TE OGH 1989/12/6 9ObA296/89

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Veröffentlicht am 06.12.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Bauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Franz Schrank und Franz Murmann als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Karl O***, Pensionist, Linz,

Zaubertalstraße 21, vertreten durch Dr. Bruno Binder und Dr. Helmut Blum, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei DER A*** Allgemeine Versicherungs-AG, Wien 1., Hoher Markt 10-12, vertreten durch Dr. Julius Jeannee, Dr. Wolfgang Jeannee und Dr. Peter Lösch, Rechtsanwälte in Wien, wegen 200.000 S und Feststellung (Gesamtstreitwert 220.000 S), infolge Rekurses der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtsachen vom 21. August 1989, GZ 12 Ra 67/89-8 womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom 7. April 1989, GZ 13 Cga 52/89-4, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Rekurskosten sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Der Kläger, der dem Kreis der begünstigten Behinderten nach dem BehEinstG angehört, wurde von der beklagten Partei erstmals zum 31. März 1982 gekündigt. In dem vom Kläger wegen Aufhebung seiner schon vor der Kündigung erfolgten Suspendierung anhängig gemachten Rechtsstreit führte der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung vom 23. Oktober 1984 zu 4 Ob 103/83 aus, die Kündigung des Klägers sei rechtsunwirksam, weil der erforderliche Zustimmungsbescheid des Invalidenausschusses zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung noch nicht rechtskräftig gewesen sei. Daraufhin wurde der Kläger am 21. Dezember 1984 - nach zwischenzeitig eingetretener Rechtskraft des Zustimmungsbescheides - neuerlich zum 30. Juni 1985 gekündigt. Im Zuge des Verfahrens 13 Cga 4/87 betreffend die Unwirksamkeit der ersten Kündigung zum 31. März 1982 machte der Kläger erstmals am 11. September 1987 auch die Rechtswidrigkeit der zweiten Kündigung gerichtlich geltend und dehnte das Klagebegehren dahin aus, daß die Feststellung des aufrechten Bestandes des Dienstverhältnisses über den 30. Juni 1985 hinaus festgestellt werde. Das darüber ergangene (abweisliche) Erkenntnis des Obersten Gerichtshofes vom 29. Juni 1988, 9 Ob A 136/88, wurde dem Kläger am 9. September 1988 zugestellt. Am 9. März 1989 langte bei Gericht die gegenständliche Klage ein. Der für das Dienstverhältnis des Klägers maßgebliche Kollektivvertrag für Angestellte des Innendienstes der Versicherungsunternehmungen enthält folgende wesentliche Bestimmungen:

§ 39 Abs 9:

"Das Dienstverhältnis definitiver Angestellter, welche das

25. Dienstjahr (§ 5 Abs 1) vollendet oder mindestens 300 Beitragsmonate in der Sozialversicherung (Pensionsversicherung) erworben und bereits das 55. Lebensjahr (Männer) bzw das 50. Lebensjahr (Frauen) zurückgelegt haben, jedoch nach Ablauf der Kündigungsfrist und so vieler Monate als der Bemessung der Abfertigung, wobei der gesetzliche Anspruch um 50 % erhöht wird, was eine Verlängerung der Laufzeit der Abfertigung zur Folge hat, zugrundegelegt wurden, noch keinen Anspruch auf die Alterspension, Berufsunfähigkeitspension bzw Invaliditätspension aus der Sozialversicherung besitzen, kann von dem Unternehmen im Einvernehmen mit dem Betriebsrat gekündigt werden ...". (Nach dieser Bestimmung wurde der Kläger sowohl zum 31. März 1982 als auch zum 30. Juni 1985 gekündigt.) § 34 Abs 2:

"Die Abfertigung beträgt für definitive Angestellte das gesetzliche Ausmaß zuzüglich einer Erhöhung um 50 %. Hat der Angestellte im Zeitpunkt der Auflösung des Dienstverhältnisses, im Zweifel also bei Ablauf der Kündigungsfrist, 25 Dienstjahre zurückgelegt und das 50. Lebensjahr überschritten, das 55. Lebensjahr aber noch nicht erreicht, so erhöht sich die gesetzliche Abfertigung um 100 %, wenn er aber das 55. Lebensjahr überschritten und das 65. Lebensjahr noch nicht erreicht hat, um 150 %. Bei Angestellten von mehr als 55. Lebensjahren steht dem Dienstgeber wahlweise das Recht zu, von der Möglichkeit des § 33 Abs 9 Gebrauch zu machen; in diesem Fall gebührt die Abfertigung in der dortselbst festgesetzten Höhe ..."

