Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Franz Schrank und Franz Murmann in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Josef T***, Pensionist, Friedersbach 12, vertreten durch Dr. Ruth E. Hütthaler-Brandauer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei W***'S*** S*** FÜR N***,
Lehrforstamt Ottenstein, vertreten durch den Geschäftsführer Forstdirektor Dipl.Ing. E. T***, dieser vertreten durch Dr. Anton H***, Geschäftsführer des Zentralverbandes der land- und forstwirtschaftlichen Arbeitgeber in Niederösterreich, Burgenland und Wien, Wien 1., Jakobergasse 4/14, dieser vertreten durch Dr. Edmund Roehlich, Rechtsanwalt in Wien, wegen 29.612,71 S netto sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 26. Juni 1989, GZ 34 Ra 28/89-12, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes Krems an der Donau als Arbeits- und Sozialgericht vom 3. November 1988, GZ 16 Cga 55/88-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 3.292,80 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 548,80 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war in der Zeit vom 3. September 1973 bis 26. September 1986 zunächst als Lehrling und anschließend als Forstfacharbeiter bei der beklagten Partei beschäftigt. Anläßlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Zusammenhang mit der Zuerkennung einer Invaliditätspension erhielt der Kläger eine Abfertigung, bei deren Bemessung die Lehrzeit nicht berücksichtigt wurde.
Der Kläger begehrt den Betrag von 29.612,71 S netto sA an restlicher Abfertigung. Auch die Lehrzeit sei Beschäftigungszeit und als solche bei Berechnung der Abfertigung zu berücksichtigen. Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Das Lehrverhältnis sei nicht ein Dienst- sondern ein Ausbildungsverhältnis; Abfertigung gebühre nach § 30 der Niederösterreichischen Landarbeitsordnung nur für in einem Dienstverhältnis zurückgelegte Beschäftigungszeiten. Das Erstgericht gab der Klage statt. Auch das Lehrverhältnis sei trotz seines Ausbildungszweckes als Dienstverhältnis zu qualifizieren. Darüber hinaus stelle § 30 der Niederösterreichischen Landarbeitsordnung auf die Gesamtbeschäftigungszeit bei demselben Dienstgeber oder im selben Betrieb ab.
Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und sprach aus, daß die Revision zulässig sei. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß zwar die hier anzuwendenden Normen anders als § 23 Abs 1 AngG eine ausdrückliche Regelung über die Anrechnung von Zeiten des Lehrverhältnisses für die Abfertigung nicht enthielten; dies lasse aber nicht den Schluß darauf zu, daß im vorliegenden Fall Lehrzeiten nicht anzurechnen seien. Der im § 30 Abs 1 der Niederösterreichischen Landarbeitsordnung und § 31 Abs 1 Landarbeitsgesetz gebrauchte Begriff "Beschäftigung" sei umfassender als der des Dienstverhältnisses, auf das § 23 Abs 1 AngG abstelle, und schließe schon nach der klaren Bedeutung des Wortes auch das Lehrverhältnis mit ein. Darüber hinaus sei es sachlich nicht gerechtfertigt, die Lehrzeit im Bereich der Land- und Forstwirtschaft anders als in den übrigen Bereichen der Wirtschaft nicht für die Bemessung der Abfertigung heranzuziehen. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens abzuändern.
Die klagende Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Das Arbeitsrecht in der Land- und Forstwirtschaft ist gemäß Art. 12 Abs 1 Z 6 B-VG Bundessache in der Grundsatzgesetzgebung und Landessache in der Erlassung von Ausführungsgesetzen und in der Vollziehung. Die Grundsatzregelung in der Fassung der Landarbeitsgesetznovelle 1981, BGBl. 355/1981, enthält das 1984 wiederverlautbarte Landarbeitsgesetz, das im § 31 Abs 1 über die Abfertigung folgendes bestimmt:
"War der Dienstnehmer ununterbrochen durch eine bestimmte Zeitdauer bei dem selben Dienstgeber oder in dem selben Betrieb beschäftigt, so gebührt ihm bei Auflösung des Dienstverhältnisses eine Abfertigung. Das Mindestausmaß der Abfertigung beträgt nach drei vollen Dienstjahren 12 v.H. des Jahresentgelts und erhöht sich für jedes weitere volle Dienstjahr um vier v.H. bis zum vollen
25. Dienstjahr. Vom vollen 40. Dienstjahr an erhöht sich die Abfertigung für jedes weitere volle Dienstjahr um drei v.H."
Den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage zur Landarbeitsgesetznovelle 1981, 721 BlgNR 15. GP, ist zu entnehmen, daß mit dieser Regelung die Anpassung der Abfertigungsbestimmungen für die land- und forstwirtschaftlichen Arbeitnehmer an die Regelung des ArbAbfG BGBl. 107/1979 angestrebt wurde. Diese Regelung wurde mit der Novelle LGBl. 5/1982 wörtlich in § 30 Abs 1 der Niederösterreichischen Landarbeitsordnung 1973 übernommen. Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin kann aus dem Umstand, daß eine Abfertigungsregelung nur in den den Dienstvertrag regelnden Abschnitten des Landarbeitsgesetzes und der Niederösterreichischen Landarbeitsordnung enthalten ist, nicht erschlossen werden, daß Lehrzeiten nicht zu berücksichtigen seien, sondern nur, daß ein Abfertigungsanspruch nur dann zusteht, wenn der Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht Lehrling, sondern Dienstnehmer im Sinne dieser gesetzlichen Regelungen ist. Entscheidend ist, daß der Gesetzgeber auf die Dauer der Beschäftigung und nicht etwa auf die Dauer der Beschäftigung in einem Dienstverhältnis abstellt. Des weiteren sind bei Auslegung eines Gesetzes interpretative Widersprüche zum Verfassungsrecht zu vermeiden und daher im Zweifel die verfassungskonforme Auslegung zu wählen (vgl. Bydlinski in Rummel ABGB Rz 21 zu § 6). Da nun eine Schlechterstellung der in der Land- und Forstwirtschaft beschäftigten Arbeitnehmer gegenüber allen übrigen in der Privatwirtschaft beschäftigten Arbeitnehmern sachlich kaum zu rechtfertigen ist, gebietet auch der in Art. 2 StGG und Art. 7 B-VG verankerte Gleichheitsgrundsatz der Auslegung den Vorzug zu geben, die eine derartige unsachliche Differenzierung vermeidet. Die in diesem Zusammenhang von der Revisionswerberin relevierte Frage, ob die Lehrzeit von Land- und Forstarbeitern auch dann anzurechnen sei, wenn die Gesamtdienstzeit weniger als die in § 23 Abs 1 AngG für die Anrechnung geforderten sieben Jahre beträgt, kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, weil der Kläger eine Gesamtdienstzeit von 13 Jahren aufzuweisen hat.
Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E19330European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1989:009OBA00309.89.1206.000Dokumentnummer
JJT_19891206_OGH0002_009OBA00309_8900000_000