Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik, Dr. Zehetner, Dr. Klinger und Dr. Schwarz als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Edith K***, Pensionistin, Wien 10., Braheplatz 3, vertreten durch Dr. Gerhard Schichl, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Siedlerverein "F***" Wien 10., Laxenburgerstraße 199, vertreten durch Dr. Werner Weidinger, Rechtsanwalt in Wien, wegen Räumung (Streitwert 322.000 S) infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 21. August 1989, GZ 12 R 106/89-63, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 14. März 1989, GZ 8 Cg 186/87-58, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 12.460,20 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 2.060,70 S an Umsatzsteuer und 96 S an Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin begehrt vom beklagten Verein die geräumte Übergabe des Grundstückes 936/90 Baufläche sowie jener Teile des Grundstückes 936/10 Garten, welche um das Grundstück 936/90 liegen und in der Natur vom übrigen Grundstück 936/10 durch einen Gartenzaun getrennt sind, welcher mit der in der Grundbuchsmappe Beilage G vorhandenen Trennlinie im Grundstück 936/10 identisch ist, alle Grundstücke gelegen in der Liegenschaft
EZ 2117 KG Inzersdorf-Stadt. Sie sei bücherliche Eigentümerin der strittigen Grundflächen, die vom Beklagten titellos benützt würden. An eine allfällige Benützungsvereinbarung zwischen ihren Rechtsvorgängern und dem Beklagten sei sie nicht gebunden, weil sie im Vertrauen auf den Grundbuchsstand lastenfrei erworben habe. Hilfsweise werde geltend gemacht, daß eine allfällige Nutzungsvereinbarung ihres Rechtsvorgängers Josef M*** mit dem Beklagten auf einem wesentlichen Irrtum fuße und daher keine Rechtswirksamkeit äußere. Sollte jedoch ein auch sie bindendes obligatorisches Nutzungsrecht zugunsten des Beklagten begründet worden sein, erkläre sie dieses wegen Vernachlässigung der den Beklagten diesfalls treffenden Erhaltungspflichten und wegen Eigenbedarfes für erloschen.
Der beklagte Verein beantragt die Abweisung der Klage. Er sei Rechtsnachfolger der Gemeinnützigen Siedlungsgenossenschaft F*** reg. GenmbH. Diese sei bis zum Jahre 1941 Eigentümerin des Grundstückes 936/90 und des dieses umgebenden Teiles des Grundstückes 936/10, nunmehr EZ 2117 KG Inzersdorf-Stadt, gewesen. Aus baupolizeilichen Gründen habe für diese Grundstücke keine eigene Einlagezahl gebildet werden können, weshalb sie einer anderen Einlage zugeschrieben hätten werden müssen. Mit Kaufvertrag vom 30. September 1937 und 30. Mai 1941 seien die Grundstücke von der Genossenschaft an das Genossenschaftsmitglied Josef M*** verkauft worden. Schon damals seien auf dem Grundstück Siedlungswege angelegt und ein Genossenschaftshaus errichtet gewesen. Josef M*** habe das Eigentum der Genossenschaft am Genossenschaftshaus anerkannt. Der Klägerin seien diese Rechtsverhältnisse bekannt gewesen. Das Recht auf Nutzung durch den Beklagten werde nicht nur auf die Qualifikation des Vereinshauses als Superädifikat, sondern auch auf die obligatorisch vereinbarte Nutzung gestützt.
