmeldewesen und im Postkraftwagendienst deren hoheitlicher Sphäre oder Betrieben gewerblicher Art zuzurechnen seien. Die für die jeweilige Beurteilung maßgebenden rechtlichen Gründe sowie die tatsächlichen Gegebenheiten einschließlich der buchhalterischen Erfassung der Geschäftstätigkeit seien darzulegen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufungen "des Magistrats der Stadt Wien und des Magistrats der Stadt Linz, ... welchen die Post & Telekom Austria AG (nunmehr Telekom Austria AG) beigetreten ist" als unbegründet ab. Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und der Bestimmungen des § 3 Abs. 3 KommStG 1993 und des § 2 Abs. 1 KStG 1988 vertrat die belangte Behörde die Ansicht, dass der PTV im maßgeblichen Zeitraum (bis 30. April 1996) eine wirtschaftliche Selbständigkeit nicht zugekommen sei, weil ihre Bindung an bundesgesetzliche Bestimmungen im Interesse öffentlicher Aufgabenerfüllung dies ebenso ausschließe wie der Umstand, dass ein Tätigwerden nur nach Maßgabe der Möglichkeiten des Bundeshaushaltsgesetzes möglich gewesen sei. Aus den Bestimmungen des Fernmeldegesetzes 1993 sei zu ersehen, dass der wesentliche Teil der der PTV eingeräumten Befugnisse den hoheitlichen Bereich berührten. Die Tätigkeit der Post sei nach Lehre und Rechtsprechung grundsätzlich der Hoheitsverwaltung zuzurechnen. Diese Sichtweise habe offenbar auch der Gesetzgeber des UStG 1994 geteilt, wenn er in § 2 Abs. 4 Z 2 normiert habe, dass als gewerbliche und berufliche Tätigkeit auch die Tätigkeit des Bundes im Rahmen des Fernmeldewesens gelte. Dieser gesetzlichen Bestimmung hätte es nicht bedurft, wenn der genannte Bereich des Fernmeldewesens ohnehin einen Betrieb gewerblicher Art darstellte.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde der Stadt Linz hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Vorauszuschicken ist, dass sich die Stadt Wien zur Beschwerde geäußert und die Stellung als mitbeteiligte Partei beansprucht hat, welche ihr aber nicht zukommt, weil sie ebenfalls die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt hat und das VwGG einen Eintritt "als Mitbeteiligter auf Seiten des Beschwerdeführers" nicht kennt (vgl. Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, 165).

Gemäß § 1 KommStG 1993 unterliegen der Kommunalsteuer die Arbeitslöhne, die jeweils in einem Kalendermonat an die Dienstnehmer einer im Inland (Bundesgebiet) gelegenen Betriebsstätte des Unternehmens gewährt worden sind.

Das Unternehmen umfasst die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers. Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn (Überschuss) zu erzielen, fehlt oder eine Personenvereinigung nur gegenüber ihren Mitgliedern tätig wird (§ 3 Abs. 1 leg. cit.).

Gemäß § 3 Abs. 3 leg. cit. sind die Körperschaften des öffentlichen Rechts nur im Rahmen ihrer Betriebe gewerblicher Art (§ 2 KStG 1988) und ihrer land- oder forstwirtschaftlichen Betriebe gewerblich oder beruflich tätig.

Nach § 2 Abs. 1 KStG 1988 ist Betrieb gewerblicher Art einer Körperschaft des öffentlichen Rechts (im Folgenden: KöR) jede Einrichtung, die wirtschaftlich selbstständig ist und ausschließlich oder überwiegend einer nachhaltigen privatwirtschaftlichen Tätigkeit von wirtschaftlichem Gewicht und zur Erzielung von Einnahmen oder im Falle des Fehlens der Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr von anderen wirtschaftlichen Vorteilen und nicht der Land- und Forstwirtschaft (§ 21 EStG 1988) dient. Die Absicht, Gewinn zu erzielen, ist nicht erforderlich. Die Tätigkeit der Einrichtung gilt stets als Gewerbebetrieb.

