TE OGH 1989/12/6 9ObA314/89 (9ObA315/89)

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Veröffentlicht am 06.12.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Franz Schrank und Franz Murmann als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Gabriele F***, Zahnarzthelferin, Zell am See,

Drechslergasse 14, vertreten durch Dr. Hans Werner M***, Sekretär der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Salzburg, Salzburg, Auerspergstraße 11, dieser vertreten durch Dr. Peter Cardona, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Dr. Johann W***, Zahnarzt, Maishofen 267, vertreten durch Dr. Kurt Klein und Dr. Paul Wuntschek, Rechtsanwälte in Graz, wegen Feststellung des aufrechten Bestandes des Dienstverhältnisses (Streitwert 6.000 S) und 52.906,86 S brutto sA (Revisionsstreitwert 31.678,85 S brutto sA und Feststellung), infolge Revision beider Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 7. August 1989, GZ 13 Ra 46, 47/89-20, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 6. Februar 1989, GZ 16 Cga 91/88-14, teils bestätigt, teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Beiden Revisionen wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.109,40 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 184,90 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war ab 31. Juli 1987 beim Beklagten beschäftigt. Am 12. April 1988 teilte sie dem Beklagten mit, daß sie schwanger sei und der 1. Dezember 1988 der voraussichtliche Entbindungstermin sei. Am 6. Mai 1988 wurde die Klägerin vom Beklagten entlassen. Am 12. Dezember 1988 hat die Klägerin entbunden. Auf das Arbeitsverhältnis ist der am 21. Jänner 1985 zwischen der Österreichischen Ärztekammer und dem Österreichischen Gewerkschaftsbund abgeschlossene Kollektivvertrag anzuwenden, der unter anderem für Ordinationshilfen bei Zahnärzten und Dentisten und Anlernlinge zu diesem Beruf gilt. § 12 dieses Kollektivvertrages sieht vor, daß Vordienstzeiten, die bei einem Zahnarzt, Dentisten, in einer Zahnklinik oder in einem Zahnambulatorium zurückgelegt wurden und eine zusammenhängende Dienstzeit von mehr als sechs Monaten umschließen, bei der Berechnung des Entgelts zur Gänze anzurechnen sind. In den Jahre 1987 und 1988 betrug das Mindestentgelt für eine Ordinationshilfe im elften Berufsjahr 7.800 S brutto, im zwölften Berufsjahr 8.120 S brutto. Die Klägerin begehrt die Feststellung des aufrechten Bestandes des Dienstverhältnisses, weil die vom Beklagten geltend gemachten Entlassungsgründe der Vernachlässigung der Dienstpflichten und der erheblichen Ehrverletzung nicht vorlägen und die Entlassung daher nach § 12 MSchG unwirksam sei. Ferner macht die Klägerin mit Leistungsklage eine Lohnnachzahlung für die Zeit vom August 1987 bis April 1988 im Betrag von 52.906,86 S brutto sA geltend. Sie sei vom Beklagten unterkollektivvertraglich entlohnt worden, weil ihre Vordienstzeiten bei anderen Zahnärzten und Dentisten von 11 Jahren und 9 Monaten nicht berücksichtigt worden seien. Die Klägerin habe dem Beklagten die Dienstzeugnisse über die Vordienstzeiten vor Antritt des Arbeitsverhältnisses vorgelegt.

Der Beklagte beantragte die Abweisung beider Klagebegehren. Die Klägerin sei wegen beharrlicher Vernachlässigung ihrer Pflichten und erheblicher Ehrverletzung zu Recht entlassen worden. Sie sei auch entsprechend den Bestimmungen des Kollektivvertrages entlohnt worden. Sie habe nie Dienstzeugnisse vorgelegt. Vordienstzeiten bei deutschen Zahnärzten, Dentisten, Zahnkliniken und Zahnambulatorien seien nicht für die Entlohnung anzurechnen, zumal in der BRD der Zahnarzt keine umfassende medizinische Grundausbildung, sondern lediglich die Zahnarztausbildung erhalte. Außerdem habe die Klägerin am 1. September 1987 widerspruchslos einen Dienstvertrag unterzeichnet, nach dem sie als zahnärztliche Assistentin in Ausbildung angestellt worden sei. Die hiefür im Kollektivvertrag vorgesehene Entlohnung habe die Klägerin erhalten.

