TE Vwgh Erkenntnis 2005/11/17 2005/21/0019

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Veröffentlicht am 17.11.2005
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1997 §61 Abs1;
FrG 1997 §69 Abs2;
FrG 1997 §69 Abs4 Z3;
FrG 1997 §69 Abs4;
FrG 1997 §69 Abs6;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):2005/21/0328 E 25. Oktober 2006 2004/21/0022 E 28. Februar 2006

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Thurin, über die Beschwerde des E, vertreten durch Edward W. Daigneault, Solicitor in 1170 Wien, Hernalser Gürtel 47/4 (Einvernehmensanwalt Mag. Dr. Andreas Nödl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Salztorgasse 2/11), gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 7. Dezember 2004, Zl. III- 1009055/FrB/04, betreffend Schubhaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist seinen Angaben zufolge Staatsangehöriger des Sudan und am 9. November 1999 in das Bundesgebiet eingereist. Mit Bescheid vom 29. November 1999 verhängte die Bezirkshauptmannschaft Baden gegen ihn auf der Grundlage des § 36 Abs. 2 Z 7 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, (wegen "Mittellosigkeit") ein bis 30. November 2004 befristetes Aufenthaltsverbot. Bereits am 17. November 1999 war der Beschwerdeführer zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes und zur Sicherung der Abschiebung in Schubhaft genommen worden. Der Versuch, über die sudanesische Botschaft in Wien ein Heimreisezertifikat zu erwirken, scheiterte; die Botschaft teilte mit Schreiben vom 6. Dezember 1999 mit, dass es sich beim Beschwerdeführer nicht um einen Staatsbürger der Republik Sudan handle. Bei seiner Einvernahme vom 4. Jänner 2000 blieb der Beschwerdeführer nach Vorhalt dieser Mitteilung dabei, sudanesischer Staatsangehöriger zu sein. Schließlich wurde er am 13. April 2000 - gemäß einem in den Verwaltungsakten enthaltenen Vermerk deshalb, weil "Ziel nicht erreichbar" - aus der Schubhaft entlassen. Mittlerweile war der Asylantrag des Beschwerdeführers mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 7. Februar 2000 gemäß § 6 Z 3 AsylG abgewiesen worden; außerdem hatte der unabhängige Bundesasylsenat gemäß § 8 AsylG festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in den Sudan zulässig sei.

Mit gleichfalls im Instanzenzug ergangenem Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 21. Oktober 2002 wurde über den Beschwerdeführer im Hinblick auf eine strafgerichtliche Verurteilung neuerlich ein - nunmehr auf 10 Jahre befristetes - Aufenthaltsverbot erlassen. Einen Antrag auf Erteilung eines Abschiebungsaufschubes, der damit begründet worden war, dass bislang erfolglos (durch den anwaltlichen Vertreter des Beschwerdeführers) um Ausstellung eines Heimreisezertifikates ersucht worden sei, wies die Bundespolizeidirektion Wien mit Bescheid vom 18. November 2002 ab. Sie ging dabei - u.a. unter Verweis auf entsprechende Überlegungen der Asylbehörden - davon aus, dass der Beschwerdeführer nicht Staatsangehöriger des Sudan sei.

Mit Bescheid vom 7. Dezember 2004 ordnete die Bundespolizeidirektion Wien (die belangte Behörde) gegen den Beschwerdeführer gemäß § 61 Abs. 1 FrG die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung an. Gleichzeitig wurde ausgesprochen, dass die Rechtsfolgen dieses Bescheides nach der Entlassung des Beschwerdeführers aus der Gerichtshaft eintreten. Die belangte Behörde nahm dabei Bezug auf das oben dargestellte Aufenthaltsverbot aus dem Jahr 2002 und begründete ihre Entscheidung weiter damit, dass der Beschwerdeführer am 21. Oktober 2004 "wegen Verdacht gem. § 28 SMG" in Untersuchungshaft genommen worden sei. Zuletzt sei er an einer näher genannten Adresse in 1020 Wien "wohnhaft" gewesen, ohne jedoch an dieser Adresse aufhältig gewesen zu sein, da er unangemeldet bei verschiedenen Bekannten gewohnt habe. Der Beschwerdeführer sei ledig und habe keine Sorgepflichten. Seine Familienangehörigen lebten in seinem Heimatland, zu Österreich bestünden weder berufliche noch familiäre Bindungen. Sein Verhalten lasse klar erkennen, dass er nicht gewillt sei, österreichische Rechtsvorschriften einzuhalten. Bei Abwägung der maßgeblichen öffentlichen Interessen gegen seine Privatinteressen fielen die öffentlichen Interessen erheblich schwerer ins Gewicht. Die Anwendung gelinderer Mittel sei im Fall des Beschwerdeführers auszuschließen, da auf Grund seines bisherigen Verhaltens die Annahme gerechtfertigt sei, er werde sich dem weiteren fremdenpolizeilichen Verfahren entziehen.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof - nach Erstattung einer Gegenschrift seitens der belangten Behörde - erwogen:

In der Beschwerde wird u.a. geltend gemacht, dass sich die Botschaft des Sudan mehrfach geweigert habe, für den Beschwerdeführer Dokumente auszustellen; er selbst habe 2003 erfolglos versucht, von der sudanesischen Botschaft ein Reisedokument zu erhalten. Eine Abschiebung (in den Sudan) sei somit nicht möglich, weshalb die Schubhaft nicht zur Sicherung der Abschiebung dienen könne und von daher nicht im Sinne des § 61 Abs. 1 FrG notwendig sei.

