Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Marina S***, Studentin, Finkenberg 14, 6060 Absam, vertreten durch Dr. Walter Hofbauer, Dr. Helmut Rantner, Dr. Walter Kerle, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagten Parteien 1.) Vera J***-W***, Geschäftsfrau, 2.) Winfried Werner L***, Journalist, beide Innstraße 13, 6020 Innsbruck, beide vertreten durch Dr. Gerhard Ebner, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Räumung, infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 1. Juni 1989, GZ 1 a R 231/89-13, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 30. Dezember 1988, GZ 11 C 186/88-7, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit 2.897,66 S (darin enthalten 482,94 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Beklagten nahmen von der Klägerin ab 1. Februar 1983 die im vierten Stock des Hauses Innsbruck, Innstraße (Innrain) 13, gelegene Wohnung mit einer Gesamtnutzfläche von 79,53 m2 in Bestand. Als Nettomietzins wurde ein Betrag von 5.555 S, zahlbar im vorhinein, längstens bis zum Fünften jedes Monats, weiters eine Betriebskostenakontierung von monatlich 537,29 S und eine Wertsicherung des Nettomietzinses nach dem Verbraucherpreisindex mit einer 5 %-Klausel vereinbart. Bereits ab Beginn des Mietverhältnisses traten immer wieder Verzögerungen bei der Leistung des Bestandzinses ein. Zu Zahlungsstockungen kam es bei den Beklagten auch deshalb, weil zwischen ihnen (und einem ursprünglichen dritten Mitmieter) Uneinigkeit über die interne Zahlungsverpflichtung für die Miete bestand. Zum großen Teil zahlte die Erstbeklagte die Miete, ging jedoch ohne weitere Überprüfung davon aus, daß in der Zeit, in welcher sie die Miete nicht bezahlte, die anderen Mitmieter den Bestandzins bezahlten. Die Beklagten beantragten schließlich, weil sie der Meinung waren, daß der vereinbarte Mietzins zu hoch sei, bei der Schlichtungsstelle des Stadtmagistrats Innsbruck die Festsetzung eines angemessenen Mietzinses. Die Schlichtungsstelle sprach mit Bescheid vom 4. November 1986 aus, daß für das Bestandobjekt ein Mietzins von 3.980 S (= S 50,-- je m2) angemessen sei. Am 21. November 1986 begehrte die Klägerin zu Msch 101/86 des Bezirksgerichtes Innsbruck die gerichtliche Festsetzung des angemessenen Mietzinses. Mit Sachbeschluß dieses Gerichtes vom 7. Jänner 1988, Msch 101/86-18, wurde der angemessene Mietzins mit monatlich netto S 4.375 (= S 55,--/m2) festgesetzt und die im Vertrag darüber hinausgehende Vereinbarung für unzulässig erklärt. Dieser Beschluß erwuchs unangefochten in Rechtskraft. Die Beklagten hatten in den Jahren 1983 und 1984 monatlich je S 6.000 und im Jahr 1985 insgesamt S 32.748,30 an Miete bezahlt, so daß sich unter Berücksichtigung des letztlich für angemessen erachteten Mietzinses per 31. Dezember 1985 ein Guthaben von S 2.310,80 zu ihren Gunsten ergab. Im Jahr 1986 zahlten sie insgesamt S 48.125,40 an Zins, im Jahr 1987 leisteten sie keine Zahlungen.
Die Erstbeklagte, eine absolvierte Juristin, die die Angelegenheiten der Mitmieter nach außen hin vertrat, hatte selbst (wie aus den Beilagen ./B und ./C hervorgeht, bei Annahme eines angemessenen Mietzinses von S 55,--/m2, wie er sodann in der Entscheidung des Bezirksgerichtes Innsbruck tatsächlich angenommen wurde) einen zum Jahresende 1987 bestehenden Mietzinsrückstand von über S 57.000 ermittelt und im Hinblick auf die Aufforderung des Rechtsvertreters der Klägerin, wenigstens diesen Mietzinsrückstand zu begleichen, für die nächste Zeit eine namhafte Akontozahlung angekündigt, jedoch bis zum Schluß der Verhandlung erster Instanz selbst den anerkannten Mietzinsrückstand nicht beglichen. Die Klägerin begehrt von den Beklagten die Zahlung des mit S 129.134,30 samt stufenweisen Zinsen behaupteten Mietzinsrückstandes sowie die Räumung des Bestandobjektes, weil der außerordentlich hohe Mietzinsrückstand von den Beklagten grob fahrlässig herbeigeführt worden sei.
Die Beklagten beantragten die Abweisung des Klagebegehrens und wendeten ein, über die Höhe des Mietzinses hätten, wie sich aus den Verfahren der Schlichtungsstelle des Stadtmagistrats Innsbruck sowie des Bezirksgerichtes Innsbruck ergebe, erhebliche Unsicherheiten bestanden, so daß keine Rede davon sein könne, daß sie zahlungsunwillig gewesen seien oder sie am Zahlungsrückstand ein grobes Verschulden treffe.
