TE OGH 1990/1/17 9ObA338/89

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.01.1990
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier und Dr. Bauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Dietmar Strimitzer und Dr. Renate Klenner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*** DER V*** E*** AG,

Kapfenberg, Mariazellerstraße 25, vertreten durch den Vorsitzenden Dipl.Ing. Dr. Klaus H***, ebendort, dieser vertreten durch Dr. Georg Grießer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei V*** E*** AG, Kapfenberg, Mariazellerstraße 25,

vertreten durch Dr. Michael Meyenburg, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unwirksamerklärung einer Kündigung (Streitwert S 31.000,-), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 29. Juni 1989, GZ 7 Ra 24/89-17, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes Leoben als Arbeits- und Sozialgericht vom 21. September 1988, GZ 22 Cga 1193/87-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 3.087,- (darin S 514,50 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit (§ 503 Z 3 ZPO), mit dem die Revisionswerberin zum Teil lediglich in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung der Vorinstanzen und zum Teil die rechtliche Beurteilung durch das Berufungsgericht bekämpft, liegt nicht vor (§ 510 Abs.3 ZPO).

Im übrigen hat das Berufungsgericht die Frage, ob die Kündigung des Klägers im Sinne des § 105 Abs.3 Z 2 lit.b ArbVG sozial ungerechtfertigt ist, zutreffend gelöst. Es reicht daher insoweit aus, auf die diesbezügliche Richtigkeit der Begründung der angefochtenen Entscheidung hinzuweisen (§ 48 ASGG). Ergänzend ist auszuführen, daß die Revisionswerberin nicht vom maßgeblichen Sachverhalt ausgeht, soweit sie unterstellt, daß es im Unternehmen der Beklagten für den Gekündigten keine seiner Qualifikationen entsprechenden Ersatzarbeitsplätze gegeben habe und daß sie mit ihrem Einwand, das Berufungsgericht habe von Amts wegen einen Sozialvergleich durchgeführt, die Rechtslage verkennt. Nach den für den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen der Vorinstanzen war Dipl.Ing. Dr. K***, der zum Zeitpunkt der durch die angefochtene Kündigung herbeigeführten Beendigung des Arbeitsverhältnisses 52 Jahre alt und nahezu 30 Jahre im Unternehmen beschäftigt war, vorerst durch fast 5 1/2 Monate arbeitslos. Sein Einkommen reduzierte sich dementsprechend und auf Grund der Lage auf dem Arbeitsmarkt voraussehbar auf 25 % des bei der Beklagten bezogenen Entgelts und letztlich durch seine Tätigkeit als Lehrer auf 50 %, wozu noch der Verlust der Anwartschaft auf eine bereits zuerkannte betriebliche Zuschußpension (etwa S 20.000,- pro Monat) durch Eingehen eines anderen Dienstverhältnisses kommt. Es ist daher davon auszugehen, daß die durch die Kündigung bewirkte finanzielle Schlechterstellung ein solches Ausmaß erreichte, daß sie unter Einbeziehung der gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse des Gekündigten eine fühlbare, ins Gewicht fallende Beeinträchtigung seiner wirtschaftlichen Lage zur Folge hat. Der Eintritt einer sozialen Notlage oder einer Existenzgefährdung ist bei der Prüfung, ob wesentliche Interessen des Arbeitnehmers beeinträchtigt sind, nicht Voraussetzung (vgl. Kuderna, Die sozial ungerechtfertigte Kündigung nach § 105 Abs.3 Z 2 ArbVG, DRdA 1975, 12; RdW 1989, 200 mwH ua).

