Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Kodek, Dr. Niederreiter und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K***-V*** Gesellschaft mbH & Co, Wien 19, Muthgasse 2, vertreten durch Dr. Bertram Grass, Rechtsanwalt in Bregenz, wider die beklagten Parteien 1. V*** G*** A*** E*** R*** & Co,
2. Eugen A. R***, Gesellschafter, 3. Sophie K***-R***, Gesellschafterin, 4. KR Eugen R***, Gesellschafter, sämtliche Bregenz, Kirchstraße 35 und vertreten durch Dr. Fritz Schuler, Rechtsanwalt in Bregenz, wegen Widerruf, Veröffentlichung des Widerrufs, Urteilsveröffentlichung und Schadenersatz (Gesamtstreitwert S 700.000, Revisionsinteresse S 550.000), infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 12. April 1989, GZ 3 R 102/89-20, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 30. Dezember 1988, GZ 8 Cg 195/88-15, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird teilweise Folge gegeben. Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung - (einschließlich des mangels Anfechtung bereits rechtskräftig gewordenen Teiles des Urteils des Erstgerichtes - wie folgt zu lauten hat:
"1. Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei S 50.000 samt 4 % Zinsen seit 14. Juni 1988 binnen 14 Tagen bei Exekution zu zahlen.
2. Das Mehrbegehren,
a) die erstbeklagte Partei sei schuldig, die in der Ausgabe der "Vorarlberger Nachrichten" vom 31. Mai 1988 auf Seite 16 gemachten Äußerungen: "Das Prädikat 'Ente' verdient die große Aufmachung eines Wiener Blattes, ein deutscher Konzern für medizinisch-technische Geräte möchte das E***-Werk kaufen, er würde auch sämtliche 320 Beschäftigte mitübernehmen", und "einer 'Ente' kommt auch die Mitteilung gleich, wonach gestern, Montag, in Schwaz Verkaufsverhandlungen mit dem deutschen Interessenten angesetzt waren", zu widerrufen;
b) die erstbeklagte Partei sei schuldig, den Widerruf in den "Vorarlberger Nachrichten" im Textteil zu veröffentlichen;
c) die beklagten Parteien seien zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei weitere S 150.000 samt 4 % Zinsen seit 14. Juni 1988 zu zahlen;
d) die klagende Partei werde ermächtigt, das über die Klage ergehende Urteil auf Kosten der beklagten Parteien in den Tageszeitungen "Neue Kronen-Zeitung", "Vorarlberger Nachrichten" und "Neue Vorarlberger Tageszeitung" im Textteil in normalen Lettern mit Fettdruckschrift, Umrandung und gesperrt geschriebenen Prozeßparteien veröffentlichen zu lassen,
wird abgewiesen.
3. Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit S 111.779,77 bestimmten anteiligen Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen."
Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit S 79.291,37 bestimmten anteiligen Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die erstbeklagte OHG ist die Medieninhaberin (Verlegerin) der "Vorarlberger Nachrichten"; der Zweitbeklagte, die Drittbeklagte und der Viertbeklagte sind persönlich haftende Gesellschafter dieser Gesellschaft.
Am 31. Mai 1988 erschien auf der Wirtschaftsseite der "Vorarlberger Nachrichten" unter der Überschrift "Die Suche nach Interessenten für das Elektra-Werk geht weiter" ein Artikel folgenden Inhalts:
"Das Prädikat 'Ente' verdient die große Aufmachung eines Wiener Blattes, ein deutscher Konzern für medizinisch-technische Geräte möchte das Elektra-Werk kaufen, er würde auch sämtliche 320 Beschäftigte mitübernehmen. Die einzige Bedingung der Deutschen sei, daß sich das Land Vorarlberg mit einer großzügigen Subvention einstelle. Dabei hat allerdings Landeshauptmann Dr. Martin P*** längst klargestellt, daß das Land keinerlei Wirtschaftsförderung in Zusammenhang mit Elektra-Bregenz gewähren werde. Einer 'Ente' kommt auch die Meldung gleich, wonach für gestern, Montag, in Schwaz Verkaufsverhandlungen mit den deutschen Interessenten angesetzt waren. Die gestrige Sitzung in Schwaz war eine routinemäßige Konferenz der EB-Geschäftsführung mit den einzelnen Bereichsleitern
..."
