Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Gamerith, Dr.Kodek, Dr.Niederreiter und Dr.Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V*** ZUR B*** U*** W***, Wien 1, Hofburg, Kongreßzentrum,
vertreten durch Dr.Herwig Hauser, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei B*** Parfümerien Gesellschaft mbH, Wr. Neudorf, Industriezentrum NÖ-Süd, Straße 3, Objekt 16, vertreten durch Dr.Kurt Waneck, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 300.000,--) infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 21. September 1989, GZ 2 R 169/89-10, womit der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 15.Juni 1989, GZ 37 Cg 119/89-6, abgeändert wurde, den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung vorläufig, die beklagte Partei die Kosten des Revisionsrekurses endgültig selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Die Beklagte betreibt in Österreich in 157 Filialen den Handel mit Waren aller Art, insbesondere auch mit Fotoartikeln. In der "Neuen Kronen-Zeitung" vom 29.September, 9.Oktober und vom 30. Oktober 1988 hatte sie eine Doppelpackung "K***-Kleinbildfilm GA 135-24" zum Preis von S 99,-- (statt S 119,80) angekündigt. Am
4. und 8.Dezember 1988 bot sie in dieser Tageszeitung die gleichen Doppelpackungen um nur S 57,80 statt S 99,-- an. Sie hat diese Filmdoppelpackungen auch tatsächlich um S 57,80 verkauft. Die Höhe ihres Einstandspreises für eine solche Packung steht nicht fest. Die Beklagte kauft bei K***-Österreich zu günstigeren als den in der allgemeinen Preisliste dieses Unternehmens (Beilage E) angegebenen Preisen ein; der dort für einen Film GA 135-24 Kodacolor 100 mit S 46,70 (ohne Umsatzsteuer) angeführte "Basis-Preis" hat daher für sie keine Gültigkeit. Die Beklagte konnte aber die in ihrer Werbung vom 4. und 8.Dezember 1988 angekündigten Filmdoppelpackungen bei K***-Österreich im Jahr 1988 nicht zu einem so geringen Preis erwerben, daß der Verkaufspreis um
S 57,80 über dem Einstandspreis zuzüglich Umsatzsteuer und anderer beim Verkauf anfallender Abgaben gelegen wäre.
Im Fotohandel ist es üblich, für Filmmaterial mit einem Ablaufdatum bis zu einem Jahr einen Preisnachlaß zu gewähren; überdies ist es handelsüblich, bei Mehrfachpackungen - beginnend mit der Doppelpackung - gegenüber dem Preis des Einzelfilms einen Nachlaß zu gewähren.
Mit der Behauptung, daß die Beklagte zumindest im Dezember 1988 die Filmdoppelpackungen unter dem Einstandspreis von S 98,64 (einschließlich Umsatzsteuer) angeboten und verkauft habe, begehrt der klagende Wettbewerbsverband, zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu verbieten, Kleinbildfilme, insbesondere der Marke "K*** GA 135-24 Bilder" in Form einer Doppelpackung zum oder unter dem Einstandspreis zuzüglich der Umsatzsteuer und aller sonstiger Abgaben, die beim Verkauf anfallen, zu verkaufen oder zum Verkauf anzubieten.
Die Beklagte beantragt die Abweisung des Sicherungsbegehrens. K***-Österreich habe ihr auf Grund der abgenommenen Mengen, der lange dauernden Geschäftsbeziehung und der von der Beklagten wiederholt vorgenommenen, für K***-Österreich werbewirksamen Präsentation von K***rtikeln gesetzlich zulässige Konditionen und Preisnachlässe eingeräumt, so daß ihr Einstandspreis niedriger als der vom Kläger als üblich bezeichnete Preis sei. Die Beweislast für einen Verstoß gegen § 3a NVG treffe den Kläger und nicht die Beklagte.
Der Erstrichter wies den Sicherungsantrag ab. Er nahm noch als bescheinigt an, daß die Beklagte die im Dezember 1988 angekündigten Filme im August 1988 in größerer Menge im Ausland und nicht bei K***-Österreich eingekauft und in der Folge gewinnbringend verkauft habe. Die Klägerin habe somit den für die Beklagte gültigen Einstandspreis nicht beweisen können. Eine Verschiebung der Bescheinigungslast finde nicht statt; auch die Regeln über den Anscheinsbeweis könnten nicht angewendet werden, weil es keinen typischen Einstandspreis gebe. Das Gericht sei nicht verpflichtet, die "Beweisnöte" des Unterlassungsklägers dadurch zu lösen, daß es der Beklagten eine gesetzlich nicht geregelte prozessuale Mitwirkungspflicht auferlege. Die Beklagte habe sich zu Recht unter Berufung auf das Geschäftsgeheimnis geweigert, dem Gericht ihren Einstandspreis bekanntzugeben.
