Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kralik sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber, Dr.Kropfitsch und Dr.Zehetner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei mj. Birgit K***, geboren am 12.Jänner 1977, Schülerin, vertreten durch die Mutter Anna Maria K***, Hausfrau, beide 4085 Wesenufer, Kager 2, vertreten durch Dr.Johannes Hochleitner, Rechtsanwalt in Eferding, wider die beklagte Partei D*** A*** V***-AG, 1011 Wien, Schottenring 15,
vertreten durch Dr.Georg Maxwald, Dr.Georg Bauer, Rechtsanwälte in Linz, wegen S 839.440,50 s.A. und Feststellung (Streitwert S 100.000,--), Revisionsstreitwert S 303.123,90, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 1.September 1989, GZ 5 R 41/89-38, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Wels vom 9.Jänner 1989, GZ 7 Cg 251/87-31, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 11.745,-- (darin keine Barauslagen und S 1.957,50 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die am 12.1.1977 geborene Klägerin wurde bei einem Verkehrsunfall am 16.7.1985 schwer verletzt. Die Haftung der Beklagten für die Unfallsfolgen ist unstrittig.
Die Klägerin begehrte zuletzt die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von S 839.440,50 s.A. Im einzelnen machte sie geltend:
Schmerzengeld S540.000,--
Verunstaltungsentschädigung S 110.000,--
Kosten für Heimunterbringung
Feber 1986 bis Juni 1987 und
September 1987 bis Juli 1988 S 337.277,50
Fahrtkosten S 57.720,--
Behandlungskosten S 4.443,--
Summe S 1,049.440,50
abzüglich Teilzahlung S 210.000,--
S 839.440,50.
Darüber hinaus stellte die Klägerin ein Feststellungsbegehren. Im Revisionsverfahren sind nur mehr die Höhe des Schmerzengeldes und der Verunstaltungsentschädigung sowie die Frage der Vorteilsausgleichung bei den Heimkosten strittig.
Die Beklagte erachtete lediglich ein Schmerzengeld von insgesamt S 200.000,-- und eine Verunstaltungsentschädigung von S 10.000,-- für gerechtfertigt. Zu den begehrten Kosten für die Unterbringung der Klägerin im Kinderdorf St.Isidor wandte sie ein, die Klägerin müsse sich im Rahmen der Vorteilsausgleichung die von ihrer Mutter bezogene erhöhte Kinderbeihilfe von S 1.450,-- monatlich, sowie eine Eigenersparnis von 50 % der monatlichen Unterbringungskosten anrechnen lassen.
Das Erstgericht verurteilte die Beklagte zur Zahlung von S 431.428,70 s.A. und wies das Leistungsmehrbegehren ab. Weiters stellte es die Haftung der Beklagten für alle aus dem Verkehrsunfall vom 16.7.1985 resultierenden unfallskausalen Folgen, beschränkt durch den bestehenden Haftpflichtversicherungsvertrag, fest. Das Erstgericht legte seiner Entscheidung im wesentlichen folgende für das Revisionsverfahren relevante Feststellungen zugrunde:
Die Klägerin besuchte vor dem Unfall die Allgemeine Volksschule Waldkirchen am Wesen. Sie erwies sich dort in der ersten und zweiten Klasse allgemein als ein sehr fröhliches und aufgewecktes Kind, lernte rasch lesen und war im Turnunterricht sehr wendig. Sie war insgesamt durchschnittlich bis gut durchschnittlich begabt; allerdings lag ihr Schreiben und Zeichnen nicht. Gemessen an ihren Fähigkeiten war sie etwas zu wenig fleißig. Ihr soziales Verhalten war unauffällig; sie zeigte sich in der Klasse angepaßt. Beim Unfall am 16.7.1985 erlitt die Klägerin beidseits einen Einbruch des Schädelknochens im Stirn-Basis-Bereich, eine Zerreißung der harten Hirnhaut, eine Beschädigung von Hirngewebe, einen Bruch des linken Oberschenkels, eine Rißquetschwunde am Hinterhaupt links sowie Prellungen beider Unterschenkel mit Hautabschürfungen. Sie wurde nach dem Unfall ins Unfallkrankenhaus Linz eingeliefert und dort stationär aufgenommen. Am Aufnahmetag wurde in Allgemeinnarkose die Impression gehoben und eine bifrontale Craniotomie durchgeführt. Es wurde das lazerierte