Zwei Tage vorher war auf Seite 12 der Ausgabe der "Neuen Kronen-Zeitung" vom 29. Mai 1988 unter der Überschrift "BRD-Konzern will Elektra-Bregenz - Die 300 Mitarbeiter dürfen bleiben" ein Artikel folgenden Inhalts erschienen:
"Das Angebot, Elektra-Bregenz zu übernehmen, kommt von einer Gesellschaft aus Deutschland. Schon morgen, Montag, finden in Schwaz (Tirol) erste Verhandlungen statt. Die größte Hürde dabei ist die Bedingung des BRD-Unternehmens nach einer Förderung aus dem Ländle-Budget. Landeshauptmann P*** steht diesem Wunsch aus verständlichen Gründen eher ablehnend gegenüber. Reizvoll ist jedoch das Versprechen des Konzerns aus unserem Nachbarland, alle 300 Mitarbeiter weiter zu beschäftigen ... Während das Stadtoberhaupt noch an einer Stellungnahme bastelte, planten die Bosse eines deutschen Konzerns schon an ihrer Marschroute Richtung Bregenz.
Bereits einen Tag nach Bekanntwerden des Elektra-Bregenz-Debakels wurde der bekannte Schweizer Unternehmensberater Karl Heinz N*** beauftragt, Vertragsverhandlungen für die Übernahme einzuleiten.
N***: 'Das Unternehmen gehört zu einer Holding. Es erzeugt medizinische Geräte, die in die ganze Welt exportiert werden.' Die moderne Fabrik der Gesellschaft steht in Baden-Württemberg und beschäftigt mehr als 400 Mitarbeiter. Die Verwaltung ist in St. Gallen. Nun möchte der Betrieb expandieren. Der Standort Bregenz wäre ideal. Auch könnten alle bei Elektra-Bregenz beschäftigten Vorarlberger bleiben.
Bei der ersten Verhandlungsrunde mit Elektra-Bregenz-Chef Heinz B*** am Montag gilt es noch, ein Problem zu lösen: Das BRD-Unternehmen will vom Land Vorarlberg eine fette Finanz-Förderung. Da ist Landeshauptmann Martin P*** verständlicherweise vorsichtig: 'In diesen Dingen sind wir streng. Denn bei der Sannwald-Sanierung war der Fall ähnlich. Heute sind die acht Millionen, die wir hineingesteckt haben, weg, und der Betrieb ist auch kaputt ...'".
Der Redakteur der Klägerin, Claus P***, der diesen Artikel verfaßt hatte, hatte am 27. Mai 1988 vom Unternehmensberater Karl Heinz N*** die Information erhalten, daß ein deutscher Konzern für medizinisch-technische Geräte, für den er tätig sei, ernstlich am Kauf des Elektra-Bregenz-Werkes interessiert sei und tatsächlich sämtliche Beschäftigte übernehmen würde; er habe bereits Landeshauptmann Dr. Martin P*** mitgeteilt, daß allfällige Interessenten an der Übernahme dieses Werkes auch alle Förderungsmittel ausschöpfen würden. Von Landeshauptmann Dr. Martin P*** erfuhr Claus P*** noch am selben Tag, daß man aus einer vorangegangenen Unternehmenssanierung die Lehren ziehen und künftig bei der Vergabe von Förderungen sehr vorsichtig sein müsse. Noch vor Redaktionsschluß der Ausgabe der "Vorarlberger Nachrichten" vom 31. Mai 1988 war der Erstbeklagten eine Pressemitteilung Karl Heinz N*** und der Elektra-Bregenz AG mit folgendem Inhalt zugekommen:
N*** Beratungen, St. Gallen/Schweiz, und Elektra-Bregenz AG, Bregenz-Schwaz-Österreich, geben folgende
Presseinformation bekannt:
Das Unternehmen N*** Beratungen, St. Gallen, hat sich heute in einem Erstkontakt bei Elektra-Bregenz über die Größe der Betriebsstätte Bregenz und die derzeitige Personalstruktur informiert. Bezüglich der möglichen Interessenten besteht seitens N*** Beratungen Stillschweigepflicht.
N*** Beratungen wird den Interessenten ein Propositionspapier zukommen lassen. Bei weiterem Interesse werden die Interessenten ihre Identität bekanntgeben und die Verhandlungen weiterführen. Elektra-Bregenz erklärt sich ebenfalls bereit, diese Verhandlungen fortzusetzen."
