TE OGH 1990/1/17 1Ob708/89

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Veröffentlicht am 17.01.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Manuela L***, geboren am 23. Juni 1963 in Mödling, Hausfrau, Dr. Karl Renner Straße 36, 2560 Berndorf, vertreten durch Dr. Gottfried Forsthuber, Rechtsanwalt in Baden, wider die beklagte Partei Herbert L***, geboren am 11. Juli 1961 in Baden, ohne Beschäftigung, Alexanderstraße 14, 2560 Berndorf, vertreten durch Dr. Gerda Mahler-Hutter, Rechtsanwältin in Berndorf, wegen Ehescheidung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wiener Neustadt als Berufungsgerichtes vom 13. September 1989, GZ. R 293/89-23, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Pottenstein vom 22. März 1989, GZ. 1 C 21/88-17, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 3.706,20 (darin enthalten S 617,70 an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile haben am 27. September 1986 vor dem Standesamt Berndorf die jeweils erste Ehe geschlossen; beide sind österreichische Staatsangehörige. Ihrer Verbindung entstammt das durch die nachfolgende Eheschließung legitimierte Kind Jennifer Anita Silvia, geboren am 25. Juli 1986.

Die Klägerin begehrte die Scheidung der Ehe aus dem Verschulden des Beklagten gemäß § 49 EheG, weil dieser mehrmals gegen sie tätlich geworden sei, sie dabei verletzt und bedroht, Eigentum der Klägerin beschädigt, im Eigentum der Klägerin und des Kindes stehende Sparbriefe und Wertpapiere sowie Silbermünzen sich zugeeignet und die Unterhaltspflicht gegenüber der Klägerin und dem Kind verletzt habe.

Der Beklagte beantragte zunächst die Abweisung des Scheidungsbegehrens, weil er keinen Scheidungsgrund gesetzt habe, erhob jedoch im Laufe des Verfahrens einen von ihm als Widerklage bezeichneten, vom Gericht zweiter Instanz unangefochten als Mitschuldantrag beurteilten Einwand, die Klägerin treffe das alleinige Verschulden am Scheitern der Ehe.

Das Erstgericht schied die Ehe der Streitteile aus beiderseitigem gleichteiligem Verschulden und stellte folgenden Sachverhalt fest:

Die Ehe der Streitteile sei dadurch belastet worden, daß sich der Vater der Klägerin stets in Angelegenheiten der Ehegatten eingemischt habe. Im Jänner 1988 hätten die Ehegatten gemeinsam mit anderen Personen eine Discothek besucht, wobei auch Alkohol konsumiert worden sei. Es könne nicht festgestellt werden, daß der Beklagte der Klägerin im Lokal eine Eifersuchtsszene gemacht und ihre Bluse dabei zerrissen habe, jedoch sei er nach dem Verlassen des Lokales zornig geworden und habe gegen den PKW der Klägerin getreten, welcher dabei beschädigt worden sei. Daß er dabei aber auch die Klägerin geschlagen hätte, wodurch sie ein blutunterlaufenes Auge davongetragen habe, könne nicht festgestellt werden. Nach diesem Vorfall hätten die Streitteile die einvernehmliche Ehescheidung ins Auge gefaßt. Eine solche sei letztlich nur daran gescheitert, daß der Beklagte der Klägerin keinen Unterhalt zugestehen habe wollen. Ende Juli 1988 sei es zwischen den Parteien neuerlich zu einem Streit gekommen, in dessen Verlauf beide laut geschrieen hätten und im Wohnzimmer der Streitteile ein Tisch umgeworfen worden sei. Es könne nicht festgestellt werden, daß der Beklagte der Klägerin im Verlauf dieses Streites den Finger umgedreht und dadurch gebrochen hätte. Am folgenden Tag sei es erneut zwischen den Parteien zu einem Streit über die finanzielle Auseinandersetzung anläßlich einer Scheidung gekommen. Da der Beklagte im Haus der Klägerin, das als Ehewohnung diene, erhebliche Investitionen vorgenommen habe, wofür auf der Liegenschaft pfandrechtlich sichergestellte Kredite aufgenommen worden seien, habe ihm die Klägerin angeboten, als Entschädigung für diese Leistungen Wertpapiere oder Pfandbriefe im Wert von rund S 100.000 zur Verfügung zu stellen. Sie habe ihm diese auch tatsächlich übergeben, worauf der Beklagte das entsprechende Guthaben behoben und das Geld für eigene Zwecke verbraucht habe. In der Folge sei der Streit derart eskaliert, daß der Beklagte aus Zorn einen gemauerten Griller, der zumindest nicht in seinem Alleineigentum gestanden sei, umgeworfen und Blumenkistchen von der Wand gerissen und die Blumen ausgestreut habe. Der Beklagte habe noch an diesem Tag die Ehewohnung verlassen und lebe seither getrennt von der Klägerin. Auf Grund dieser Vorfälle sei für die Klägerin die unheilbare Zerrüttung der Ehe eingetreten gewesen. Ab diesem Zeitpunkt habe er auch für die Klägerin keinerlei Unterhalt geleistet, sodaß diese gerichtliche Hilfe im Wege des Provisorialverfahrens in Anspruch nehmen habe müssen. Nach Aufhebung der Ehegemeinschaft habe die Klägerin mehrmals mit Erich M*** Lokale besucht und sei mit ihm im PKW gefahren, manchmal in Begleitung auch anderer Personen. Erich M*** habe die Klägerin auch einmal in ihrem Haus besucht. Diese Verbindung habe dazu geführt, daß im Bekanntenkreis der Streitteile davon gesprochen worden sei, zwischen den Genannten bestehe ein Verhältnis. In rechtlicher Hinsicht folgerte der Erstrichter, daß dem Beklagten wegen der festgestellten Sachbeschädigungen und Unterhaltsverletzung schwere Eheverfehlungen anzulasten seien; die Klägerin treffe der Vorwurf, während aufrechter Ehe ein Verhalten an den Tag gelegt zu haben, welches auf ehewidrige Beziehungen zu Erich M*** hingewiesen oder doch solchen Gerüchten Nahrung gegeben habe. Das Erstgericht beurteilte die Verschuldensanteile beider Parteien als annähernd gleichwertig.

