TE OGH 1989/12/13 3Ob615/89

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Veröffentlicht am 13.12.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes HonProf.Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Dr. Angst als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dietmar G***, Soldat, Salzburg, Christian-Doppler-Straße 8, vertreten durch Dr. Jürgen Hinterwirth, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei S*** S***, Salzburg, Schloß Mirabell, vertreten durch Dr. Michael Wonisch, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Anfechtung eines Räumungsvergleiches (Streitwert S 10.000,--), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgerichtes vom 21. August 1989, GZ 21 R 239/89-12, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Salzburg vom 28. April 1989, GZ 11 C 2400/87-7, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Antrag der klagenden Partei auf Zuspruch von Kosten des Revisionsverfahrens wird abgewiesen.

Text

Begründung:

Mit der am 27. Juni 1985 beim Erstgericht zu 13 K 9/85 eingebrachten, gegen Karl und Renate R*** (Stiefvater und Mutter des Klägers) und den (damals) minderjährigen Kläger gerichteten Aufkündigung kündigte die beklagte Partei den Kündigungsgegnern die "von ihnen gemietete und genutzte Wohnung ...." gerichtlich auf. In der Tagsatzung vom 28. August 1985, die auf Grund von Einwendungen der Zweitgekündigten anberaumt worden war, schlossen die Parteien folgenden Vergleich: "Alle drei beklagten Parteien verpflichten sich bei Exekution, die ihnen vermietete und von ihnen genutzte Wohnung .... bis spätestens 31. August 1987 von all ihren beweglichen Sachen zu räumen und der klagenden Partei geräumt zu übergeben, dies unter Verzicht auf jedweden Räumungsaufschub."

(13 C 1079/85).

Der am 2. Jänner 1968 geborene Kläger war sowohl im Zeitpunkt der Anbringung der Aufkündigung als auch im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses minderjährig. Eine pflegschaftsbehördliche Genehmigung des Vergleiches wurde weder vom Erstgericht, noch auch von der Mutter und (damaligen) Vormünderin des Klägers (1 P 109/76-30 des Erstgerichtes) noch auch von der beklagten Partei eingeholt und ist auch nicht erteilt worden.

Die Wohnung war dem Stiefvater und der Mutter des Klägers von der beklagten Partei am 25. März 1982 aus sozialen Gründen zugewiesen worden. Die Mutter des Klägers hatte sich - auch für ihren Mann - verpflichtet, die Wohnung zurückzustellen, sobald sie eine Zweitwohnung erwerbe. Der Kläger bewohnte die Wohnung mit. Die Mutter und der Stiefvater des Klägers bauten in der Folge ein Eigenheim, in das sie im Herbst 1984 übersiedelten. Der Kläger blieb in der gemieteten Wohnung.

Über ihren Antrag vom 7. September 1985 wurde der beklagten Partei die Rämungsexekution bewilligt. Der Kläger beantragte die Aufschiebung der Exekution, die ihm nach Erlag einer Sicherheitsleistung bewilligt wurde.

Mit der am 24. September 1987 eingelangten Klage stellt der Kläger das Begehren, der Räumungsvergleich des Bezirksgerichtes Salzburg vom 28. August 1985, 13 C 1079/85, sei ihm gegenüber rechtsunwirksam und nichtig. Der Kläger sei zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses minderjährig gewesen. Zur Rechtswirksamkeit des Vergleiches hätte es neben der Einwilligung des Vormundes der Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes bedurft, weil die Aufgabe von Rechten an einer Mieterschutzwohnung in den Bereich des außerordentlichen Wirtschaftsbetriebes gehöre. Sie sei nicht eingeholt worden. Der Räumungsvergleich sei daher hinsichtlich des Klägers rechtsunwirksam und nichtig. Der Kläger sei (bereits) zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses Mieter der Wohnung gewesen; er benötige diese zur Befriedigung seines dringenden Wohnbedürfnisses. Die beklagte Partei beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Der Vergleich und ebenso auch die Exekutionsbewilligung seien rechtskräftig geworden. Der Kläger habe die Wohnung nur als Familienangehöriger benützt. Der Vergleich habe daher auch nicht einer pflegschaftsbehördlichen Genehmigung bedurft. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Zur Zeit des Abschlusses des Räumungsvergleiches habe zwischen den Streitteilen ein Bestandvertrag nicht bestanden; der Kläger habe die Wohnung nur als Familienangehöriger der Mieter benützt. Mangels eigener Bestandrechte des Klägers habe der Vergleich keiner pflegschaftsbehördlichen Genehmigung bedurft.