Das Rekursgericht erließ die einstweilige Verfügung und sprach aus, daß der Wert des Beschwerdegegenstandes S 15.000,--, nicht aber S 300.000,-- übersteige und der Revisionsrekurs zulässig sei. Es übernahm die Feststellung des Erstrichters, daß die Beklagte die im Dezember 1988 angebotenen Filme im Ausland und nicht bei K***-Österreich eingekauft und gewinnbringend verkauft habe, nicht; statt dessen nahm es als bescheinigt an:
Zwischen der Beklagten und K***-Österreich besteht eine dauernde Geschäftsbeziehung. Die Beklagte hat zumindest einen Teil der Filme, die sie im Dezember 1988 zu S 57,80 angeboten und verkauft hat, bei K***-Österreich eingekauft. Ihr Verkaufspreis lag unter dem Preis, den K***-Österreich üblicherweise für solche Filme Abnehmern verrechnet, die der Beklagten vergleichbar sind. Die vom Kläger begehrte Feststellung, daß zumindest ein Teil der beworbenen Filme unter dem Einstandspreis verkauft wurde, könne jedoch nicht getroffen werden.
Rechtlich meinte das Rekursgericht, daß eine Verschiebung der Beweislast auf den Beklagten nicht in Frage komme, weil es diesem nach Treu und Glauben nicht zumutbar sei, seinen Einkaufspreis, bei dem es sich um ein Geschäftsgeheimnis handle, preiszugeben. Wohl aber seien die Regeln über den Anscheinsbeweis anzuwenden: Danach könne vom Kläger zumindest der Nachweis verlangt werden, daß der Verkaufspreis des Beklagten abzüglich Umsatzsteuer und sonstiger Abgaben unter dem üblichen Verkaufspreis des Lieferanten der betreffenden Ware liege. Das habe der Kläger im vorliegenden Fall bescheinigt; der Beklagten sei es hingegen nicht gelungen, die ernste Möglichkeit eines atypischen Ablaufes zu bescheinigen. Es sei daher davon auszugehen, daß die Beklagte mit dem Verkaufspreis von S 57,80 den Einstandspreis unterschritten und damit dem § 3a NVG zuwidergehandelt habe. Damit habe sie zugleich gegen § 1 UWG verstoßen. Das Rekursgericht könne auch die von der Beklagten gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 3a NVG vorgetragenen Bedenken nicht teilen, sei doch weder eine Verletzung des Gleichheitsgebotes noch ein unzulässiger Eingriff in das Eigentumsrecht zu erkennen. Gegen diesen Beschluß wendet sich der Revisionsrekurs der Beklagten wegen Mangelhaftigkeit, Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die Entscheidung des Erstrichters wiederherzustellen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Kläger beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.
Die Rechtsmittelgründe der Mangelhaftigkeit und der Aktenwidrigkeit liegen nicht vor (§ 510 Abs 3, § 528a ZPO). Bemerkt sei bloß, daß nach ständiger Rechtsprechung im Provisorialverfahren, für das der Unmittelbarkeitsgrundsatz nicht gilt (§§ 55, 402 EO), das Rekursgericht an die Beweiswürdigung des Erstgerichtes nicht gebunden ist und daher auch zu anderen oder weiteren Feststellungen gelangen kann als die erste Instanz (ÖBl 1989, 39 mwN). Bei der Behandlung der Rechtsrüge ist somit von dem Sachverhalt auszugehen, den das Rekursgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, insbesondere also davon, daß die Beklagte zumindest einen Teil der zum beanstandeten Preis abgegebenen Filme bei K***-Österreich gekauft hat, welche (damals) von den der Beklagten vergleichbaren Abnehmern für eine Filmdoppelpackung "K*** GA 135-24" mehr als S 57,80 (einschließlich aller Abgaben) verlangt hat; der von der Beklagten tatsächlich gezahlte Preis ist nicht bekannt. Damit hängt aber das Schicksal der Entscheidung von der Lösung der Frage der Beweislastverteilung bei der Geltendmachung eines Verstoßes gegen § 3a NVG ab.
