TE OGH 1989/12/13 1Ob682/89 (1Ob683/89)

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Veröffentlicht am 13.12.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei

C***-B***, Wien 1., Schottengasse 6-8, vertreten

durch Dr. Peter Avancini, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten

Parteien 1.) K*** Ö***, reg. Genossenschaft mbH,

2.) R*** G***T mbH, beide

Wien 12., Wolfganggasse 58-60, beide vertreten durch Dr. Herwig Hauser, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 17,342.147,68 samt Anhang und S 1,926.905,44 samt Anhang infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 19.Mai 1989, GZ 5 R 70/89-23, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 3. November 1988, GZ 14 Cg 107/87-18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben. Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird an das Prozeßgericht erster Instanz zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Die Kosten der Rechtsmittelverfahren sind weitere Prozeßkosten.

Text

Begründung:

Die klagende Partei war Alleinaktionärin der

A. G*** Kaufhaus AG und Eigentümerin der nicht ohnedies von der

A. G*** Kaufhaus AG gehaltenen Aktien der A. G***

Grundstücke AG.

Die beklagten Parteien beabsichtigten, sämtliche Anteile an diesen Kapitalgesellschaften zu erwerben. Auch der S***-Konzern wollte Warenhäuser der Firmengruppe G*** kaufen. Es kam in der Folge zu einer grundsätzlichen Einigung zwischen allen Beteiligten dahin, daß einige Kaufhäuser an den genannten Konzern, die gesamten Aktien aber danach von den beklagten Parteien übernommen werden sollten. Mit Zustimmung der beklagten Parteien veräußerte die Firma

A. G*** Kaufhaus AG schließlich an die zum Spar-Konzern gehörigen Firmen D*** Immobilien-Leasing Gesellschaft mbH und G*** Handelsgesellschaft mbH vier Warenhäuser mit Liegenschaften, Miteigentumsanteilen, Mietrechten, Warenlager usw. Mit Vertrag vom 28. Dezember 1983 erwarb die zweitbeklagte Partei 10 % des Aktienkapitals der A. G*** Kaufhaus AG und 20 % des Aktienkapitals der A. G*** Grundstücke AG, mit Vertrag vom 30. Dezember 1983 erwarb die erstbeklagte Partei die restlichen 90 % des Aktienkapitals der A. G*** Kaufhaus AG von der klagenden Partei. Die gleichlautenden Punkte 3 und 5 der beiden Verträge haben folgenden Wortlaut: "3. Basis des vereinbarten Kaufpreises sind der konsolidierte Jahresabschluß der Warenhausgruppe Österreich G***-H***, die Jahresabschlüsse der A. G*** Kaufhaus Gesellschaft mbH und der A. G*** Grundstücke Gesellschaft mbH zum 31.Dezember 1982 versehen mit dem uneingeschränkten Bestätigungsvermerk der I***. Die CA leistet Gewähr, daß a) die vorangeführten Jahresabschlüsse vollständig und richtig sind ...,

b) die in diesen Jahresabschlüssen ausgewiesenen Positionen des Anlagevermögens zum Zeitpunkt des Eigentumsüberganges des vertragsgegenständlichen Aktienkapitals vorhanden sind, abgesehen von den Veränderungen, die im Laufe des Jahres 1983 aufgrund ordentlicher Geschäftsführung stattgefunden haben, c) die vertragsgegenständlichen Gesellschaften über das vorstehend beschriebene Anlagevermögen im Rahmen ihrer gegenwärtigen Rechte und Pflichten verfügen können und daß an diesem keine Rechte Dritter bestehen, die den derzeitigen Geschäftsbetrieb der A. G*** Kaufhaus AG und deren Tochtergesellschaften hindern und/oder die über den Rahmen ordentlicher Geschäftsführung hinausgehen und/oder durch die übergebenen Beilagen zu den Jahresabschlüssen oder sonstigen Urkunden (den Käufern) bekannt sind. (Die Käufer nehmen) zur Kenntnis, daß Teile des Objektes Postlhaus in Wien 7 mittlerweile verkauft wurden und eine Vereinbarung über den Verkauf von Aktiven zwischen G*** (A. G*** Kaufhaus AG einerseits und D*** Immobilien-Leasing Gesellschaft mbH und