Im ersten Rechtsgang gab das Erstgericht der Klage statt. Der dagegen vom Beklagten erhobenen Berufung gab das Berufungsgericht Folge. Es hob das Ersturteil auf und verwies die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Infolge der Außerstreitstellung, daß Josef M*** das Eigentumsrecht am Haus auf dem Grundstück 936/90 gemäß § 297 ABGB erworben habe, und des unbestrittenen Parteienvorbringens, daß die Klägerin Eigentümerin dieser Liegenschaft sei, erübrige sich jede weitere Erörterung der behaupteten Nutzungsberechtigung aus dem Titel des Eigentums des Beklagten. Das Erstgericht habe auch zutreffend die Rechtsnachfolge des Beklagten nach der Gemeinnützigen Siedlungsgenossenschaft F*** reg. GenmbH verneint, womit die Ableitung von Rechten des Beklagten unmittelbar aus dem Kaufvertrag aus den Jahren 1937 und 1941 ausscheide. Der Beklagte habe aber auch eingewendet, daß ihm von Josef M*** das alleinige Nutzungsrecht am Vereinshaus eingeräumt worden sei, welches die Klägerin gegen sich gelten lassen müsse. Damit mache er ein Recht geltend, das dem Fruchtgenuß entspreche, nach der Sachlage aber nur obligatorischer Natur sein könne. Eine nicht verbücherte Dienstbarkeit wirke dann gegen den Erwerber der Liegenschaft, wenn er sie gekannt habe. Hiebei könne von einer Kenntnis der Dienstbarkeit auch bei strittiger Rechtslage gesprochen werden. Ob aber ein Recht des Beklagten zur Benützung des Vereinshauses bestehe, könne nach den Feststellungen noch nicht mit abschließender Sicherheit gesagt werden. Im fortgesetzten Verfahren werde zu klären und festzustellen sein, ob und welche Vereinbarungen zwischen Josef M*** und dem Beklagten bestünden, sei es aufgrund ausdrücklicher Erklärungen, sei es aufgrund näher festzustellender Verhaltensweisen. Im zweiten Rechtsgang brachte die Klägerin ergänzend vor, zwischen Josef M*** und dem Beklagten sei ein obligatorisches Benützungsrecht weder ausdrücklich noch stillschweigend vereinbart worden. Hiezu habe es insbesondere an der erforderlichen Willensübereinstimmung gemangelt. Josef M*** habe sich offensichtlich in dem Irrtum befunden, der Beklagte sei der Rechtsnachfolger der Siedlungsgenossenschaft F***. In diesem Rechtsirrtum habe er immer wieder die Abtretung dieser Grundstücke (gemeint wohl: die Übernahme dieser Grundstücke durch den Beklagten) verlangt, sei jedoch stets vertröstet worden.
Mit dem im zweiten Rechtsgang gefällten Urteil wies das Erstgericht die Klage ab. Es legte seiner Entscheidung folgenden Sachverhalt zugrunde:
Josef M*** hat gemäß § 297 ABGB Eigentum am früheren Genossenschafts- und nunmehrigen Vereinshaus erworben. Das Haus wurde zum Zeitpunkt des Bestehens der Genossenschaft errichtet. Die Klägerin ist Eigentümerin der in der Klage genannten Grundstücke und hat 2/3 der Liegenschaft unentgeltlich geschenkt erhalten. Das Grundstück 936/90 ist jene Grundfläche, auf der das Haus errichtet ist. Seinerzeit wurde lediglich aufgrund der Unmöglichkeit der Eröffnung einer eigenen Einlagezahl für das Genossenschaftshaus dieses und die Teilfläche des Grundstückes 936/10 Garten der Liegenschaft des Josef M*** zugeschrieben mit der Vereinbarung, dieses jederzeit der Siedlungsgenossenschaft wieder abtreten zu müssen. Nach Auffassung des Josef M*** stand das seinerzeitige Genossenschaftshaus und nunmehrige Vereinshaus im Miteigentum der Genossenschaftsmitglieder bzw. Vereinsmitglieder. Diese Auffassung wurde und wird auch von den übrigen Genossenschaftern bzw. Vereinsmitgliedern vertreten. Josef M*** verlangte immer wieder die Abtretung des oben genannten Grundstücksteiles. Der Klägerin war bekannt, daß in der Natur das Vereinshaus durch einen Zaun gegenüber dem restlichen Grundstück 936/10 Garten des vormaligen Eigentümers Josef M*** abgetrennt ist.
