TE OGH 1989/12/19 5Ob70/89 (5Ob71/89)

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Veröffentlicht am 19.12.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik, Dr. Zehetner, Dr. Klinger und Dr. Schwarz als weitere Richter in der Mietrechtssache der antragstellenden Hauptmieter 1. prot. Firma Reisebüro A*** Emil M*** & Co KG, Hauptplatz 4, 9900 Lienz, und 2. prot. Firma Franz G*** Bäckerei, Konditorei, Cafü und Brezlstube, Beda-Weber-Gasse 36, 9900 Lienz, beide vertreten durch Dr. Jakob Oberhofer und Dr. Johannes Hibler, Rechtsanwälte in Lienz, wider die Vermieterin B***-R*** Gesellschaft, mit

beschränkter Haftung, Bozner Platz 2, 9900 Lienz, vertreten durch Dr. Franz Paul Oberlercher, Rechtsanwalt in Spittal an der Drau, wegen Durchführung von Erhaltungsarbeiten am Haus Hauptplatz 4, 9900 Lienz, nach § 6 Abs 1 MRG, infolge der Revisionsrekurse der Vermieterin gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 28. März 1989, GZ 1 a R 154, 156/89-29, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Lienz vom 23. Jänner 1989, GZ Msch 25/87-23, abgeändert wurde, und gegen den Sachbeschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom 27. April 1989, GZ 1 a R 154/89-32, womit der Teilsachbeschluß des Bezirksgerichtes Lienz vom 12. Dezember 1988, Msch 25/87-20, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Rekurs gegen den Punkt I des rekursgerichtlichen Beschlusses vom 28. März 1989 wird zurückgewiesen.

Den Revisionsrekursen wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten ihrer rechtsfreundlichen Vertretung hat jede Partei selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Gegen die Eigentümerin der Liegenschaft EZ 182 KG Lienz mit dem Haus Hauptplatz 4 in Lienz richtete die antragstellende Personenhandelsgesellschaft mit der Behauptung, seit 1929 Hauptmieterin eines Geschäftsraumes im Erdgeschoß dieses Hauses zu sein und dort ein Reisebüro zu betreiben, den Antrag, der Vermieterin die Vornahme bestimmter Erhaltungsarbeiten aufzutragen (§ 6 Abs 1 MRG). Die Gegnerin unterlasse notwendige Erhaltungsarbeiten und fördere den Verfall des Hauses, in welchem nur noch ein weiterer Geschäftsraum an die prot. Firma "G***" vermietet sei.

Die Antragsgegnerin trat dem Verlangen entgegen. Das Haus sei abbruchreif. Ein Verfahren vor den Baubehörden sei anhängig. Die Vornahme von Erhaltungsarbeiten sei ihr nicht zumutbar, weil die Antragstellerin nur einen Mietzins von S 235,- im Monat bei Gericht erlege und auch die Mieteinnahmen vom zweiten Hauptmieter zur Finanzierung einer erforderlichen Generalsanierung nicht reichten, für die rund S 3,000.000,- aufzuwenden wären.

Das Erstgericht trug der Antragsgegnerin mit Teilsachbeschluß vom 12. Dezember 1988 die Erneuerung eines Teiles des Dachstuhles an der Nordseite des Hauses, die Anbringung von Verstärkungen im Bereich des Dachstuhles über dem zweiten Obergeschoß und die Erneuerung der gesamten Dacheindeckung auf und wies mit Beschluß vom 23. Jänner 1989 den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung durch Auftrag zur sofortigen Verstärkung des Dachstuhles und Eindeckung der Dachhaut ab.

Diesen Entscheidungen lagen im wesentlichen folgende Sachverhaltsfeststellungen zugrunde:

Das gesamte Dachtragwerk des Hauses, das seit 1978 im Eigentum der Antragsgegnerin steht und in welchem die Antragstellerin und eine weitere Personenhandelsgesellschaft Hauptmieter sind, ist einsturzgefährdet. Alle tragenden Dachhölzer sind angemorscht. An statisch wichtigen Stellen ist die Tragfähigkeit nicht gesichert. Die Dachhaut ist an vielen Stellen großflächig undicht. Die Einwirkungen durch die Niederschlagswässer haben Mauern und Decken des Hauses stark beschädigt.