G*** Handelsgesellschaft mbH) besteht, d) alle für den Bestand und den Betrieb der Warenhäuser erforderlichen Bewilligungen grundsätzlich vorliegen und keine rechtskräftigen Auflagen bestehen, die nach dem 31.Dezember 1982 zu Belastungen führen, für die keine Vorsorge besteht, e) seitens der vertragsgegenständlichen Gesellschaft im Jahre 1983 keine Rechtsgeschäfte getätigt worden sind, die über den Rahmen der ordentlichen Geschäftsführung hinausgehen, außer denjenigen, die (den Käufern) durch Übergabe der vorangeführten Jahresabschlüsse oder durch Kopien der in Beilage 1 genannten Rechtsgeschäfte bekannt sind, f) keine anderen Verbindlichkeiten aus der Begebung und Übertragung von Wechseln, aus der Übernahme von Bürgschaften, Garantien und sonstigen Haftungen bei der vertragsgegenständlichen Gesellschaft bestehen als denjenigen, die in den Jahresabschlüssen zum 31.Dezember 1982 gesondert vermerkt worden sind und auch seit 31.Dezember 1982 keine entstanden sind, die über den Rahmen der ordentlichen Geschäftsführung hinausgehen, außer denjenigen, die (den Käufern) durch Übergabe von Kopien der in Beilage 1 genannten Rechtsgeschäfte bekanntgemacht worden sind, g) der Vorstand der (verkaufenden) Gesellschaften zum frühestmöglichen Zeitpunkt die Hauptversammlungen beider Gesellschaften zur Neuwahl eines Aufsichtsrates ordnungsgemäß einberufen wird. Die CA leistet (den Käufern) weiters Gewähr, daß bis zur Wahl eines neuen Aufsichtsrates und in weiterer Folge neuer Vorstandsmitglieder in beiden Gesellschaften keine Rechtsgeschäfte getätigt werden, die über die erforderliche ordentliche Geschäftsführung hinausgehen, ausgenommen der Abschluß der Vereinbarung aus D***/G*** gemäß Punkt 3 lit c ......5.) Soweit sich aufgrund von steuerlichen Veranlagungen und/oder Betriebsprüfungen gemäß der Bundesabgabenordnung, den Landesabgabenordnungen sowie besonderer Prüfungsvorschriften des Einkommensteuergesetzes 1972, des Gebührengesetzes 1957 und Zollgesetzes 1955 für Zeiträume, die vor dem Zeitpunkt der rechtswirksamen Übereignung des vertragsgegenständlichen Aktienkapitals liegen, Nachzahlungen ergeben, die einen Betrag von insgesamt S 500.000 übersteigen und nicht in einer Verlagerung von einem Veranlagungszeitraum auf andere Veranlagungszeiträume bestehen, gehen diese zu Lasten der CA und mindern den Kaufpreis entsprechend dem Beteiligungsverhältnis; (die Käufer sind) berechtigt, solche Nachzahlungen mit der nächsten Kaufpreisrate zu verrechnen; (die Käufer werden) der CA Gelegenheit einräumen, an Prüfungen und Verhandlungen teilzunehmen, um eventuelle Abgaben und Nachforderungen abzuwehren. CA ist berechtigt, auf eigene Kosten die Erhebung von Rechtsmitteln zu verlangen (die Käufer verpflichten) sich, für die diesbezügliche Durchführung zu sorgen."

Im Jahre 1987 setzten die zuständigen Finanzämter für die A. G*** Kaufhaus AG für das Jahr 1983 eine Körperschaftssteuer von S 2,681.030 und eine Gewerbesteuer nach Vorauszahlungen von S 779.000 mit S 14,048.219 fest. Dazu kam es einerseits, weil ein aus dem Jahre 1980 stammender Verlustvortrag, aus einer Schachteldividende nicht anerkannt wurde, andererseits dadurch, daß die Veräußerungsgewinne durch den Verkauf der Warenhäuser einen außerordentlichen Ertrag von S 66,218.640,49 ergaben, sodaß nicht nur die (restlichen) Verlustvorträge aus dem Jahre 1982 von S 80,078.638,76 aufgebraucht wurden, sondern sich darüber hinaus ein Jahresgewinn von S 16,305.274,69 ergab.