Die Eröffnung einer eigenen Einlagezahl für den umzäunten Teil des Grundstückes 936/10 und für das Grundstück 936/90 war und ist aus baupolizeilichen Gründen nicht möglich. Die Gemeinnützige Siedlungsgenossenschaft F*** reg. GenmbH beendete ihren rechtlichen Bestand infolge Liquidation, die am 19. August 1944 abgeschlossen wurde. Im April 1954 wurde der Siedlerverein F***, der nunmehrige Beklagte, ordnungsgemäß bei der Vereinsbehörde angemeldet. Das Vereinsstatut enthält keinerlei Hinweis darauf, daß sich der Siedlerverein F*** als Rechtsnachfolger der ehemaligen Gemeinnützigen Siedlungsgenossenschaft F*** reg. GenmbH fühlt. Den früheren Genossenschafts- und nunmehrigen Vereinsmitgliedern war durchaus bewußt, daß Verein und Genossenschaft nicht identisch sind. Sie waren der Meinung, daß der Verein dieselben Rechte und Pflichten wie die seinerzeitige Genossenschaft hat. Das ehemalige Genossenschaftshaus stand während der Kriegsjahre leer. Nach Kriegsende wurde es zunächst von der SPÖ bzw. den Kinderfreunden benützt. Danach wurde es vom beklagten Siedlerverein genützt und größtenteils durch Verpachtung verwertet. Weder Josef M*** noch seine Rechtsnachfolger haben sich vom Jahre 1954 bis zum Jahre 1983 gegen eine Nutzung des strittigen Gebäudes und des dieses Gebäude umgebenden Grundes seitens des Siedlervereins F*** gewehrt; insbesondere wurde in diesem Zeitraum eine Räumung nicht begehrt.
Rechtsnachfolger des Josef M*** in das Eigentum an den oben genannten Liegenschaften wurde Hermine P*** im Erbgang, die 2/3 davon der nunmehrigen Klägerin und 1/3 deren Bruder Kurt P*** schenkungshalber übertrug. Den 2/3-Anteil ihrer Mutter erwarb die Klägerin mit Vertrag vom 14. April 1980, den 1/3-Anteil ihren Bruders kaufte und übernahm die Klägerin im Mai 1983. Die Rechts- und Besitzverhältnisse am Genossenschaftshaus waren jedoch den Streitteilen nicht klar; sie führten Verhandlungen und Schriftverkehr darüber seit 1981. Im Juli 1981 richtete die Klägerin an den Beklagten ein Schreiben, in dem sie mitteilte, daß nunmehr sie zu 2/3 Eigentümerin des Grundstückes 936/90 sei und die bestehenden Rechtsverhältnisse an dem Genossenschaftshaus geklärt haben wolle. Mit Schreiben vom 19. Juni 1982 erklärte sich die Klägerin auch bereit, dem Beklagten das im Kaufvertrag vom 30. September 1937 und 30. Mai 1941 (abgeschlossen zwischen der Siedlungsgenossenschaft und Josef M***) unter Punkt IX verankerte Vorkaufsrecht zu gewähren.
Am 15. Dezember 1982 war die Klägerin bei einer Vereinsmitgliederversammlung des beklagten Siedlervereins F*** anwesend und erklärte, bereit zu sein, für einen bestimmten Geldbetrag auf die Geltendmachung ihrer Rechte an dem Genossenschaftshaus gegenüber dem Siedlerverein zu verzichten. Eine rechtsverbindliche Einigung wurde jedoch nicht erzielt. Josef M*** hat keine steuerpflichtigen Einkünfte aus einer Verpachtung des Genossenschaftshauses erzielt. Es flossen insbesondere auch keine Geldmittel vom Siedlerverein F*** an Josef M***. Reparatur- und Instandhaltungsarbeiten am Genossenschaftshaus wurden großteils durch die Vereinsmitglieder durchgeführt.