Das Erstgericht meinte rechtlich, die Erneuerung und die Verstärkung des Dachstuhles und die Erneuerung der Dacheindeckung seien mit Teilsachbeschluß ohne Rücksicht auf eine finanzielle Deckung aufzutragen, ohne eine Wirtschaftlichkeitsprüfung anzustellen, weil es sich um die Behebung von Baugebrechen handelt, die die Sicherheit von Personen und Sachen gefährden. Da bei dem Zustand des Dachtragwerkes und der Undichtheit der Dachhaut unmittelbare Einsturzgefahr bestehe, sei dieser Teil der Arbeiten vorweg aufzutragen (§ 6 Abs 1 iVm § 3 Abs 3 Z 2 lit b MRG). Der Antrag der Hauptmieterin vom 23. Jänner 1989 auf Erlassung der einstweiligen Verfügung scheitere am Fehlen der Bescheinigung eines drohenden in Geld nicht ersetzbaren Schadens. Selbst bei einem Einsturz des Dachtragwerkes könne sich die Antragstellerin am Vermieter schadlos halten.

Das Rekursgericht, das von der Antragstellerin mit dem Rekurs gegen die Abweisung ihres Provisorialantrages und von der Antragsgegnerin mit dem Rekurs gegen den Teilsachbeschluß angerufen worden war, verfügte im Beschluß vom 28. März 1989 die Zurückstellung der Prozeßakten mit dem Auftrag an das Erstgericht, eine Ausfertigung des Teilsachbeschlusses an den weiteren Hauptmieter des Hauses zuzustellen (Beschlußpunkt I). Es änderte die Entscheidung über den Provisorialantrag dahin ab, daß der Gegnerin aufgetragen wird, binnen acht Tagen den Dachstuhl des Hauses derart zu verstärken und die Dachhaut derart einzudecken, daß die statische Tragfähigkeit des Dachstuhls und die Dichtheit der Dachhaut gewährleistet ist. Das Rekursgericht sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes wohl S 15.000,- nicht aber S 300.000,- übersteigt und daß der Revisionsrekurs zulässig sei (§ 402 Abs 2 und § 78 EO; § 528 Abs 2 und § 502 Abs 4 Z 1 ZPO).

Zur Möglichkeit der Sanierung der im erstgerichtlichen Verfahren unterlaufenen Nichtigkeit durch Unterlassung der Beiziehung der weiteren Hauptmieterin - sonst steht das Haus leer - führte das Rekursgericht aus, diese übergangene Partei könne sich rechtliches Gehör zwar wegen des Neuerungsverbotes nicht mehr im Rekursverfahren verschaffen aber ihre Rechte durch Anfechtung des Teilsachbeschlusses eben wegen dieser Nichtigkeit wahren, dessen Aufhebung erreichen und sodann im fortgesetzten Verfahren erster Instanz ihre Sachanträge stellen.

Die notwendigen von der Vermieterin unterlassenen privilegierten Erhaltungsarbeiten zur Abwendung der Einsturzgefahren seien provisoriell (sei es nach den § 2 Ab 1 und Abs 2 Z 7 AußStrG oder nach den §§ 378 ff EO) erzwingbar und im Wege der Exekution nach § 6 Abs 2 MRG herbeizuführen.