Hirngewebe abgesaugt und eine Naht der Dura sowie eine Plastik mit lyophylisierter Dura durchgeführt. Anschließend erfolgte das Einlegen der gehobenen Knochenteile; sodann wurde die Wunde verschlossen. Die Wunde am Hinterhaupt wurde ebenfalls in Allgemeinnarkose versorgt. Anschließend wurde eine Schienbeindrahtextension mit 4 kg Zuggewicht angelegt. Danach erfolgte die postoperative Überwachung der Klägerin auf der Intensivpflegestation, wo am nächsten Tag die Beatmung mit oralem Tubus durchgeführt wurde und eine computertomographische Untersuchung im Allgemeinen Krankenhaus Linz. Das CT ergab ein massives Hirnödem mit Einklemmung des Hirnstammes am Tendorium sowie ausgedehnte Kontusionsherde an beiden Frontalpolen, besonders links. Auf Grund des anhaltenden Hirndruckes wurde am 18.7.1985 neuerlich eine osteoklastische Trepanation durchgeführt und weitere Kontusionsherde abgesaugt. Dann wurde eine neuerliche Duraplastik mit lyophylisierter Dura durchgeführt. Die EEG-Kontrollen ergaben in der Folge eine nur langsame Besserung des Herdgeschehens im Granium. Am 24.7.1985 erfolgte eine neuerliche computertomographische Untersuchung, welche eine deutliche Rückbildung des Hirnödems, aber nach wie vor Raumforderung durch die Kontusionsherde und Einengung des Ventrikelsystems ergab. Am 30.7.1985 wurde die Beatmung abgesetzt und die weitere Beatmung mit O2-Maske und Vernebler durchgeführt. Neurologisch bestand zu diesem Zeitpunkt ein Koma Vigile mit ausgeprägten Primitiv-Reflexen. Auf Grund des neurologischen Zustandes der Klägerin war eine Erblindung nicht auszuschließen, sodaß der Augenarzt zur konsiliarischen Untersuchung beigezogen wurde. Dabei konnte aber kein pathologischer Befund erhoben werden. Am 2.8.1985 erfolgte eine Bronchoskopie und eine Laryngoskopie, wobei das Tracheotoma revidiert wurde und ein Granulationspropfen entfernt werden mußte. Anschließend erfolgte die Rückvernähung des Kehlkopfdeckels. In weiterer Folge kam es sowohl in EKG als auch neurologischerseits zu einer langsamen Besserung des Allgemeinzustandes und des neurologischen Zustandes der Klägerin, sodaß eine Verlegung auf die Normalstation ab 10.8.1985 möglich war. Nach vierwöchiger Extensionsbehandlung konnte am 21.8.1985 ein Brust-Becken-Beinverband aus Baycast angelegt und die Extension entfernt werden. Der Bruch wurde in diesem Verband in 15 Grad Antekurvation fixiert. Nach dem Ablegen des Gipsverbandes begann die Mobilisierung der Klägerin, was auf Grund einer Korrektur des rechten Hüftgelenkes durch die langdauernde Sedierung und Außenrotationslagerung des Beines vorläufig stark schmerzhaft war. Die Mobilisierung war in weiterer Folge nur sehr schleppend möglich, sodaß am 5.9.1985 nach Rücksprache mit Oberarzt Dr.G*** von der neuro-psychiatrischen Abteilung des Kinderkrankenhauses die Transferierung der Patientin in das Kinderkrankenhaus zur Rehabilitation bezüglich der Schädel-Hirnverletzung durchgeführt wurde. Im Kinderkrankenhaus wurde die Klägerin zum Kopfschutz mit einem Plastikhelm versorgt. Der erste stationäre Aufenthalt im UKH Linz dauerte vom 16.7. bis 5.9.1985 (= 52 Tage). Die Weiterbehandlung im Landeskinderkrankenhaus dauerte dann bis 18.9.1985 (= 13 Tage). Am 18.9.1985 wurde dann noch im UKH Linz ein Röntgen durchgeführt. Der linke Oberschenkel zeigte eine kräftige Kallusbildung. Ein Bohrdraht war im Bereich der Glabella unter der Haut vorspringend, der dann in Lokalanästhesie entfernt wurde. Die Klägerin wurde wieder zurück ins Kinderkrankenhaus gebracht und im UKH Linz für 1.10.1985 wiederbestellt. Am 1.10.1985 erfolgte dann die Gipsabnahme. Die Klägerin konnte das linke Bein gestreckt von der Unterlage hochheben. Die Extensionsstelle war reaktionslos und die Kallusbildung gut. Sensibilität und Durchblutung waren in Ordnung. Für 15.10.1985 wurde die