Tatsächlich hatte Karl Heinz N*** bereits am 17. Mai 1988 dem Vorstandsvorsitzenden der Elektra-Bregenz AG, Ing. Heinz B***, telefonisch mitgeteilt, daß er zwei Interessenten für das Werk in Bregenz habe. Bei einem weiteren Gespräch am 27. Mai 1988 teilte er Ing. Heinz B*** mit, daß er die Unternehmen wegen der von ihm übernommenen Schweigepflicht nicht nennen dürfe; eines der beiden Unternehmen sei jedoch ein medizinischtechnischer Konzern aus der BRD. Beide Unternehmen seien an dem Betrieb in Bregenz samt Maschinen und an der Übernahme sämtlicher Mitarbeiter interessiert. Am 30. Mai 1988 trafen Karl Heinz N*** und Ing. Heinz B*** zu einem Gespräch zusammen. Ing. Heinz B*** übergab damals Karl Heinz N*** Unterlagen über den Betrieb; es wurde auch über Preisvorstellungen gesprochen. Ing. Heinz B*** versprach, weitere Unterlagen nachzureichen, damit Karl Heinz N*** den Interessenten ein "Propositionspapier" erstellen könne. Die Klägerin - die Medieninhaberin (Verlegerin) der "Neuen Kronen-Zeitung" - begehrt
1. die Beklagten zur ungeteilten Hand schuldig zu erkennen, der Klägerin S 200.000 samt 4 % Zinsen seit dem Tag der Zustellung der Klage zu zahlen;
2. die Erstbeklagte schuldig zu erkennen, die in der Ausgabe der "Vorarlberger Nachrichten" vom 31. Mai 1988 auf Seite 16 gemachten Äußerungen: "Das Prädikat 'Ente' verdient die große Aufmachung eines Wiener Blattes, ein deutscher Konzern für medizinisch-technische Geräte möchte das Elektra-Werk kaufen, er würde auch sämtliche 320 Beschäftigte mitübernehmen", und "einer 'Ente' kommt auch die Meldung gleich, wonach gestern, Montag, in Schwaz Verkaufsverhandlungen mit den deutschen Interessenten angesetzt waren", zu widerrufen;
3. die Erstbeklagte schuldig zu erkennen, den Widerruf in den "Vorarlberger Nachrichten" im Textteil zu veröffentlichen;
4. die Klägerin zu ermächtigen, das in dieser Rechtssache ergehende Urteil auf Kosten der Beklagten in den Tageszeitungen "Neue Kronen-Zeitung", "Vorarlberger Nachrichten" und "Neue Vorarlberger Tageszeitung" im Textteil in normalen Lettern mit Fettdrucküberschrift, Umrandung und gesperrt geschriebenen Prozeßparteien veröffentlichen zu lassen.
Die Äußerung in dem beanstandeten Artikel der "Vorarlberger Nachrichten" vom 31. Mai 1988, die Berichterstattung der Klägerin über Verkaufsverhandlungen betreffend das Elektra-Bregenz-Werk sei eine 'Ente', sei unwahr und geeignet, den Betrieb der Klägerin und deren Kredit zu schädigen. Tatsächlich hätten Verhandlungen über den Kauf des Bregenzer Werkes der Elektra-Bregenz AG durch ein deutsches Unternehmen der medizinisch-technischen Branche stattgefunden; dabei sei von der Übernahme der Beschäftigten, aber auch von der Inanspruchnahme öffentlicher Förderungsmittel durch den Käufer die Rede gewesen.
Da der Vorwurf, eine 'Ente' verbreitet zu haben, in der Zeitungsbranche besonders schwer wiege, habe die Klägerin Anspruch auf eine Vergütung von S 200.000. Gemäß § 7 Abs 1 UWG sei die Erstbeklagte auch verpflichtet, die unrichtigen Tatsachenbehauptungen zu widerrufen und den Widerruf zu veröffentlichen. Da die unwahren Behauptungen einem weiteren, unbestimmten Personenkreis zur Kenntnis gelangt seien, werde neben der Verurteilung zum Widerruf auch die Urteilsveröffentlichung beantragt.
