Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Harald G***, Angestellter, Nonntaler Hauptstraße 26, 5020 Salzburg, vertreten durch DDr. Hans Esterbauer, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Paula M***, Hauseigentümerin, Nonntaler Hauptstraße 26, 5020 Salzburg, vertreten durch Dr. Karl Friedrich Strobl, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Feststellung (Streitwert S 20.000), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgerichtes vom 6.Juni 1989, GZ 21 R 461/88-15, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Salzburg vom 15.Juni 1988, GZ 17 C 405/88-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 2.966,40 (darin enthalten S 494,40 an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Beklagte ist grundbücherliche Eigentümerin der Liegenschaft mit dem Haus Nonntaler Hauptstraße 26 in Salzburg. Rechtsvorgängerin war ihre Mutter Paula W***. Der Kläger ist auf Grund des Mietvertrages vom 10.2.1970 Mieter der im ersten Stock befindlichen Wohnung (Tür 2), bestehend aus einem Vorraum, drei Zimmern, Bad und Küche. Dieser Mietvertrag wurde von Rechtsanwalt Dr. Norbert R*** im Auftrag der damaligen Vermieterin Paula W*** errichtet. Im Punkt III. des Mietvertrages ist ua vereinbart: "Die Vermieterin verzichtet für die Dauer des Mietverhältnisses, vom Mieter den Ersatz für Reparaturkosten, die sich auf das Haus beziehen, zu fordern."
Diese Bestimmung wurde über Betreiben des Klägers in den Vertrag aufgenommen, weil er zuvor mit seinen Eltern in einem Miethaus in der Altstadt von Salzburg gewohnt hatte, dessen Dach saniert werden mußte, wobei hohe Kosten für die Dachsanierung auf die Mieter überwälzt wurden. Trotz des ausdrücklichen Widerspruches ihres Anwaltes Dr. Norbert R*** bestand letztlich auch die Vermieterin auf diesem Vertragspunkt.
Am 5.Oktober 1987 brachte die Beklagte zu I/Sch 146/1-87, der Schlichtungsstelle des Magistrats Salzburg einen Antrag gemäß §§ 18, 19 MRG auf Bewilligung der Einhebung eines festzusetzenden erhöhten monatlichen Hauptmietzinses für die Mietobjekte des Hauses Nonntaler Hauptstraße 26 für den Zeitraum ab 1.11.1987 bis einschließlich Oktober 1997 ein. Zur Begründung wurde angeführt, sie habe im Jahre 1986 von der Baubehörde aufgetragene Erhaltungsarbeiten mit einem Gesamterfordernis von S 5,718.595,97 durchführen lassen. Bei der mündlichen Verhandlung vor der Schlichtungsstelle am 4.2.1988 wendete der Kläger ein, im Mietvertrag sei auf eine Mietzinserhöhung auf Grund einer von ihm geleisteten Mietzinsvorauszahlung verzichtet worden. Vom Verhandlungsleiter der Schlichtungsstelle wurde er mit diesem Einwand auf den Rechtsweg verwiesen.
Mit der am 29.2.1988 beim Erstgericht überreichten Klage begehrte der Kläger ursprünglich gegenüber der Beklagten die Feststellung, daß die(se als) Vermieterin durch Vereinbarung des Verzichtes auf Ersatz von Reparaturkosten im Mietvertrag vom 10.2.1970 auf eine Mietzinserhöhung gegenüber dem Kläger nach § 18 MRG für die im Schlichtungsverfahren geltend gemachten (Reparatur-)Aufwendungen verzichtet habe. In der mündlichen Verhandlung beim Erstgericht am 24.5.1988 modifizierte der Kläger das Klagebegehren auf Feststellung, daß die Beklagte nach dem Mietvertrag vom 10.2.1970 nicht berechtigt sei, in Form einer Mietzinserhöhung nach § 18 MRG vom Kläger Ersatz für die im Schlichtungsverfahren.... geltend gemachten Reparaturaufwendungen zu fordern. Wegen des von der Beklagten bei der Schlichtungsstelle gestellten Mietzinserhöhungsantrages habe er ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung. Unter den Begriff "Reparaturkosten" im Sinne der vertraglichen Vereinbarung seien auch Erhaltungsaufwendungen zu subsumieren.