Klägerin ins UKH Linz zur neuerlichen ambulanten Kontrolle wiederbestellt. Der An- und Abtransport der Klägerin erfolgte am 15.10.1985 mit der Rettung. Im UKH Linz konnte festgestellt werden, daß der Klägerin eine volle Belastung des linken Beines möglich war. Die Klägerin mußte allerdings Stützkrücken benützen und ging noch etwas hinkend. Sensibilität und Durchblutung waren in Ordnung. Die nächste ambulante Kontrolle erfolgte am 29.10.1985 mit Röntgenuntersuchung. Der linke Oberschenkelbruch zeigte sich knöchern verheilt. Biegungs- und Druckschmerz bestand nicht. Der Gang war linksseitig noch immer hinkend und die Hüfte endlagig eingeschränkt. Die Operationswunde am Kopf war reaktionslos. Für 1986 war dann die Operation zur Herstellung der Schädeldachplastik vorgesehen. Zunächst fand sich die Klägerin am 7.1.1986 wieder im UKH Linz ein. Ihr Gangbild war damals unauffällig, der linke Oberschenkel frei beweglich, das Bein gerade und nicht verkürzt. Die Klägerin trug nach wie vor den ihr im Kinderkrankenhaus verabreichten Plastikkopfschutz. Der Parieto-tempero-frontale Defekt hatte die Ausmaße von 12 x 6 cm, reichte von der Schädelbasis bis etwa zwei Querfinger an die Mittellinie heran und nach rechts bis zum Übergang an die frontalen Schläfen. Der Knochendefekt war von außen erkennbar, gut tastbar, nicht besonders empfindlich und das Hirn dort pulsierend. Es bestanden keine sensorischen Ausfälle. Nach der Tracheotomie war eine Narbe festzustellen. Insgesamt war die Klägerin etwas verlangsamt, subjektiv aber beschwerdefrei. Die Operation zur Craneoplastic mit autoplastischen, gespalteten Rippen wurde dann für 19.3.1986 vorgesehen und die Klägerin für 18.3.1986 zur neuerlichen stationären Behandlung wiederbestellt. Am Beginn der neuerlichen stationären Aufnahme im UKH Linz am 18.3.1986 zeigte sich der Allgemeinzustand der Klägerin gut. Haut und sichtbare Schleimhäute waren gut durchblutet und die Haut im Operationsgebiet in Ordnung. Am 19.3.1986 wurde dann die Craneoplastic mit autologen Bankspänen durchgeführt. Die Operation selbst dauerte von 9.38 bis 12.15 Uhr. Dabei wurde in Allgemeinnarkose und Rückenlage in die alte Narbe eingegangen, und zwar auf eine Länge von 17 cm und 7 cm Schnitterweiterung. Danach erfolgte die Abpräparierung der Hautperiostlappen frontal bis zur Augenbraue und die Darstellung der Defektränder. Nach dem Auffrischen der Ränder wurden die Knochenanteile nach Perforierung auf den Defekt aufgebracht und mit Bohrdrähten befestigt, wobei insgesamt 7 Eigenknochenfragmente Verwendung fanden. Zwei kleinere Eigenknochenfragmente wurden mit Vicrylnähten über die Bohrlöcher an die noch fehlenden Stellen entsprechend aufgebracht. Nach sorgfältiger Spülung des Wundgebietes zeigte die Schlußinspektion annähernd anatomische Verhältnisse. Bei der postoperativen Röntgenkontrolle stellten sich die Transplantate in anatomischer Lage dar. Dieser stationäre Krankenhausaufenthalt im UKH Linz dauerte noch bis 25.3.1986 (= insgesamt 8 Tage) und wurde die Klägerin nach operativ und postoperativ komplikationslosem Verlauf an diesem Tag mit der Rettung nach Hause transportiert. Bei der nächsten ambulanten Kontrolle am 28.3.1986 zeigte sich die OP-Narbe reaktionslos. Die Klägerin war grob neurologisch unauffällig, kreislaufmäßig stabil und das Schädeldach normal konturiert, worauf jede zweite Klammernaht entfernt wurde. Bei der nächsten ambulanten Kontrolle am 4.4.1986 zeigte sich die Operationsnarbe reaktionslos und zart abgeheilt. Es erfolgte die Entfernung der Restklammern und die Klägerin zeigte sich beschwerdefrei. Nach einer weiteren Kontrolle am 18.4.1986, bei der sich die Klägerin körperlich wohlauf zeigte, wurde die ambulante Behandlung vorerst beendet. Es war damals bei der Klägerin auf Höhe der Osteotomie ein kleiner Knochenwulst tastbar.