Nach § 2 Abs. 5 KStG 1988 liegt eine privatwirtschaftliche Tätigkeit iSd Abs. 1 nicht vor, wenn die Tätigkeit überwiegend der öffentlichen Gewalt dient (Hoheitsbetrieb). Eine Ausübung der öffentlichen Gewalt ist insbesondere anzunehmen, wenn es sich um Leistungen handelt, zu deren Annahme der Leistungsempfänger auf Grund gesetzlicher oder behördlicher Anordnung verpflichtet ist.

Ein Annahmezwang im Sinne dieser Bestimmung liegt vor, wenn der Leistungsempfänger die Leistung annehmen muss bzw. in den Fällen, in denen auf die Vornahme einer Handlung verzichtet wird, die Handlung praktisch überhaupt nicht vorgenommen wird. Der Annahmezwang ist zwar ein bedeutsames Kennzeichen, aber nicht das einzige Merkmal der hoheitlichen Tätigkeit. Entscheidend ist, ob der Betrieb "der Ausübung öffentlicher Gewalt" dient (vgl. mit weiteren Nachweisen Bauer/Quantschnigg/Schellmann/Werilly, KStG 1988, § 2, Tz. 42 und 42/1).

Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Abgrenzung zur grundsätzlich nicht der Steuerpflicht unterliegenden hoheitlichen Tätigkeit der öffentlichen Hand dahin gehend gefunden, dass unter Ausübung öffentlicher Gewalt diejenigen Tätigkeiten zu verstehen seien, durch die die KöR Aufgaben erfüllt, die ihr in ihrer Eigenschaft als Träger der öffentlichen Gewalt eigentümlich und vorbehalten sind. Die Aufgaben können dabei ausdrücklich durch die Rechtsordnung übertragen sein oder sich aus dem allgemeinen Aufgabenbereich der KöR ergeben (vgl. Fuchs, Ausgewählte Beispiele zur Unternehmereigenschaft von Körperschaften öffentlichen Rechts, in Achatz, Die Besteuerung der Non-Profit-Organisationen2, 196f, mit Hinweisen auf die Rechtsprechung; sowie die hg. Erkenntnisse vom 21. Juli 1998, 97/14/0082, vom 21. Juli 1998, 97/14/0056, vom 28. November 2000, 99/14/0132, VwSlg 7564 F/2000, und vom 25. Februar 2004, 2003/13/0163).

Der Hoheitsbetrieb muss der Ausübung öffentlicher Gewalt nicht ausschließlich, sondern überwiegend dienen. Wenn in einem als Einheit anzusprechenden Betrieb hoheitliche und erwerbswirtschaftliche Tätigkeiten entfaltet werden und diese so eng miteinander verbunden sind, dass eine Abgrenzung nicht möglich oder nicht zumutbar ist (so genannter Mischbetrieb), dann ist auf die überwiegende Zweckbestimmung des ganzen Betriebes abzustellen. Dienen die Tätigkeiten des Betriebes überwiegend der Erfüllung öffentlich-rechtlicher Aufgaben, dann ist dieser Betrieb in seiner Gesamtheit als steuerfreier Hoheitsbetrieb zu behandeln. Überwiegen die hoheitlichen Aufgaben nicht, dann ist insgesamt ein steuerpflichtiger Betrieb gewerblicher Art anzunehmen. Übt ein Hoheitsbetrieb auch eine erwerbswirtschaftliche Tätigkeit aus und ist diese gegenüber der hoheitlichen Tätigkeit abgrenzbar, dann ist dieser Betriebszweig als Betrieb gewerblicher Art anzusehen. Dies kann z.B. der Fall sein, wenn ein Hoheitsbetrieb eine Kantine unterhält (vgl. Bauer ua, aaO, Tz. 42/3 und 42/4).

Die Post war eine Einrichtung des Bundes zur Wahrnehmung der Aufgaben des Postwesens. Hiezu gehört vor allem die ordnungsgemäße Abwicklung des dem Bund vorbehaltenen Rechts zur Beförderung von Nachrichtensendungen (vgl. Walter/Mayer2, Grundriss des Besonderen Verwaltungsrechts, 511).

