TE OGH 1989/12/14 7Ob685/89

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Veröffentlicht am 14.12.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien Christa und Robert S***, Makler, Badgastein, Kaiser Franz Josef-Straße 19, beide vertreten durch Dr. Rupert Wolff, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Elisabeth W***, Kunsthändlerin, Wien 1., Wipplingerstraße 20, vertreten durch Dr. Anton und Dr. Arno Gruber, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 145.695,14 sA (Revisionsstreitwert S 114.741,24 sA), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgerichtes vom 20. Juli 1989, GZ 21 R 13/89-27, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Gastein vom 23. November 1988, GZ 1 C 93/87-20, in der Hauptsache bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden im Ausspruch über die Gegenforderung, im Leistungsausspruch sowie im Kostenpunkt (d.s. die Punkte 2., 3. und 5. des Ersturteils, letzterer in der Fassung der Entscheidung des Berufungsgerichtes) aufgehoben.

Die Rechtssache wird im Umfang der Aufhebung zur Verfahrensergänzung und neuen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Beklagte war bis 30. Juni 1987 Mieterin eines Geschäftslokals und einer Wohnung im Hause der Kläger in Badgastein. Die Kläger begehren einen Mietzinsrückstand und Heizungskosten von zusammen S 145.695,14 sA. Gegen die Klagsforderung und bis zu deren Höhe wendet die Beklagte aufrechnungsgweise eine Gegenforderung aus Aufwendungen für das Bestandobjekt von S 346.001,- ein. Das Erstgericht sprach aus, daß die Klagsforderung mit

S 114.741,24 zu Recht (Punkt 1. des Ersturteils) und die Gegenforderung nicht zu Recht besteht (Punkt 2. des Ersturteils). Es gab demgemäß dem Klagebegehren mit S 114.741,24 sA statt (Punkt 3. des Ersturteils) und wies das Mehrbegehren von S 30.953,90 sA ab (Punkt 4. des Ersturteils). Es sprach den Klägern S 31.540,49 an Prozeßkosten zu (Punkt 5. des Ersturteils). Das Erstgericht stellte die Heizkosten für den strittigen Zeitraum fest und sprach den Klägern diese sowie den nicht strittigen Mietzinsrückstand zu. Über die Gegenforderung traf das Erstgericht keine Feststellungen und stützte den urteilsmäßigen Ausspruch auf die im Verfahren 1 C 1180/87 des Erstgerichtes "angestellten Erwägungen". In jenem Verfahren hatte die Beklagte (die Bezeichnung der Parteien folgt ihrer Parteistellung im vorliegenden Rechtsstreit) mit der am 30. November 1987 beim Erstgericht eingelangten Klage den Ersatz von Aufwendungen für das Bestandobjekt in Höhe von

S 400.000,- geltend gemacht. Die Kläger hatten unter anderem Verzicht auf den Aufwandersatz eingewendet. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Nach seinen Feststellungen enthält der Bestandvertrag vom 19. September 1960 unter anderem folgende Vereinbarungen:

"IV. 2: Der erforderliche Einbau einer Heizung in den Geschäftsraum ..... wird von den Mietern auf deren Kosten vorgenommen. Ein allenfalls von den Mietern eingebauter Öltank sowie in das Mauerwerk eingebaute Leitungen gehen in das Eigentum der Bestandgeber über; bewegliche Sachen können von den Mietern entfernt werden.

IV. 3: Die Vermieter gestatten den Mietern die bauliche Umgestaltung der im Zwischenstock gemieteten Räume ..... zu einer Wohnung und übernehmen die Mieter die Verpflichtung, diesen planmäßig auf ihre Kosten durchzuführen.

