Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 7.Dezember 1989 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hörburger, Dr. Brustbauer, Dr. Kuch und Dr. Markel als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Kluwik als Schriftführerin in der Strafsache gegen Johann H*** und Georg P*** wegen des Verbrechens des Diebstahls nach §§ 127 ff. und 15 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde des Zweitangeklagten und die Berufungen der beiden Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengerichts vom 12. September 1989, GZ. 10 Vr 1272/89-36, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet (§ 285 i StPO).
Text
Gründe:
Der am 2.Juli 1964 geborene beschäftigungslose Georg P*** wurde des Verbrechens des teils versuchten, teils vollendeten gewerbsmäßigen schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs. 1 Z. 4, 129 Z. 1 und 2, 130, vierter Fall, und 15 StGB schuldig erkannt. Darnach hat er mit Johann H*** als Mittäter in Graz zwischen dem 6.Mai 1989 und dem 30.Mai 1989, teils durch Aufbrechen von Behältnissen, acht Einbruchsdiebstähle begangen und drei versucht, wobei der Wert der gestohlenen und der zu stehlen beabsichtigten Sachen 25.000 S, nicht aber 500.000 S überstieg. Diesen Schuldspruch ficht der Angeklagte P*** mit Nichtigkeitsbeschwerde aus § 281 Abs. 1 Z. 4, 5, 5 a und 10 StPO an. In der Hauptverhandlung am 12.September 1989 beantragte der Beschwerdeführer die Einholung eines medizinischen Gutachtens zum Beweis dafür, daß er am 23.Mai 1989 einen Kreuzbandriß im rechten Knie erlitten hat und sich am 30.Mai 1989 nur stark hinkend fortbewegen konnte, er daher keinesfalls in der vom Zeugen L*** angegebenen Art, nämlich laufend, aus dem Haus Tummelplatz Nr. 7 zu flüchten vermochte, weshalb er nicht der Mittäter des am Tatort festgenommenen H*** sein konnte (S. 293). Diesen Beweisantrag wies das Schöffengericht mit Zwischenerkenntnis gemäß § 238 StPO mangels "Konkretisierung der aus den aufzunehmenden Beweisen sich ergebenden positiven Ergebnisse für die Wahrheitsfindung, insbesondere, weil eine Gehunfähigkeit des Angeklagten P*** nicht einmal von diesem selbst behauptet wurde und der Zeuge L*** zweckdienliche Wahrnehmungen,
insbesondere solche zur Überprüfung oder Ausschließung des Angeklagten P*** als Täter im Hinblick auf die herrschende Dunkelheit nicht machen konnte" (S. 294) ab. Durch die Ablehnung dieses Antrags erachtet sich der Nichtigkeitswerber in seinen Verteidigungsrechten verkürzt (Z. 4); laut Aussage L*** sei der Komplize H*** in seiner Bewegungsfähigkeit nicht eingeschränkt gewesen, eine solche Einschränkung hätte dem Zeugen auffallen müssen; die Einholung des Gutachtens hätte ergeben, daß der Rechtsmittelwerber nicht auf die von L*** geschilderte Art und Weise hätte flüchten können.
Diesen Einwänden ist zu entgegnen, daß nach den Angaben des Zeugen L*** vor der Polizei (S. 19 f.) H*** und sein Mittäter die Flucht ergriffen; über die Art der Fortbewegung des Komplizen ist den Ausführungen L*** nichts zu entnehmen, etwa ob er laufend (S. 293), im Laufschritt (S. 312), "hatschend" oder "humpelnd" (S. 357) den Tatort verließ. Sonach war aus der Durchführung des begehrten Sachverständigenbeweises für den Angeklagten nichts zu gewinnen, weil das Gutachten zum Beweis dafür, daß der Beschwerdeführer überhaupt nicht in der Lage gewesen wäre, die Flucht zu ergreifen, nicht beantragt worden ist.
Rechtliche Beurteilung
Durch die Unterlassung der Vernehmung des Zeugen L*** in der Hauptverhandlung kann sich der Beschwerdeführer nicht benachteiligt sehen, weil er diese Einvernahme nicht beantragt hat; daß er - zumindest konkludent - dem Beweisantrag des Staatsanwalts auf Vorladung und Vernehmung L*** beigetreten wäre, ist aktenfremd. Dadurch aber, daß er zu einem Beweisantrag der Staatsanwaltschaft keine Stellungnahme abgegeben hat, machte er diesen nicht zu seinem eigenen (RZ. 1937 S. 118).
In der Mängelrüge (Z. 5) behauptet der Nichtigkeitswerber zunächst eine unzureichende Begründung der Urteilsfeststellung, H*** habe "offensichtlich auf Grund einer Intervention des Angeklagten P***" seine diesen belastenden Angaben vor dem Untersuchungsrichter (S. 144) widerrufen; das Beweisverfahren habe hiefür keinen Anhaltspunkt ergeben. Dem ist zu entgegnen, daß die vom Erstgericht gewählte Formulierung lediglich
eine - naheliegende - Vermutung des Gerichts zum Ausdruck bringt und keine Scheinbegründung darstellt.
Weiters behauptet der Rechtsmittelwerber das Fehlen jeglicher Begründung für die Urteilsannahme, er bestreite seinen Lebensunterhalt aus Einbruchsdiebstählen. Hier ist die Nichtigkeitsbeschwerde auf S. 313 Abs. 2 zu verweisen, wo die - mit dem erwähnten Einwand ersichtlich bekämpfte - Annahme gewerbsmäßiger Tatbegehung mit der Anzahl von elf Einbrüchen im kurzen Zeitraum zwischen 6. und 30.Mai 1989, den teilweise mehreren diebischen Angriffen in nur einer Nacht und damit begründet wird, daß keiner der beiden Angeklagten über eine andere Einnahmsquelle verfügte. Die Feststellung aber, daß H*** und P*** wegen Einbruchsdiebstählen als Komplizen vorverurteilt sind, durfte das Gericht auf Grund der vom Staatsanwalt in der Hauptverhandlung vorgelegten bezughabenden Anklageschrift und aus den Registereintragungen zum Akt 3 a Vr 1729/84 des Landesgerichts für Strafsachen Graz feststellen (vgl. S. 294 unten).
Nach eingehender Prüfung und Gegenüberstellung des Beschwerdevorbringens mit den Verfahrensresultaten kam der Oberste Gerichtshof zur Überzeugung, daß sich aus den Akten keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrundegelegten entscheidenden Tatsachen ergeben (Z. 5 a).
Die Rechtsrüge (Z. 10), welche die Annahme der gewerbsmäßigen Tatbegehung anficht, gelangt nicht zu prozeßordnungsgemäßer Darstellung, weil sie nicht von den Urteilskonstatierungen ausgeht, welche schon in der Erwiderung zum letzten Punkt der Mängelrüge wiedergegeben sind. Sofern der Angeklagte aber die Feststellung, er habe über keine rechtschaffene Einnahmsquelle verfügt, als unzutreffend begründet ansieht, bekämpft er nur in unzulässiger Weise die schöffengerichtliche Beweiswürdigung.
Die Beschwerde war daher teils als nicht dem Gesetz entsprechend zur Darstellung gebracht gemäß § 285 d Abs. 1 Z. 1 StPO im Zusammenhalt mit § 285 a Z. 2 StPO, teils aber als offenbar unbegründet gemäß § 285 d Abs. 1 Z. 2 StPO schon in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.
Anmerkung
E19166European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1989:0130OS00152.89.1207.000Dokumentnummer
JJT_19891207_OGH0002_0130OS00152_8900000_000