Seit 7.1.1986 ist die Klägerin, abgesehen von stationären Krankenhausaufenthalten und den Schulferien, in der Allgemeinen Landes-Sonderschule III im Kinderdorf St.Isidor untergebracht, wo sie ganztägig betreut und beaufsichtigt wird.
Bei der Klägerin liegen seit dem Unfall und unfallbedingt Dauerfolgen vor. So ist ein organisches Psychosyndrom in Form einer jedenfalls im Vergleich zu Gleichaltrigen deutlichen Unterbegabung gegeben. Sie ist in ihrer intellektuellen Leistungsfähigkeit lückenhaft, es kommt zu Ausfallserscheinungen, Konzentrations- und Wahrnehmungsschwächen. Weiters blieben Störungen der Feinmotorik zurück. Die unfallbedingte Herabsetzung ihrer geistigen Fähigkeit führt bei der Klägerin zu einer vermehrten Suggestibilität, also verminderten Kritikfähigkeit und Reduktion ihrer Hemmungsfähigkeit. Dies führt zu Gefahren sexuellen Mißbrauchs und der Durchführung von Aufgaben oder Aufträgen ohne Überprüfung ihrer Sinnhaftigkeit oder allfälligen Gefährlichkeit. Die Minderung ihrer geistigen Fähigkeiten führt bei der Klägerin nach außen hin erkennbar nicht nur zu merklicher Verlangsamung, mühseligem Nachdenken und Versanden (Wahrnehmungs- und Konzentrationsschwächen), sondern auch sonst auffälligem Verhalten, wie etwa unmotiviertem Lachen, welches sich im Verkehr mit anderen Personen je nach den Umständen verschieden auswirken kann. Trifft die Klägerin auf wohlwollende Partner, so wird sie Mitleid und Zuneigung indizieren. Im Verkehr mit Altersgenossen ist aber mit Unverständnis und Ablehnung zu rechnen Mitte des Jahres 1987 zeigte die Klägerin im Kinderdorf St.Isidor verschiedentlich aggressive Verhaltensweisen auch gegenüber anderen Kindern. Sie wurde deshalb vom 12.6. bis 20.6.1987 wieder im Landeskinderkrankenhaus untersucht. Der damals dort erhobene Status ergab sensomotorische Schwächen der rechten Körperseite, wodurch graphomotorische Leistungen und kreative Funktionen deutlich gehemmt waren. Die Überprüfung der intellektuellen Fähigkeiten ergab einen IQ von 65 (normal: 100) mit einer starken Diskrepanz zwischen Verbal- und Handlungsteil, wobei Figuren-Raum-Wahrnehmung und kombinatorisches Denken besonders beeinträchtigt war. Allerdings ist die Ermittlung von IQ-Werten stark von der Tagesverfassung abhängig. Während dieses stationären Aufenthaltes verhielt sich dann die Klägerin völlig normal und trat in weiterer Folge auch im Kinderdorf kein aggressives Verhalten mehr auf.
Da sich bei einer ambulanten Kontrolle der Klägerin am 21.1.1987 zeigte, daß die durchgeführte Cranioplastic eingesunken und teilweise abgebaut war, wurde nach weiteren ambulanten Kontrollen am 29.1.1987 und 26.6.1987 die Klägerin am 29.6.1987 im UKH Linz neuerlich stationär aufgenommen. Am 30.6.1987 wurde der Klägerin dann in einer gut einstündigen Operation an der rechten Seite ein Teil der 7. Rippe entnommen und mit Bankspänen sowie Rippenteilen der bifrontale Defekt (Ausmaß 4 x 8 cm) behoben und mit Bohrdrähten fixiert. Der weitere Heilungsverlauf war komplikationslos und die Klägerin wurde nach acht Tagen stationären Aufenthaltes am 6.7.1987 wieder entlassen. Weitere ambulante Kontrollen erfolgten dann am 13.7.1987 (Nahtentfernung), am 27.7.1987 und am 29.10.1987 (Röntgenkontrolle).