IV. 6: Alle in den Bestandräumen erforderlich werdenden Reparaturen haben die Mieter auf ihre Kosten durchzuführen."

"Schon bald nach Abschluß des Bestandvertrages wandelten die Mieter, die Eltern und Rechtsvorgänger der Beklagten, entsprechend der ihnen vertraglich eingeräumten Ermächtigung das Bestandobjekt in ein Geschäftslokal samt Schau- und Lagerräumen sowie in eine Wohnung um, wobei sie in den Jahren 1960/61 Arbeiten im Gesamtbetrag von S 188.977,56 vornehmen ließen. Die Klägerin ließ im Jahre 1981 eine Zentralheizung installieren, das Badezimmer einrichten und verfliesen, die Küche verschalen, Zwischendecken anbringen und Spannteppiche legen; die Arbeiten erforderten einen Aufwand von insgesamt S 410.291,33. Bezüglich der kleineren Arbeiten wie im Badezimmer und in der Küche holte die Beklagte keine Genehmigung der Kläger ein. Der Einbau der Heizung wurde ihr über ihr Ersuchen entsprechend dem Vertrag vom 19. September 1960 gestattet. Dabei wurde über Kosten und Kostenersatz nicht gesprochen, obwohl hiebei zwischen den Streitteilen ein Dissens insofern bestand, als die Beklagte den Vertrag so verstand, daß die Kostentragung durch die Bestandnehmer nur vorläufig erfolge und von den Bestandgebern nach Beendigung des Bestandverhältnisses Ersatz zu leisten sei. Bei Räumung des Bestandobjektes durch die Beklagte am 30. Juni 1987 war von Aufwandersatz nicht die Rede. Es wurde lediglich der Beklagten von den Klägern freigestellt, die beweglichen Teile der Heizung mitzunehmen, wovon die Beklagte jedoch nicht Gebrauch machte. In seiner rechtlichen Beurteilung vertrat das Erstgericht die Ansicht, ein Ersatz der Aufwendungen nach § 10 MRG sei präkludiert. Die Bestimmungen der §§ 1097, 1036 ABGB schieden als Anspruchsgrundlage aus, weil es sich bei den Investitionen nicht um Ausbesserungen handle. Ein Ersatzanspruch nach den §§ 1097, 1037 ABGB werde durch die Punkte IV. 2. bis IV. 6. des Bestandvertrages ausdrücklich ausgeschlossen.

Das Berufungsgericht bestätigte in jenem Verfahren die Entscheidung des Erstgerichtes aus dessen Gründen.

Der Oberste Gerichtshof hob die Entscheidungen der Vorinstanzen auf. Er teilte die Rechtsansicht der Vorinstanzen, daß ein allfälliger Anspruch der Beklagten auf Aufwandersatz nach § 10 MRG gemäß dessen Abs.4 Z 3 (der Räumungstitel war, am 14. Februar 1987 in Rechtskraft erwachsen) verfristet sei. Nicht erloschen sei dagegen ein allfälliger Anspruch nach § 1097 ABGB. Außerhalb des Anwendungsbereiches des § 10 MRG sei aber ein Verzicht auf den Ersatz von Aufwendungen zulässig. Die Vereinbarungen gemäß Punkt IV. 2., 3. und 6. des Bestandvertrages vom 19. 9. 1960 könnten nach ihrem Wortlaut nur als Verzicht auf einen Ersatz der Aufwendungen verstanden werden. Aus dem Vorbringen der Beklagten ergebe sich aber die Behauptung einer vom objektiven Erklärungswert des Bestandvertrages abweichenden Parteienvereinbarung. Insoweit sei das Verfahren mangels Feststellungen ergänzungsbedürftig. Das Ersturteil im vorliegenden Rechtsstreit erwuchs im Ausspruch über die Klagsforderung (Punkt 1. des Ersturteils) und in seinem abweislichen Teil (Punkt 4. des Ersturteils) in Rechtskraft. Im übrigen bestätigte das Berufungsgericht das Ersturteil und erklärte die Revision für zulässig.