Im einzelnen führte das Rekursgericht dazu im wesentlichen aus, die Miete von Geschäftsräumlichkeiten falle grundsätzlich unter die Vorschriften des MRG. Ausnahmen habe die Hauseigentümerin nicht behauptet oder bewiesen. Selbst eine Unbenützbarkeit löse den Bestandvertrag nicht auf, solange die Benützungsbewilligung behördlich nicht entzogen sei. Die privilegierten Arbeiten nach § 3 Abs 3 Z 2 MRG seien ohne Rücksicht auf die finanzielle Deckung ihrer Kosten unverzüglich aufzutragen. Bei aufrechtem Mietvertrag sei der bedungene Gebrauch des Mietgegenstandes unmittelbar zu sichern. Wegen der besonderen Dringlichkeit solcher Arbeiten zur Sicherung des Benützungsrechtes könne die Unwirtschaftlichkeitseinrede nicht beachtet werden. Solche Sanierungsmaßnahmen seien selbst in einem Abbruchhaus und unabhängig vom Stand eines Aufkündigungsprozesses so lange zu erzwingen, als Räume im Haus noch vermietet sind. Dazu gehöre die Abwendung einer Einsturzgefahr jedenfalls. Es beeinträchtige den Anspruch der Hauptmieterin auch nicht, daß die nun aufgetragenen Sofortmaßnahmen nicht zu der erforderlichen Gesamtsanierung des Dachtragwerkes führten und insoweit verlorenen Aufwand darstellten. Eine Sanierung sei, wenn auch mit großem Aufwand, möglich. Die beantragte Verfügung sei wegen des drohenden Einsturzes zulässig, weil nicht nur eine Unterbrechung des Geschäftsbetriebes der antragstellenden Hauptmieterin sondern auch eine körperliche Verletzung von Menschen zu besorgen sei, wenn das Dachtragwerk einstürze.

Nach Zustellung von Ausfertigungen des Teilsachbeschlusses und der Rekursentscheidung teilte die einzige weitere Hauptmieterin im Haus mit, daß sie auf Rechtsmittel gegen den Teilsachbeschluß verzichte und sich dem Antrag anschließe, ohne die Unterlassung der Beiziehung im erstgerichtlichen Verfahren geltend machen zu wollen. Das Rekursgericht gab mit Beschluß vom 27. April 1989 darauf dem Rekurs der Vermieterin gegen den Teilsachbeschluß nicht Folge. Es erklärte den Revisionsrekurs nach § 37 Abs 3 Z 18 MRG für zulässig. Die bis zur Erklärung der übergangenen weiteren Hauptmieterin gegebene Nichtigkeit sei geheilt und der Verfahrensaufwand nicht verloren, weil das rechtliche Gehör der übrigen Hauptmieter des Hauses nicht verletzt sei, wenn sich der einzige weitere Hauptmieter ausdrücklich mit dem Verfahrensgang einverstanden erkläre und auf die Geltendmachung der Nichtigkeit verzichte.

Der Einwand der Vermieterin, die Geschäftsräume im Erdgeschoß seien nicht vermietbar/benützbar und schon deshalb nicht nach dem MRG zu beurteilen, versage. Die Räumlichkeiten seien weiter zu geschäftlichen Zwecken verwendet worden. Ein rechtlicher Untergang der Bestandsache liege nicht vor, doch selbst in diesem Fall sei bis zur tatsächlichen Räumung der bedungene Gebrauch des Mietgegenstandes im Ausmaß des bisher zustehenden tatsächlichen Gebrauches zu sichern. Gerade darum gehe es bei dem Auftrag zur Vornahme der im Teilsachbeschluß umschriebenen privilegierten Erhaltungsarbeiten. Es sei daher unerheblich, ob die Baubehörde einen Abbruchauftrag erlassen oder dessen Erlassung rechtswidrig versagt habe und ob der Amtssachverständige im Bauverfahren eine Abbruchreife feststellte. All dies stünde dem Auftrag zur Behebung der die Sicherheit von Personen und Sachen gefährdenden Baugebrechen nicht entgegen, solange die Antragsteller die Geschäftsräume im Haus tatsächlich gebrauchen. Das den erstgerichtlichen Feststellungen zugrunde gelegte Gutachten des Bausachverständigen sei schlüssig und überzeugend. Eine ausreichende Sanierung des Dachstuhls durch die aufgetragenen Arbeiten sei wenn auch wirtschaftlich wenig sinnvoll so doch technisch möglich. Auf den Kostenaufwand und eine Wirtschaftlichkeit komme es aber gerade bei diesen nach § 3 Abs 3 Z 2 lit b MRG zu beurteilenden Baugebrechensbehebungsarbeiten nicht an, drohe doch bei einem Einsturz eine Verletzung oder gar Tötung von Menschen (Angestellte, Kunden, Passanten) und eine Beschädigung von Sachen der Antragsteller. Davon, daß die Arbeiten zu einem sofortigen Einsturz führen müßten, könne bei fachgerechter Ausführung nicht gesprochen werden.

