TE OGH 1990/1/9 4Ob177/89

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Veröffentlicht am 09.01.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Kodek, Dr. Niederreiter und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V*** ZUR B*** U*** W***, Wien 1, Hofburg,

Kongreßzentrum, vertreten durch Dr. Herwig Hauser, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei E*** Restaurationsbetriebsgesellschaft mbH, Wien 3, Bayerngasse 1, vertreten durch Dr. Anton Pokorny und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 300.000,-) infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 2. Oktober 1989, GZ 4 R 169/89-9, womit der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 13. Juni 1989, GZ 37 Cg 114/89-5, teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben; der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß der Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 20.401,20 (darin enthalten S 3.400,20 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Beklagte betreibt in Wien und in Baden Restaurants sowie in Mondsee ein Motel mit angeschlossenem Restaurant. Sie verfügt über die dafür erforderlichen Gewerbeberechtigungen, nicht jedoch über eine Reisebürokonzession.

Um Teilnehmern an sog. "Incentive-Reisen" - das sind Reisen, mit denen verdiente Dienstnehmer und Kunden von Unternehmen zu weiterem Ansporn belohnt werden - die Dienstleistungen ihrer Betriebe erbringen zu können, verteilte die Beklagte vom November 1988 bis zum Jänner 1989 ca 1000 Stück des Prospektes "Location Vienna" (Beilage D = Beilage 4) an Reisebüros in Wien, in der Bundesrepublik Deutschland, in der Schweiz und in Italien sowie auf der Reisebüromesse in Frankfurt und auf der ATP-Messe in Innsbruck. Auf Seite 2 dieses insgesamt 4 Seiten umfassenden Prospekts sind unter der Überschrift "Incentive Programme 'Location Vienna'" neben Veranstaltungen, die in den Betrieben der Beklagten durchgeführt werden, auch Besichtigungsfahrten in den südlichen Wienerwald und in Wien sowie Ausflüge nach Salzburg (mit Salzkammergut oder mit Wachau) angeführt. Die mit einem blauen Punkt gekennzeichneten Veranstaltungen, darunter auch die erwähnten Fahrten und Ausflüge, werden als "E*** Spezialprogramme" bezeichnet. Die Seite 3 des Prospekts enthält unter der Überschrift "Unser Incentive Programm"

die Worte: "An den ständigen Reiseveranstalter" ..... (Platz für dessen Namen), "von Firma" ..... (Platz für die Firma, den Namen einer Kontaktperson sowie Telefon- oder Telexnummer), "Bitte bieten Sie das folgende Programm an"; unterhalb davon ist Platz für die Angabe der Teilnehmerzahl, der Aufenthaltsdauer in Wien, des Reisemittels nach Wien und der Anzahl der Übernachtungen sowie - unter der weiteren Überschrift "Unser Programm in Wien" - für die Auswahl aus dem Programmangebot (Seite 2). Die Seite 4 des Prospekts enthält unter einer Darstellung der Betriebe und einzelner Leistungen der Beklagten folgende "Information für Reiseveranstalter: Bei der Organisation von Incentive-Programmen arbeiten wir immer mit den ständigen Reiseveranstaltern unserer Kunden zusammen. Bitte kontaktieren Sie uns wegen eines Angebotes für unsere eigenen Programme (mit blauem Punkt gekennzeichnet) sowie hinsichtlich Ihrer Bestellungen."

Die Beklagte erbringt nur die im Rahmen ihrer Betriebe möglichen Leistungen und nimmt auch nur dafür Bestellungen entgegen; sie verfügt über keine Autobusse und besorgt auch nicht die Beförderung von Reisenden. Wenn Kunden Besichtigungsfahrten oder Ausflüge buchen wollen, muß sich das für sie tätige Reisebüro (ihr ständiger Reiseveranstalter) an ein damit befaßtes Unternehmen wenden. Bei den in den Programmangeboten als "E*** Spezialprogramme" bezeichneten Besichtigungsfahrten und Ausflügen können die in das Dienstleistungsprogramm der Beklagten fallenden Leistungen (Hotelunterbringung und Verpflegung) bei der Beklagten gebucht werden.

Zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches beantragt der klagende V*** ZUR B*** U*** W***,

der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu verbieten, Dienstleistungen oder sonstige Tätigkeiten, die der Konzessionspflicht für die Ausübung des Reisebürogewerbes, in eventu der Konzessionspflicht nach dem Gelegenheitsverkehrsgesetz, unterliegen, anzukündigen und zu erbringen, insbesondere Besichtigungs- und Ausflugsfahrten unter dem Titel "Incentive-Programm Location Vienna", wobei Fahrten nach Prag, Budapest, in die Wachau, in das Salzkammergut und in den südlichen Wienerwald sowie Wiener Stadtrundfahrten angeboten werden. Mit ihren Ankündigungen im Prospekt Beilage D betreibe die Beklagte die Geschäfte eines auf "Incoming-Tourismus" spezialisierten Reisebüros, ohne über die dafür erforderliche Konzession zu verfügen. Die Beklagte trete dabei als Reiseveranstalter im eigenen Namen oder als Reisevermittler auf; sie übe allenfalls auch das Gewerbe der Personenbeförderung aus, ohne über eine Konzession nach dem Gelegenheitsverkehrsgesetz zu verfügen. Damit verstoße die Beklagte nicht nur gegen die genannten Verwaltungsvorschriften, sondern auch gegen § 1 UWG. Die Beklagte sprach sich gegen die Erlassung der einstweiligen Verfügung aus. Sie habe den Prospekt Beilage D ausschließlich an Großunternehmen in der Bundesrepublik Deutschland, in der Schweiz und in Liechtenstein versandt, welche entweder über eine eigene Konzession oder über ständige Reisebüropartner verfügten; sie selbst habe nur ihre gastronomischen Leistungen angeboten. Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Die Beklagte habe nur die im Rahmen ihrer Betriebe möglichen Leistungen angeboten, ohne die Grenzen ihrer Gewerbeberechtigungen zu überschreiten; sie habe daher weder die Gewerbeordnung noch das UWG verletzt. Das Rekursgericht verbot der Beklagten, Dienstleistungen oder sonstige Tätigkeiten, die der Konzessionspflicht für die Ausübung des Reisebürogewerbes unterliegen, anzukündigen, insbesondere Besichtigungs- und Ausflugsveranstaltungen unter dem Titel "Incentive-Programm Location Vienna", wobei Fahrten in die Wachau, das Salzkammergut und den südlichen Wienerwald angeboten werden; das Mehrbegehren, der Beklagten auch die Erbringung derartiger Dienstleistungen sowie insbesondere auch Besichtigungs- und Ausflugsveranstaltungen nach Prag und Budapest sowie Wiener Stadtrundfahrten zu verbieten, wies es hingegen ab. Weiters sprach das Rekursgericht aus, daß der von der Abänderung betroffene Wert des Beschwerdegegenstandes S 15.000,- der gesamte Beschwerdegegenstand hingegen nicht S 300.000,- übersteige und der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei.