Das Erstgericht gab dem Feststellungsbegehren statt und wies das Leistungsbegehren zur Gänze ab.

Es stellte folgenden wesentlichen Sachverhalt fest:

Die Klägerin ist deutsche Staatsangehörige. Sie hat im Juni 1987 einen österreichischen Staatsbürger geheiratet und hat seit Juli 1987 einen Befreiungsschein vom Arbeitsamt Zell am See. Die Klägerin hat in Deutschland die Abschlußprüfung als Zahnarzthelferin abgelegt und vom 1. August 1971 bis 30. September 1985 insgesamt 141 Monate bei deutschen Zahnärzten und Dentisten als Zahnarzthelferin gearbeitet; keine der einzelnen Beschäftigungszeiten unterschritt sechs Monate. Nicht erwiesen wurde, daß die Klägerin dem Beklagten ihre Vordienstzeiten bekannt gegeben oder daß der Beklagte sie darüber befragt hat. Am 1. September 1987 unterfertigte die Klägerin einen Dienstvertrag, in dem sie als "zahnärztliche Assistentin in Ausbildung" bezeichnet wurde. Der Beklagte beschäftigte drei Assistentinnen. Die Klägerin war in der Rezeption, im Technikbereich, im Röntgenraum und lediglich am Samstag an einem der Behandlungsstühle eingesetzt. Im Rahmen des Technikbereiches hatte die Klägerin dafür zu sorgen, daß Modelle ins Labor zum Techniker geschickt wurden und rechtzeitig vor dem nächsten Termin des jeweiligen Patienten rücklangten; außerdem hatte sie die Modelle zu ordnen. Die Artikulatorplatten, auf denen die Modelle angebracht waren, wurden wieder verwendet. Die Klägerin hatte die Modelle von diesen Platten herunterzuzwicken. Einige frei Artikulatorplatten mußten immer zur Verfügung stehen. Die Artikulatorplatten mit den auszuzwickenden Modellen wurden vom Beklagten in einem Plastikbehälter im Gipsraum abgelegt. Im Bereich der Rezeption hatte die Klägerin die Termine zu verwalten und Behandlungspläne sowie Honorarnoten zu schreiben. Nach der Mitteilung der Schwangerschaft durch die Klägerin häuften sich die Schwierigkeiten mit ihr. Der Beklagte sprach wegen mangelnder Ordnung im Bereich der Technik eine Reihe von Verwarnungen gegenüber der Klägerin aus. In einigen Fällen sandte sie die einzuschickenden Modelle bis zum Zeitpunkt der Wiederbestellung der Patienten nicht ab und verschob auch die Termine nicht. Sie mußte wegen Nichtverschließens des Gipskübels in einigen Fällen ermahnt werden und vernachlässigte die Ordnung im technischen Bereich, sodaß der Beklagte herumstehende Modelle selbst schlichten mußte. Es gab Fälle, in denen die Klägerin Weisungen des Beklagten betreffend die Bestellung von Patienten nicht befolgte, und es gab Schwierigkeiten mit dem Schreiben von Behandlungsplänen mit Preisen und Honorarnoten, weil die Klägerin diese Schreibarbeiten teils gar nicht mehr, teils fehlerhaft verrichtete. Schließlich forderte sie die Patienten vor der Behandlung nicht mehr auf, sich auf den Behandlungsstuhl zu setzen und zeigte in einem Fall dem Beklagten die Karteikarte mit der Begründung nicht, daß er ohnehin wisse, was bei dem Patienten schon gemacht wurde bzw. was noch zu machen sei. Wurde sie auf Fehler aufmerksam gemacht, reagierte sie mit der Frage "ja?" oder einem Achselzucken oder Weggehen. Am 5. Mai 1988 unterließ sie es, Artikulatorplatten auszuzwicken obwohl Modelle zum Auszwicken vorhanden gewesen wären.