Die Antragsgegnerin bekämpft beide Beschlüsse des Rekursgerichtes mit ihren Revisionsrekursen. Sie verlangt die Aufhebung des Beschlusses vom 28. März 1989 wegen Nichtigkeit, zumindest aber die Abänderung und Wiederherstellung des den Provisorialantrag abweisenden erstgerichtlichen Beschlusses, allenfalls die Aufhebung und Zurückverweisung der Sache zu neuer Entscheidung. Auch der Sachbeschluß vom 27. April 1989 sei nichtig, weil der Zweitantragstellerin die Möglichkeit entzogen blieb, im Verfahren erster Instanz Sachanträge zu stellen. Sonst aber sei der Sachbeschluß zweiter Instanz aufzuheben und die Sache an das Erstgericht zur Verfahrensergänzung und neuen Entscheidung zurückzuweisen oder dahin abzuändern, daß der Antrag abgewiesen werde.

Soweit die Antragsgegnerin mit ihrem Rechtsmittel auch den Punkt I des Beschlusses vom 28. März 1989 bekämpft, ist der Rekurs unzulässig. Die Anordnung der Rückstellung der Akten zur Bewirkung der Zustellung an die weitere Partei dieses Verfahrens ist als bloße verfahrensleitende Verfügung unanfechtbar und beschwert überdies die Rechtsmittelwerberin in keiner Weise. Gegen die Zustellverfügung ist kein abgesondertes Rechtsmittel zulässig (vgl § 37 Abs 3 Z 16 MRG; § 6 AußStrG; § 87 Abs 2 ZPO).

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs im Provisorialverfahren ist wegen der Erheblichkeit der zu lösenden Rechtsfragen, der Revisionsrekurs gegen den bestätigenden Sachbeschluß des Rekursgerichtes infolge der Zulassung nach § 37 Abs 3 Z 18 MRG zulässig. Beide Rechtsmittel sind aber nicht berechtigt.

Zur einstweiligen Verfügung:

Der Oberste Gerichtshof tritt der Rechtsansicht des Rekursgerichtes bei, daß auch der Anspruch nach § 6 MRG, dessen Durchsetzung in das besondere Verfahren nach § 37 MRG verwiesen ist (§ 37 Abs 1 Z 2 MRG), durch eine einstweilige Verfügung gesichert werden kann. Nach § 6 Abs 1 Satz 2 MRG sind unter anderem Erhaltungsarbeiten, die der Behebung von Baugebrechen dienen, die die Sicherheit von Personen und Sachen gefährden, vorweg dem Vermieter zur Vornahme aufzutragen, ohne daß der Mehrheit der Mieter ein Widerspruchsrecht zustünde. Da aber der Rekurs gegen den Sachbeschluß nach § 37 Abs 3 Z 17 lit e MRG aufschiebende Wirkung hat, kann durch das Rechtsmittelverfahren die Vornahme der Baugebrechensbehebung unerträglich verzögert und die Gefahr für die Sicherheit von Personen und Sachen, der durch den Auftrag begegnet werden soll, nicht nur fortdauern sondern durch eine fortschreitende Verschlechterung des Bauzustandes erheblich vergrößert werden, ohne daß - abgesehen von baubehördlichen Maßnahmen - Abhilfe möglich wäre. Dieser Lücke sollte durch eine ausdrückliche Gesetzesänderung geschlossen und mit einer MRG-Novelle in den § 6 Abs 2 MRG eingefügt werden, daß hinsichtlich der im § 3 Abs 3 Z 2 MRG angeführten Arbeiten ein Auftrag mit einstweiliger Verfügung erteilt werden kann und weder die Bescheinigung der Gefahr noch eine Sicherheitsleistung erforderlich ist (Entwurf). Zu einer Gesetzwerdung ist es bisher nicht gekommen. Das Anliegen rechtfertigt jedoch die Lückenschließung und dafür bietet sich die sinngemäße Anwendung des im zweiten Abschnitt des zweiten Teiles der EO (§§ 378 bis 402 EO) geregelten Verfahrens zur Erlassung einstweiliger Verfügungen an, ohne daß es des Rückgriffs auf Sicherungsmaßnahmen nach dem § 2 AußStrG bedürfte.