Das Berufungsgericht vertrat auch hier unter Hinweis auf die inzwischen im Parallelprozeß ergangene Entscheidung des Obersten Gerichtshofs (7 Ob 523/89) die Auffassung, daß ein allfälliger Anspruch der Beklagten auf Aufwandersatz nach § 10 MRG gemäß dessen Abs. 4 Z 3 verfristet sei. Auch in der Beurteilung der im Bestandvertrag getroffenen Vereinbarung über die Investitionen folgte die zweite Instanz der im Parallelprozeß vom Obersten Gerichtshof ausgesprochenen Rechtsansicht, daß nach dem Wortlaut des Bestandvertrages ein Verzicht auf den Ersatz der Aufwendungen anzunehmen sei. Anders als im Parallelprozeß hätten aber die Parteien hier eine vom Wortlaut des Bestandvertrages abweichende Vereinbarung nicht behauptet. Der Verzicht auf den Aufwandersatz, den die Beklagte als Rechtsnachfolgerin der Bestandnehmer gegen sich gelten lassen müsse, sei von Amts wegen zu berücksichtigen, weil die Auslegung von echten, in ihrem Wortlaut feststehenden Urkunden in das Gebiet der rechtlichen Beurteilung gehöre. Daß das Erstgericht hier keine Feststellungen über den Inhalt der Vertragsurkunde getroffen habe, schade nicht, weil der Inhalt einer als echt anerkannten Urkunde als festgestellt gelte. Im vorliegenden Fall könne die Auslegung des Mietvertrages objektiv nur aus dem Text der Urkunde selbst erfolgen. Danach sei aber im Sinne der Rechtsansicht des Obersten Gerichtshofs im Parallelprozeß ein Verzicht der Bestandnehmer auf den Ersatz von Aufwendungen anzunehmen.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revision der Beklagten ist berechtigt.

Die Gerichtstätigkeit der Sammlung des Prozeßstoffes bestimmt wesentlich der Streitgegenstand, also das Klagebegehren und die Tatsachen, auf die sich das Begehren stützt. Der Streitgegenstand zieht dem Recht und der Pflicht des Gerichtes, den Sachverhalt festzustellen, die Grenzen. Das Gericht hat sich auf den aus dem Parteienvorbringen hervorgehenden Streitgegenstand zu beschränken (RZ 1979/16). Auch im Rahmen der bei gesetzmäßig ausgeführter Rechtsrüge gebotenen Überprüfung der rechtlichen Beurteilung nach allen Richtungen ist das Rechtsmittelgericht an den von den Parteien vorgetragenen Sachverhalt gebunden (Fasching IV 323). Im vorliegenden Fall haben die Kläger einen Verzicht der Bestandnehmer auf den Ersatz von Aufwendungen nicht behauptet und in dieser Richtung auch kein Sachvorbringen erstattet. Dem Berufungsgericht war es dann aber im Sinne der obigen Darlegungen verwehrt, die Frage eines Verzichtes zu prüfen. Dem Standpunkt des Berufungsgerichtes, daß der Inhalt einer als echt anerkannten Urkunde als festgestellt gelten könne, ist entgegenzuhalten, daß sogenannte "überschießende" Feststellungen nur insoweit zu berücksichtigen sind, als sie in den Rahmen des geltend gemachten Klagegrundes oder der erhobenen Einrede fallen (SZ 21/123; JBl. 1964, 208; 2 Ob 62/81). Eine abschließende Beurteilung ist jedoch nicht möglich, weil über die geltend gemachte Gegenforderung jegliche Feststellungen fehlen. Aus den Bestimmungen der §§ 272, 417 ZPO ergibt sich, daß die Entscheidungsgründe eines Urteils die für die Entscheidung erforderlichen Tatsachenfeststellungen enthalten müssen (RZ 1971, 15). Eine Verweisung auf die Begründung eines bereits ergangenen Urteils in einem zwischen gleichen Beteiligten geführten Parallelprozeß ist unzulässig (Fasching aaO 139). Auch auf der Basis der Feststellungen im Parallelprozeß wäre eine abschließende Beurteilung nicht möglich, weil danach nicht beurteilt werden könnte, ob ein klarer und überwiegender Vorteil vorliegt (vgl. RZ 1989/4).

Demgemäß ist der Revision Folge zu geben.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs.1 ZPO.

Anmerkung

E19546

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0070OB00685.89.1214.000

Dokumentnummer

JJT_19891214_OGH0002_0070OB00685_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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