Da die Klägerin mit den Nerven ziemlich fertig war, wurde sie - erstmals während des Arbeitsverhältnisses - am 27. April 1988 auf unbestimmte Zeit krank geschrieben. Am Dienstag, dem 3. Mai 1988, nahm sie die Arbeit beim Beklagten wieder auf, ohne daß sie wieder gesundgeschrieben gewesen wäre. Sie arbeitete auch am 4. Mai 1988. Am Donnerstag, dem 5. Mai 1988 wurde ihr mit Schreiben der Gebietkrankenkasse mitgeteilt, daß sie sich gesundschreiben oder vom Vertrauensarzt untersuchen lassen müsse. Am Morgen des 6. Mai 1988 - nachdem ihr der Beklagte einen Vorhalt bezüglich der Artikulatorplatten gemacht hatte - begab sich die Klägerin zum Arzt, der sie für den Krankenstand ab 27. April 1988 gesundschrieb, aber gleichzeitig neuerlich bis 9. Mai 1988 krankschrieb. Als die Klägerin bei ihrer Rückkehr um 10.00 Uhr dem Beklagten die Krankmeldung überreichte, kam es zu einem Wortwechsel, in dessen Verlauf sie vom Beklagten entlassen wurde.

Die Klägerin erhielt vom Beklagten folgende Bruttoentgelte (ausschließlich Gefahrenzulage und Sonderzahlungen):

Im August 1987                          1.280,74 S

von September bis Dezember 1987 je      5.488,88 S

von Jänner bis März 1988 je             5.517,25 S

im April 1988                           3.540,-- S

Ferner erhielt die Klägerin im November 1987 eine Sonderzahlung

von 3.879,90 S brutto.

Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß den Arbeitnehmer die Pflicht treffe, spätestens bei Unterfertigung des Dienstvertrages auf die Vordienstzeiten hinzuweisen und ihre Anrechnung zu verlangen. Da die Klägerin dieser Verpflichtung nicht nachgekommen sei, habe sie keinen Anspruch auf Entlohnung entsprechend ihren Vordienstzeiten. Hingegen sei die Entlassung nicht berechtigt. Die Leistungsbereitschaft der Klägerin ab Mitteilung ihrer Schwangerschaft sei zwar abgesunken und dadurch der Arbeitsablauf in der Ordination des Beklagten destabilisiert worden, doch hätten sich die Nachlässigkeiten der Klägerin noch in Grenzen gehalten.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin teilweise, der des Beklagten zur Gänze Folge und änderte das angefochtene Urteil dahin ab, daß das Feststellungsbegehren abgewiesen, dem Leistungsbegehren hingegen in Ansehung eines Teilbetrages von 31.678,85 S brutto sA stattgegeben und das Ersturteil lediglich im Umfang eines abgewiesenen Teilbetrages von 21.228,01 S bestätigt wurde. Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes in Ansehung des Feststellungsbegehrens 30.000 S übersteige. Das Berufungsgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß der Kollektivvertrag auf die Dienstverhältnisse aller bei in Österreich niedergelassenen Zahnärzten und Dentisten beschäftigter Angestellter anzuwenden sei, gleichgültig ob es sich dabei um Österreicher oder Ausländer handle. Der Kollektivvertrag enthalte keine Einschränkung dahin, daß nur Vordienstzeiten bei einem österreichischen Zahnarzt, Dentisten, in einer österreichischen Zahnklinik oder in einem österreichischen Zahnambulatorium anzurechnen seien. Der Grund für die Vordienstzeitenanrechnung bei Bemessung des Entgeltes liege darin, daß Arbeitnehmer mit größeren Kenntnissen und Erfahrungen ein höheres Entgelt erhalten sollen. Dieser Regelungszweck gebiete keine Einschränkung auf Vordienstzeiten bei österreichischen Arbeitgebern, weil Kenntnisse und Berufserfahrungen auch bei ausländischen Zahnärzten, Dentisten, Zahnkliniken oder Ambulatorien gewonnen werden könnten. Die Anrechnungsvorschrift des Kollektivvertrages und damit das Recht auf die entsprechende Mindestentlohnung nach dem Kollektivvertrag sei unabhängig von einer einzelvertraglichen Regelung und auch unabhängig davon, ob der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nach anrechenbaren Vordienstzeiten frage oder der Arbeitnehmer solche bekanntgebe. Sollte der Arbeitnehmer den Arbeitgeber bei Vertragsabschluß über anrechenbare Vordienstzeiten in Irrtum geführt haben, komme für den Arbeitgeber lediglich eine Anfechtung des Vertrages wegen Irrtums in Betracht. Gehe man daher von Vordienstzeiten der Klägerin von 11 Jahren und 9 Monaten aus, dann habe sie ab August 1987 laut Kollektivvertrag Anspruch auf ein Entgelt von 7.800 S und ab November 1987 auf ein solches von 8.120 S monatlich brutto. Bei Berücksichtigung der erhaltenen Zahlungen ergebe sich eine restliche Gehaltsforderung der Klägerin von 31.678,85 S. Hingegen könne dem Erstgericht nicht darin gefolgt werden, daß die Pflichtverletzungen der Klägerin, die sich auf den gesamten Arbeitsbereich erstreckt hätten, nicht beharrlich gewesen seien. Es habe sich dabei nicht nur um Nachlässigkeiten gehandelt, sondern, wie der Fall der Nichtvorlage der Karteikarte eines Patienten vor der Behandlung zeige, auch um bewußte Pflichtwidrigkeiten. Auch die Reaktion der Klägerin auf die Vorhalte des Beklagten zeige, daß ihr diese Vorhalte gleichgültig gewesen seien und sie offenbar nicht gewillt gewesen sei, ihr Verhalten zu bessern. Da es die Klägerin trotz einer Reihe von vorangegangenen Verwarnungen am 5. Mai 1988 unterlassen habe, Artikulatorplatten auszuzwicken, obwohl dies zu ihren Pflichten gehört, habe dies den Beklagten zur Entlassung wegen beharrlicher Pflichtenvernachlässigung berechtigt, zumal sich das Fehlverhalten der Klägerin bereits über einen Zeitraum von drei Wochen hingezogen habe.

Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen beider Parteien aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung. Die Klägerin begehrt die Abänderung des angefochtenen Urteils im Sinne des Klagebegehrens auf Feststellung des Fortbestandes des Dienstverhältnisses; der Beklagte beantragt die Abänderung im Sinne einer gänzlichen Abweisung des Leistungsbegehrens. Hilfsweise wird von der Klägerin ein Aufhebungsantrag gestellt.

Beide Teile beantragen, jeweils der Revision der Gegenseite nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Beide Revisionen sind nicht berechtigt.

1. Zur Revision der Klägerin:

Zutreffend hat das Berufungsgericht das Verhalten der Klägerin als beharrliche Pflichtenvernachlässigung im Sinne des § 12 Abs.1 Z 1 MSchG qualifiziert. Der Umstand, daß die Klägerin vom Beklagten nicht entsprechend dem Kollektivvertrag entlohnt wurde, vermag das pflichtwidrige Verhalten der Klägerin nicht zu rechtfertigen. Soweit die Revisionswerberin unterstellt, es seien keine Artikulatorplatten zum Auszwicken vorhanden gewesen, geht sie nicht von den Feststellungen der Vorinstanzen aus. Auch wenn der Beklagte die Entlassung nicht in der Früh, als er die Unterlassung der Klägerin bemerkte, sondern erst um 10.00 Uhr vormittags ausgesprochen hat, erfolgte sie rechtzeitig. Schließlich kann das durch drei Wochen fortgesetzte Fehlverhalten der Klägerin, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, nicht mit einem "angegriffenen Gemütszustand" entschuldigt werden, zumal sie sich auch bewußte Pflichtwidrigkeiten zuschulden kommen ließ.