Als Sachverhaltsgrundlage ist jedenfalls bescheinigt, daß infolge der Baugebrechen an der hölzernen Dachtragkonstruktion und der Lücken in der Dachhaut unmittelbare Einsturzgefahr besonders durch Schneelasten und damit eine Gefahr für die Sicherheit von Menschen und von Sachen besteht, und daß die Antragsteller die gemieteten Geschäftsräume derzeit noch zum bedungenen Zweck benützen. Dies allein rechtfertigt die Erlassung der einstweiligen Verfügung durch das Rekursgericht. Zur Sicherung von Ansprüchen, die im Verfahren nach § 37 MRG durchzusetzen sind, ist die Erlassung einer einstweiligen Verfügung ebenso zulässig wie sonst für im außerstreitigen Verfahren zu verfolgende Ansprüche (EvBl 1971/107; EFSlg 49.501); dies wurde vom Obersten Gerichtshof für den Duldungsanspruch nach § 9 MRG (§ 37 Abs 1 Z 6 MRG) schon entschieden (ImmZ 1987, 456).

Der Einwand, eine Anhörung der gefährdeten Partei sei zwingend vorgeschrieben, ist schon deshalb unberechtigt, weil es einer Einvernehmung des Gegners der gefährdeten Partei vor der Beschlußfassung gar nicht bedarf. Der Gegner, der nicht einvernommen wurde, kann gegen die Bewilligung der einstweiligen Verfügung Widerspruch erheben (§ 397 Abs 1 EO). Ganz unberechtigt ist auch der Einwand, der zweite auf Herstellung der Dichtheit der Dachhaut abzielende Antrag sei zurückzuweisen gewesen, weil vorher schon die Abdeckung einer vorhandenen Öffnung der Dachhaut beantragt war. Als Sofortmaßnahme kann nur neben der Verstärkung des Dachtragswerkes eine das weitere Eindringen von Niederschlagswässern verhindernde Eindeckung stattfinden. Von einer Nichtigkeit kann hier keine Rede sein, weil die weitergehende Maßnahme der zuvor beantragte Dichtmachung einer Teilfläche umfaßt. Da die einstweilige Verfügung auch ohne Anhörung des Gegners erlassen werden kann, ist, wie das Rekursgericht völlig zutreffend erkannte, auch eine Anhörung der anderen Hauptmieter des Hauses nicht erforderlich.

Zu Unrecht rügt die Antragsgegnerin auch, daß der aktuelle Stand des baubehördlichen Verwaltungsverfahrens nicht nicht beachtet wurde. Es kommt tatsächlich keineswegs darauf an, aus welchen Gründen die Baubehörde erster und zweiter Instanz bisher die Erlassung von Abbruchaufträgen verweigert und Instandsetzungsaufträge erteilt hat. Aus diesem Hinweis folgt nur, daß bisher ein rechtskräftiger Abbruchauftrag nicht ergangen ist und jedenfalls die Antragsteller die Bestandgegenstände immer noch zu ihrem Geschäftsbetrieb benützen und durch die zugestandenen schweren Baugebrechen gefährdet sind. Die einstweilige Verfügung war weder zur Zeit ihrer Erlassung noch derzeit überflüssig. Sie hätte, weil Rechtsmittel gegen eine einstweilige Verfügung keine aufschiebende Wirkung entfalten (Heller-Berger-Stix 2892), schon ab ihrer Wirksamkeit nach § 6 Abs 2 MRG in Vollzug gesetzt werden können. Auch wenn derzeit zugleich über den wohl die Sofortmaßnahme einschließenden Teil der Erhaltungsarbeiten hinausgehenden Auftrag nach § 6 Abs 1 Satz 2 MRG entschieden wird, fällt das Rechtsschutzbedürfnis für den durch die einstweilige Verfügung gesicherten Anspruch nicht weg, weil die Leistungsfrist im Provisorialverfahren erheblich kürzer ist.