Das Erstgericht gab dem Zahlungsbegehren mit dem als Mietzinsrückstand per August 1988 ermittelten Betrag von S 97.244,53 samt stufenweisen Zinsen (unter Abweisung des Mehrbegehrens) sowie dem Räumungsbegehren statt. Da die Erstbeklagte eine ausgebildete Juristin sei, könne nicht davon ausgegangen werden, daß die Beklagten nur leicht fahrlässig mit den Mietzinszahlungen in Rückstand geraten seien. Auch die behaupteten internen Schwierigkeiten über die Zahlung bzw. Tragung des Mietzinses durch die Mitmieter könnten nichts daran ändern, daß im gesamten Jahr 1987 überhaupt kein Mietzins bezahlt worden sei, obwohl selbst auf Grund des von den Beklagten erwirkten Bescheides der Schlichtungsstelle ein Hauptmietzins von S 3.980 zuzüglich Wertsicherung zu zahlen gewesen wäre. Dazu komme, daß die Erstbeklagte selbst für Ende 1987 einen Mietzinsrückstand von über S 57.000 erkannt hätte, dessen ungeachtet aber nicht einmal dieser Rückstand bis zum Schluß der Verhandlung erster Instanz bezahlt worden sei, sodaß wegen groben Verschuldens der Beklagten am festgestellten Mietzinszahlungsrückstand auch das Räumungsbegehren gerechtfertigt sei.
Über Berufung der Beklagten änderte das Gericht zweiter Instanz das Urteil des Erstgerichtes im Ausspruch über das Leistungsbegehren durch Abweisung eines weiteren Betrages von S 14.518,65 samt stufenweisen Zinsen ab, wobei es von einem Mietzinsrückstand von S 82.725,65 ausging, bestätigte es jedoch im weiteren Ausspruch über das Leistungsbegehren und im Räumungsausspruch. Es bewertete den gesamten Streitgegenstand über S 300.000. Zu dem - im Revisionsverfahren allein relevanten - Räumungsausspruch führte es aus, die Erstbeklagte treffe jedenfalls schon deswegen grobes Verschulden am Entstehen des Mietzinszahlungsrückstandes, weil sie selbst Ende 1987 einen Zahlungsrückstand von über S 57.000 ermittelt, diesen jedoch bis zum Schluß der Verhandlung erster Instanz nicht beglichen habe. Ihr Verschulden sei aber auch dem Zweitbeklagten anzulasten, weil die Erstbeklagte im Außenverhältnis für die Mitmieter gehandelt habe. Schon allein wegen des selbst erkannten erheblichen Zahlungsrückstandes müsse davon ausgegangen werden, daß das Verhalten der Beklagten sich als Beharren auf einem bei nüchterner Überlegung als unrichtig erkennbaren Standpunkt darstelle und nicht etwa auf ein fehlerhaftes Vorstellungsbild, sondern zumindest groben Leichtsinn zurückzuführen sei.
Rechtliche Beurteilung
Die von den Beklagten allein gegen die Räumungsverpflichtung des Urteils der zweiten Instanz erhobene Revision ist nicht berechtigt. Gemäß § 1118 ABGB kann der Bestandgeber die frühere Aufhebung des Vertrages fordern, wenn der Bestandnehmer nach geschehener Einmahnung mit der Bezahlung des Zinses dergestalt säumig ist, daß er mit Ablauf des Termins den rückständigen Bestandzins nicht vollständig entrichtet hat. Gemäß § 33 Abs. 3 MRG gilt für diesen Fall sinngemäß § 33 Abs. 2 MRG, so daß der Mieter, der auf Aufhebung des Vertrages und Räumung des Mietgegenstandes wegen Nichtzahlung des Mietzinses geklagt wurde, die Abweisung des Räumungsbegehrens erwirken kann, wenn ihn am Zahlungsrückstand kein grobes Verschulden trifft und er vor Schluß der der Entscheidung des Gerichtes erster Instanz unmittelbar vorangehenden Verhandlung den geschuldeten Betrag entrichtet. Wird in einem Rechtsstreit - wie vorliegend - in Ansehung des Mietzinsrückstandes, auf den die dem Räumungsbegehren zugrunde gelegte Auflösungserklärung nach § 1118 ABGB gestützt wird, auch ein Zahlungsbegehren erhoben, dann entfällt die im § 33 Abs. 2 Schlußsatz MRG vorgesehene Beschlußfassung, weil der urteilsmäßige Ausspruch über das Mietzinszahlungsbegehren für das auf § 1118 ABGB gestützte Räumungsbegehren diese Beschlußfassung ersetzt (MietSlg. 39.478 uam). Läge daher kein grobes Verschulden der Mieter am Zahlungsrückstand vor, dann müßte zunächst die Rechtskraft der über das Zahlungsbegehren gefällten (Teil-)Entscheidung abgewartet werden, damit dem Mieter die Möglichkeit gegeben wird, den Mietzinsrückstand zu bezahlen und das Räumungsbegehren abzuwehren (vgl. MietSlg. 39.478). Sowohl die Beschlußfassung gemäß § 33 Abs. 2 Schlußsatz MRG als auch die eben beschriebene Vorgangsweise entfallen jedoch, wenn den Mieter am entstandenen Zahlungsrückstand grobes Verschulden trifft. Ein solches ist dann anzunehmen, wenn Zinszahlungen willkürlich oder leichtsinnig verspätet oder gar nicht erfolgten. Die Beklagten traf dafür, daß sie kein grobes Verschulden an der Nichtzahlung des Mietzinsrückstandes trifft, die Behauptungs- und Beweislast; sie hätten daher den sie entschuldigenden Sachverhalt in jeder möglichen Richtung konkretisieren müssen (MietSlg. 37.476; 20.519 uva; Würth-Zingher, Miet- und Wohnrecht19, Rz 27 zu § 33 MRG; Würth in Rummel, ABGB, Rz 6 zu § 33 MRG), haben jedoch nicht einmal vorgebracht, daß sie an der Nichtentrichung des von ihnen selbst erkannten Mietzinsrückstandes kein grobes Verschulden treffe (1 Ob 704/82). Demnach ist ihrer Revision nicht Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
Anmerkung
E19691European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1990:0010OB00653.89.0117.000Dokumentnummer
JJT_19900117_OGH0002_0010OB00653_8900000_000