Auf Grund ihrer unfallbedingten Verletzungen, des Heilungsverlaufes, der Folgeoperationen einschließlich der mit dem stationären Aufenthalt vom 29.6.1987 bis 6.7.1987 aufgetretenen Beschwerden erlitt die Klägerin gerafft und unter Einschluß der Restbeschwerden starke, mittelstarke und leichte Schmerzen über folgende Zeiträume:
Starke Schmerzen 15 - 16 Tage
Mittelstarke Schmerzen 32 - 34 Tage
Leichte Schmerzen 82 - 85 Tage
Unfallbedingte Wiedererkrankungen der Klägerin sind nicht auszuschließen.
Insbesondere auf Grund der geistigen Beeinträchtigung der Klägerin ist derzeit davon auszugehen, daß sie den Anforderungen des allgemeinen Arbeitsmarktes unfallsbedingt nicht genügen wird können. Wenn die Gefahr direkter Gewalteinwirkung besteht, wie etwa beim Ballspielen im Turnunterricht, muß die Klägerin auf Grund ihrer Schädelverletzungen noch einen Schutzhelm tragen.
Unfallbedingt besteht bei der Klägerin im behaarten Kopfbereich ohne nennenswerte Störung des Haarwuchses eine ausgedehnte Narbenzone, die ein handtellergroßes Areal umfaßt. Bei etwas vorgekämmtem - auch kurz geschnittenem - Haar sind die Narbenausläufer gegen die Stirn hin abgedeckt. Eine Druckempfindlichkeit dieses Narbenbereiches besteht nicht. In der Mitte der Vorderseite des Halses besteht querverlaufend eine Narbe nach Tracheotomie. Unter dem linken Schlüsselbein liegen mehrere unauffällige Narben und über der rechten Gesäßbacke eine 18 cm lange bis zu 2 cm breite Narbe von geringem Auffälligkeitswert. Weiters besteht im rechten Brustkorbbereich eine deutlich auffällige, ausgedehnte, gut 10 cm lange Narbe etwa im Verlauf der 6. Rippe. An Unterbringungskosten im Kinderdorf St.Isidor liefen im Zeitraum Februar 1986 bis Juni 1987 für insgesamt 326 Verpflegstage Kosten von S 177.848,-- auf, vom September 1987 bis Februar 1988 für 146 Verpflegstage S 84.080,70, und von März bis September 1988 für 129 Verpflegstage S 75.348,90.
In rechtlicher Hinsicht erachtete das Erstgericht ein Schmerzengeld von S 250.000,-- und eine Verunstaltungsentschädigung von S 90.000,-- für angemessen. Von den Kosten der Heimunterbringung von insgesamt S 337.277,60 brachte es unter dem Titel der Vorteilsausgleichung den Erhöhungsbetrag der Familienbeihilfe in der aliquot errechneten Höhe von S 33.123,90 sowie eine Haushaltsersparnis in der nach Abzug von Fahrtkosten verbleibenden Höhe von S 16.048,-- in Anrechnung.
Infolge Berufung der Klägerin änderte das Gericht zweiter Instanz das Urteil des Erstgerichtes, daß in seinem Ausspruch über das Feststellungsbegehren unangefochten geblieben war, im Ausspruch über das Leistungsbegehren dahin ab, daß der Klägerin S 734.552,60 s. A. zugesprochen und das Mehrbegehren von S 104.887,90 s.A. s.A. abgewiesen wurde. Ausgehend von den unbekämpften Feststellungen des Erstgerichtes erachtete das Berufungsgericht ein Schmerzengeld von S 500.000,-- und eine Verunstaltungsentschädigung von S 110.000,-- für gerechtfertigt. Hinsichtlich der vom Erstgericht vorgenommenen aliquoten Anrechnung der erhöhten Familienbeihilfe von insgesamt S 33.123,90, sowie der Haushaltsersparnis mit S 16.048,-- im Wege der Vorteilsausgleichung auf den Anspruch der Klägerin auf Ersatz der Unterbringungskosten im Kinderdorf St.Isidor führte das Berufungsgericht aus, die Familienbeihilfe - ebenso die erhöhte Familienbeihilfe - werde nicht dem Kind gewährt, sondern der Person, zu deren Haushalt das Kind gehöre oder die die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trage. Sie gelte nicht als eigenes Einkommen des Kindes und mindere nicht dessen Unterhaltsanspruch (§ 12 a FamL***). Auf Grund dieser gesetzlichen Regelung des Familienlastenausgleichsgesetzes handle es sich bei der erhöhten Beihilfe nicht um einen Vorteil der Klägerin, weshalb sie schon aus diesem Grunde nicht im Wege der Vorteilsausgleichung zu berücksichtigen sei. Daß nach § 2 Abs 5 lit d FamL*** die