Zutreffend hat das Rekursgericht schließlich die Voraussetzung nach dem § 381 Abs 2 EO als gegeben angesehen. Wenn durch einen unmittelbar drohenden Einsturz der Dachkonstruktion die Gefahr der Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit von Menschen droht, ist die Verfügung zur Abwendung unwiederbringlichen Schadens nötig. Sie kann auch durchaus im Gebot von Handlungen bestehen, die zur Erhaltung des Gebäudes und zur Abwendung des Einsturzes bestehen. Alle Gebote, die im Einzelfall angemessen sind, können verfügt werden (Heller-Berger-Stix 2744). Da zur Durchsetzung nur der Weg nach § 6 Abs 2 MRG offen steht, ist die behutsame Ausführung der Arbeiten gesichert. Die Besorgnis der Vermieterin, die ihr als Provisorialmaßnahme aufgetragene Sanierung im Dachbereich könne nicht rückgängig gemacht werden, wenn die Antragsteller mit ihrem Hauptanspruch unterliegen, fäll hier mit der Bestätigung der Entscheidung der Vorinstanzen über den Anspruch weg.

Zur Sachentscheidung:

Es kann nicht zweifelhaft sein, daß die aufgetragenen Arbeiten der Behebung eines ernsten Baugebrechens dienen und daß wegen der Vermorschung der Holztragkonstruktion des Daches und der Undichtheit der Dachhaut besonders bei Belastung des Daches durch Schnee eine die Sicherheit von Personen gefährdende Einsturzmöglichkeit naheliegt. Zu Recht sind daher die im Teilsachbeschluß zur Vornahme aufgetragenen Arbeiten durch Verstärkung des Dachstuhls und Eindeckung des Daches zur Herstellung der statischen Tragfähigkeit und der Dichtheit der Dachhaut als privilegierte Maßnahmen angesehen worden, die weder einem Widerspruch der Mehrheit der Hauptmieter unterliegen noch einer Prüfung der Bedeckung der damit verbundenen Kosten zugänglich sind.

Der Oberste Gerichtshof hat schon mehrmals ausgesprochen, daß im Verfahren nach § 6 MRG die übrigen Hauptmieter des Hauses Parteistellung haben und daß der Ausschluß einer Partei vom rechtlichen Gehör den Nichtigkeitsgrund nach § 477 Abs 1 Z 4 ZPO verwirklicht, wenn sie von einer der Entscheidung erster Instanz unmittelbar vorangegangenen Tagsatzung nicht verständigt wurde und auch keine Gelegenheit hatte, vor der Entscheidung Stellung zu beziehen, weil das in diesem Verfahren geltende Neuerungsverbot eine Berücksichtigung erst im Rekursverfahren erstatteten Vorbringens verhindert (MietSlg 35.427; MietSlg 35.430 ua) und daß selbst die besondere Dringlichkeit von Erhaltungsarbeiten den Ausschluß der übrigen Hauptmieter von der ihnen gesetzlich zugestandenen Verfahrensbeteiligung nicht rechtfertigt (MietSlg 36.256/32; 5 Ob 100/88 ua). Den beizuziehenden Beteiligten muß noch in erster Instanz Gelegenheit zu einem Sachvorbringen und zu Beweisanträgen gegeben werden (WoBl 1989, 21 mit Anm Würth).