Im Schrifttum werden zu dieser Frage unterschiedliche Auffassungen vertreten. Fitz-Roth (Verkauf unter dem Einstandspreis - Zur Auslegung und Kritik des § 3a Nahversorgungsgesetz, RdW 1989, 241 ff Ä245 ffÜ), meinen, daß nach der allgemeinen Regel, wonach jede Partei die tatsächlichen Voraussetzungen der für sie günstigen Norm zu behaupten und zu beweisen hat, auch im Rahmen des § 3a NVG diese Last den Kläger treffe; den Einstandspreis des Beklagten werde er in aller Regel aber nur dadurch dartun können, daß er den Beklagten und seine Geschäftsunterlagen und/oder dessen Lieferanten und seine Unterlagen - im Wege des Urkunden- und Zeugenbeweises sowie der Parteienvernehmung - benützt; gewähre man aber dem Beklagten und seinen Lieferanten im Hinblick auf den Schutz des Geschäftsgeheimnisses ein Entschlagungsrecht, dann werde die Tatsache des Einstandspreises zumeist unaufgeklärt bleiben (aaO 245). Eine Verschiebung der Beweislast auf den Beklagten würde hingegen, da es um Geschäftsgeheimnisse gehe, nicht nur den Beklagten selbst, sondern auch seinen Lieferanten unzumutbar belasten. Eine interessengerechte Lösung dieses Problems sei am ehesten in der Anwendung des Instrumentes des Anscheinsbeweises zu finden, wonach der Kläger nicht den Verkauf des Beklagten zum oder unter dem Einstandspreis selbst, sondern nur Tatsachen darzutun habe, die mit hoher Wahrscheinlichkeit auf ein solches Verhalten des Beklagten schließen ließen (aaO 247). Dem Kläger müsse daher zumindest der Nachweis abverlangt werden, daß der Verkaufspreis des Beklagten abzüglich der Umsatzsteuer und sonstiger Abgaben unter dem üblichen Verkaufspreis des Lieferanten der betreffenden Ware (oder anderer Lieferanten einer gleichwertigen Ware derselben Warengattung) liege. Erbringe der Kläger nach diesen Grundsätzen durch eine fundierte Ermittlung des üblichen Einstandspreises den Anscheinsbeweis für einen Verstoß gegen § 3a NVG, dann brauche der Beklagte diesen Anschein nicht durch den Beweis des Gegenteils zu widerlegen; er habe vielmehr lediglich die ernste Möglichkeit eines atypischen Ablaufs dazutun, also seinerseits eine Art Anscheinsbeweis dafür zu erbringen, daß der Schluß vom allgemeinen Großhandelspreisniveau auf seinen Einstandspreis nicht zwingend sei. Dazu reiche es aus, wenn er unter Weglassung des konkreten Einstandspreises durch Urkundenvorlage, Zeugen usw. nachweise, daß er wesentlich mehr als die übliche Menge bezogen oder etwa Werbemaßnahmen für den Lieferanten durchgeführt habe; auch im letztgenannten Fall habe er nur diesen Umstand sowie die Höhe eines sich daraus normalerweise ergebenden Werbekostenzuschusses, nicht jedoch dessen konkrete Höhe oder den tatsächlichen Einstandspreis dem Gericht nachzuweisen. Gelinge dem Beklagten ein solcher Nachweis, dann falle die Beweisthemenverschiebung des Anscheinsbeweises weg, der Beweisführer müsse dann wie beim normalen Beweis die gesetzlich geforderten Tatbestandsmerkmale streng beweisen (aaO 248).