§ 6 PostG, BGBl. Nr. 58/1957, aufgehoben durch BGBl. I Nr. 18/1998, verpflichtete die Post, Sendungen zu befördern. § 9 leg.cit. normierte darüber hinaus, dass - von gesetzlich bestimmten Ausnahmen abgesehen - die Beförderung von Sendungen, die schriftliche Mitteilungen oder sonstige Nachrichten enthalten, ausschließlich der Post vorbehalten ist. Nach § 16 leg. cit. war die Post nach Maßgabe der hiefür geltenden gesetzlichen Vorschriften auch ermächtigt, Personen zu befördern. Während demnach eine gesetzliche Verpflichtung zur Postbeförderung bestand, räumte die genannte Bestimmung der Post lediglich die Befugnis zur Personenbeförderung ein. Da der Betrieb von Postbussen gewöhnlich beiden Zwecken diente, war nach Verwaltungspraxis und Rechtsprechung eine Abgrenzung des Bereiches der Personenbeförderung durch die Post von den übrigen Postleistungen nicht vorzunehmen (vgl. das Urteil des OGH vom 16. Februar 1994, 1 Ob 2/94). Von dieser Rechtsansicht abzugehen, bietet das Beschwerdevorbringen keinen Anlass.

Auch das Telegraphen- bzw. (später) Fernmelderecht war in seinen Anfängen durch den Grundsatz geprägt, dass das Betreiben von Telegraphen/Fernmeldeanlagen ein ausschließliches Vorrecht des Staates ist. Im Fernmeldegesetz 1949 heißt es, dass das Recht, Fernmeldeanlagen zu errichten und zu betreiben, ausschließlich dem Bund zusteht (vgl. Wittmann, Das neue Fernmelderecht - ein systematischer Überblick, EDVuR 1993, 129; Stampfl-Blaha, Rechtsgrundlagen des Fernmelderechts in Beiträge zum Telekommunikationsrecht, 86).

Erst mit dem Bundesgesetz betreffend das Fernmeldewesen (Fernmeldegesetz 1993), BGBl. 908/1993, erfolgte eine vollständige funktionelle Trennung des behördlichen Bereiches vom Bereich des Dienstleistungsunternehmens. Das mit 1. April 1994 in Kraft getretene FernmeldeG 1993 unterschied jedoch noch zwischen einem reservierten Bereich, in dem der PTV besondere oder ausschließliche Rechte gewährt wurden, und dem übrigen Bereich, in dem die PTV in Konkurrenz mit privaten Anbietern tätig wurde (Wettbewerbsbereich). "Reservierter Fernmeldedienst" ist die öffentliche Sprachübermittlung für Dritte in Echtzeit (§ 2 Z 10 leg. cit.). Andere Fernmeldedienste (etwa Datenübertragungsdienste) sowie mit der Erbringung von Fernmeldediensten in einem wirtschaftlichen Zusammenhang stehende Leistungen gehören zum Wettbewerbsbereich, wobei § 44 Abs. 4 zweiter Satz leg. cit. bestimmte, dass Gewinne aus reservierten Fernmeldediensten (das ist der Fernsprechdienst) die Tarifgestaltung bei anderen Fernmeldediensten und sonstigen Leistungen nicht beeinflussen dürfen. Bei solchen dem freien Wettbewerb zugeordneten Dienstleistungen ist gemäß § 44 Abs. 4 dritter Satz leg. cit. eine klare organisatorische und rechnungsmäßige Trennung gegenüber den reservierten Bereichen vorzunehmen (vgl. zum Ganzen Wittmann, aaO, 3.4.).

Mit dem PoststrukturG, BGBl. 201/1996, wurde die bis dahin als Teil der Bundesverwaltung organisierte und zum Teil mit Hoheitsgewalt ausgestattete PTV ausgegliedert und in die Post und Telekom Austria AG umgewandelt.

Am 1. August 1997 ist das neue Telekommunikationsgesetz (TKG), BGBl. I Nr. 100/1997, in Kraft getreten, welches später durch das Telekommunikationsgesetz 2003, BGBl. I Nr. 70, ersetzt wurde. Damit wurden das FernmeldeG 1993 abgelöst und die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Telekommunikation im Sinne einer weitgehenden Liberalisierung grundlegend neu gestaltet (vgl. Schmelz/Stratil, Das neue Telekommunikationsgesetz, in ecolex 1998, 267).