Ob es den übergangenen Parteien zu überlassen ist, diese Nichtigkeit geltend zu machen (vgl. WoBl 1989, 21 Anm Würth) oder ob sie jedenfalls amtswegig aus Anlaß eines jeden zulässigen Rechtsmittels wahrzunehmen ist, bedarf nicht der Erörterung, weil diese Nichtigkeit jedenfalls dann geheilt ist und nicht mehr aufgegriffen werden darf, wenn alle übergangenen Hauptmieter ausdrücklich den Stand des Verfahrens genehmigen und erklären, sich durch den Ausschluß von einem Vorbringen in erster Instanz nicht beschwert zu halten. Die Notwendigkeit der Beteiligung aller Parteien entspricht der Wahrung ihrer Interessen, worüber sie selbst verfügen können. Die nachträgliche Genehmigung der Verfahrensführung ist daher auch hier möglich, setzt aber eine Erklärung aller übergangenen Parteien voraus. Da unstreitig nur zwei Hauptmieter im Haus vorhanden sind und die Räume in den Obergeschossen - schon wegen ihrer Unbenützbarkeit - leerstehen, war der erstrichterliche Teilsachbeschluß diesen Hauptmietern zuzustellen und die Erklärung der von der Beteiligung am Verfahren in erster Instanz ausgeschlossenen weiteren Hauptmieterin ausreichend, sich durch den Entzug ihrer Parteistellung nicht beschwert zu fühlen und das Verfahren in seiner tatsächlichen Gestaltung hinzunehmen. Die Anwendbarkeit des § 477 Abs 2 ZPO über die nachträgliche Genehmigung der Prozeßführung in einem Verfahren, an dem die Partei gar nicht, oder, falls sie eines gesetzlichen Vertreters bedarf, nicht durch diesen vertreten war, kann selbst im Verfahren außer Streitsachen angenommen werden, umso mehr im Verfahren nach § 37 MRG, das eine weitgehende Geltung der Prozeßvorschriften vorsieht und besonders für das Rechtsmittel die zivilprozessualen Vorschriften übernimmt. Das Rekursgericht durfte daher die nach der Erklärung der weiteren Hauptmieterin geheilte Nichtigkeit nicht mehr wahrnehmen und hat zutreffend eine Sachentscheidung vorgenommen. Der Oberste Gerichtshof ist in diesem Verfahren nur Rechts- und nicht Tatsacheninstanz (JBl 1985, 546 ua). Wie schon wiederholt entschieden wurde, besteht an sich die Vermutung für die Anwendbarkeit des MRG. Es obliegt der Partei, die eine Unanwendbarkeit dieser Bestimmungen behauptet, einen konkreten Ausnahmetatbestand nachzuweisen (Würth-Zingher, Miet- und Wohnrecht, Rz 1 zu § 1 MRG; SZ 58/145; JBl 1987, 727; WoBl 1989, 48 ua). Nach § 37 Abs 3 Z 12 MRG sind die Vorschriften über zugestandene Tatsachen im § 266 und § 267 ZPO in diesem Verfahren anzuwenden. Ob die Antragsgegnerin den Mietzins von der Erstantragstellerin entgegengenommen oder ob sie die Annahme - im Zusammenhang mit Rechtsstreitigkeiten zwischen den Parteien - verweigert hat und der Mietzins bei Gericht erlegt wird, ist ohne jede Bedeutung, weil die Vermieterin außer Streit gestellt hat, daß die Erstantragstellerin Hauptmieterin eines Geschäftsraumes im Haus ist und die Zweitantragstellerin als einziger weiterer Hauptmieter Räume im Haus in Bestand hat (Schriftsatz ON 3 S 14).

Feststellungsmängel liegen daher nicht vor, denn es ist unbestritten, daß die Antragsteller als Bestandnehmer Räume im Haus benützen. Ob das Haus abbruchreif ist, spielt, solange Mieter Bestandgegenstände im Haus tatsächlich noch benützen, für die hier in Frage gestellte Entscheidung über den Auftrag zur Vornahme privilegierter Erhaltungsarbeiten keine Rolle. Die Sinnhaftigkeit der gesetzlichen Anordnungen haben die Gerichte nicht zu prüfen. Daß die Erhaltungspflicht des Vermieters auch im Anwendungsbereich des MRG an der Unwirtschaftlichkeit der Erhaltung des Gebäudes ihre Grenze findet, daß davon aber Arbeiten nach § 3 Abs 3 Z 2 MRG ausgenommen sind, hat der Oberste Gerichtshof zuletzt zu 5 Ob 606/88 und 5 Ob 537/89 ausgeführt, aber auch, daß der Mietvertrag trotz Untergang des Mietgegenstandes nicht aufgelöst wird, wenn eine Wiederherstellungspflicht besteht (ImmZ 1988, 312). Es geht hier nicht um die Frage, ob eine Auflösung des Mietvertrages stattfinden kann, sondern ausschließlich darum, ob die Hauptmieter im Verfahren nach § 37 MRG den Auftrag an den Vermieter erreichen, die Sicherheit von Personen und Sachen gefährdende Baugebrechen zu beheben. Das Rekursgericht hat in Übereinstimmung mit Lehre (Würth-Zingher, Miet- und Wohnrecht, Rz 3 zu § 6 MRG; Würth in Rummel, ABGB, Rz 4 zu § 6 MRG; Krejci in Korinek-Krejci, HBzMRG 223; Rieder, MRG 56) und Rechtsprechung (RdW 1985, 338 = MietSlg 37.255/28; MietSlg 38.278) erkannt, daß dem Vermieter gegen den Auftrag zur Vornahme privilegierter Arbeiten praktisch keine Einwendungen zustehen. Daß die Arbeiten gar nicht erforderlich seien, hat die Antragsgegnerin nicht einmal behauptet sondern nur gemeint, daß sie unzureichend seien und den bestehenden abbruchreifen Zustand des Hauses nicht verbessern, ja sogar den Einsturz nicht verhindern könnten und jedenfalls wirtschaftlich unvernünftig und unzumutbar seien. Die mangelnde Kostendeckung und/oder die Unwirtschaftlichkeit wegen des unmittelbar bevorstehenden Abbruchs können dem Auftrag zur Vornahme von Sofortmaßnahmen bei ernsten, die persönliche Sicherheit gefährdenden Baugebrechen nicht entgegengehalten werden. Da eine Wirtschaftlichkeitsprüfung nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes nicht zu erfolgen hat, ist der Einwand der Unwirtschaftlichkeit unbeachtlich (MietSlg 37.225/28 ua).