Das Rekursgericht übernahm die eingangs wiedergegebenen Feststellungen des Erstgerichtes und führte in rechtlicher Hinsicht folgendes aus: Eine vorbereitende oder vermittelnde Reisebürotätigkeit liege nach den Feststellungen des Erstgerichtes nicht vor; die bloße Aufnahme verschiedener Leistungen in den Prospekt Beilage D sei keine solche Tätigkeit. Die Beklagte habe im Prospekt Beilage D jedoch Reisebüroleistungen, nämlich eine Besichtigungsfahrt in den südlichen Wienerwald sowie eine Fahrt in die Wachau und in das Salzkammergut, einem größeren Kreis von Personen angeboten. Gemäß § 1 Abs 4 Satz 2 GewO 1973 werde das Anbieten einer den Gegenstand eines Gewerbes bildenden Tätigkeit an einen größeren Personenkreis der Ausübung des Gewerbes gleichgehalten; das Veranstalten oder Vermitteln von Gesellschaftsfahrten unterliege aber gemäß § 208 Abs 1 GewO 1973 der Konzessionspflicht. Die Beklagte habe daher die in § 1 Abs 4 Satz 2 GewO 1973 genannte Ausübungsform des Reisebürogewerbes ohne entsprechende Konzession zu verantworten; damit habe sie nicht nur gegen die Gewerbeordnung, sondern auch gegen § 1 UWG verstoßen. Nicht hingegen habe sie das Reisebürogewerbe selbst ausgeübt; auch die Fahrt nach Prag und nach Budapest sowie die Wiener Stadtrundfahrten habe sie nicht als eigene Veranstaltungen angekündigt. Insoweit sei daher die Abweisung des Sicherungsantrages zu bestätigen gewesen. Soweit die Klägerin im Rekurs auf das Ankündigen weiterer Bus- und Schiffsreisen in der von der Klage nicht erfaßten Werbeschrift Beilage 5 bezug nehme, verstoße sie gegen das Neuerungsverbot.

Gegen den abändernden Teil dieses Beschlusses richtet sich der wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revisionsrekurs der Beklagten mit dem Antrag, den Beschluß des Erstgerichtes zur Gänze wiederherzustellen.

Der Kläger beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist berechtigt.

Der Auffassung der Revisionsrekurswerberin, daß ihr nach den getroffenen Feststellungen keine Tätigkeit, die der Konzessionspflicht nach § 208 GewO 1973 unterliegt, anzulasten sei, ist im Ergebnis beizupflichten.

Gemäß § 208 Abs 1 GewO 1973 unterliegt (ua) die Veranstaltung (einschließlich der Vermittlung) von Gesellschaftsfahrten der Konzessionspflicht für das Reisebürogewerbe. Wie das Rekursgericht richtig erkannt hat, übt die Beklagte in bezug auf Gesellschaftsfahrten weder eine veranstaltende noch eine vermittelnde Tätigkeit aus. Unter dem Begriff des "Veranstaltens von Gesellschaftsfahrten" ist die Summe aller jener organisatorischen Maßnahmen zu verstehen, die erforderlich sind, um die Durchführung von Gesellschaftsreisen zu ermöglichen und zu gewährleisten; dazu gehört neben der Planung solcher Fahrten, der Sammlung der Teilnehmer, der Sorge für deren allfällige Verköstigung und Unterkunft sowie der Zurverfügungstellung eines Reisebegleiters uam, auch die Bereitstellung geeigneter Beförderungsmittel (Mache-Kinscher, GewO5, 539, Anm 7 zu § 208). Dabei braucht jedoch nicht die Summe aller hiefür erforderlichen organisatorischen Maßnahmen vorgenommen zu werden; vielmehr genügt jede gewerbsmäßig, auf die Bildung von Reisegemeinschaften gerichtete, diese also vorbereitende und vermittelnde Tätigkeit (SZ 57/169). Eine solche

Tätigkeit übt aber die Beklagte nicht aus; zum Verabreichen der Verköstigung und zum Gewähren der Unterkunft ist sie jedoch

berechtigt. Darüber hinaus hat sie die Interessenten auch darauf hingewiesen, daß sie bei der Organisation von Gesellschaftsreisen immer mit den ständigen Reiseveranstaltern ihrer Kunden zusammenarbeitet; diese müssen die Gesellschaftsfahrten bei dazu berechtigten Unternehmen buchen. Die Beklagte erbringt im Zusammenhang damit nur jene Leistungen, die im Rahmen ihrer Betriebe möglich sind. Zutreffend hat das Rekursgericht auch ausgeführt, daß unter diesen Umständen die Aufnahme von Gesellschaftsfahrten in einen Prospekt, mit dem in erster Linie für eigene Leistungen geworben wird, auch nicht als Vermitteln von Gesellschaftsfahrten angesehen werden kann, weil es von der freien Wahl des für die Kunden der Beklagten tätigen Reiseveranstalters abhängt, welches Unternehmen mit der Durchführung der Fahrten und Ausflüge betraut wird.