Haushaltszugehörigkeit des Kindes nicht als aufgehoben gelte, wenn es sich wegen eines Leidens oder Gebrechens nicht nur vorübergehend in Anstaltspflege befinde und die Person zu den Kosten des Unterhalts mindestens in Höhe der Familienbeihilfe und, handle es sich um ein erheblich behindertes Kind, darüber hinaus in Höhe des Erhöhungsbetrages beitrage, ändere an der grundsätzlichen Regelung des § 12 a FamL*** nichts. Hingegen bestünden keine Bedenken, der Klägerin, wenn sie die Heimkosten von der Beklagten ersetzt erhalte, die Ersparnis anzurechnen, die sie dadurch erziele, daß in den Heimkosten auch Leistungen enthalten seien, die für ihren Unterhalt jedenfalls aufgewendet werden müßten. Wenn die minderjährige Geschädigte den Ersatzanspruch für die Heimkosten geltend machen könne, ohne sie selbst getragen zu haben, müsse sie sich auch selbst die entsprechende Haushaltsersparnis im Wege der Vorteilsausgleichung anrechnen lassen.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wendet sich die Revision der Beklagten aus dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne der Wiederherstellung des Urteiles des Erstgerichtes; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Die Beklagte führt in ihrem Rechtsmittel aus, das vom
Berufungsgericht zugesprochene Schmerzengeld von S 500.000,-- sei
überhöht; das als Dauerfolge verbliebene organische Psychosyndrom
sei vom Erstgericht beim Zuspruch von S 250.000,-- ohnehin
hinreichend berücksichtigt worden. Insbesondere in Anbetracht der
eher geringen Schmerzperioden sei das vom Erstgericht zugesprochene
Schmerzengeld angemessen; desgleichen sei der vom Erstgericht
zugesprochene Betrag von S 90.000,-- an Verunstaltungsentschädigung
angemessen. Die Kopfnarben und die Verformungen des Schädels seien
deshalb nicht entstellend, weil sie vom Haupthaar bedeckt würden.
Auch die Narbe am Gesäß sei nicht entstellend, da ihr
Auffälligkeitswert gering sei. Lediglich die Narbe am rechten
Rippenbogen werde vom Sachverständigen tatsächlich als Entstellung
eingestuft. Das Psychosyndrom sei in Wahrheit keine Verunstaltung.
Verunstaltung im Sinne des § 1326 ABGB sei nach der Rechtsprechung
jede wesentliche Veränderung der äußeren Erscheinung des Verletzten.
Zwar habe die Rechtsprechung in weiterer Folge auch äußerlich nicht notwendigerweise sichtbare Beeinträchtigungen unter § 1326 ABGB subsumiert, wie z.B. Sprachstörungen, Ungeschicklichkeit oder Zittern der Hände als Folge einer Hirnschädigung; die Minderung der geistigen Leistungsfähigkeit allein sei aber sicher nicht mehr unter § 1326 ABGB zu subsumieren. Auch das unmotivierte Lachen und die merkliche Verlangsamung der Klägerin stellten keine nachteiligen Veränderungen ihrer äußeren Erscheinung dar.
Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden.
Nach ständiger Rechtsprechung sind bei der Bemessung des Schmerzengeldes die Art und Schwere der Körperverletzung, die Art und Dauer der Schmerzen sowie die Dauer der Beeinträchtigung des Gesundheitszustands und die damit verbundenen Unlustgefühle zu berücksichtigen (ZVR 1985/102 uva). Es ist umso höher zu bemessen, je bedeutender die körperliche Verletzung, je länger die Heilung oder Gesundheitsstörung, je intensiver die mit der Verletzung verbundenen Schmerzen und je empfindlicher die üblen Folgen für das Leben und die Gesundheit des Verletzten sind (ZVR 1983/125 uva). Grundsätzlich stellt das Schmerzengeld eine Globalabfindung für alle eingetretenen und nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen durch die Unfallsfolgen dar. Für seine Bemessung ist das Gesamtbild der Verletzungsfolgen maßgebend. Eine Bemessung nach Tagessätzen wird in ständiger Rechtsprechung abgelehnt. Bei der Bemessung des Schmerzengeldes müssen auch künftige, nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartende körperliche und seelische Schmerzen einbezogen werden (ZVR 1970/77 ua).