F. Prunbauer (Verkauf unter dem Einstandspreis Prozessuale Probleme, MR 1989, 82 ff Ä84 ffÜ), meint zunächst, mit den im Wettbewerbsrecht entwickelten Grundsätzen müßte nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes davon ausgegangen werden, daß der Kläger, da er den individuellen Einstandspreis im konkreten Fall (praktisch) nicht nachweisen könne, nur das beweisen müsse, was er auch tatsächlich beweisen könne, sich also die Beweislast des Klägers nur auf die generellen Marktgegebenheiten erstrecke, während für den individuellen Einstandspreis eine Umkehr der Beweislast stattfinde und der Beklagte die ihm eingeräumten Rabatte und sonstigen Preisnachlässe nachzuweisen habe (aaO 84, linke Spalte). Nach einer Darstellung der Rechtsprechung von Gerichten zweiter Instanz führt dieser Autor dann abschließend aus, daß im Verfahren nach § 3a NVG der konkrete Einstandspreis des Beklagten nachzuweisen sei; das könne aber nicht durch eine Verschiebung des Beweisthemas vom individuellen Einstandspreis auf die allgemeinen Marktgegebenheiten, sondern - im Fall unüberwindlicher Beweisschwierigkeiten, wie hier - nur durch eine Beweislastumkehr hinsichtlich des eigentlichen Beweisthemas, nämlich des individuellen Preises, geschehen (aaO 84, mittlere Spalte). Wie der Oberste Gerichtshof schon zu 4 Ob 101/89 ausgesprochen hat, wäre eine Umkehr der Beweislast dahin, daß der Kläger den Verkauf des Beklagten zum oder unter dem Einstandspreis nur zu behaupten, aber keinerlei Beweis dafür zu erbringen hätte, und es immer Sache des Beklagten wäre, durch Offenlegung seines individuellen Einstandspreises die Behauptung des Klägers zu widerlegen, durch nichts gerechtfertigt. Mag es dem Kläger auch in den meisten Fällen unmöglich sein, den konkreten Einstandspreis des Beklagten nachzuweisen, ist es ihm doch in aller Regel möglich, den üblichen Großhandelspreis zu beweisen, wäre doch sonst sein Verdacht, daß der Beklagte gegen § 3a NVG verstoße, sachlich überhaupt nicht begründet. Der Kläger hat daher die allgemeinen Marktgegebenheiten und den daraus zu erschließenden Verkauf des Beklagten zum oder unter dem Einstandspreis nachzuweisen. Dieser Beweis ist dem Kläger hier nach den für den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen des Rekursgerichtes gelungen. Soweit die Beklagte in ihrer rechtlichen Argumentation von jenen Feststellungen des Erstrichters ausgeht, die das Gericht zweiter Instanz nicht übernommen hat, ist ihre Rechtsrüge nicht gesetzmäßig ausgeführt. Auch trifft es nicht zu, daß die Feststellungen des Rekursgerichtes mangels genauer Anführung der Namen, der Unternehmensstruktur und der Größe der mit der Beklagten vergleichbaren Mitbewerber, nicht konkret genug wären; wesentlich ist, daß das Rekursgericht als letzte Tatsacheninstanz auf Grund der Aussage des Zeugen Helmut P*** (S. 24 f) zu der Überzeugung gekommen ist, daß ein Unternehmen von der Größenordnung der Beklagten die KODAK-Kleinbildfilme nicht zu einem Einstandspreis erwerben konnte, der unter dem Verkaufspreis von S 57,80 gelegen wäre. Nähere Einzelheiten sind in diesem Zusammenhang rechtlich unerheblich. Der Oberste Gerichtshof schließt sich damit gleich dem Gericht zweiter Instanz der von Fitz-Roth vertretenen Auffassung an, daß der Kläger nur den üblichen Einstandspreis von Unternehmen nach Art der Beklagten, nicht aber deren konkreten Einstandspreis zu beweisen hat, bestünde doch sonst die Gefahr, daß das Verbot des § 3a NVG undurchsetzbar bliebe und seiner normativen Bedeutung beraubt würde (Fitz-Roth aaO 245). Die Beklagte kann dann die ernstliche Möglichkeit eines atypischen Verlaufes dartun, also ihrerseits eine Art Anscheinsbeweis dafür erbringen, daß der Schluß vom allgemeinen Einstandspreisniveau auf ihren Einstandspreis nicht zwingend ist (Fitz-Roth aaO, Okt 2/89 des Kartellobergerichtes beim Obersten Gerichtshof). Die von der Beklagten gegen diese Auffassung vorgetragenen Bedenken können nicht überzeugen: Daß die leichter erweisliche Tatsache des üblichen Einstandspreises mit der vom Tatbestand des § 3a NVG geforderten Tatsache, daß zum oder unter dem Einstandspreis verkauft wurde, in einem typischen Erfahrungszusammenhang steht (vgl. Fasching LB Rz 894), liegt auf der Hand. Wird üblicherweise eine Ware zu einem bestimmten Preis verkauft, dann spricht die Vermutung dafür, daß auch in dem jeweils zur Entscheidung stehenden Fall dieser Preis zu zahlen war. Dieser Schluß ist freilich nicht zwingend: der Beklagten wäre es daher freigestanden, schon in erster Instanz Tatsachen geltend zu machen, die seine Unrichtigkeit aufgezeigt hätten. Solche Behauptungen hat sie jedoch nicht aufgestellt. Der von ihr erbrachte Nachweis, daß die Preisliste Beilage E für sie keine Gültigkeit hat und die ihr von KODAK-Österreich verrechneten Preise geringer als die dort angeführten sind, kann die Annahme, daß auch sie den üblichen Großhandelspreis von Großabnehmern - der in Beilage E nicht aufscheint - zu zahlen hat, nicht erschüttern. Der Beweis, daß sie die in der beanstandeten Werbung genannten Filme (zur Gänze) bei einem anderen Unternehmen als bei KODAK-Österreich bezogen habe, ist ihr nach den Feststellungen des Rekursgerichtes mißlungen. Mit Recht hat daher das Rekursgericht einen Verstoß der Beklagten gegen § 3a NVG angenommen. Daß sich die Beklagte über diese Vorschrift in der Absicht hinweggesetzt hat, einen Wettbewerbsvorsprung vor gesetzestreuen Mitbewerbern zu erlangen, ist offenkundig; sie hat daher zugleich auch gegen § 1 UWG verstoßen (RdW 1988, 42; RdW 1989, 254 und 272; WBl. 1989, 185; 4 Ob 94/89 mit ausführlicher Begründung).
