TE OGH 1989/12/19 11Os120/89 (11Os121/89)

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Veröffentlicht am 19.12.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 19.Dezember 1989 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, Dr. Hörburger, Dr. Felzmann und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Lassmann als Schriftführerin in der Strafsache gegen Gottfried P*** wegen des Verbrechens des räuberischen Diebstahls nach den §§ 127, 131, erster Fall, StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Schöffengericht vom 3.April 1989, GZ 12 E Vr 1.714/88-17, und über die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt als Schöffengericht vom 3.April 1989, GZ 12 E Vr 1.714/88-17, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Tschulik, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben und es werden

A) das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Punkt 2 des Schuldspruches und im Strafausspruch sowie

B) der gleichzeitig mit dem Urteil ergangene Beschluß auf

Widerruf der bedingten Nachsicht der mit dem Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 19.Jänner 1987, GZ 9 E Vr 2.570/86-6, verhängten Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Monaten aufgehoben und die Sache an das Erstgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung zurückverwiesen. Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. Die Staatsanwaltschaft mit ihrer Berufung und der Angeklagte mit seiner Berufung sowie seiner Beschwerde werden auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Gottfried P*** des Verbrechens des räuberischen Diebstahls nach den §§ 127, 131, erster Fall, StGB (1/) und des Vergehens des fahrlässigen Ansichbringens, Verheimlichens oder Verhandelns von Sachen nach dem § 165 StGB (2/) schuldig erkannt. Von einem weiteren Anklagefaktum wurde er gemäß dem § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Den Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit Nichtigkeitsbeschwerde unter Geltendmachung der Nichtigkeitsgründe der Z 5 a und 10 des § 281 Abs. 1 StPO.

Laut Punkt 1/ des Urteilsspruchs nahm der Angeklagte am 26. Februar 1988 Verfügungsberechtigten des DM-Marktes Villach eine Packung Pampers-Windeln im Wert von 154 S und eine Packung B***-Kindernahrung im Wert von 124 S mit dem Vorsatz weg, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei er bei seiner Betretung auf frischer Tat Gewalt gegen eine Person anwendete und sie mit einer gegenwärtigen Gefahr für Leib und Leben bedrohte, um sich die weggenommenen Sachen zu erhalten, indem er die ihn am Oberarm erfassende Hildegard T*** von sich stieß und äußerte, er werde ihr "eine auflegen", wenn sie ihn nicht sofort in Ruhe lasse. Zu diesem Teil des Schuldspruchs wendet sich der Beschwerdeführer aus dem Nichtigkeitsgrund der Z 10 des § 281 Abs. 1 StPO gegen die Annahme der Qualifikation des § 131, erster Fall, StGB mit der Begründung, er habe weder gegen Hildegard T*** Gewalt angewendet, noch sie mit einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben bedroht.

Rechtliche Beurteilung

Richtig ist, daß mit der Äußerung des Angeklagten zu dieser Angestellten des DM-Marktes, er werde "ihr eine auflegen", kein Übel an Leib oder Leben, sondern bloß eine körperliche Mißhandlung in Aussicht gestellt wurde, die nicht einmal einer einfachen Drohung im Sinn des § 74 Z 5 StGB, geschweige denn einer qualifizierten Drohung entspricht (vgl. Kienapfel BT II2, § 142 StGB, Rz 47). Nach den Urteilsfeststellungen bediente sich der Angeklagte aber physischer Gewalt, indem er Hildegard T***, die ihn nach Betreten auf frischer Tat am Oberarm festzuhalten suchte, von sich stieß (vgl. S 88, 89 dA). Auf Grund seines alkoholisierten Zustandes und seiner die Gewaltausübung begleitenden Drohworte erweckte er dabei den Eindruck, er sei entschlossen, einen ihm entgegenstehenden Widerstand zu brechen. Damit hat die sich im Gesamtverhalten manifestierende Gewalt, die zudem gegen eine anhaltungsberechtigte Person gerichtet war (§ 86 Abs. 2 StPO), die Erheblichkeitsschwelle bereits deutlich überschritten (vgl. Kienapfel, BT II2, § 131 StGB, Rz 19). Sie genügt daher den Voraussetzungen des § 131 StGB. Dem Erstgericht unterlief sohin beim Schuldspruch wegen räuberischen Diebstahls im Ergebnis kein Subsumtionsirrtum. Die verfehlte Heranziehung des (weiteren) Qualifikationsmerkmals der Bedrohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben neben der rechtlich gleichwertigen, tatsächlich vorliegenden Begehungsform der Gewalt stellt sich bei dem alternativen Mischdelikt des § 131 StGB nicht als Nichtigkeit (Z 10) dar (vgl. EvBl. 1970 Nr. 218; SSt. 53/47 ua), so daß es auch an einem rechtlichen Interesse des Angeklagten an einer entsprechenden Richtigstellung des Spruches der angefochtenen Entscheidung mangelt.

Laut Punkt 2/ des Urteilsspruchs liegt dem Angeklagten zur Last, zwischen Juli 1987 und August 1988 ein Damenfahrrad, Marke Torpedo Sport, im Wert von ca. 2.000 S des Siegfried S***, das ein anderer durch Diebstahl erlangt hatte, fahrlässig an sich gebracht zu haben. Das Erstgericht ging hiebei einerseits davon aus, daß der Angeklagte dieses Fahrrad nicht selbst dem Eigentümer gestohlen hatte, daß er aber bei gehöriger Aufmerksamkeit die unredliche Herkunft hätte erkennen können, weil es in dem von ihm gemeinsam mit einer zweiten Familie benützten Keller abgestellt war; andererseits wurde als erwiesen angenommen, daß der Angeklagte über das Damenfahrrad in der Weise verfügte, daß er seinem Nachbarn im Jahr 1988 ein Vorderrad zur Befestigung an dessen eigenem Rad lieh, und das Fahrrad bei seiner bevorstehenden Delogierung mitnehmen wollte.

Nach Ansicht des Beschwerdeführers bestehen gegen die Richtigkeit dieser dem Ausspruch über die Schuld zugrundegelegten Tatsachen erhebliche Bedenken (§ 281 Abs. 1 Z 5 a StPO). In diesem Punkt erweist sich die (der Sache nach auch Fehler rechtlicher Art aufzeigende) Beschwerde im Ergebnis als berechtigt. Beim Tatbestand des § 165 StGB erfordert die Annahme einer Fahrlässigkeit, daß auf Grund konkreter Gegebenheiten aus der Sicht eines besonnenen und einsichtigen Menschen in der Lage des Täters der reale Verdacht und nicht bloß die theoretisch abstrakte Möglichkeit besteht, daß die Sache, die an sich gebracht wird, aus einer strafbedrohten Handlung gegen fremdes Vermögen stammt (vgl. ÖJZ-LSK 1984/80 zu § 165 StGB).

Auf solche bestimmte Tatumstände, welche eine nach der Aktenlage tragfähige und logisch einwandfreie Grundlage für die Annahme boten, es sei für den leugnenden Angeklagten erkennbar gewesen, daß das im - zeitweise mit einer zweiten Familie benützten - Keller deponierte Damenfahrrad diebischer Herkunft war, konnte sich das Erstgericht indes nicht stützen.

Hiezu kommt, daß es an einer der im § 164 Abs. 1 Z 1 und 2 StGB strafbedrohten Handlung gebrechen würde, falls die Wegnahme des Fahrrades - sofern es sich im fremden Gewahrsam oder zumindest Mitgewahrsam, etwa der Gertraud M***, befand und nicht etwa derelinquiert war - mit einem Gewahrsamsbruch verbunden gewesen sein sollte; erfaßt das Ansichbringen iS der §§ 164 Abs. 1 Z 2, 165 StGB doch nur den Erwerb des Gewahrsams an einer Sache, nicht aber die Erlangung fremden Gutes durch Gewahrsamsbruch (vgl. Foregger-Serini, StGB4 § 164 Erl. II 2). In einem solchen Fall käme nur Diebstahl - im Fall einer Sachzueignung unter den Voraussetzungen des § 134 Abs. 1 StGB ohne Gewahrsamsbruch allenfalls auch Unterschlagung - in Betracht, doch müßte dann der Vorsatz hinzutreten, sich oder einen Dritten durch Zueignung der Sache unrechtmäßig zu bereichern.

Es zeigt sich also, daß die erstgerichtlichen Tatsachenfeststellungen unzulänglich sind und eine abschließende materiellrechtliche Beurteilung der Sache zu Punkt 2/ des Urteilsspruchs nicht zulassen (Z 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO). Dies hat zur Folge, daß nicht nur dieser Teil des Schuldspruchs (samt Strafausspruch) aufgehoben werden muß, sondern auch dem vom Angeklagten mit Beschwerde angefochtenen Beschluß des Gerichtes, die bedingte Nachsicht der mit dem Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 19.Jänner 1987, GZ 9 E Vr 2.570/86-6, verhängten Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Monaten gemäß dem § 494 a Abs. 1 Z 4 StPO zu widerrufen, der Boden entzogen ist (vgl. 15 Os 96, 97/88, 11 Os 147, 154/88).

Im Fall eines Schuldspruchs wegen eines mit strengerer Strafe als nach dem § 165 StGB bedrohten Delikts im erneuerten Verfahren wäre bei Ausmessung der Strafe auf das Verschlimmerungsverbot zu achten.

Bemerkt wird ferner, daß § 165 StGB ausschließlich eine Geldstrafe androht. Trifft dieses Delikt mit einem mit Freiheitsstrafe bedrohten zusammen, so muß jedenfalls eine Geldstrafe verhängt und mit der für die zusammentreffende Tat ausgesprochenen Freiheitsstrafe kumuliert werden (vgl. ÖJZ-LSK 1976/376 zu § 28 StGB).

Es waren daher das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt zu bleiben hatte, im Punkt 2/ des Schuldspruchs sowie im Strafausspruch und der gleichzeitig mit dem Urteil ergangene Beschluß auf Widerruf einer bedingten Strafnachsicht aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung in diesem Umfang an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Im übrigen war die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten zu verwerfen.

Mit ihren Berufungen waren der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung zu verweisen. Ebenso war der Angeklagte mit seiner Beschwerde gegen den Widerrufsbeschluß auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

Anmerkung

E19401

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0110OS00120.89.1219.000

Dokumentnummer

JJT_19891219_OGH0002_0110OS00120_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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