Infolge Berufung der Klägerin änderte das Gericht zweiter Instanz das Urteil des Erstgerichtes dahin ab, daß es die Ehe aus dem überwiegenden Verschulden des Beklagten schied. Die vom Erstgericht unbedenklich festgestellten Sachbeschädigungen und Unterhaltsverletzungen des Beklagten seien als schwere Eheverfehlungen gemäß § 49 EheG zu qualifizieren, denen das festgestellte Verhalten der Klägerin als Eheverfehlung minderen Grades gegenüberstehe, weil die Klägerin ihr ebenfalls ehewidriges Verhalten erst nach der Auflösung der ehelichen Gemeinschaft gesetzt habe, sodaß ihm nicht mehr dasselbe Gewicht zuzumessen sei, wie dem vorherigen Fehlverhalten des Beklagten.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen das Urteil des Berufungsgerichtes erhobene Revision des Beklagten ist nicht berechtigt.

Die gerügte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt, wie die Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof ergibt, nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Soweit der Beklagte im Rahmen der Ausführung der Rechtsrüge der Revision die von den Vorinstanzen festgestellten Sachbeschädigungen und Unterhaltsverletzungen nicht als Eheverfehlungen im Sinne des § 49 EheG gelten lassen will, ist ihm, abgesehen davon, daß er das Ersturteil nicht bekämpfte, entgegenzuhalten, daß am Charakter dieser festgestellten und als solche beurteilten Eheverfehlungen nicht zu zweifeln ist.

Das Revisionsvorbringen, die Klägerin habe die Ehezerrüttung einleitend herbeigeführt, weil sie sich in erster Linie zu ihren Eltern hingezogen gefühlt und den Kontakt zu diesen nicht auf ein übliches Maß eingeschränkt habe und seit dem Auszug des Klägers dessen Kontakt zum ehelichen Kind verhindere, verstößt gegen das Neuerungsverbot gemäß § 482 ZPO und ist daher unbeachtlich. Der handschriftliche Schriftsatz des Beklagten ON 3 wurde im Verfahren vor den Tatsacheninstanzen nicht vorgetragen.

Ausgehend vom festgestellten Sachverhalt bleibt im Revisionsverfahren nur mehr die Frage offen, ob das festgestellte Verhalten der Klägerin eine schwere Eheverfehlung im Sinne des § 49 EheG darstellt, welche ihr Verschulden gegenüber dem des Beklagten nicht völlig in den Hintergrund treten, sondern als annähernd gleichwertig erscheinen läßt. Es ist aber dem Berufungsgericht darin beizupflichten, daß die Klägerin erst nach der vom Beklagten selbst vorgenommenen Auflösung der ehelichen Wohngemeinschaft die festgestellten und von ihr auch nicht weiter bestrittenen oder bekämpften - und als ehewidrig beurteilten - Kontakte zu Erich M*** pflegte, so daß dieses ehewidrige Verhalten nicht so schwerwiegend bewertet werden kann, wie das vorher gesetzte, in mehrfacher Hinsicht ehewidrige und einleitend ehezerstörende Verhalten des Beklagten (EFSlg 54.393 = 54.395; 51.588 uam.). Die Revision des Beklagten bleibt daher ohne Erfolg. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E19447

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0010OB00708.89.0117.000

Dokumentnummer

JJT_19900117_OGH0002_0010OB00708_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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