Die Magistratsabteilung 37/10 erließ am 30. November 1984 einen Bescheid, in welchem der Klägerin als Eigentümerin des Hauses Wien 10., Braheplatz 3a, EZ 2117 KG Inzersdorf-Stadt, aufgetragen wurde, die losen Eternitplatten am Gesimse und die lockeren Verputzteile an der Fassade zu entfernen, den fehlenden Verputz der Fassade anbringen zu lassen, die Dachrinnen instandzusetzen bzw. die fehlenden Teile anbringen zu lassen und das schadhafte Kopfmauerwerk der Rauchfänge instandzusetzen. Der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung der Klägerin, in der sie vorbrachte, der Siedlerverein F*** behaupte Rechte an dem Gebäude und diesbezüglich sei ein Verfahren beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien anhängig, dessen Dauer nicht abzusehen sei, wurde mit Berufungsbescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 19. April 1985 nicht Folge gegeben. Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien MA 64 vom 3. Februar 1986 wurde der Klägerin zur Durchführung der aufgetragenen Baumaßnahmen die Ersatzvornahme angedroht. Die Klägerin hat am 12. Februar 1986 für das Abtragen des Kaminmauerwerkes und des angefallenen Schuttmaterials am Objekt Braheplatz 3a-Gasthaus einen Betrag von 1.728 S und am 14. März 1986 für das Instandsetzen der Kamine am Gasthaus einen Betrag von 21.600 S bezahlt.
Diesen Sachverhalt unterzog das Erstgericht nachstehender rechtlichen Beurteilung:
Aufgrund der eingangs wiedergegebenen Außerstreitstellungen stehe fest, daß alle Beteiligten (Josef M***, die Genossenschafter und die Vereinsmitglieder) davon ausgegangen seien, daß das Genossenschaftshaus und nunmehrige Vereinshaus nicht im Eigentum des Josef M***, sondern im Miteigentum der Genossenschaft- bzw. Vereinsmitglieder gestanden sei und stehe. Daraus lasse sich ableiten, daß auch das Recht zur alleinigen Nutzung ausschließlich den Genossenschaftern bzw. Vereinsmitgliedern zustehe, was letztliuh dem Vorbringen des Beklagten entspreche, daß ihm vom Voreigentümer der Liegenschaft und des Hauses ein alleiniges Nutzungsrecht eingeräumt worden sei, welches die Klägerin gegen sich gelten lassen müsse. Nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens stehe weiters fest, daß die Klägerin in Kenntnis einer nicht völlig geklärten Rechtslage erworben habe. Sie habe damit das Risiko auf sich genommen und könne sich auf die publica fides nicht mehr berufen. Sie habe nicht mehr Rechte erworben, als ihre Rechtsvorgängerin als Universalsukzessorin nach Josef M*** gehabt habe, und genieße das Eigentumsrecht an der Liegenschaft nur mit den Einschränkungen, die auch ihre Rechtsvorgänger getroffen hätten. Zum Vorbringen der Klägerin, es liege ein Dauerschuldverhältnis vor, welches hiemit aus wichtigen Gründen aufgehoben werde, sei auszuführen: Dauerschuldverhältnisse seien Obligationsverhältnisse, bei denen ein durch längere Zeit andauerndes Verhalten geschuldet sei. Dauerschuldverhältnisse könnten wegen des besonderen Vertrauens, das sie zwischen den Parteien voraussetzten, aus wichtigen Gründen jederzeit gelöst werden. Als wichtiger Grund werde von der Klägerin unter anderem die Verletzung der Erhaltungspflicht durch den Beklagten geltend gemacht. Aufgrund der diesbezüglichen unbedenklichen Urkunden, in welchen die zu tätigenden Instandsetzungsarbeiten angeführt seien, sowie aufgrund der korrespondierenden Rechnungen bezüglich der Ausbesserungsarbeiten am Kamin könne nach allgemeiner Lebenserfahrung gesagt werden, daß derartige Schäden an Häusern, die ein Alter wie das gegenständliche Haus aufwiesen, fast alltäglich seien und man hiebei nicht von einer Vernachlässigung der Erhaltungspflicht reden könne. Dazu komme noch, daß sich die Klägerin als Alleineigentümerin fühle, sodaß primär von ihrer eigenen Erhaltungspflicht ausgegangen werden müßte. Zum weiteren von der Klägerin geltend gemachten Aufhebungsgrund des Eigenbedarfes sei zu sagen, daß dieser wohl ein Kündigungsgrund nach dem Mietrechtsgesetz sei, im vorliegenden Fall aber allenfalls die Auflösungsgründe für dingliche Fruchtgenußrechte analog heranzuziehen seien, nicht aber jene für Mietverhältnisse.