Im streitgegenständlichen Zeitraum vom 1. April 1994 bis 30. April 1996 war der rechtliche Rahmen für die Tätigkeit der PTV im Bereich des Fernmeldewesens somit durch das FernmeldeG 1993 vorgegeben. Ungeachtet des Umstandes, dass die Rechtsbeziehungen im Bereich des Fernmeldewesens gemäß § 45 Abs. 1 leg. cit. auf privatrechtliche Grundlage gestellt wurden, normierte das FernmeldeG 1993 - wie bereits ausgeführt - weiterhin einen dem Bund (der PTV) vorbehaltenen Bereich. Dies spricht im Sinne der Rechtsprechung entscheidend für das Vorliegen einer - insoweit - nach wie vor hoheitlichen Tätigkeit. Daneben sah das FernmeldeG 1993 allerdings auch einen so genannten Wettbewerbsbereich vor, wobei das Gesetz die PTV zu einer strikten organisatorischen und rechnungsmäßigen Trennung der beiden Bereiche verpflichtete. Ob und in welchem Umfang über den Bereich des reservierten Fernmeldedienstes hinaus Fernmeldedienste und sonstige Leistungen angeboten wurden, lag im unternehmerischen Ermessen der PTV (vgl. Kratzer/Stratil, FernmeldeG, § 44, 69).

In Verkennung dieser durch das FernmeldeG 1993 geschaffenen Rechtslage hat die belangte Behörde keine Feststellungen darüber getroffen, ob und inwieweit die PTV von dem ihr im Streitzeitraum zustehenden Recht Gebrauch gemacht hat, über den reservierten, also den ihr eigentümlichem Bereich hinaus unternehmerische Leistungen zu erbringen und es diesbezüglich - wie von Rechtsnachfolgern der PTV behauptet und von der Behörde nicht in Zweifel gezogen - zu Mehrfacherfassungen derselben Lohnsummenbestandteile gekommen sein könnte.

Da die PTV im Streitzeitraum - anders als die Beschwerdeführerin meint - allenfalls nur in einem Teilbereich des Fernmeldewesens als Betrieb gewerblicher Art einzustufen war, bedurfte es aus umsatzsteuerlicher Sicht zur Vermeidung eines Widerspruchs zum Gemeinschaftsrecht, das die Tätigkeit einer KöR im Rahmen des Fernmeldewesens und der Personenbeförderung (zur Gänze) als umsatzsteuerpflichtig ansieht, der gesetzlichen Fiktion des § 2 Abs. 4 Z 2 und 3 UStG 1994, wonach die Tätigkeit des Bundes im Rahmen des Fernmeldewesens und die Beförderung von Personen im Linien- und Gelegenheitsverkehr durch die Post als gewerblich gilt (vgl. Ruppe, UStG 1994, § 2, Tz: 227 und 228). Vergleichbare Bestimmungen sah - wie Ruppe, aaO, zutreffend ausführt - bereits das UStG 1972 zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen vor (vgl. § 2 Abs. 4 Z 2 UStG 1972). Eine entsprechende Fiktion findet sich im KommStG 1993 jedoch nicht, sodass es - wie dargestellt - auf die Frage ankommt, ob die PTV die allgemeinen Voraussetzungen für das Vorliegen eines Betriebes gewerblicher Art erfüllt.

Aus den aufgezeigten Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Zu dem von der beschwerdeführenden Stadt beantragten Kostenzuspruch ist zu bemerken, dass Kosten für den Schriftsatzaufwand (§ 48 Abs. 1 Z 2 VwGG) dem Beschwerdeführer nur dann gebühren, wenn er tatsächlich durch einen Rechtsanwalt (Wirtschaftsprüfer) vertreten war (§ 49 Abs. 1 letzter Satz VwGG).

Wien, am 17. November 2005

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2001130239.X00

Im RIS seit

25.12.2005

Zuletzt aktualisiert am

16.09.2015
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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