Die Beklagten beantragen die Abweisung der Klage. Der Bericht in der Zeitung der Klägerin vom 29. Mai 1988 sei unrichtig gewesen, die von der Klägerin bekämpften Ausführungen im Artikel der "Vorarlberger Nachrichten" vom 31. Mai 1988 hingegen wahr und zur Aufklärung der Öffentlichkeit erforderlich. Tatsächlich habe kein deutscher Konzern der medizinisch-technischen Branche der Elektra-Bregenz AG Kaufabsichten betreffend das Werk Bregenz mitgeteilt; auch habe kein solches Unternehmen vom Land Vorarlberg Förderungsmittel verlangt. Auch die Presseinformation vom 30. Mai 1988 sei unrichtig gewesen. Der Artikel in der "Neuen Kronen-Zeitung" vom 29. Mai 1988 sei insgesamt so zu verstehen gewesen, daß das Land Vorarlberg bereits über eine Förderung zu entscheiden habe; der Vorwurf einer 'Ente' treffe daher zu. Das Erstgericht erkannte die Beklagten zur ungeteilten Hand schuldig, der Klägerin S 50.000 samt 4 % Zinsen seit 14. Juni 1988 zu zahlen (Punkt 1); es verurteilte die Erstbeklagte, die in der Ausgabe der "Vorarlberger Nachrichten" vom 31. Mai 1988 auf Seite 16 gemachten Äußerungen: "Das Prädikat 'Ente' verdient die große Aufmachung eines Wiener Blattes, ein deutscher Konzern für medizinisch-technische Geräte möchte das Elektra-Werk kaufen, er würde auch sämtliche 320 Beschäftigte mitübernehmen" und "Einer 'Ente' kommt auch die Meldung gleich, wonach gestern, Montag, in Schwaz Verkaufsverhandlungen mit den deutschen Interessenten angesetzt waren", zu widerrufen (Punkt 2); ferner erteilte das Erstgericht der Klägerin die Ermächtigung, dieses Urteil auf Kosten der Beklagten in den Tageszeitungen "Neue Kronen-Zeitung", "Vorarlberger Nachrichten" und "Neue Vorarlberger Tageszeitung" in der beantragten Form veröffentlichen zu lassen (Punkt 3). Das auf Zahlung eines weiteren Betrages von S 150.000 samt 4 % Zinsen seit 14. Juni 1988 und auf Veröffentlichung des Widerrufes gerichtete Mehrbegehren wurde hingegen abgewiesen (Punkt 4).
Nach Ansicht des Erstgerichtes sei der Artikel in der "Neuen Kronen-Zeitung" vom 29. Mai 1988 keine 'Ente', - im Sinne einer Mitteilung ohne Wahrheitsgehalt oder eines Lügengebildes - gewesen; vielmehr sei - wenngleich mit der in Erzeugnissen der Boulevard-Presse üblichen Übertreibung - richtig über wahre Tatsachen berichtet worden. Unrichtig sei nur der durch diesen Artikel hervorgerufene Eindruck gewesen, daß der Ankauf nur noch von der Entscheidung über öffentliche Förderungsmittel abhängig sei; nicht alles, was in Presseerzeugnissen geschrieben wird, werde aber für bare Münze genommen. Die Klägerin sei somit durch die Verbreitung der unwahren Tatsachenbehauptung, eine "Zeitungsente" verbreitet zu haben, herabgesetzt worden; die von den Beklagten verbreiteten Tatsachen seien auch geeignet, den Betrieb des Unternehmens der Klägerin und deren Kredit zu schädigen. Auch bestehe kein Zweifel daran, daß die Erstbeklagte mit dem die Zeitung der Klägerin herabsetzenden Artikel Wettbewerbszwecke verfolgt habe. Gemäß § 7 Abs 1 UWG habe die Klägerin daher Anspruch auf Widerruf. Daneben sei ihr aber auch die Befugnis zur Urteilsveröffentlichung zuzusprechen gewesen, weil ein weiterer, unbestimmter Kreis von Personen von den unwahren Tatsachenbehauptungen der Beklagten Kenntnis erlangt habe. Daneben stehe aber nicht auch noch der Anspruch auf Veröffentlichung des Widerrufes zu. Gemäß § 16 Abs 2 UWG sei der Klägerin eine angemessene Vergütung für die dadurch erlittene Kränkung im Ausmaß von S 50.000 zuzusprechen gewesen; das darüber hinausgehende Begehren von S 150.000 sei jedoch nicht berechtigt.
Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes, dessen abweisender Teil unangefochten geblieben war, in seinen Aussprüchen über das Zahlungs- und das Widerrufsbegehren sowie über die Ermächtigung der Klägerin zur Urteilsveröffentlichung in der "Neuen Kronen-Zeitung" und in den "Vorarlberger Nachrichten"; das Mehrbegehren auf Veröffentlichung des Urteils auch in der "Neuen Vorarlberger Tageszeitung" wies es hingegen ab. Weiters sprach das Berufungsgericht aus, daß der von der Abänderung betroffene Wert des Streitgegenstandes S 15.000 und der Wert des gesamten Streitgegenstandes S 300.000 übersteige.