§ 36 Abs 2:

"Abfertigungen welcher Art immer, sind, ausgenommen die Fälle

des § 33 Abs 9, im Zeitpunkt des Ablaufes der Kündigungsfrist

fällig".

§ 38 Erlöschen (Wegfall) von Ansprüchen:

"Ansprüche aus den diesem Kollektivvertrag unterliegenden Dienstverhältnissen sind bei sonstigem Ausschluß innerhalb von sechs Monaten nach Beendigung des Dienstverhältnisses, im Zweifel also nach Ablauf der Kündigungsfrist, gerichtlich geltend zu machen, soweit nicht kürzere Ausschlußfristen im Gesetz oder in diesem Kollektivvertrag festgesetzt sind".

Der Kläger begehrt die Zahlung eines Betrages von 200.000 S als Differenz zwischen der ihm bereits anläßlich der ersten Kündigung zum 31. März 1982 ausgezahlten Abfertigung von 931.553 S und der ihm aufgrund der Kündigung zum 30. Juni 1985 zustehenden höheren Abfertigung; er begehrt ferner die Feststellung, daß die beklagte Partei verpflichtet sei, ihm sämtliche aus der Auflösung des Dienstverhältnisses zum 30. September 1985 zustehenden Ansprüche im gesetzlichen sowie kollektivvertraglich festgesetzten Umfang zu zahlen. Der Lauf der Verfallsfrist habe am 9. September 1988 mit der Zustellung des Erkenntnisses 9 Ob A 136/88 begonnen, sodaß die Klage noch innerhalb der Verfallsfrist erhoben worden sei. Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage und wendete Verfall sämtlicher Ansprüche des Klägers aus der Beendigung es Dienstverhältnisses zum 30. Juni 1985 gemäß § 38 KV ein. Das Erstgericht wies das Begehren des Klägers ab. § 38 KV normiere in zulässiger Weise eine Ausschlußfrist von 6 Monaten ab Beendigung des Dienstverhältnisses für die gerichtliche Geltendmachung aller Ansprüche aus den diesem Kollektivvertrag unterliegenden Dienstverhältnissen. Daher seien alle vom Feststellungsbegehren des Klägers umfaßten Ansprüche jedenfalls mit 31. Dezember 1985 erloschen, der im Rahmen des Leistungsbegehrens geltend gemachte Abfertigungsanspruch unter Berücksichtigung der in Teilbeträgen fällig werdenden Abfertigung spätestens mit 31. Dezember 1986. Die Bekämpfung einer Kündigung, aus welchem Grund immer, enthebe den Kläger nicht von der Notwendigkeit der gerichtlichen Geltendmachung seiner Leistungsanpsrüche innerhalb der Verjährungs- bzw Verfallsfristen. Ansonsten stünde es im Belieben jedes Arbeitnehmers, kollektivvertragliche Verfallsbestimmungen dadurch zu umgehen, daß nach eingetretenem Verfall zunächst mit einer Feststellungsklage die Rechtsunwirksamkeit der Auflösung des Dienstverhältnisses geltend gemacht werde und der Kläger dadurch nach Abschluß eines auch noch so aussichtslosen Prozesses in den Genuß einer neu laufenden Ausschlußfrist hinsichtlich aller erloschenen Ansprüche käme.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge und hob das Urteil des Erstgerichtes unter Rechtskraftvorbehalt auf. Bei Dienstverhältnissen mit besonderem Bestandschutz genüge es zur Erhaltung allfälliger Leistungsansprüche, wenn innerhalb der Verfallsfrist die Klage auf Weiterbestand des Dienstverhältnisses ungeachtet der Auflösungserklärung eingebracht werde. Es könne dem Kläger nicht zugemutet werden, parallel zu seinem vorrangigen Prozeßziel Feststellung der Unwirksamkeit der Beendigung des Dienstverhältnisses einen kostspieligen Leistungsprozeß zu führen. Im Gegensatz zur rechtswidrigen Beendigung eines nicht bestandgeschützten Dienstverhältnisses beende im Fall des Vorliegens eines besonderen Kündigungs- und Entlassungsschutzes die gesetzwidrige Auflösung das Dienstverhältnis nicht. Der Grundsatz, daß die Verfallsfrist für Leistungsanpsrüche jedenfalls mit dem Tag der Beendigung zu laufen beginne, also die Bekämpfung der unbegründeten Beendigung, auch wenn sie erfolgreich sei, die spätere Geltentmachung von Leistungsansprüchen ausschließe, lasse sich nicht auf den Fall eines bestandgeschützten Dienstverhältnisses anwenden. Lägen zwei Auflösungserklärungen vor, so beginne der Lauf der Ausschlußfrist für die zweite Auflösungserklärung erst mit dem Zeitpunkt, in dem feststehe, daß diese und nicht bereits die erste Auflösungserklärung das Dienstverhältnis beendet habe. Stelle sich heraus, daß die erste Kündigung unwirksam gewesen sei, so müsse der Kläger innerhalb der Verfallsfrist von sechs Monaten zumindest den aufrechten Bestand des Dienstverhältnisses ungeachtet der zweiten Kündigungserklärung gerichtlich geltend machen. Ob der Kläger die Kündigung zum 30. Juni 1985 in diesem Sinn rechtzeitig bekämpft habe, lasse sich aus den Feststellungen nicht entnehmen. Entscheidend werde sein, ob die Ausdehnung des Klagebegehrens auf die zweite Kündigung fristgerecht erfolgt sei, wofür der Zeitpunkt maßgeblich sei, an dem die Unwirksamkeit der ersten Kündigungserklärung festgestanden sei.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der Rekurs der beklagten Partei mit dem Antrag, in der Sache selbst im Sinne einer Wiederherstellung des Urteils des Erstgerichtes zu entscheiden. Die klagende Partei beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist im Ergebnis berechtigt.