Die zweite Instanz gab der Klage statt. Sie sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den sie entschieden habe, S 15.000,--, nicht jedoch S 300.000,-- übersteige, und daß die Revision gemäß § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zulässig sei. Die Aufgabe der Rechte eines Minderjährigen an einer mietengeschützten Wohnung gehöre nicht zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb iS des § 154 Abs 3 ABGB. Sie bedürfe ebenso der Genehmigung des Gerichtes iS des § 154 Abs 3 ABGB wie eine verfahrensrechtliche Verfügung, die den Verfahrensgegenstand an sich betreffe, also etwa ein Vergleich. Werde eine der in § 154 Abs 3 ABGB bezeichneten Vertretungshandlungen ohne pflegschaftsbehördliche Genehmigung vorgenommen, sei sie unwirksam. Bis zur Entscheidung über die Genehmigung sei allerdings der mit dem Minderjährigen abgeschlossene Vertrag (Vergleich) nicht rechtsunwirksam, sondern nur unvollkommen; während der Dauer der schwebenden Rechtswirksamkeit blieben die Parteien an den Vertrag, der erst durch die Versagung der Genehmigung seine Rechtswirksamkeit verliere, gebunden. Nach Erlöschen der Vormundschaft sei aber eine Genehmigung des Geschäftes nicht mehr möglich. Der am 28. August 1985 abgeschlossene Rämungsvergleich sei daher dem Kläger gegenüber rechtsunwirksam. Die Frage, ob der Kläger die Wohnung nur auf Grund eines familienrechtlichen Wohnverhältnisses oder auf Grund einer Mietrechtsabtretung nach § 12 Abs 1 MRG bewohnt habe und weiterhin bewohne, könne daher auf sich beruhen. Es sei auszusprechen gewesen, daß die Revision zulässig sei, weil den behandelten Fragen zur Wahrung der Rechtseinheit und Rechtssicherheit erhebliche Bedeutung zukomme.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der beklagten Partei ist unzulässig.

Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung der Sache in zutreffender Weise und im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vorgenommen.

Nach § 154 Abs 3 ABGB bedürfen Vertretungshandlungen und Einwilligungen eines Elternteils in Vermögensangelegenheiten zu ihrer Rechtswirksamkeit der Zustimmung des anderen Elternteils und der Genehmigung des Gerichtes, soferne die Vermögensangelegenheiten nicht zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb gehören. In gleicher Weise bedarf der Vormund (als Vertreter eines unter Vormundschaft stehenden Minderjährigen) zur Vertretung in den Angelegenheiten des § 154 Abs (2 und) 3 ABGB der Genehmigung des Gerichtes (§ 245 ABGB). Die Aufgabe von Bestandrechten (MietSlg 7869, 7870 ua) und insbesondere die Aufgabe von Rechten an einer mietengeschützten Wohnung (SZ 35/57) gehört zu den Geschäften von größerer Wichtigkeit, die nicht zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb gehören, und bedarf daher der Genehmigung des Pflegschafts- (Vormundschafts-) Gerichts. Auch der Räumungsvergleich vom 28. August 1985, dem die Mutter und Vormünderin des damals mj. Klägers offensichtlich zugestimmt hat, wäre aus diesem Grund genehmigungspflichtig gewesen, zumal die Kündigung auch gegen den Kläger erhoben war und die darin enthaltene Behauptung, nur noch er benütze die Wohnung, seinen Eintritt in das Mietrecht nahelegte. Der Mangel der Genehmigung macht den Vertrag (Vergleich) noch nicht rechtsunwirksam; es liegt vielmehr zunächst ein unvollkommener ("hinkender") Vertrag iS des § 865 ABGB vor, der durch das nachträgliche Hinzutreten einer Rechtsbedingung, nämlich der Genehmigung, zu einem voll wirksamen Vertrag wird (Rummel in Rummel, ABGB, Rz 9 zu § 865); durch die Versagung der Genehmigung verliert der Vertrag seine Rechtswirksamkeit (MietSlg 19.007, SZ 51/149). Eine vormundschaftsgerichtliche Genehmigung des Räumungsvergleiches ist nicht erfolgt und wurde auch nicht beantragt. Nach Eintritt der Volljährigkeit des Pflegebefohlenen kann eine vormundschaftsgerichtliche Entscheidung über die Genehmigung oder Nichtgenehmigung des Vergleiches nicht mehr erfolgen. Von da an obliegt es dem volljährig Gewordenen, den Zustand schwebender Rechtswirksamkeit durch Genehmigung im Sinne der Vollwirksamkeit oder durch Nichtgenehmigung im Sinne der Wirkungslosigkeit des Vertrages zu beenden (EFSlg 51.238). Eine Genehmigung des Vergleiches durch den Kläger nach Eintritt der Volljährigkeit ist nicht erfolgt. Der Räumungsvergleich ist daher ihm gegenüber rechtsunwirksam.

Dieser Ausspruch besagt, wie das Berufungsgericht gleichfalls zutreffend dargelegt hat, nichts darüber, ob dem Kläger an der Wohnung, zu deren Räumung er sich in dem Verfahren 13 C 1079/84 des Erstgerichtes verpflichtet hat, Mietrechte zustehen. Die zweite Instanz hat sohin alle in dem Verfahren zu klärenden Rechtsfragen im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes behandelt und gelöst. Die Voraussetzung für eine Zulassung der Revision im Sinne des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO liegen nicht vor. Die Revision war daher als unzulässig zurückzuweisen. Der Kläger hat in der von ihm erstatteten Revisionsbeantwortung auf diese Unzulässigkeit nicht hingewiesen. Es gebühren ihm daher hiefür keine Kosten (§§ 40, 50 ZPO).

Anmerkung

E19474

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0030OB00615.89.1213.000

Dokumentnummer

JJT_19891213_OGH0002_0030OB00615_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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