Die klagende Partei begehrt mit zwei zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Klagen den Zuspruch der Beträge von S 17,342.147,28 und S 1,926.905,44 je samt Anhang als Rest der vereinbarten Kaufpreisraten vom 30.Juni 1987. Die von den beklagten Parteien geltend gemachten Kaufpreisabzüge nach Punkt 5 der beiden Verträge für die im Jahre 1987 vorgeschriebenen Ertragssteuern seien zu Unrecht erfolgt. Die Regelung nach Punkt 5 der Verträge könne sich schon nach ihrem Wortlaut nach nur auf Körperschafts- und Gewerbesteuernachzahlungen beziehen, die die vor 1983 gelegenen Jahre betreffen. Die Körperschaftssteuer und die Gewerbesteuer werden jahreweise veranlagt; da die Übereignung des Aktienkapitals 1983 erfolgt sei, sei der nächste vor dem Übereignungszeitpunkt gelegene Veranlagungszeitraum für diese Steuern das Jahr 1982. Allein dieses Ergebnib sei auch wirtschaftlich gerechtfertigt und entspreche dem Sinn und Zweck des Vertrages. Unter den Steuernachzahlungen des Punktes 5 könnten nur solche Steuerleistungen verstanden werden, die sich entweder daraus ergeben, daß im Zuge einer Betriebsprüfung eine bescheidmäßig festgesetzte Steuer nachträglich erhöht oder daß im Rahmen einer Veranlagung eine höhere Steuer vorgeschrieben worden sei als sich nach der der Veranlagung zugrundeliegenden Steuererklärung ergebe. Die Bilanzen für 1983 und die Steuererklärungen für dieses Jahr seien aber erst nach der Aktienübereignung verfaßt worden, somit zu einem Zeitpunkt, in dem die klagende Partei keinen Einfluß mehr auf die Gestaltung habe nehmen können. Auch daraus folge, daß ertragsteuerliche Nachzahlungen für das Jahr 1983 nicht mehr von der klagenden Partei zu vertreten seien. Andernfalls käme es zu dem geradezu absurden Ergebnis, daß jede Unrichtigkeit der bereits unter der Kontrolle der Käufer im Rahmen ihres Konzerns verfaßten Steuererklärungen für 1983 zu Lasten der klagenden Partei ginge und die Käufer aus diesem Titel umso mehr von der klagenden Partei zu fordern hätten, je höher die Steuervorschreibungen wären. In keiner Phase der Verhandlungen hätten die beklagten Parteien die Forderung erhoben, daß die klagende Partei die durch den Verkauf der Kaufhäuser an die S***-Gruppe allenfalls bei der Firma A. G*** Kaufhaus AG anfallenden Ertragssteuern tragen solle. Die klagende Partei hätte eine solche Forderung auch abgelehnt. Es sei vielmehr ausschließlich Sache der beklagten Parteien gewesen, mit der S***-Gruppe für die Käufhäuser einen Kaufpreis auszuhandeln, der unter Berücksichtigung einer allenfalls damit verbundenen Steuerbelastung den Kauf der G***-Gruppe für den K***-Konzern noch interessant habe erscheinen lassen. Das Einstehenmüssen eines Verkäufers eines Unternehmens - wirtschaftlich gesehen hätte die klagende Partei das Unternehmen verkauft - für Abgabennachzahlungen ergebe einen vernünftigen Sinn nur dann, wenn der Käufer eines Unternehmens das Unternehmen im Vertrauen darauf gekauft habe, daß er zu dem dem Verkauf zugrundegelegten Stichtag nur mit dem ausdrücklich vereinbarten, in der Regel aus einer dem Vertrag zugrunde gelegten Stichtagsbilanz hervorgehenden Verbindlichkeiten zu rechnen habe. Wenn nun in der Folge hervorkomme, daß diese Verbindlichkeiten höher seien als bei Vertragsabschluß angenommen, wenn also Nachzahlungen für Unternehmensverbindlichkeiten für die Zeit vor diesem Stichtag zu leisten seien, mit denen der Käufer nicht gerechnet habe, weil sie in der bekanntgegebenen Stichtagsbilanz nicht passiviert oder rückgestellt worden seien, dann sei es vernünftig zu vereinbaren, daß in diesem Fall infolge höherer Passiva, also eines geringeren Wertes des Unternehmens, auch der Kaufpreis entsprechend zu reduzieren sei. Dementsprechend sei im Punkt 3 der Verträge auch vereinbart worden, daß Basis des vereinbarten Kaufpreises der konsolidierte Jahresabschluß vom 31. Dezember 1982 sein solle und daß die klagende Partei für dessen Richtigkeit Gewähr leiste. Die beklagten Parteien bzw die Firma G*** Kaufhaus AG hätten durch steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten eine Steuerbelastung beim Jahresabschluß und in den Steuererklärungen vermeiden können. Die Auflösung stiller Reserven hätte nicht durchgeführt werden müssen, es hätte diese gemäß § 12 EStG steuersparend übertragen werden können; die Abwertung von Lagerbeständen sei nicht voll ausgeschöpft worden. Die beklagten Parteien wendeten ein, es sei offenkundig festgestanden, daß durch den von der klagenden Partei erzwungenen Verkauf von vier Warenhäusern an S***-Gesellschaften bei der A. G*** Kaufhaus AG ein hoher