2. Zur Revision des Beklagten:

Soweit der Revisionswerber ins Treffen führt, er sei von der Klägerin in Irrtum geführt worden, ist ihm zu erwidern, daß nicht erwiesen ist, daß der Beklagte seiner Verpflichtung, die Klägerin nach den für ihre kollektivvertragliche Entlohnung relevanten Vordienstzeiten zu befragen, entsprochen hat. Wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, kann bei dieser Sachlage das bloße Schweigen der Klägerin über ihre Vordienstzeiten nicht als bewußte Irreführung bzw. Veranlassung eines Irrtums im Sinne der §§ 870 und 871 ABGB qualifiziert werden, sodaß es sich erübrigt, auf die Ausführungen des Revisionswerbers zu den Konsequenzen einer Anfechtung des Vertrages wegen Irreführung einzugehen. Zu Unrecht wendet sich der Revisionswerber gegen die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, bei Berechnung des kollektivvertraglichen Entgeltes der Klägerin seien auch bei ausländischen Arbeitgebern zurückgelegte Vordienstzeiten zu berücksichtigen. Wie das Berufungsgericht zutreffend hervorgehoben hat, gebietet es der Zweck der an den Berufsjahren orientierten Gehaltsregelung, auch bei ausländischen Arbeitgebern zurückgelegte Beschäftigungszeiten zu berücksichtigen, sofern diese Beschäftigungen, was den Erwerb von Fähigkeiten und Kenntnissen im Beruf betrifft, einer Beschäftigung bei einem entsprechenden inländischen Arbeitgeber gleichzuhalten sind. Darüber hinaus würde die Vernachlässigung gleichwertiger Beschäftigungszeiten im Ausland zum kaum wünschenswerten Ergebnis führen, daß ein bisher im Ausland beschäftigter Arbeitnehmer trotz seiner für den Arbeitgeber wertvollen Berufserfahrung nicht höher zu entlohnen wäre als ein Berufsanfänger (vgl auch § 8 Abs.1 AuslBG). Zieht man in Betracht, daß das deutsche Gesetz über die Ausübung der Zahnheilkunde vom 31. März 1952 (BGBl I S. 221) in die Fassung der Bekanntmachung vom 16. April 1987 (BGBl I S. 1225) in § 2 Abs.1 Z 4 als Voraussetzung für die Approbation als Zahnarzt ein mindestens fünfjähriges mit der zahnärztlichen Prüfung abzuschließendes Studium der Zahnheilkunde an einer wissenschaftlichen Hochschule vorsieht und in den §§ 8 ff die Überführung der am 2. April 1952 staatlich anerkannten Dentisten durch Erwerb der Approbation als Zahnarzt an die (bis längstens 27. Jänner 1980 abzuschließende) Teilnahme an einem Fortbildungskurs über Mund- und Kieferkrankheiten sowie Arzneimittellehre in einem zugelassenen Lehrinstitut bindet, dann muß im vorliegenden Zusammenhang die Tätigkeit bei einem in Deutschland niedergelassenen Zahnarzt oder Dentisten zumindest der bei einem in Österreich niedergelassenen Dentisten gleichgehalten werden, der die Voraussetzungen der selbständigen Berufsausübung nach dem österreichischen Dentistengesetz erfüllt.

Abschließend sei bemerkt, daß der Umstand, daß nach § 3 Abs.2 Z 1 UrlG für die Bemessung des Urlaubsausmaßes nur die in einem anderen Arbeitsverhältnis im Inland zurückgelegten Dienstzeiten anzurechnen sind, nicht dafür spricht, auch für die Bemessung des Entgeltes nur im Inland zurückgelegte Berufsjahre heranzuziehen. Während die Entgeltregelung des vorliegenden Kollektivvertrages auf die für den Arbeitgeber wertvolle größere Berufserfahrung abstellt, differenziert die Anrechnungsbestimmung des Urlaubsgesetzes nicht zwischen im selben Beruf verbrachten und damit für den Arbeitgeber wertvollen und sonstigen Beschäftigungszeiten, in denen vom Arbeitnehmer keine für den Einsatz am nunmehrigen Arbeitsplatz verwertbare Berufserfahrung erworben wurde. Die Anrechnungsbestimmung des Urlaubsgesetzes ist daher nicht am Nutzen der größeren Berufserfahrung für den Arbeitgeber orientiert, sondern billigt aus sozialpolitischen Gründen Arbeitnehmern nach einer langjährigen Berufstätigkeit einen höheren Urlaubsanspruch zu. Das Berufungsgericht hat daher mit Recht bei Ermittlung der der Klägerin nach dem Kollektivvertrag gebührenden Entlohnung auch die in Deutschland zurückgelegten einschlägigen Beschäftigungszeiten berücksichtigt.

Beiden Revisionen war daher ein Erfolg zu versagen. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 43 Abs.1 und 50 ZPO; der Kostenbemessung bezüglich des Feststellungsbegehrens war die von der Klägerin vorgenommene Bewertung mit 6.000 S zugrundezulegen.

Anmerkung

E19610

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:009OBA00314.89.1206.000

Dokumentnummer

JJT_19891206_OGH0002_009OBA00314_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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