Auch die verfassungsrechtlichen Bedenken der Beklagten gegen § 3a NVG können nicht geteilt werden. Ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz liegt auch bei der Beschränkung einer Norm auf Händler schon deshalb nicht vor, weil der Gesetzgeber Unterschiede im Tatsächlichen auch unterschiedlich regeln kann; der Gleichheitsgrundsatz verwehrt es dem Gesetzgeber nicht, sachlich gerechtfertigte Differenzierungen vorzunehmen (VfSlg. 2930, 5356 uva.). Zwischen den Produzenten von Waren und bloßen Händlern bestehen aber, vor allem was die Produktionskosten einerseits und die Fixkosten des Händlers andererseits betrifft, so wesentliche Unterschiede, daß eine Differenzierung sachlich gerechtfertigt erscheint (so auch Okt 2/89).
Auch eine Verletzung des verfassungsgesetzlich geschützten Rechtes auf Unverletzlichkeit des Eigentums (Art. 5 StGG) ist nicht zu sehen. § 3a NVG ist - wenn überhaupt - eine bloße Eigentumsbeschränkung, nicht aber ein (teilweiser) Entzug des Eigentumsrechtes. Unter einer Eigentumsbeschränkung ist die bloße Einschränkung der Befugnis zu verstehen, mit der Sache nach Willkür zu schalten; eine Entziehung des Eigentums ist dagegen der Entzug der Befugnis, jeden anderen davon auszuschließen, und die daraus folgende Einräumung entsprechender Einwirkungsbefugnisse an andere (Spielbüchler in Rummel, ABGB, Rz 2 zu § 365; VfSlg. 6390 uva.). Für bloße Eigentumsbeschränkungen als inhaltliche Gestaltung des Rechtes im Verhältnis zum Allgemeininteresse genügt nach dem rechtspolitischen Ermessen des Gesetzgebers die Sachlichkeit der Maßnahme, soweit sie nicht den Wesenskern des Rechtes verletzt (Spielbüchler aaO Rz 4; VfSlg. 8212 uva.). Mit dem Verbot des Verkaufes unter dem Einstandspreis wird aber weder der Wesenskern des Eigentumsrechtes verletzt, noch kann gesagt werden, daß es sich dabei um eine unsachliche Maßnahme handle. § 3a NVG soll einerseits vor unlauteren Wettbewerbshandlungen schützen und andererseits der Sicherung eines leistungsgerechten Wettbewerbes sowie dem Konsumentenschutz dienen. Es liegt auch kein Verstoß gegen Art. 1 Abs 1 ZPMRK vor, weil diese Bestimmung nur auf den Eigentumsentzug, nicht aber auf bloße Eigentumsbeschränkungen anzuwenden ist (VfSlg. 8212; KOG Okt 2/89). Der erkennende Senat sieht sich daher nicht veranlaßt, an den Verfassungsgerichtshof zwecks Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 3a NVG heranzutreten.
Diese Erwägungen führen zur Bestätigung des angefochtenen Beschlusses.
Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsrekurses gründet sich auf §§ 78, 402 Abs 2 EO, §§ 40, 50, 52 ZPO, jener über die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung auf § 393 Abs 1 EO.
Anmerkung
E19755European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1989:0040OB00158.89.1219.000Dokumentnummer
JJT_19891219_OGH0002_0040OB00158_8900000_000