Veräußerungsgewinn im Jahr 1983 anfallen würde, sodaß der Buchgewinn des Jahres 1983 nicht nur zum Ausgleich der akkumulierten Verluste führen, sondern auch entsprechend erhebliche Nachzahlungen an Gewerbesteuer nach sich ziehen mußte. Ob auch Nachzahlungen an Körperschaftssteuer für 1983 anfallen würden - Vorauszahlungen waren wegen negativer Ergebnisse nicht geleistet worden - sei zum Jahresende 1983 noch nicht festgestanden, da der Gewinn des laufenden Jahres in der Größenordnung etwa den akkumulierten Verlusten entsprochen habe. Tatsächlich habe sich später herausgestellt, daß der Buchgewinn des Jahres 1983 geringfügig unter den akkumulierten Verlusten gelegen sei. Später allerdings (mündliche Streitverhandlung vom 1. September 1988) wurde dazu ausgeführt, daß die Beteiligten von stillen Reserven in der Höhe von (nur) ca 30 Mill. S ausgegangen seien, während tatsächlich außerordentliche Erträgnisse in der Höhe von rund 66 Mill. S entstanden wären. Wirtschaftlich betrachtet sei die Aufteilung der G***-Gruppe in der Form erfolgt, daß S*** für seinen Konzern vier Warenhäuser um rund S 280 Mill. und die beklagten Parteien für ihren Konzern das restliche Vermögen der G***-Gruppe um rund S 335 Mill. erworben hätten. Daß die beklagten Parteien Kaufpreise von zusammen S 615 Mill. zu leisten hatten, während andererseits S 280 Mill. an die A. G*** Kaufhaus AG geleistet worden seien, hänge nur mit der formalen Gestaltung zusammen. Auf diese Weise sei vermieden worden, daß im Wege von G***-Beteiligungen eine gesellschaftsrechtliche Verbindung zwischen den beklagten Parteien und S*** zustandekäme, was nicht im Sinn der Beteiligten gelegen wäre. Die formale Gestaltung sollte jedoch zu keiner wirtschaftlichen oder steuerlichen Benachteiligung der beklagten Parteien führen. Die Kaufpreisforderung von rund S 280 Mill. sei wertmäßig das Äquivalent für die abgegebene Substanz, für die die beklagten Parteien in Form eines den Betrag von S 335 Mill. übersteigenden Aktienkaufpreises an die klagende Partei Zahlung geleistet hätten. Aus den vertraglichen Bewertungen ergebe sich, daß der Veräußerungserlös von S 280 Mill. dem Konzern der beklagten Parteien brutto für netto habe zufließen müssen, um die steuerlichen Auswirkungen der gewählten Konstruktion zu neutralisieren. Jede andere Regelung wäre für die beklagten Parteien umso nachteiliger, je größer der an S*** abgegebene Teil der G***-Gruppe gewesen wäre. Der Sinn der Bestimmung des Punktes 5 des Vertrages sei evident. Hätten die beklagten Parteien schon dem Kauf von vier Warenhäusern zustimmen müssen, so sollte zumindest vermieden werden, daß in späterer Folge für die nun zum S***-Konzern zählenden Warenhäuser steuerliche Belastungen entstünden, die noch dazu bei Vertragsabschluß nicht genau kalkulierbar gewesen seien. Es verstehe sich von selbst, daß bei einem Geschäft in dieser Größenordnung das Bedürfnis bestünde, für sämtliche ziffernmäßig nicht bekannten Belastungen, die im Punkt 5 angeführt seien, abgesichert zu sein. Darin liege keine wie immer geartete Unbilligkeit, wie dies die klagende Partei darstelle; vielmehr sei diese Regelung integrierender Bestandteil der Kaufpreisvereinbarungen. Es entspreche auch der getroffenen Vereinbarung, daß das kalkulatorische Risiko, begründet in der ziffernmäßig unbekannten steuerlichen Belastung, zu Lasten der klagenden Partei gehen solle. Diese sei über die bilanziellen Belange des G***-Konzerns als frühere Hauptgesellschafterin bei Vertragsabschluß wesentlich besser informiert gewesen als die beklagten Parteien. Die Verhandlungsführer der beklagten Parteien hätten die Textierung des Punktes 5 des Vertrages als einfache Regelung zur umfassenden Abgrenzung sämtlicher Abgabenlasten zum Stichtag der Übereignung des Aktienkapitals angesehen. Sie hätten darauf vertraut, daß gemäß Punkt 5 eine umfassende Lastenteilung vereinbart worden sei; es sei nicht Sache der beklagten Parteien gewesen, über Art und Höhe der zu leistenden Nachzahlungen Detailkenntnisse zu erlangen. Die umfassende Regelung des Punktes 5 sei den Verhandlungsführern der beklagten Parteien ausreichend erschienen, um für sämtliche Nachzahlungen für Zeiträume vor der Übereignung der Aktien abgesichert zu sein. Es handle sich um reine Buchgewinne. Die daraus resultierenden Steuern führten in der gesamten Höhe zu realen Substanzverlusten. Diese steuerlichen Belastungen minderten daher nach Punkt 5 - dies schon auf Grund grammatikalischer Interpretation - die Kaufpreise. Eine Steuervermeidung wäre bei gesetzmäßiger Gestaltung der Bilanzen nicht möglich gewesen.