Werden diese Grundsätze auf den im vorliegenden Fall festgestellten Sachverhalt angewendet, ist dem Berufungsgericht beizupflichten, daß bei der Bemessung des Schmerzengeldes nicht nur die mehrfachen schweren Verletzungen der Klägerin, die eine Betreuung in der Intensivstation vom Unfallstag bis zum 10.8.1985 erforderlich machten, das nach dem Unfall bestehende Koma Vigile mit ausgeprägten Primitiv-Reflexen und die wiederholten stationären Krankenhausaufenthalte und Operationen zu berücksichtigen sind, sondern insbesondere auch der Umstand, daß die Klägerin infolge ihrer Schädelverletzung aus ihrem bisherigen Leben gerissen wurde. Sie, die früher ein aufgewecktes Kind war, muß nun als Behinderte unter Behinderten leben. War sie vor dem Unfall insgesamt durchschnittlich bis gut durchschnittlich begabt, ist jetzt ein organisches Psychosyndrom in Form einer jedenfalls im Vergleich zu Gleichaltrigen deutlichen Unterbegabung gegeben. Ihre intellektuelle Leistungsfähigkeit ist lückenhaft, es kommt zu Ausfallserscheinungen, Konzentrations- und Wahrnehmungsschwächen; weiters blieben Störungen der Feinmotorik zurück. Ihre Kritikfähigkeit ist vermindert, die vermehrte Suggestibilität macht ihre ständige Beaufsichtigung erforderlich. Weiters muß die Klägerin damit rechnen, einmal den Anforderungen des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht genügen zu können und trifft in ihrer Umwelt nun entweder auf Mitleid oder auf Unverständnis und Ablehnung. Unter Berücksichtigung all dieser Umstände des vorliegenden Falles, insbesondere auch der schwerwiegenden psychischen Beeinträchtigungen, unter denen die Klägerin zu leiden hat, kann entgegen der Auffassung der Revision in der vom Berufungsgericht vorgenommenen Bemessung des Schmerzengeldes mit S 500.000,-- keine unrichtige rechtliche Beurteilung erblickt werden.
Auch hinsichtlich der Bekämpfung der Höhe der Verunstaltungsentschädigung kann der Revision nicht beigepflichtet werden. Richtig ist wohl, daß der Oberste Gerichtshof unter Verunstaltung eine wesentliche nachteilige Veränderung der äußeren Erscheinung versteht (EFSlg 43.528, 51.504 uva). Darunter ist aber nicht nur eine äußerlich sichtbare Beeinträchtigung der Körpersubstanz zu verstehen, sondern auch durch äußerlich nicht sichtbare Verletzungsfolgen hervorgerufene Beeinträchtigungen der äußeren Erscheinung, wie etwa eine Sprachstörung, eine Ungeschicklichkeit oder ein Zittern der Hände als Folge einer Hirnverletzung (ZVR 1978/184). Nach ständiger Rechtsprechung ist es auch nicht erforderlich, daß die Verunstaltung am normal bekleideten Menschen sichtbar ist (EFSlg 46.099, 48.656 uva). Im vorliegenden Fall ist die Klägerin nicht nur durch Narben, die auf ihre Schädelverletzung hinweisen, verunstaltet, sondern auch durch die wesentlich nachteilige Veränderung in ihrer äußeren Erscheinung, insbesondere weil die unfallbedingte Minderung ihrer geistigen Fähigkeiten nach außen hin erkennbar nicht nur zu merklicher Verlangsamung, mühseligem Nachdenken und Versanden (Wahrnehmungs- und Konzentrationsschwächen), sondern auch sonst auffälligem Verhalten, wie etwa unmotiviertem Lachen, welches sich im Verkehr mit anderen Personen keineswegs vorteilhaft auswirken kann, führt. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausführte, sind dadurch ihre Heiratsaussichten durch Einschränkung des möglichen Partnerkreises auf ebenfalls Behinderte ebenso erheblich beeinträchtigt wie ihr gesamtes gesellschaftliches und berufliches Fortkommen. In der Zuerkennung einer Verunstaltungsentschädigung von S 110.000,-- kann daher ebenfalls keine Fehlbeurteilung des Berufungsgerichtes erblickt werden.