§ 524 ABGB verweise auf die Erlöschungsgründe von Verträgen überhaupt, das wären in diesem Fall Vereinigung, Tod, Verzicht und Zeitablauf, welche Gründe aber allesamt hier nicht vorlägen. Das Berufungsgericht gab der Klage statt und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden hat, 300.000 S übersteigt. Es führte aus:
Die Klägerin wende sich zunächst gegen die Feststellung, den früheren Genossenschafts- und nunmehrigen Vereinsmitgliedern sei die mangelnde Identität des beklagten Vereins mit der vormaligen Genossenschaft bewußt gewesen. Richtigerweise hätte das Gegenteil festgestellt werden müssen. Dem sei zu erwidern, daß dieser Feststellung im Zusammenhang mit der unmittelbar folgenden Feststellung des Erstgerichtes, die früheren Genossenschafts- und nunmehrigen Vereinsmitglieder seien der Meinung gewesen, daß der Verein dieselben Rechte und Pflichten wie die seinerzeitige Genossenschaft habe, keine verfahrensentscheidende Bedeutung zukomme. Die Rechtsrüge der Klägerin sei berechtigt. Zur Frage von Vereinbarungen zwischen dem Beklagten und Josef M*** über die Benützung des Vereinshauses und des dieses umgebenden Teiles des Grundstückes 936/10 habe das Erstgericht wörtlich die von ihm bereits im ersten Rechtsgang getroffenen, vom Berufungsgericht allerdings als unzulänglich erachteten Feststellungen wiederholt. Zu weiteren zweckdienlichen Feststellungen sei das Erstgericht allerdings angesichts der eklatanten Rechtsunkenntnis der vernommenen Personen offenbar nicht in der Lage gewesen. Entscheidend erscheine die in der Tagsatzung vom 1. Dezember 1988 vorgenommene Außerstreitstellung, daß seinerzeit lediglich wegen der Unmöglichkeit der Eröffnung einer eigenen Einlagezahl für das Genossenschaftshaus dieses und die Teilfläche des Grundstückes 936/10 Garten der Liegenschaft des Josef M*** zugeschrieben worden seien mit der Vereinbarung, diese jederzeit der Siedlungsgenossenschaft wieder abtreten zu müssen; daß nach Auffassung des Josef M*** das seinerzeitige Genossenschaftshaus und nunmehrige Vereinshaus im Miteigentum der Genossenschaftsmitglieder bzw. Vereinsmitglieder gestanden sei, welche Auffassung auch von den übrigen Genossenschafts- bzw. Vereinsmitgliedern vertreten worden sei und vertreten werde; schließlich, daß die Abtretung des oben genannten Grundstücksteiles immer wieder von Josef M*** verlangt worden sei (gemeint wohl: daß Josef M*** immer wieder die Übernahme dieses Grundstücksteils durch den beklagten Verein begehrt habe). Wenn sich die Außerstreitstellung über das angenommene Miteigentum auch dem Wortlaut nach nur auf das seinerzeitige Genossenschafts- und nunmehrige Vereinshaus, nicht aber auf den das Grundstück 936/90 umgebenden und in der Natur durch einen Zaun abgetrennten Teil des Grundstückes 936/10 