Das Erstgericht gab den Klagebegehren statt. Es stellte fest: Im Zuge der unter großem Zeitdruck durchgeführten Vertragsverhandlungen seien auch steuerliche Überlegungen nur global angestellt worden, da die Vertragspartner die Meinung vertreten hätten, daß der hohe Verlustvortrag der G***-Gruppe aus den Jahren 1980 bis 1982 den Veräußerungsgewinn aus dem Weiterverkauf an S*** auf jeden Fall auffangen werde. Das Problem des Verlustvortrages durch Schachteldividende sei nicht gesondert erörtert worden. Während in früheren Entwürfen noch auf die Bilanz zum 31.Dezember 1982 abgestellt worden sei, so sollte nunmehr der Zeitpunkt der rechtswirksamen Übereignung für die steuerlichen Risken des laufenden Geschäftsjahres maßgeblich sein. Es sei nicht wie in früheren Entwürfen eine Teilung des Wirtschaftsergebnisses des Jahres 1983 zwischen den Streitteilen vorgenommen worden. Die Käufer sollten vielmehr die Bilanz für 1983 nach ihren Wünschen optimal gestalten; das wirtschaftliche Ergebnis für das Jahr 1983 sollte zur Gänze auf Rechnung des nunmehrigen Erwerbers der Anteile gehen. Dazu habe die klagende Partei den beklagten Parteien alle gewünschten Unterlagen und Informationen zur Verfügung gestellt. Nach dem Wortlaut des Punktes 5 sei klar die Absicht erkennbar, lediglich den laufenden Geschäftsbetrieb zu berücksichtigen. Überlegungen, die auf Auswirkung eines außerordentlichen Gewinnes abgezielt hätten, seien in diesem Punkt nicht angestellt worden. Hiefür sei eigens der Punkt 3 i (offenbar gemeint 3 e) eingeführt worden. Rechtlich führte das Erstgericht aus, es liege im Interesse beider Vertragsparteien, den Punkt 5 des Vertrages als Regelung einer laufenden Geschäftsentwicklung für das Jahr 1983 zu verstehen. Punkt 5 sollte sich nicht auf steuerliche Überlegungen, die durch die Weiterveräußerung von Kaufhäusern an einen Dritten gegeben waren, beziehen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Parteien nicht Folge. Als aktenwidrig, aber auch aus dem Berufungsgrund der unrichtigen Tatsachenfeststellung bekämpfe die Berufung die Darlegungen des Ersturteils, aus dem Wortlaut des Punktes 5 der Verträge sei klar die Absicht erkennbar, lediglich den laufenden Geschäftsbetrieb zu berücksichtigen. Überlegungen, die auf Auswirkung eines außerordentlichen Gewinnes abzielten, seien in diesem Punkt nicht angestellt worden, hiefür sei eigens der Punkt 3 e eingeführt worden. Wie sich schon aus dem Hinweis des Ersturteils ergebe, handle es sich dabei aber ausschließlich um Schlußfolgerungen, die das Erstgericht aus dem Inhalt der Vertragsurkunden gezogen habe, und somit um Urkundenauslegung ohne Heranziehung weiterer über den Urkundeninhalt hinausgehender Beweise. Dies sei aber der rechtlichen Beurteilung zuzuordnen. Im vorliegenden Verfahren gehe es in erster Linie um die Auslegung der Punkte 5 der Verträge. Es sei also zu beurteilen, ob die steuerlichen Auswirkungen des Verkaufes von vier Warenhäusern an die S***-Gruppe nach der Bestimmung des Punktes 5 der Verträge den Kaufpreis der beklagten Parteien mindern sollte. Bei der Auslegung von Willenserklärungen sei zunächst vom Wortsinn in seiner gewöhnlichen Bedeutung auszugehen. Eigentliches