Von den Feststellungen des Erstgerichtes, daß der Bericht in der "Neuen Kronen-Zeitung" vom 29. Mai 1988 in seinen wesentlichen Passagen wahr, die Behauptung einer 'Ente' in den "Vorarlberger Nachrichten" vom 31. Mai 1988 aber unwahr gewesen sei, ausgehend, hielt auch das Berufungsgericht den Tatbestand des § 7 Abs 1 UWG für gegeben. Da die Streitteile miteinander im Wettbewerb stünden und die Erstbeklagte die Berichterstattung der Klägerin herabgesetzt habe, sei die Wettbewerbsabsicht zu vermuten. An einer derart herabsetzenden Berichterstattung habe kein Informationsbedürfnis bestanden; auch daraus ergebe sich die Wettbewerbsabsicht. Die Vergütung gemäß § 16 Abs 2 UWG stehe auch juristischen Personen zu. Abgesehen davon aber handle es sich bei der Klägerin um eine Personengesellschaft, an der offensichtlich auch natürliche Personen als Kommanditisten beteiligt seien. Die vom Erstgericht zuerkannte Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung gehe jedoch zu weit: Es bestehe nur ein berechtigtes Interesse an der Veröffentlichung des Urteils in jenen Zeitungen, in denen die betreffenden Artikel erschienen sind; eine Urteilsveröffentlichung in einer weiteren Tageszeitung sei hingegen nicht erforderlich.
Gegen den stattgebenden Teil dieser Entscheidung richtet sich die wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision der Beklagten mit dem Antrag, das Urteil im Sinne der gänzlichen Abweisung der Klage abzuändern.
Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist teilweise berechtigt.
Vorerst ist darauf hinzuweisen, daß der Bewertungsausspruch des Berufungsgerichtes den gemäß § 500 Abs 2 Z 2 ZPO (in der hier noch anzuwendenden Fassung der ZVN 1983) erforderlichen Ausspruch, ob der von der Bestätigung des Urteils erster Instanz betroffene Wert des Streitgegenstandes S 60.000 übersteigt, nicht enthält. Ein Auftrag zur Berichtigung (Ergänzung) des Bewertungsausspruches war jedoch aus folgenden Erwägungen nicht erforderlich:
Der vom Berufungsgericht bestätigte Teil des Urteils des Erstgerichtes umfaßt den Zuspruch einer Vergütung von S 50.000, die Entscheidung über den Widerruf und die Urteilsveröffentlichung in zwei Tageszeitungen; der abändernde, als S 15.000 übersteigend bewertete Teil des Berufungsurteils betrifft hingegen nur den Anspruch auf Urteilsveröffentlichung in einer weiteren Tageszeitung. Ein solcher Ausspruch läßt klar erkennen, daß das Berufungsgericht von einem zumindest gleich hohen Streitwert des bestätigten Veröffentlichungsausspruches ausgegangen ist. Allein daraus ergibt sich aber schon ein S 60.000 übersteigender Wert des von der Bestätigung betroffenen Streitgegenstandes.
Die Ausführungen in der Revision, mit dem Vorwurf, eine "Zeitungsente" verbreitet zu haben, werde nicht der Eindruck erweckt, daß die damit bezeichnete Berichterstattung bewußt falsch und auf Täuschung berechnet gewesen sei, treffen nicht den Kern der Sache. Die behaupteten oder verbreiteten Tatsachen in Sinne des § 7 Abs 1 UWG müssen nur geeignet sein, den Betrieb des Unternehmens oder den Kredit des Inhabers zu schädigen. Maßgebend ist stets die objektive Eignung der Behauptung, dem Konkurrenten Nachteile in der Ausübung seiner Erwerbstätigkeit zuzufügen; ob diese Voraussetzung im Einzelfall zutrifft, bestimmt sich nach der Auffassung jener Kreise, an die sich die Behauptung richtet. Wendungen, die bei verkehrsüblicher flüchtiger Kenntisnahme zu Mißverständnissen führen können, sind auch im Bereich der Anwendung des § 7 Abs 1 UWG immer zum Nachteil dessen auszulegen, der sich ihrer bedient. Wird der Betrieb des Konkurrenzunternehmens in irgendeiner Weise erschwert oder dem Publikum sonst eine nachteilige Meinung von ihm vermittelt, dann ist der Tatbestand des § 7 UWG erfüllt. Die Behauptungen müssen dabei keineswegs ehrenrührig sein; vielmehr genügt eine abstrakte Betriebs- oder Kreditgefährdung (Hohenecker-Friedl, Wettbewerbsrecht 40 f; JBl 1928, 177; ÖBl. 1966, 89; ÖBl. 1984, 102). Es liegt jedoch auf der Hand, daß in der Zeitungsbranche die Behauptung, eine Konkurrenzzeitung habe eine 'Ente' verbreitet - also Mitteilungen gemacht, die nicht den Tatsachen entsprechen -, geeignet ist, den Ruf dieser Zeitung zu schmälern, ihren Absatz zu beeinträchtigen und damit den Betrieb des Unternehmens zu schädigen.