Die Beklagte trat dem Klagebegehren im wesentlichen mit dem Vorbringen entgegen, dem Kläger fehle es am Rechtsschutzinteresse, weil seine Rechtssphäre erst bei gerichtlicher Geltendmachung eines allfälligen Erhöhungsbetrages durch die Beklagte beeinträchtigt sei. In einem derartigen Verfahren könne er den behaupteten Verzicht einwenden. Weiters könne der Kläger auch noch durch eine Antragstellung gemäß § 40 Abs 2 MRG das Verfahren vor der Schlichtungsstelle zur Einstellung bringen und damit die im Feststellungsbegehren zum Ausdruck gebrachte angebliche Gefährdung seiner Rechtssphäre beenden. Im übrigen sei die Vereinbarung über den Reparaturkostenverzicht im Hinblick auf die damals gegenüberstehenden Leistungen der Vermieterin und des Mieters sittenwidrig, außerdem aber mit dem Klagebegehren unvereinbar, weil "Reparaturkosten, die sich auf das Haus beziehen" nicht mit den von der Beklagten im Schlichtungsverfahren für die Mietzinserhöhung geltend gemachten Erhaltungsarbeiten gleichzusetzen, vielmehr nur ein Teil davon seien. Außerdem sprach sich die Beklagte gegen die Änderung des Klagebegehrens aus.
Das Erstgericht ließ die Klagsänderung zu und gab dem modifizierten Klagebegehren statt. Das Rechtsschutzinteresse des Klägers sei schon deshalb zu bejahen, weil die Beklagte das Schlichtungsverfahren zur Mietzinserhöhung ohne entsprechende Bedachtnahme auf die im Mietvertrag getroffene Verzichtsvereinbarung eingeleitet habe. Durch eine Überweisung der Sache an das Außerstreitgericht im Sinne des § 40 Abs 1 oder 2 MRG werde an diesem Interesse nichts geändert. Die im Schlichtungsverfahren geltend gemachten Erhaltungsaufwendungen seien mit "Reparaturkosten, die sich auf das Haus beziehen", zumindest nach der Unklarheitenregel des § 915 ABGB gleichzusetzen, die sich die Beklagte entgegenhalten lassen müsse, weil ihr Rechtsanwalt den Vertrag errichtet habe. Durch die vorliegende Klage seien nur Reparaturaufwendungen vom Forderungsverzicht betroffen, nicht hingegen solle damit der Beklagten die Berechtigung zur Stellung eines Mietzinserhöhungsantrages zur Geltendmachung der Kosten für Erhaltungsarbeiten aberkannt werden. Sittenwidrigkeit der Verzichtserklärung liege nicht vor.
Das Gericht zweiter Instanz gab der von der Beklagten gegen das Urteil des Erstgerichtes erhobenen Berufung, in welcher sie die Zulassung der Klagsänderung unbekämpft ließ, unter Billigung der rechtlichen Beurteilung der Sache durch das Erstgericht nicht Folge und ließ nach Bewertung des Streitgegenstandes im Zulassungsbereich die Revision zu.
Rechtliche Beurteilung
Die von der Beklagten gegen das Urteil des Berufungsgerichtes erhobene Revision ist nicht berechtigt.
Vorab ist die Revisionswerberin darauf zu verweisen, daß auf die Revisionsausführungen gegen die Zulassung der Klagsänderung nicht einzugehen ist, weil die Klagsänderung mangels Anfechtung in der Berufung rechtskräftig zugelassen ist.
Den Vorinstanzen ist darin beizupflichten, daß der Kläger schon wegen des uneingeschränkten Mietzinserhöhungsantrages der Beklagten bei der Schlichtungsstelle ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung hat. Dazu kommt, daß die Beklagte bis in das Berufungsverfahren die Auslegung der Verzichtsvereinbarung bestritten hatte.