Ziel der einfachen Auslegung sei die Feststellung der Absicht der Parteien, die am Empfängerhorizont zu messen sei. Lasse sich auf diese Weise kein eindeutiger Sinn ermitteln, sei die Willensäußerung so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspreche. Hiezu seien die Umstände der Erklärung und die im Verkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche heranzuziehen. Träten nach Abschluß des Geschäfts Konfliktsfälle auf, die von den Parteien nicht bedacht und daher nicht ausdrücklich geregelt worden seien, so sei unter Berücksichtigung der übrigen Geschäftsbestimmungen des von den Parteien verfolgten Zweckes zu fragen, welche Lösung redliche und vernünftige Parteien vereinbart hätten. Bei der Auslegung des Punktes 5 sei von der unbekämpften Feststellung des Ersturteils auszugehen, daß die Käufer der Unternehmensgruppe die Bilanz für 1983 nach ihren Wünschen optimal gestalten sollten und das wirtschaftliche Ergebnis für das Jahr 1983 zur Gänze auf Rechnung des Erwerbers der Anteile gehen sollte. Gehe man nun davon aus, daß nach dem übereinstimmenden Parteiwillen der Geschäftserfolg des Kaufpreisgegenstandes, also der nach dem Verkauf von vier Kaufhäusern an die S***-Kette verbleibenden G***-Gruppe, für das Jahr 1983 den beklagten Parteien zugutekommen sollte, diese also auch den Gewinn des Jahres 1983 zur Verfügung haben sollten, so sei ganz klar, daß die aus der Veräußerung von vier Käufhäusern an die S***-Kette anfallenden Steuern eben den Gewinn 1983 schmälerten. Bei der Auslegung des Vertrages könne somit eine Überwälzung der Ertragssteuerbelastung der A. G*** Kaufhaus AG infolge der aus den Veräußerungen von Unternehmensbestandteilen an die S*** AG erzielten außerordentlichen Erträge auf den der klagenden Partei zufließenden Kaufpreis nur bei einer ausdrücklichen Regelung im Vertrag angenommen werden. Eine solche ausdrückliche Regelung liege aber nicht vor. Eine Willenseinigung der Parteien über die Überwälzung dieser Steuerbelastung auf den Kaufpreis hätte in einer konkret diesen Fall treffenden Klausel, die durchaus einfach zu formulieren gewesen wäre, ihren Ausdruck finden können. Daß die Parteien die pauschal gehaltene, in Verträgen allgemein übliche Klausel über die Zuordnung von in diesem Fall steuerliche Lasten des Kaufgegenstandes gerade auf den strittigen Fall hätten beziehen wollen, könne keinesfalls unterstellt werden. Das in der Folge ertragsteuerliche Auswirkungen nach sich ziehende Geschäft sei den beklagten Parteien nicht nur bekannt gewesen, es wäre auch von ihrer Zustimmung abhängig gewesen. Es falle daher nicht unter jene Sachverhalte, vor deren steuerliche Auswirkungen die beklagte Partei durch die Bestimmung des Punktes 5 der Verträge geschützt werden sollte. Die beklagten Parteien seien somit nicht berechtigt, nach dieser Bestimmung die Kaufpreise zu mindern.