Eine gesetzwidrige Auflösungserklärung beendet ein besonders bestandgeschütztes Dienstverhältnis grundsätzlich nicht. Liegen jedoch die Voraussetzungen, unter denen ein solches Dienstverhältnis aufgelöst werden kann, vor, so wird dieses mit dem durch die Beendigungserklärung bestimmten Zeitpunkt - unter Bedachtnahme auf bestehende Kündigungsfristen - aufgelöst. Die gerichtliche Entscheidung, mit der ein vom Dienstnehmer erhobenes Begehren auf Feststellung des Fortbestandes des Dienstverhältnisses ungeachtet der Auflösungserklärung abgewiesen wird, spricht nur hierüber ab. Es handelt sich nicht um ein Rechtsgestaltungsurteil, bei dem die Wirksamkeit einer Erklärung durch den Urteilsspruch bestimmt wird, sondern es wird nur in feststellendem (deklarativem) Sinn über die Rechtswirksamkeit einer in der Vergangenheit liegenden Auflösungserklärung erkannt. Alle von der Beendigung des Dienstverhältnisses abhängigen Fristen bestimmen sich nach dem Zeitpunkt, zu dem durch die seinerzeitigen Auflösungserklärung das Dienstverhältnis beendet wurde (SozM I A d, 931; Martinek-Schwarz AngG6 689 zu § 34 AngG. Dies gilt für bestandgeschützte Dienstverhältnisse in gleicher Weise wie für solche Dienstverhältnisse, für die ein besonderer Kündigungs- und Entlassungsschutz nicht besteht.