Zutreffend erkannten die Vorinstanzen, daß die Anrufung des Außerstreitgerichtes im Sinne des § 40 MRG
am - begründeten - rechtlichen Interesse des Klägers an der Feststellung, daß die Beklagte (Vermieterin) kraft des vereinbarten Verzichtes von ihm (die im Schlichtungsverfahren geltend gemachten) Reparaturaufwendungen nicht fordern dürfe, nichts ändern könne, weil der Hinweis auf das Schlichtungsverfahren nur der Konkretisierung der für den Mietzinserhöhungsantrag maßgeblichen (Reparatur)Aufwendungen diente und nicht etwa eine Rechtswirkung im Schlichtungsverfahren haben sollte oder konnte. Die Erhöhung der Hauptmietzinse nach §§ 18, 19 MRG besteht in einem rechtsgestaltenden Eingriff des Außerstreitrichters bzw der Schlichtungsstelle in den Mietvertrag zum Zweck der Finanzierung des sonst nicht gedeckten Erhaltungsaufwandes in einem Haus. Die Erhöhung wird gegenüber den Mietern des Hauses ausgesprochen. Ein Verzicht des Vermieters auf die Einhebung des erhöhten Mietzinses, mit der Wirkung, daß der Vermieter den Ausfall aus eigenem zu tragen hat (gegenüber den Mietern ist die Mietzinserhöhung wegen des Gleichbehandlungsgrundsatzes wirksam) ist zulässig. Dieser Verzicht wirkt, ebenso wie die Unterlassung der Einhebung des bewilligten höheren Mietzinses, nur inter partes, nicht aber gegenüber den anderen Mietern, denen gegenüber der Vermieter den vollen erhöhten Mietzins fiktiv gutzubringen hat (Würth-Zingher, Miet- und Wohnrecht19, § 18 MRG, Rz 1, 11). Eine derartige Verzichtsvereinbarung ist somit auf das Mietzinserhöhungsverfahren gemäß §§ 18, 19 MRG, dem alle Mieter als Parteien beizuziehen sind (Würth-Zingher, aaO, Rz 14), ohne Einfluß.
Wie schon der Erstrichter zutreffend erkannt hat, ist nach dem beantragten und bewilligten Feststellungsausspruch die Beklagte nicht berechtigt, vom Kläger Ersatz der - sich auf das Haus beziehenden - Reparaturkosten zu fordern, während andere Aufwendungen der Beklagten, welche sie zur Stellung eines Mietzinserhöhungsantrages ebenfalls berechtigen könnten, von dieser Feststellung unberührt blieben. So gesehen hat der Feststellungsausspruch Bindungswirkung nur für alle im genannten Mietzinserhöhungsverfahren als Antragsgrundlage herangezogenen Reparaturkosten. Daß jedenfalls ein Teil der im Verfahren gemäß §§ 18, 19 MRG geltend gemachten Aufwendungen Reparaturkosten sind, räumt die Beklagte aber selbst ein. Der dem erhöhten Mietzins entsprechende Anteil dieser Reparaturkosten wird daher der Beklagten im Falle der unverminderten Vorschreibung des (mittlerweile durch Vergleich der Mieter vor der Schlichtungsstelle vereinbarten) erhöhten Mietzinses eingewendet werden können. Durch die Berühmung der Beklagten, an die Verzichtsvereinbarung nicht gebunden zu sein, war der Kläger bereits während des Mietzinserhöhungsverfahrens vor der Schlichtungsstelle berechtigt, mit der vorliegenden Feststellungsklage den ihm zustehenden und die Beklagte bindenden Anspruch aus der Verzichtsvereinbarung des Mietvertrages im Streitweg geltend zu machen. Er ist nicht auf eine Einwendung gegen eine erhöhte Mietzinsvorschreibung der Beklagten zu verweisen, die nicht als das einfachere und ökonomischere Mittel zur Abwehr der Rechtsbeeinträchtigung angesehen werden kann, das die subsidiäre Feststellungsklage ausschlösse (Fasching, ZPR, Rz 1101). Diese Erwägungen führen zur Bestätigung des Urteils der zweiten Instanz.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO
Anmerkung
E19692European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1990:0010OB00652.89.0117.000Dokumentnummer
JJT_19900117_OGH0002_0010OB00652_8900000_000