Dieses Vorbringen führt die Beschwerde im Ergebnis zum Erfolg.

Gemäß § 61 Abs. 1 FrG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern. In § 69 Abs. 2 erster Satz FrG wird angeordnet, dass die Schubhaft nur so lange aufrecht erhalten werden darf, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann. Aus beiden Bestimmungen ergibt sich klar, dass eine Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung nur dann rechtens sein kann, wenn eine Abschiebung auch tatsächlich in Frage kommt; steht von vornherein fest, dass diese Maßnahme nicht durchführbar ist, so darf die Schubhaft nicht verhängt werden. Umgekehrt schadet es - wie sich aus den Verlängerungstatbeständen des § 69 Abs. 4 FrG ergibt - nicht, wenn der ins Auge gefassten Abschiebung zeitlich befristete Hindernisse entgegenstehen. Den erwähnten Verlängerungstatbeständen liegt freilich zu Grunde, dass die in Frage kommenden Hindernisse längstens binnen sechs Monaten beseitigt werden. In den ErläutRV zu § 69 Abs. 6 FrG, der bestimmt, dass ein Fremder wegen desselben Sachverhaltes innerhalb eines Zeitraumes von zwei Jahren grundsätzlich nicht länger als sechs Monate in Schubhaft angehalten werden darf, wird in diesem Sinn unter Bezugnahme auf den Verlängerungsgrund des § 69 Abs. 4 Z 3 FrG ausgeführt, es solle gewährleistet sein, dass bei einem Fremden, dessen Schubhaft nur deshalb nicht aufgehoben wird, weil er die erforderliche Bewilligung für die Einreise eines anderen Staates nicht besitzt - und auch absehbar ist, dass sie innerhalb der Sechsmonatsfrist nicht einlangen wird - überprüft wird, ob die Schubhaft nicht aufzuheben ist (685 BlgNR 20. GP 82). Wäre bereits bei Beginn der Schubhaft absehbar, dass das Abschiebehindernis nicht binnen der genannten Frist zu beseitigen ist, so soll die Schubhaft nach den Vorstellungen des Gesetzgebers mithin von Anfang an nicht verhängt werden (in diesem Sinn auch der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 5. Dezember 1994, VfSlg. 13958).

Im vorliegenden Fall hat sich die belangte Behörde mit der Frage der Durchführbarkeit einer Abschiebung des Beschwerdeführers - trotz massiver Anhaltspunkte für deren Unmöglichkeit - nicht beschäftigt. Eine derartige Beschäftigung wäre fallbezogen nämlich deshalb erforderlich gewesen, weil bereits in der Vergangenheit, trotz fünfmonatiger Schubhaft, eine Abschiebung des Beschwerdeführers nicht zu bewerkstelligen war und von der belangten Behörde auch im Verwaltungsverfahren nichts für eine Änderung der Verhältnisse ins Treffen geführt worden ist; vielmehr ist einerseits sowohl nach Beurteilung der belangten Behörde (siehe dazu etwa ihre Erwägungen im oben angeführten Bescheid vom 18. November 2002, mit dem sie die Gewährung eines Abschiebungsaufschubes versagt hatte) als auch nach Auskunft der sudanesischen Botschaft nicht davon auszugehen, dass es sich beim Beschwerdeführer um einen sudanesischen Staatsangehörigen handle, bzw. andererseits kein Gesichtspunkt ersichtlich, dass ein anderer Staat zur Aufnahme des Beschwerdeführers bereit wäre. Dass der Beschwerdeführer - wie in der Gegenschrift vorgebracht - durch falsche Angaben zu seiner Identität und Staatsangehörigkeit selbst für die Nichterlangung von Reisedokumenten (und damit für die Vereitelung seiner Abschiebung) verantwortlich sei, vermag daran nichts zu ändern, zumal der Schubhaft nicht der Charakter einer Straf- oder Beugehaft zukommt.

Nach dem Gesagten ist der bekämpfte Bescheid mit einem Begründungsmangel behaftet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben war.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 17. November 2005

Schlagworte

Begründung BegründungsmangelBesondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2005210019.X00

Im RIS seit

08.02.2006

Zuletzt aktualisiert am

07.12.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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