Mit ihren weiteren Rechtsmittelausführungen, der Bericht der Klägerin in der "Neuen Kronen-Zeitung" vom 29. Mai 1988 habe - gesamthaft betrachtet - nicht der Wahrheit entsprochen, bekämpfen die Beklagten nicht die rechtliche Beurteilung, sondern in Wahrheit in unzulässiger Weise die Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen. Es trifft aber auch nicht zu, daß die im Artikel der "Vorarlberger Nachrichten" vom 31. Mai 1988 als 'Ente' bezeichneten Mitteilungen der Klägerin, ein deutscher Konzern wolle das Elektra-Bregenz-Werk kaufen und am 30. Mai 1988 seien Verkaufsverhandlungen angesetzt gewesen, schlechthin jeder Tatsachengrundlage entbehrt hätten. Was in den "Vorarlberger Nachrichten" als 'Ente' bezeichnet wurde, war im Tatsachenkern richtig. Das der Artikel aber in journalistischer Übertreibung einen bereits fortgeschritteneren Stand der Verhandlungen vermuten ließ, als er in Wahrheit gegeben war, berechtigte die Beklagten nicht, auch gegen den richtigen Teil des Berichtes der Klägerin den Vorwurf einer Falschmeldung zu erheben. Den Beklagten ist somit der ihnen obliegende Wahrheitsbeweis (Hohenecker-Friedl aaO 97; Koppensteiner, Wettbewerbsrecht2 II 112) nicht gelungen.
Soweit sich die Revision gegen die Annahme einer Wettbewerbsabsicht richtet, ist ihr entgegenzuhalten, daß die Feststellung, ob eine solche Absicht vorliegt, zum Tatsachenbereich gehört. Zutreffend hat bereits das Berufungsgericht darauf verwiesen, daß nach der Lebenserfahrung die tatsächliche Vermutung für die Wettbewerbsabsicht spricht, wenn ein Gewerbetreibender im Wettbewerb abfällige Äußerungen über einen Konkurrenzbetrieb macht (MR 1989, 61 mwN). Die Wettbewerbsabsicht darf nur gegenüber dem eigentlichen Beweggrund für die Handlung nicht völlig in den Hintergrund treten (SZ 44/116); ob das der Fall ist oder die (mitspielende) Wettbewerbsabsicht neben anderen Zielen der Handlung noch Gewicht hat, ist als Wertung eine Rechtsfrage, die auf Grund der zu den konkurrierenden Motiven und Zwecken des Handelnden getroffenen Tatsachenfeststellungen zu beurteilen ist (MR 1989, 61). Die Beklagten führen dazu nur ihr Interesse an der Information der Öffentlichkeit ins Treffen; dem gegenüber hat aber der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen (MR 1989, 61), daß auch im Pressewesen kein schutzwürdiges Informationsbedürfnis an der Herabsetzung von Mitbewerbern besteht.
§ 7 Abs 1 UWG gewährt dem durch die Behauptung oder Verbreitung herabsetzender Tatsachen Verletzten einen Schadenersatzanspruch, sofern diese Tatsachen nicht erweislich wahr sind. Das Gesetz normiert hier eine Verschuldenshaftung mit umgekehrter Beweislast, also gegebenenfalls auch eine Haftung bei gutem Glauben (Hohenecker-Friedl aaO 97; Schönherr, Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht 61 Rz 554.2; Rummel in Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht2 II 221 f).Da den Beklagten der Wahrheitsbeweis nicht gelungen ist, besteht der Schadenersatzanspruch der Klägerin grundsätzlich zu Recht. Gemäß § 16 Abs 2 UWG gehört zum Umfang der Schadenersatzpflicht auch ein angemessener Geldbetrag als Vergütung für erlittene Kränkungen oder andere persönliche Nachteile, wenn dies in den besonderen Umständen des Falles begründet ist. Diese Bestimmung eröffnet dem Gericht die Möglichkeit, neben dem unmittelbar in Geld abzuschätzenden Vermögensschaden auch auf immaterielle Nachteile Rücksicht zu nehmen; er hat aber nur solche Beeinträchtigungen des seelischen oder körperlichen Wohlbefindens im Auge, die den mit jeder unlauteren Wettbewerbshandlung verbundenen, natürlichen Ärger übersteigen (Hohenecker-Friedl aaO 99; Rummel aaO 304; SZ 25/201; SZ 26/189; SZ 27/316).