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der beklagten Parteien ist berechtigt. Mit dem Kauf aller Anteile einer Kapitalgesellschaft wird nach der Verkehrsauffassung und dem wirtschaftlichen Zweck des Vertrages auch das Unternehmen selbst veräußert (Gschnitzer in Klang2 IV/1, 505; Wilhelm in RdW 1985, 266 f; vgl BGHZ 85, 367, 370; BGHZ 65, 246, 251; Putzo in Palandt48 498; Wiedemann in Münchener Kommentar2 Rz 14 zu § 433 BGB; Larenz, Schuldrecht II12 139; Scholz-Winter, GmbHG7 Rz 113 zu § 15; Rowedder, GmbHG, Rz 8 zu § 15). Demgemäß sehen die Punkte 3 und 5 der zwischen den Streitteilen geschlossenen Kaufverträge auch ausdrückliche Bestimmungen vor, für welche den Kaufpreis des Unternehmens beeinflussenden Umstände die klagende Partei als Verkäuferin aller Aktien Gewähr zu leisten hatte. Die beklagten Parteien vertreten in ihrer Revision in erster Linie den Standpunkt, schon eine Auslegung des Punktes 5 der Verträge nach dem Wortsinn ergebe, die von der Firma A. G*** Kaufhaus AG für das Jahr 1983 zu erbringenden, im Jahr 1987 festgesetzten Steuern sollten den Kaufpreis mindern. Betrachtet man diese Vertragsbestimmungen unter der Annahme, daß die Absicht der Parteien ausschließlich durch Auslegung des in ihrem Wortlaut feststehenden Verträge zu finden wäre, sodaß rechtliche Beurteilung vorläge (JBl 1985, 98; JBl 1979, 94 uva), so könnte den Revisionswerbern zugestimmt werden. Den Abgabenordnungen ist der in Punkt 5 verwendete Begriff der "Nachzahlung" einer Steuer fremd. So kennt zwar das Gewerbesteuergesetz Vorauszahlungen (§ 22 GewStG), die Abrechnung der Vorauszahlungen wird aber als Abschlußzahlung bezeichnet (§ 23 Abs 1 GewStG; vgl §§ 45 f EStG 1972); Abgaben werden festgesetzt (§§ 4 Abs 4, 198 BAO) und entrichtet (§ 211 BAO). Was unter "Nachzahlung" gemeint wäre, ergibt sich aber eindeutig aus dem ersten Halbsatz des Punktes 5, in dem nicht nur von Betriebsprüfungen, sondern mit gleicher Wirkung von steuerlicher Veranlagung für Zeiträume, die vor dem Zeitpunkt der rechtswirksamen Übereignung des Aktienkapitals (womit, was das Berufungsgericht ausführlich darlegte, wohl der Tag der schuldrechtlichen Einigung und des damit bewirkten, durch Punkt 3 der Verträge modifizierten Gefahrenüberganges gemeint war) die Rede ist. Die Einkommensteuer wird nach dem IV. Teil des Einkommensteuergesetzes 1972 veranlagt. Auf die Veranlagung zur Körperschaftssteuer und auf deren Entrichtung waren die für die Einkommensteuer geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden (§ 23 KStG 1966). Wenn daher vereinbart war, daß auch "Nachzahlungen" auf Grund von steuerlichen Veranlagungen für Zeiträume, die vor dem 28. bzw 30.Dezember 1983 liegen, von der klagenden Partei zu tragen wären, könnte dies nach dem Zusammenhang der vertraglichen Regelung nur bedeuten, daß damit auch Abschlußzahlungen auf Grund nicht gedeckter Vorauszahlungen fallen sollten. Bekannt waren zwar die mit der S***-Gruppe abgeschlossenen Verträge, deren steuerliche Auswirkungen konnten aber vor dem Jahresabschluß 1983 jedenfalls nicht mit Sicherheit beurteilt werden. Im Zweifel muß daher angenommen werden, daß auch sich daraus ergebende Abschlußzahlungen (Nachzahlungen) unter Punkt 5 der Verträge fallen sollten, da, wenn schon eine solche Regelung im Vertrag getroffen wurde, nicht ohne weiteres einzusehen wäre, warum die beklagten Parteien nicht voraussehbare steuerliche Lasten aus der Zeit der Geschäftsführung durch die klagende Partei in unbestimmter Höhe tragen sollte.