Die Revisionsrekurswerberin verkennt, daß es derzeit nicht darum geht, ob das Gebäude als solches mit wirtschaftlich vertretbaren Mitteln erhalten werden kann oder ob die Verwaltungsbehörde demnächst einen Abbruchauftrag erteilt, sondern nur darum, daß die unmittelbar drohende Gefahr für die Sicherheit von Personen vom Vermieter durch Erhaltungsmaßnahmen beseitigt wird, die einen Einsturz des Daches abwenden. Dazu genügt zunächst die erforderliche Verstärkung der Tragkonstruktion und die Beseitigung der Undichtheit der Dacheindeckung und damit eine vorläufige Sanierungsmaßnahme, die ohne Rücksicht auf ihre Kostendeckung Pflicht des Vermieters ist, solange Mieter Bestandgegenstände im Haus benützen. Das Rekursgericht hat seine Entscheidung mit eingehender Erörterung aller durch die Rechtsmittelschriften herangetragenen Tat- und Rechtsfragen überaus sorgfältig begründet und sich mit allen Ergebnissen aus Lehre und Rechtsprechung auseinandergesetzt. Der Oberste Gerichtshof tritt den dabei gewonnenen Erkenntnissen durchaus bei.

Es ist daher sowohl die einstweilige Verfügung als auch die den zu sichernden Anspruch der Hauptmieter bejahende Sachentscheidung zu bestätigen, weil die Vermieterin ihrer Pflicht zur sofortigen Beseitigung der Leib und Leben von Menschen gefährdenden Baugebrechen nicht nachkam und die Gefahr unwiederbringlicher Schäden droht. Sollte sie den vollstreckbaren Aufträgen nicht nachkommen, wird die Durchsetzung nach § 6 Abs 2 MRG vorzunehmen sein.

Alle Parteien haben für ihre Rechtsmittelschriften Kosten ihrer anwaltlichen Vertretung nicht aber Barauslagen verzeichnet. Nach § 37 Abs 3 Z 19 MRG hat aber jede Partei die Kosten rechtsfreundlicher Vertretung selbst zu tragen, es sei denn, sie wären durch die Stellung nicht gerechtfertigter Anträge mutwillig verursacht worden. Davon kann hier nicht gesprochen werden. Ungeachtet des Erfolges in der Abwehr des Rechtsmittels gegen die erlassene einstweilige Verfügung schlägt die Regelung des Konstenersatzes im Hauptverfahren auch auf das Provisorialverfahren durch. Die gefährdete Partei hat daher ihre Kosten nicht nur nach § 393 Abs 1 EO als Antragstellerin vorläufig unbeschadet eines ihr zustehenden Ersatzanspruches selbst zu tragen sondern auch endgültig, weil schon jetzt feststeht, daß ein Kostenersatz nach § 37 Abs 3 Z 19 MRG nicht in Betracht kommt.

Anmerkung

E19277

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0050OB00070.89.1219.000

Dokumentnummer

JJT_19891219_OGH0002_0050OB00070_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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