Nach der Rechtsprechung (JBl 1927, 362) steht dieser Anspruch nicht nur physischen Personen zu, weil immer auch physische Personen Kopf und Träger des Unternehmens nicht physischer Personen sind und dem Gesetz nicht entnommen werden kann, daß die Mehrzahl der Unternehmen - und dabei gerade die größten, die regelmäßig keine physischen Personen sind - von der Wohltat des Gesetzes ausgeschlossen sein sollten. Rummel (Zur Verbesserung des schadenersatzrechtlichen Schutzes gegen unlauteren Wettbewerb, JBl 1971, 385 ff Ä389Ü) hat dagegen ins Treffen geführt, daß das Gesetz an die Persönlichkeitsverletzung anknüpfe, dieser Aspekt aber beim Eingriff in die Rechte juristischer Personen versage; juristische Personen könnten auf dem Gebiete des immateriellen Schadensrechtes physischen Personen nur in Fällen gleichgestellt werden, in denen eine gewisse "Identifikation" der Gesellschafter mit "ihrer" Gesellschaft möglich sei. Trotz dieser Kritik ist aber an dem in JBl 1927, 362 ausgesprochenen Grundsatz festzuhalten:
Auch Rummel erwähnt die Möglichkeit, in bestimmten Fällen auf die Kränkung einzelner Gesellschafter juristischer Personen Bedacht zu nehmen. Warum das in einem Fall nach § 7 UWG nicht auch die unternehmensleitenden Organe sein sollten, die am Aufbau des Unternehmens beteiligt waren und vielleicht sogar die den Gegenstand der Herabsetzung bildenden Handlungen selbst vorgenommen oder zumindest veranlaßt haben, ist nicht zu erkennen. Dazu kommt, daß die Organe der juristischen Person im Falle eines Angriffes, der sich nicht gegen sie persönlich, sondern nur gegen das Unternehmen richtet, die herabsetzenden Äußerungen selbst gar nicht bekämpfen könnten. Daß der Schadenersatz dennoch stets an die juristische Person geleistet werden muß, ist schon deshalb unbedenklich, weil ja deren Unternehmen von der Rufschädigung betroffen ist. Im übrigen nennt aber das Gesetz als Grundlage der Vergütung auch "andere persönliche Nachteile" und ermöglicht es damit, auch die nicht in einem wirklichen Schaden bestehende Rufschädigung eines Unternehmens durch eine Geldbuße auszugleichen. Gerade auf dem Zeitungsmarkt ist die öffentliche Meinung über die Seriosität der Berichterstattung einer Zeitung ein Persönlichkeitsrecht, das nicht auf physische Personen beschränkt sein kann. Verletzungen dieses Rufes können daher auch dann durch eine Geldbuße abgegolten werden, wenn der Medieninhaber keine physische Person ist, ist doch gerade in einem solchen Fall mit einer gegen § 7 UWG verstoßenden Herabsetzung regelmäßig eine besondere Kränkung verbunden, welche den mit jedem Wettbewerbsverstoß verbundenen, natürlichen Ärger erheblich übersteigt. Warum das gerade im vorliegenden Fall nicht zutreffen sollte, haben die Beklagten nicht behauptet.
Die zutreffende Ansicht der Vorinstanzen, daß unter den vorliegenden Umständen eine Geldbuße von S 50.000 angemessen ist, wird von der Revision nicht in Zweifel gezogen; in diesem Umfang war daher das angefochtene Urteil zu bestätigen.