Im vorliegenden Fall wurden von der beklagten Partei zwei Kündigungen ausgesprochen. Die rechtliche Bedeutung der zweiten (vorsorglichen) Kündigung war davon abhängig, daß nicht schon durch die erste Kündigung das Dienstverhältnis aufgelöst wurde. Ansprüche des Klägers aus der zweiten Kündigung vom Dezember 1984 (zum 30. Juni 1985) wurden daher nicht vor dem Zeitpunkt fällig, in welchem feststand, daß diese Erklärung tatsächlich zur Auflösung des Dienstverhältnisses geführt hat; erst in diesem Zeitpunkt wurde ein auf die zweite Kündigung gestützter Abfertigungsanspruch fällig und konnte geltend gemacht werden (Arb 9.707). Gemäß § 38 KV sind Ansprüche aus den diesem Kollektivvertrag unterliegenden Dienstverhältnissen bei sonstigem Ausschluß innerhalb von sechs Monaten nach Beendigung des Dienstverhältnisses, im Zweifel also nach Ablauf der Kündigungsfrist, gerichtlich geltend zu machen. Der Lauf dieser sechsmonatigen Ausschlußfrist, die auch für die Geltendmachung von Abfertigungsansprüchen gilt, begann in dem Zeitpunkt, in dem feststand, daß der zweiten Kündigung, die schließlich zur Auflösung des Dienstverhältnisses führte, überhaupt rechtliche Bedeutung zukam. Dies stand aber in dem Zeitpunkt fest, in dem über die Rechtswirksamkeit der ersten Kündigung rechtskräftig abgesprochen war. Der Einwand des Klägers, daß es nicht zumutbar sei, gleichzeitg mit dem Begehren auf Feststellung der Rechtsunwirksamkeit der Auflösung des Dienstverhältnisses auch aus der Beendigung des Dienstverhältnisses abgeleitete Ansprüche geltend zu machen, ist nicht richtig. Durch die Erhebung eines Eventualbegehrens kann in einem solchen Fall die Verfristung hintangehalten werden. Folgte man der Ansicht des Klägers, so hätte es der Dienstnehmer, worauf bereits das Erstgericht zutreffend verwiesen hat, in jedem Fall auch bei nicht bestandgeschützten Dienstverhältnissen in der Hand, durch Erhebung einer Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit der Auflösung des Dienstverhältnisses eine Erstreckung der kollektivvertraglichen Ausschlußfrist zu erreichen. Dies wäre aber mit dem Zweck der kollektivvertraglichen Ausschlußfristen nicht in Einklang zu bringen.

Für die strittige Frage, ob der vom Kläger erhobene Anspruch verfristet ist, ist daher entscheidend, wann endgültig feststand, daß die erste Kündigung nicht rechtswirksam war. Dazu wurde festgestellt, daß zu 13 Cga 4/89 des Erstgerichtes ein Verfahren über ein Begehren des Klägers auf Feststellung der Unwirksamkeit der ersten Kündigung (Kündigung zum 31. März 1982) anhängig war. In diesem Verfahren machte der Kläger mit dem Schriftsatz vom 11. September 1987 die Rechtsunwirksamkeit auch der zweiten Kündigung geltend. Das darüber ergangene abweisliche Urteil des Obersten Gerichtshofes wurde dem Kläger am 9. September 1988 zugestellt. Allerdings ergibt sich aus dem festgestellten Sachverhalt nicht, wann die Entscheidung, mit der über die Rechtswirksamtkeit der ersten Kündigung abgesprochen wurde, in Rechtskraft erwuchs. Wurde hierüber erst mit dem am 9. September 1988 zugestellten Urteil des Obersten Gerichtshofs abgesprochen, so wäre ausgehend vom Tag der Zustellung dieses Urteiles die Ausschlußfrist gewahrt. Erwuchs jedoch die Entscheidung einer der Vorinstanzen mangels Anfechtung eines insoweit klagestattgebenden Urteils durch die beklagte Partei zu einem früheren Zeitpunkt in Rechtskraft, wo wäre die Ausschlußfrist spätestens mit Kenntnis des Klägers hievon in Lauf gesetzt worden. In diesem Fall wäre die Klageerhebung am 9. März 1989 außerhalb der Frist des § 38 KV erfolgt und der erhobene Anspruch verfristet. In diesem Punkt erweist sich das Verfahren ergänzungsbedürftig. Der Kostenvorbehalt stützt sich auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E19614

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:009OBA00296.89.1206.000

Dokumentnummer

JJT_19891206_OGH0002_009OBA00296_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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