Es trifft zwar zu, daß die Gerichte nicht dazu berufen sind, die Zweckmäßigkeit oder objektive Richtigkeit der vom Betriebsinhaber getroffenen Rationalisierungsmaßnahmen im Rahmen des Verfahrens über eine Kündigungsanfechtung zu überprüfen (vgl. Kuderna aaO, 15;

Floretta in Floretta-Strasser, Handkommentar zum ArbVG 638 f;

Tomandl, Bemerkungen zur Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum allgemeinen Kündigungsschutz, ZAS 1984, 213 f ua), und daß ohne entsprechendes Vorbringen des Klägers kein Sozialvergleich durchzuführen ist (vgl. Kuderna aaO, 16); dies ändert aber nichts daran, daß der Betriebsinhaber bei Kündigung einer Mehrzahl von Arbeitnehmern das Vorliegen der betrieblichen Erfordernisse für jeden einzelnen Arbeitnehmer zu prüfen hat. Der Betriebsinhaber hat hier auch die sozialen Interessen zu berücksichtigen und muß im Rahmen seiner sozialen Gestaltungspflicht alle Möglichkeiten ausschöpfen, um den Arbeitnehmer weiterzubeschäftigen. Eine Kündigung ist daher dann nicht betriebsbedingt, wenn die zumutbare Möglichkeit besteht, diesen Arbeitnehmer auf einem anderen Arbeitsplatz des Gesamtbetriebes weiterzuverwenden. Dies setzt voraus, daß entsprechende Arbeitsplätze angeboten werden (vgl.

DRdA 1988/10; 9 Ob A 110/88 = DRdA 1989/23 Ämit Besprechung von

FlorettaÜ = ZAS 1989/21 Ämit Besprechung von HainzÜ; 9 Ob A 206/88 =

RdW 1989, 200; eingehend 9 Ob A 279, 280/88 = DRdA 1989/24 Ämit

Besprechung von FlorettaÜ = RdW 1989, 199 = WBl. 1989, 217 Ämit

Besprechung von Firlei aaO 197 ffÜ).

Nach den Feststellungen der Vorinstanzen ist es der Beklagten, bei der die vorzunehmende Personalreduktion bereits seit dem Jahre 1984 (VEW 2000) bekannt war, nicht gelungen, nachzuweisen, warum gerade Dipl.Ing. Dr. K*** gekündigt werden mußte. Dieser wäre immerhin mit seiner Zustimmung als Leiter des Patentbüros vorgesehen gewesen, welcher Arbeitsplatz aber im Juli 1986 anderweitig vergeben wurde, ohne daß die Beklagte dafür betriebliche oder andere Gründe geltend gemacht hätte. Allein vom 4. Juli bis 13. September 1988 erfolgten 14 interne Ausschreibungen, die insgesamt 35 Dienstposten betrafen, für die unter anderem auch Techniker (HTL- oder Hochschulabsolventen), insbesondere Produktmanager und ein Rohstoffeinkäufer gesucht wurden. Diese Ausschreibungen ergingen zwar schon auch dem sogenannten Konkretisierungszeitpunkt (Beendigung des Arbeitsverhältnisses), doch hat die Beklagte weder behauptet noch bewiesen, daß dieser Personalbedarf außerhalb eines doch vorauszusetzenden längerfristigen Konzeptes gleichsam überraschend aufgetreten sei. Der Gekündigte war zumindest für den Posten eines Rohstoffeinkäufers qualifiziert und ist nach wie vor bereit, bei der Beklagten auch in einer anderen Abteilung seiner Qualifikation entsprechend tätig zu werden. Ein Angebot der Beklagten, eine der ausgeschriebenen Stellen zu übernehmen, erfolgte nicht. Mangels eines solchen tatsächlichen Angebots sind die Erwägungen der Revisionswerberin, ob der Gekündigte einen schlechter dotierten Arbeitsplatz angenommen und der Betriebsrat der Versetzung zugestimmt hätte, nicht zielführend. Dem Berufungsgericht ist daher darin beizupflichten, daß die Beklagte nach den Verfahrensergebnissen nicht einmal den Versuch unternommen hat, ihrer sozialen Gestaltungspflicht nachzukommen.

Die Kostenentscheidung ist in § 58 Abs.1 ASGG sowie in den §§ 41 und 50 ZPO begründet. Der nach § 4 RATG (§ 56 Abs.2 JN) als Bemessungsgrundlage anzusehenden Streitwert wurde von der Beklagten nicht bemängelt (§ 7 RATG). Die subsidiäre Bemessungsgrundlage nach § 14 lit.a RATG kommt daher nicht zur Anwendung.

Anmerkung

E19618

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:009OBA00338.89.0117.000

Dokumentnummer

JJT_19900117_OGH0002_009OBA00338_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten