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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
BAO §245 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Fuchs, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Keidel LL.M., über die Beschwerde der Mag. ER in W, vertreten durch Dr. Franz Burgemeister und Mag. Christian Alberer, Rechtsanwälte in 3400 Klosterneuburg, Kierlinger Straße 12, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat Vb) vom 23. Mai 2000, Zl. RV/257-16/13/2000, betreffend Einkommensteuer für das Jahr 1997, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von 1.172,88 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
An die Beschwerdeführerin erging ein mit 7. Februar 2000 datierter Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1997, in dem u.a. sonstige Einkünfte der Beschwerdeführerin aus einem Spekulationsgeschäft nach § 30 EStG 1988 (betreffend den im Jahr 1997 erfolgten Verkauf einer im Jahr 1990 angeschafften Liegenschaft) in Höhe von 472.590 S ausgewiesen waren. In einer ebenfalls mit 7. Februar 2000 datierten (und am 8. Februar 2000 versandten) gesonderten Bescheidbegründung wurde ausgeführt, warum das Finanzamt entgegen dem Vorbringen der Beschwerdeführerin erklärte Ausgaben für die Kreditfinanzierung des Grundstückserwerbes nicht als Werbungskosten bei den sonstigen Einkünften berücksichtigte.
In den vorgelegten Verwaltungsakten befindet sich ein (mit einem Handzeichen versehener) Aktenvermerk vom 8. März 2000 mit folgendem Inhalt: "lt. Telefon Rücksprache mit Steuerberater wird die RM-Frist bis 8.5.00 verlängert". Des Weiteren findet sich ein Aktenvermerk vom 8. Mai 2000, der folgenden Wortlaut hat: "Infolge Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Unterlagen von der Bank wird die RM-Frist bis 8.6.00 verlängert".
Nach dem weiteren Inhalt der Verwaltungsakten stellte die Beschwerdeführerin (vertreten durch einen Wirtschaftstreuhänder) mit Schriftsatz vom 30. Mai 2000 (beim Finanzamt eingelangt am 31. Mai 2000) ein Ansuchen um Verlängerung der Frist zur Einbringung eines Rechtsmittels gegen den Einkommensteuerbescheid 1997 bis 30. Juni 2000 (zur Begründung werde auf das "heutige Telefonat" mit Frau W. hingewiesen). Eine bescheidmäßige Erledigung dieses Fristverlängerungsansuchens ist nicht aktenkundig.
Über die sodann mit Schreiben vom 7. Juni 2000 (beim Finanzamt eingelangt am 8. Juni 2000) erhobene Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid 1997 vom 7. Februar 2000, die mit einem Schriftsatz der Beschwerdeführerin vom 13. Juli 2000 hinsichtlich der Begründung ergänzt wurde, entschied die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid (meritorisch) dahingehend, dass die Berufung als unbegründet abgewiesen wird (mangels Nachweises eines ursächlichen Zusammenhanges der Finanzierungskosten mit dem Erwerb des in Rede stehenden Grundstückes seien die geltend gemachten Werbungskosten nicht anzuerkennen).
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 245 Abs. 1 BAO beträgt die Berufungsfrist einen Monat. Die Berufungsfrist kann nach § 245 Abs. 3 BAO aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erforderlichenfalls auch wiederholt, verlängert werden. Durch einen Antrag auf Fristverlängerung wird der Lauf der Berufungsfrist gehemmt.
Ein Antrag auf Verlängerung der Berufungsfrist nach § 245 Abs. 3 BAO ist ein Anbringen zur Geltendmachung von Rechten im Sinne des § 85 Abs. 1 BAO (vgl. Ritz, BAO3, § 245 Tz 12). Diese Bestimmung sieht telefonische Anbringen nicht vor, sodass telefonische Mitteilungen auch keine "mündlichen" Anbringen im Sinne des § 85 BAO sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 31. März 2005, 2004/15/0089, auf dessen Entscheidungsgründe nach § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird).