Entgegen der vom Rekursgericht vertretenen Auffassung hat aber die Beklagte auch nicht eine den Gegenstand des Reisebürogewerbes bildende Tätigkeit einem größeren Kreis von Personen angeboten.

§ 1 Abs 4 Satz 2 GewO 1973, wonach das Anbieten einer den Gegenstand eines Gewerbes bildenden Tätigkeit an einen größeren Kreis von Personen der Ausübung des Gewerbes gleichgehalten wird, erfaßt - im Gegensatz zur Ausübung eines Gewerbes, die eine entsprechende Tätigkeit verlangt - das Anbieten im Wege aller Massenmedien; demjenigen, der um Kunden wirbt, soll schon in diesem Zeitpunkt, noch ehe er einen Einzelvertrag mit einem Kunden abgeschlossen hat, der Status des Gewerbetreibenden zukommen (EB z GewO 1973, abgedruckt bei Mache-Kinscher aaO Anm 30 f zu § 1 GewO). Der Gesetzgeber hat damit eindeutig zum Ausdruck gebracht, daß das Anbieten im Sinne des § 1 Abs 4 Satz 2 GewO 1973 nur dann der Ausübung des Gewerbes gleichgehalten wird, wenn eine zu erbringende eigenen Leistung einem größeren Kreis von Personen angeboten wird. Ob das Anbieten einer eigenen Leistung beabsichtigt ist, ist - wie die Frage, wer der Anbietende ist (4 Ob 27/89) - nach objektiven Kriterien zu prüfen; darauf, wie das Ankündigen vom Verkehr aufgefaßt wird, kommt es hier nicht an. Beabsichtigt der Anbietende nicht, die den Gegenstand eines Gewerbes bildende Tätigkeit auch selbst auszuüben, und kündigt er - wie hier - an, daß die gewerbliche Tätigkeit, zu deren Ausübung er nicht berechtigt ist, von einem dazu befugten Gewerbetreibenden in Anspruch genommen werden muß, dann liegt ein Anbieten im Sinne dieser Gesetzesstelle nicht vor; das Anlocken eigener Kunden, das der Ausübung des Gewerbes gleichgehalten wird, ist damit nicht verbunden. Aus den dargelegten Gründen kommt es aber - entgegen der vom Kläger in der Revisionsrekursbeantwortung vertretenen Auffassung - in einem Fall, wie er hier vorliegt auch nicht darauf an, ob die Aufklärung, daß die erforderliche Reisebüroleistung nicht von der Beklagten erbracht wird, bereits mit dem Angebot der gesamten gewerblichen Tätigkeit vorgenommen wurde. Es begründet keinen Verstoß gegen gewerberechtliche Vorschriften, wenn ein Gewerbetreibender im Rahmen seines Betriebes für (branchenfremde) Veranstaltungen wirbt, die ein anderer Gewerbeberechtigter im Rahmen seiner Konzession durchführt; einem Gewerbetreibenden kann nicht verwehrt werden seine eigenen Kunden auf eine von dritter Seite durchgeführte Veranstaltung aufmerksam zu machen (4 Ob 301/85).

Dem Revisionsrekurs der Beklagten war daher Folge zu geben und der Beschluß des Erstgerichtes zur Gänze wiederherzustellen. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf §§ 78, 402 EO, §§ 41, 50, 52 Abs 1 ZPO.

Anmerkung

E19765

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0040OB00177.89.0109.000

Dokumentnummer

JJT_19900109_OGH0002_0040OB00177_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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