Zur Frage der Berücksichtigung der erhöhten Familienbeihilfe im Wege der Vorteilsausgleichung führt die Beklagte aus, es treffe zu, daß die Familienbeihilfe nicht dem Kind gewährt werde, sondern der Person, zu deren Haushalt das Kind gehöre oder die die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trage. Es sei auch richtig, daß die Familienbeihilfe nicht als eigenes Einkommen des Kindes gelte und auch dessen Unterhaltsanspruch nicht mindere. Unrichtig sei allerdings, daß die erhöhte Familienbeihilfe aus diesem Grund nicht im Wege der Vorteilsausgleichung zu berücksichtigen sei. Das Berufungsgericht übersehe, daß die Klägerin die Heilungskosten bzw. die Kosten der vermehrten Bedürfnisse auch nicht selbst trage. Bei der Verletzung eines Minderjährigen komme in der Regel dafür der gesetzliche Vertreter auf. In diesem Fall könne aber sowohl der gesetzliche Vertreter als auch der Minderjährige den Ersatzanspruch geltend machen. Es spiele sich also in Wahrheit beides im Vermögen des gesetzlichen Vertreters ab, nämlich sowohl die Tragung der Heilungskosten und der vermehrten Bedürfnisse als auch der Vorteil der erhöhten Familienbeihilfe. Es liege auch sachliche und zeitliche Kongruenz vor, weil die erhöhte Familienbeihilfe zweckgebunden für besonderen Pflege-, Unterhalts-, Schul- und Berufsausbildungsaufwand sei. Dieser erhöhte Aufwand sei aber bei der Klägerin ausschließlich durch die Kosten der Unterbringung im Kinderdorf St.Isidor gegeben. Die erhöhte Familienbeihilfe sei auch keine freiwillige Leistung eines Dritten, sondern es bestehe hier ein Rechtsanspruch gegenüber dem Staat auf Zuteilung von Steuermitteln. Die erhöhte Familienbeihilfe sei daher im Rahmen der Vorteilsausgleichung zur Anrechnung zu bringen. Die Klägerin müsse sich die Vorteile ihrer Mutter aus der erhöhten Familienbeihilfe, die ja die Kosten trage, anrechnen lassen. Ansonsten wäre eine von der Rechtsordnung unerwünschte Bereicherung der Mutter gegeben, die für Kosten, die dem Schädiger angelastet werden und die dieser alleine trage, Geldmittel erhalten würde.
Diesen Ausführungen ist folgendes entgegenzuhalten:
Gemäß § 12 a FamL*** idF BGBl 1977/646 gilt die Familienbeihilfe nicht als ein eigenes Einkommen des Kindes und mindert nicht dessen Unterhaltsanspruch (EFSlg 32.934, 35.308). Wie den EBzRV eindeutig zu entnehmen ist, wollte der Gesetzgeber durch die Neufassung des Gesetzes erreichen, daß die Familienbeihilfe in uneingeschränkter Höhe dem Haushalt zuzukommen hat, in dem das Kind betreut wird und daß dadurch keine Entlastung der Person eintreten solle, die zwar für das Kind unterhaltspflichtig ist, bei der jedoch das Kind nicht haushaltszugehörig ist (636 BlgNR 14. GP 11). Die Familienbeihilfe hat daher jetzt (seit 1.1.1978) den Charakter einer Betreuungshilfe und stellt in diesem Sinne ein Einkommen derjenigen Person dar, die diese Betreuung tatsächlich leistet, ohne daß der Betrag der Familienbeihilfe unmittelbar dem Kind zuzuwenden wäre (Stockart-Bernkopf, Zur Neuordnung des Familienlastenausgleiches, ÖA 1977, 140; derselbe, Wem gehört die Familienbeihilfe?, ÖA 1978, 104; Wohlmann, Änderungen des Familienlastenausgleichsgesetzes, ÖA 1978, 37 f; Schüch, Das neue Kindschaftsrecht, ÖA 1978, 39 ff; Ent, Klarstellungen zum Unterhaltsvorschußgesetz, Anw 1979, 397; vgl EFSlg 41.028 ua). Da somit die erhöhte Familienbeihilfe nicht als Einkommen der Klägerin gilt, sondern als Einkommen des nach § 2 Abs 2 FamL*** Anspruchsberechtigten und sie auch dem Kind nicht unmittelbar zuzuwenden ist, hat das Berufungsgericht ohne Rechtsirrtum eine Berücksichtigung der erhöhten Familienbeihilfe im Wege der Vorteilsausgleichung abgelehnt, da es sich eben nach der Bestimmung des § 12 a FamL*** nicht um einen der Klägerin zukommenden Vorteil handelt.
Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
Anmerkung
E19974European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1990:0020OB00157.89.0110.000Dokumentnummer
JJT_19900110_OGH0002_0020OB00157_8900000_000