beziehe, so habe doch zwischen den seinerzeitigen Genossenschafts- und nunmehrigen Vereinsmitgliedern und somit auch bei der seinerzeitigen Genossenschaft und dem nunmehrigen Verein einerseits und Josef M*** andererseits ein derartiger, und zwar gemeinsamer, Irrtum über wesentliche Rechtsverhältnisse bestanden, der das stillschweigende Zustandekommen eines Nutzungsvertrages infolge der von Josef M*** geduldeten Nutzung des Genossenschaft- bzw. Vereinshauses und des umgebenden Teils des Grundstücks 936/10 durch die seinerzeitigen Genossenschafter und nunmehrigen Vereinsmitglieder ausschließe. Es könne dahingestellt bleiben, ob die Gemeinnützige Siedlungsgenossenschaft F*** reg. GenmbH mangels Einbeziehung der Abtretungsansprüche gegenüber Josef M*** laut Kaufvertrag vom 30. September 1937 und 30. Mai 1941 in die Liquidation rechtlich untergegangen sei, fest stehe jedenfalls, daß dem Beklagten mangels Rechtsnachfolge keinerlei Rechte aus diesem Kaufvertrag zustünden und ein Nutzungsvertrag im Sinne der Begründung einer obligatorischen Dienstbarkeit zwischen dem Beklagten und Josef M*** nicht zustande gekommen sei, sodaß der Beklagte das Grundstück 936/90 samt dem darauf errichteten Haus sowie den näher bezeichneten Teil des Grundstückes 936/10 tatsächlich titellos benütze.
Gegen das Berufungsurteil richtet sich die auf die Revisionsgründe des § 503 Z 2, 3 und 4 ZPO gestützte Revision des Beklagten mit dem Antrag, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuen Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen. Hilfsweise wird die Wiederherstellung des Ersturteils beantragt.
Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Die Revisionsgründe der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der Aktenwidrigkeit des Berufungsurteils liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
In Ausführung der Rechtsrüge macht der Beklagte zunächst geltend, daß nicht nur die Außerstreitstellungen einer rechtlichen Beurteilung zu unterziehen, sondern zuvor weitere Feststellungen über die Verhaltensweisen der Parteien zu treffen gewesen wären. Dem ist entgegenzuhalten, daß der Beklagte nicht näher darlegt, aufgrund welcher Beweisergebnisse welche weiteren Feststellungen seiner Meinung nach zu treffen gewesen wären. Dazu kommt, daß sich die Tatsacheninstanzen angesichts der vorliegenden Beweisergebnisse zu weiteren Feststellungen nicht in der Lage sahen. Sodann vertritt der Beklagte den Standpunkt, daß im gegenständlichen Fall nicht ein gemeinsamer Irrtum, der ein schlüssiges Zustandekommen eines Nutzungsvertrages verhindert habe, sondern eine unschädliche falsa demonstratio vorgelegen habe; Josef M*** und der beklagte Verein seien von der Weitergeltung und Rechtswirksamkeit des Vertrages aus den Jahren 1937 und 1941 ausgegangen.