Es entspricht aber einheitlicher Rechtsprechung und Lehre, daß ein vom objektiven Erklärungswert abweichender übereinstimmend erklärter Parteiwille vorgeht (JBl 1988, 257; SZ 60/63 ua, zuletzt 4 Ob 545/89; Rummel, ABGB, Rz 8 zu § 863, Rz 6 zu § 871; Binder in Schwimann, Rz 25 zu § 914; Koziol-Welser8 I 87). Das Erstgericht stellte im Widerspruch zu der genannten Auslegung der Verträge fest, daß das wirtschaftliche Ergebnis des Jahres 1983 zur Gänze auf Rechnung der Erwerber der Anteile gehen sollte, worunter auch verstanden werden könnte, daß steuerliche Nachzahlungen im Sinne von Abschlußzahlungen allein die beklagten Parteien treffen sollten; es relativierte diese Feststellung aber durch seine Ausführungen zur Beweiswürdigung dahin, daß sich aus Punkt 5 die klare Absicht ergebe, es sollte lediglich der laufende Geschäftsbetrieb, nicht aber Ertragssteuern auf Grund außerordentlicher Erträge berücksichtigt werden. Das Berufungsgericht erledigte die von den beklagten Parteien in diesen Ausführungen erblickte Aktenwidrigkeit und die damit im Zusammenhang stehende Mängelrüge dahin, daß es sich bei der letztgenannten Einschränkung nicht um eine Feststellung, sondern um eine rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes gehandelt habe. Es legte dann seiner rechtlichen Beurteilung die für das Erstgericht nicht tragende Feststellung, die dieses unter Umständen noch einschränkend oder gar anders verstanden wissen wollte, zugrunde, daß das wirtschaftliche Ergebnis zur Gänze auf Rechnung der Erwerber der Anteile gehen sollte. In der Revision wird zutreffend mit der Behauptung, diese vom Erstgericht getroffene Feststellung sei "auslegungsbedürftig", ein Feststellungsmangel geltend gemacht. Bezog nämlich das Erstgericht Punkt 5 der Verträge bei objektiver Vrtragsauslegung rechtsirrtümlich nicht auf Ertragssteuern, die durch Veräußerungsgewinne hervorgerufen wurden, sondern nur auf den laufenden Geschäftsbetrieb, so konnte sich seine zusätzliche Feststellung ebenfalls nicht auf diese Ertragssteuern, sondern, wie es dies in seinen Ausführungen zur Beweiswürdigung zum Ausdruck brachte, nur auf den laufenden Geschäftsbetrieb unter Ausschaltung dieser dem Veranlagungszeitraum zuzurechnenden Ertragssteuern bezogen haben. Dann ging aber das Berufungsgericht von einer, wie es meinte, unbekämpften Feststellung aus, die das Erstgericht in diesem Sinn gar nicht getroffen hat. Schon aus diesem Grund erweist sich die Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen erforderlich. Im fortgesetzten Verfahren wird vorerst zu klären sein, ob ein vom objektiven Erklärungswert abweichender Wille der Parteien vorlag; verneinendenfalls kommt dann dem wiederholt erstatteten Vorbringen der klagenden Partei, die beklagten Parteien hätten durch steuerliche Gestaltungsmöglichkeit eine Steuerbelastung vermeiden können, Beachtlichkeit zu. Raum für eine ergänzende Vertragsauslegung bliebe nur dann, wenn feststünde, daß die Parteien bei Abschluß des Vertrages den Fall, daß auf Grund von Veräußerungsgewinnen Ertragssteuern vorgeschrieben werden könnten, nicht bedacht hätten (JBl 1976, 721 mwN), was mit dieser Deutlichkeit von den beklagten Parteien bis jetzt nicht behauptet wurde.

Die Entscheidung über die Kosten der Rechtsmittelverfahren gründet sich auf §§ 40, 50 ZPO.

Anmerkung

E19437

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0010OB00682.89.1213.000

Dokumentnummer

JJT_19891213_OGH0002_0010OB00682_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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