Im Recht ist jedoch die Revision, soweit sie die Entscheidung über die Begehren auf Widerruf und auf Urteilsveröffentlichung bekämpft. Mit dem Widerruf nach § 7 Abs 1 UWG soll der Beklagte gezwungen werden, eine bestimmte Wissenserklärung, die er anderen Personen gegenüber abgegeben hat, diesen Personen gegenüber zu widerrufen und ihnen zur Kenntnis zu bringen, daß die seinerzeitige Äußerung unrichtig war. Strebt nun der Kläger deshalb, weil die seinerzeitige Äußerung des Beklagten öffentlich abgegeben wurde, einen öffentlichen Widerruf an, dann hat er in seinem Urteilsantrag anzugeben, auf welche Weise und insbesondere mit welchen Publikationen die seinerzeit angesprochene Öffentlichkeit von der Widerrufserklärung angemessen in Kenntnis zu setzen ist; kommt ein öffentlicher Widerruf nicht in Frage, weil auch die beanstandete Äußerung nur einem bestimmten Personenkreis gegenüber gemacht wurde, dann hat das Vorbringen des Klägers diejenigen Personen zu bezeichnen, denen gegenüber jetzt widerrufen werden soll (SZ 47/23). Im vorliegenden Fall hat schon das Erstgericht das Begehren auf Veröffentlichung des Widerrufes abgewiesen; insoweit ist sein Urteil rechtskräftig geworden, so daß ein öffentlicher Widerruf schon aus diesem Grunde nicht mehr in Frage kommt. Damit fehlt aber auch jeder Anhaltspunkt dafür, wem gegenüber sonst der Widerruf zu erklären wäre. Das verbliebene Widerrufsbegehren ist daher so unbestimmt, daß es abgewiesen werden muß (ÖBl. 1986, 70).
Die Frage, ob der Verletzte, der gemäß § 7 Abs 1 UWG nur den Widerruf, nicht aber auch die Unterlassung herabsetzender Behauptungen begehrt, neben der Veröffentlichung des Widerrufs auch die Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung im Sinne des § 25 Abs 3 UWG verlangen kann, ist - soweit ersichtlich - in der Rechtsprechung bisher nicht behandelt worden. Sie kann aber auch im vorliegenden Fall auf sich beruhen: Ist nämlich der Anspruch auf Widerruf abzuweisen und kein (weiteres) Unterlassungsbegehren erhoben worden, dann kann auch dem Antrag des Klägers auf Urteilsveröffentlichung nicht mehr entsprochen werden. Die Urteilsveröffentlichung gemäß § 25 Abs 3 UWG erfaßt nur das über den Unterlassungsanspruch ergangene Urteil, nicht aber das Urteil über ein Schadenersatzbegehren. Auch der Zuspruch eines Schadenersatzbetrages kann daher die Urteilsveröffentlichung nicht rechtfertigen.
Das Urteil des Berufungsgerichtes war daher in seinem Punkt 1 zu bestätigen, in den Punkten 2 und 3 jedoch im Sinne der Abweisung der davon betroffenen Urteilsanträge abzuändern.
Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens erster Instanz gründet sich auf § 43 Abs 1 ZPO, jene über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zusätzlich auf § 50 ZPO. Die Voraussetzungen für den Zuspruch der gesamten Verfahrenskosten im Sinne des § 43 Abs 2 ZPO liegen nicht vor: Im ersten Verfahrensabschnitt haben die Beklagten welche insgesamt nur mit S 50.000 unterlegen sind, mit 97 % der Bemessungsgrundlage von S 1,500.000 obsiegt; sie haben daher Anspruch auf Ersatz von 94 % der Kosten dieses Verfahrensabschnittes. Bei Gesamtkosten dieses Abschnittes vom S 47.255,34 beträgt der von der Klägerin zu ersetzende Kostenanteil S 44.420. Im zweiten Verfahrensabschnitt betrug die Bemessungsgrundlage nur noch S 700.000; in diesem Abschnitt haben die Beklagten Anspruch auf Ersatz von 86 % ihrer Kosten. Da in diesem Verfahrensabschnitt Kosten in der Höhe von S 78.325,32 aufgelaufen sind, beträgt der von der Klägerin zu ersetzende Kostenanteil hier S 67.359,77. Die gesamten von der Klägerin den Beklagten zu ersetzenden anteiligen Kosten des Verfahrens erster Instanz betragen daher S 111.779,77. Im Rechtsmittelverfahren, in welchem die Bemessungsgrundlage nur noch S 550.000 betrug, haben die Beklagten Anspruch auf Ersatz von 82 % ihrer Kosten; bei Gesamtkosten von S 96.696,80 beträgt dieser von der Klägerin zu ersetzende Kostenanteil S 79.291,37.
Anmerkung
E19768European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1989:0040OB00126.89.1205.000Dokumentnummer
JJT_19891205_OGH0002_0040OB00126_8900000_000