Dem kann gleichfalls nicht gefolgt werden. Das Berufungsgericht hat richtig erkannt, daß die irrige Vorstellung des Josef M*** und des beklagten Vereins über die Rechtslage - die Genossenschaft bzw. später der Verein als deren Rechtsnachfolger sei Eigentümer des Genossenschafts- bzw Vereinshauses geblieben und als solcher nutzungsberechtigt - dem schlüssigen Zustandekommen eines Nutzungsvertrages über das Vereinshaus und das umliegende Grundstück zwischen Josef M*** und dem beklagten Verein entgegensteht. Dazu hätte es der Behauptung und Feststellung besonderer Umstände bedurft, die im beklagten Verein die redliche Überzeugung hervorrufen durften und auch hervorgerufen haben, daß Josef M*** die weitere Nutzung des Vereinshauses und des umliegenden Grundstückes in dem Bewußtsein duldet, dazu nach der Rechtslage nicht verpflichtet zu sein, dies aber dennoch aufgrund seines mit dem beklagten Verein übereinstimmenden Veränderungswillens (Begründung einer derartigen Duldungsverpflichtung) tun zu wollen (vgl. die Rechtsprechung zur schlüssigen Begründung einer Mietzinszahlungspflicht nach Wegfall der Umstände, die eine vorausgegangene Mietzinszahlungsvereinbarung unzulässig gemacht haben: MietSlg 38.333 = JBl 1987, 252; RdW 1987, 290; 5 Ob 15/88, 5 Ob 619/89 ua; vgl. ferner Würth in Rummel, ABGB, Rz 14 zu § 16 MRG sowie in ImmZ 1977, 313); derartiges scheidet hier nach den Verfahrensergebnissen aus.
Ferner macht der Beklagte dem Berufungsgericht zum Vorwurf, es habe völlig außer acht gelassen, daß das Erstgericht die Anerkennung der Verpflichtungen aus dem Kaufvertrag der Jahre 1937 und 1941 durch die Klägerin mit Schreiben vom 19. Juni 1982 (Beilage 1) festgestellt habe. Die Klägerin beziehe sich in diesem Schreiben zwar ausdrücklich nur auf Punkt IX des Vertrages (Vorkaufsrecht), doch sei dem Text des Schreibens nicht zu entnehmen, daß die Klägerin alle anderen Vertragspunkte nicht gegen sich gelten lassen wolle. Aus dem genannten Schreiben ergebe sich überdies zwingend, daß die Klägerin den Eintritt des beklagten Vereins in die Rechte der Genossenschaft anerkannt habe.
Dem ist zu erwidern, daß den vom Beklagten aus dem Schreiben der Klägerin vom 19. Juni 1982 gezogenen Schlüssen, die über die Feststellung des Erstgerichtes hinausgehen, nicht beigetreten werden kann; selbst die Bereitschaft der Klägerin, der Genossenschaft (offenbar gemeint: dem Verein) das Vorkaufsrecht einzuräumen, war bis 4. Juli 1982 befristet.
Schließlich hält der Beklagte seine Räumungsverpflichtung hinsichtlich des das Vereinshaus umgebenden Grundstücksteils für unzureichend begründet. Dabei handle es sich um die Siedlerwege, die das Haus umgäben und von allen Siedlern (Vereinsmitgliedern) sowie von den Besuchern des im Vereinshaus betriebenen Gasthauses benützt würden.
Dazu ist auszuführen, daß sich Josef M*** und seine Rechtsnachfolger nach den Feststellungen im zweiten Rechtsgang vom Jahre 1954 bis zum Jahre 1983 gegen eine Nutzung des Vereinshauses und des dieses Haus umgebenden Grundes durch den beklagten Verein nicht gewehrt haben, eine derartige Nutzung also stattfand. Bereits im ersten Rechtsgang wurde festgestellt, daß der Beklagte den in Rede stehenden Grundstücksteil dadurch in Anspruch genommen hat, daß er ihn - unberechtigterweise - gemeinsam mit dem Vereinshaus als Restaurationsgarten verpachtete. Die Räumungsverpflichtung des Beklagten wurde daher zu Recht auch auf diesen Grundstücksteil erstreckt.
Der Revision war mithin ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahren beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E19507European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1989:0050OB00643.89.1212.000Dokumentnummer
JJT_19891212_OGH0002_0050OB00643_8900000_000