Wie jede andere verlängerbare Frist darf auch die Erstreckung der Berufungsfrist nach § 245 Abs. 3 BAO nur über ein vor ihrem Ablauf gestelltes Ansuchen erfolgen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1996, 93/15/0192, mwN). Im Beschwerdefall lag nach dem Inhalt der Verwaltungsakten vor dem Ablauf der Berufungsfrist hinsichtlich des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 1997 weder ein schriftliches noch ein mündliches Ansuchen um Erstreckung der Berufungsfrist vor. Mit dem oben wiedergegebenen Aktenvermerk vom 8. März 2000 wurde vielmehr lediglich eine "telefonische Rücksprache" beurkundet (auch dem weiteren - schon nach Ablauf der Berufungsfrist verfassten - Aktenvermerk vom 8. Mai 2000 betreffend eine weitere "Verlängerung" der Rechtsmittelfrist bis 8. Juni 2000 lag offensichtlich nur ein Telefongespräch zu Grunde).
Lag damit aber kein vor Ablauf der Berufungsfrist im Sinne des § 245 Abs. 3 iVm § 85 BAO wirksam gestellter Antrag auf Erstreckung der Berufungsfrist vor, konnte solcherart auch der Lauf der Berufungsfrist nach § 245 Abs. 3 zweiter Satz BAO nicht gehemmt werden. Eine telefonische Mitteilung (wonach lt. "telefonischer Rücksprache" die Rechtsmittelfrist verlängert werde) stellt auch keinen für eine Bescheiderlassung hinreichenden Formalakt dar (vgl. abermals das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1996, 93/15/0192), sodass auch nicht durch eine rechtsgestaltende Bescheidwirkung (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 8. März 1994, 91/14/0026) eine Fristverlängerung eintrat.
Lag somit im Beschwerdefall weder ein fristgerecht (vor Ablauf der Berufungsfrist gegen den Einkommensteuerbescheid vom 7. Februar 2000) eingebrachtes wirksames Fristverlängerungsansuchen nach § 245 Abs. 3 BAO noch ein Bescheid vor, mit dem die Berufungsfrist rechtswirksam verlängert worden wäre, erweist sich die mit Schriftsatz vom 7. Juni 2000 eingebrachte Berufung als außerhalb der Berufungsfrist bei der Abgabenbehörde erster Instanz eingelangt.
Nach § 273 Abs. 1 lit. b BAO hat die Abgabenbehörde erster Instanz eine Berufung, die gegen einen von ihr erlassenen Bescheid eingebracht worden ist, durch Bescheid zurückzuweisen, wenn die Berufung nicht fristgerecht eingebracht wurde.
Gemäß § 278 BAO (in der Fassung vor dem AbgRmRefG, BGBl. I Nr. 97/2002) hat die Abgabenbehörde zweiter Instanz zu prüfen, ob ein von der Abgabenbehörde erster Instanz nicht aufgegriffener Grund zur Zurückweisung der Berufung vorliegt. Ist ein solcher Grund gegeben, so hat die Abgabenbehörde zweiter Instanz die Zurückweisung mit Bescheid auszusprechen.
Die Berufung der Beschwerdeführerin wäre daher richtigerweise gemäß § 278 iVm § 273 Abs. 1 lit. b BAO zurückzuweisen gewesen. Die belangte Behörde überschritt dadurch, dass sie über die Berufung der Beschwerdeführerin in der Sache entschied, die Grenzen ihrer Zuständigkeit (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. März 1982, 2209/79).
Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben, wobei diese Rechtswidrigkeit vom Verwaltungsgerichtshof auch von Amts wegen aufzugreifen war (vgl. Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S. 581).
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft die gesondert geltend gemachte Umsatzsteuer, die im pauschalierten Schriftsatzaufwand bereits enthalten ist.
Wien, am 17. November 2005
Schlagworte
Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2001130279.X00Im RIS seit
25.12.2005Zuletzt aktualisiert am
21.05.2013