Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik, Dr. Zehetner, Dr. Klinger und Dr. Schwarz als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K*** UND A*** E.F. Gesellschaft mbH, Salzburg, Sigmundsplatz 11, vertreten durch Dr. Wolf-Dietrich Jetzelsberger und Dr. Malte Berlin, Rechtsanwälte in Salzburg, wider die beklagten Parteien 1.) R*** H*** mbH &
Co KG, Reith bei Seefeld/Tirol, vertreten durch Dr. Wolfgang Walser, Rechtsanwalt in Innsbruck, 2.) Mag. Art.Rudolf T***, Innenarchitekt, Innsbruck, Museumstraße 23, vertreten durch Dr. Karl Georg Aschaber, Dr. Andreas König und Dr. Andreas Ermacora, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen 66.840,-- S samt Anhang infolge Rekurses der zweitbeklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 21. September 1989, GZ. 2 R 186/89-14, womit die Berufung der zweitbeklagten Partei gegen das Versäumungsurteil des Handelsgerichtes Wien vom 6. Juni 1989, 20 Cg 120/89-4, zurückgewiesen wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Es wird dem Rekurs Folge gegeben, der angefochtene Beschluß aufgehoben und dem Berufungsgericht eine neue Entscheidung über die Berufung unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.
Text
Begründung:
Die klagende Partei beantragte, die beiden beklagten Parteien zur zugeteilten Hand schuldig zu erkennen, ihr den Betrag von 66.840 S samt Anhang zu zahlen.
In der ersten Tagsatzung schritt für "die beklagte Partei" Dr. Karl W*** für Dr. Wolfgang W*** ein. Das Erstgericht erteilte den Auftrag, die Klagebeantwortung binnen 3 Wochen einzubringen. Die erstbeklagte Partei brachte, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Wolfgang W***, eine Klagebeantwortung ein. Gegen den Zweitbeklagten erging auf Antrag der klagenden Partei ein Versäumungsurteil nach § 398 ZPO.
Der Zweitbeklagte erhob gegen das Versäumungsurteil Widerspruch. Der Widerspruch wurde vom Erstgericht mit der Begründung zurückgewiesen, daß der Zweitbeklagte bei der ersten Tagsatzung durch einen Rechtsanwalt vertreten gewesen sei.
In der Folge erhob der Zweitbeklagte gegen das Versäumungsurteil Berufung wegen Nichtigkeit, Mangelhaftigkeit des Verfahrens, Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung und gegen den Beschluß, mit dem sein Widerspruch zurückgewiesen worden war, Rekurs. Als Berufungswerber beantragte er, das Versäumungsurteil aufzuheben und dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens gegen ihn aufzutragen. Als Rekurswerber stellte er den Antrag, den erstgerichtlichen Beschluß dahin abzuändern, daß sein Widerspruch gegen das Versäumungsurteil zugelassen, das Versäumungsurteil aufgehoben und dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens gegen ihn aufgetragen werde.
Das Oberlandesgericht Wien wies die Berufung zurück, hob den den Widerspruch zurückweisenden Beschluß des Erstgerichtes auf und trug dem Erstgericht die Einleitung des gesetzlichen Verfahrens über den Widerspruch auf. Es führte aus:
Aufgrund der vom Erstgericht durchgeführten Erhebungen steht fest, daß der Zweitbeklagte Rechtsanwalt Dr. Wolfgang W*** niemals Prozeßvollmacht erteilt hat. Der Substitut des genannten Rechtsanwaltes war nicht beauftragt, bei der ersten Tagsatzung auch für den Zweitbeklagten einzuschreiten. Dem Protokoll über die erste Tagsatzung ist nichts Gegenteiliges zu entnehmen. Darin ist festgehalten, daß Dr. Karl W*** für Dr. W*** für "die beklagte Partei" einschritt, nicht jedoch, daß er für die beklagten Parteien und damit auch für den Zweitbeklagten eingeschritten wäre. Der Zweitbeklagte sei demnach bei der ersten Tagsatzung nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten gewesen. Er könne somit gegen das Versäumungsurteil genauso Widerspruch erheben, wie er es könnte, hätte die klagende Partei schon in der ersten Tagsatzung einen Antrag auf Fällung eines Versäumungsurteils gestellt und wäre das Versäumungsurteil antragsgemäß erlassen worden. Inhaltlich bestehe zwischen einem Versäumungsurteil nach § 396 ZPO und einem solchen nach § 398 ZPO kein Unterschied (Fasching, Lehrbuch, Rz 1403). Der vom Zweitbeklagten angenommene Rechtsnachteil der Unzulässigkeit des Widerspruches sei im vorliegenden Fall nicht gegeben. Der Zweitbeklagte sei daher nicht dadurch beschwert, daß das Versäumungsurteil gegen ihn nicht nach § 396 ZPO, sondern nach § 398 ZPO gefällt wurde. Die Beschwer sei nach herrschender Rechtsprechung eine Zulässigkeitsvoraussetzung (Fasching, Lehrbuch, Rz 1711). Die Berufung sei daher mangels Beschwer als unzulässig zurückzuweisen gewesen.
Der den Widerspruch zurückweisende Beschluß baue darauf auf, daß der Zweitbeklagte bei der ersten Tagsatzung anwaltlich vertreten gewesen sei. Diese Feststellung sei jedoch, wie sich aus den vorangestellten Ausführungen ergebe, unrichtig. Der Zweitbeklagte sei bei der ersten Tagsatzung nicht, insbesondere nicht durch einen Rechtsanwalt, vertreten gewesen. § 397 a ZPO sei somit nach § 398 Abs 1 letzter Satz ZPO sinngemäß anzuwenden. Der vom Zweitbeklagten rechtzeitig erhobene Widerspruch sei zulässig.
Gegen die Zurückweisung der Berufung richtet sich der Rekurs des Zweitbeklagten.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist berechtigt.
Nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes kann dem Zweitbeklagten nicht aus den Erwägungen des Berufungsgerichtes in bezug auf die Berufung eine Beschwer abgesprochen werden. Dies ergibt sich schon daraus, daß Exekutionshandlungen zur Sicherung von Geldforderungen aufgrund eines Versäumungsurteils, gegen das Widerspruch erhoben worden ist, gemäß § 373 EO auch dann zu bewilligen sind, wenn das Versäumungsurteil zwar infolge des Widerspruches aufgehoben, aber die Geldforderung dem Gläubiger noch nicht aberkannt oder deren Erlöschen noch nicht festgestellt worden ist, während dies im Falle der Aufhebung eines Versäumungsurteils infolge Berufung nicht gilt (vgl. EvBl 1984/84 = RZ 1985/22; siehe auch Rechberger in JBl 1981, 186). Dazu kommt die unterschiedliche Regelung der Tragung der Verfahrenskosten (§ 397 a Abs 4 ZPO einerseits und §§ 40 ff. ZPO andererseits).
Es war daher dem Rekurs Folge zu geben und spruchgemäß zu beschließen.
Der Vorbehalt der Kosten des Rekursverfahrens beruht auf § 52 ZPO.
Anmerkung
E19272European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1989:0050OB00646.89.1212.000Dokumentnummer
JJT_19891212_OGH0002_0050OB00646_8900000_000