TE OGH 1990/1/17 9ObA319/89

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Veröffentlicht am 17.01.1990
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Bauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Dietmar Strimitzer und Dr.Renate Klenner als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei L*** AIR Luftfahrt Aktiengesellschaft, Flughafen Wien-Schwechat, Verwaltungsgebäude 1, vertreten durch Dr.Werner Sporn, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Wolfgang L***, Pilot, Bereldange, Rue Bour 14C, Luxemburg, vertreten durch Dr.Harald Bisanz, Rechtsanwalt in Wien, wegen 237.513,37 S sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 24.Juli 1989, GZ 32 Ra 70/89-22, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Zwischenurteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 23.Jänner 1989, GZ 2 Cga 2022/88-18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens wird der Endentscheidung vorbehalten.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte hat im Frühjahr 1985 bei der klagenden Partei im Dispatch zu arbeiten begonnen. Zu diesem Zeitpunkt gehörte er dem Verwaltungspersonal und nicht dem fliegenden Personal an. Am 5. März 1986 schlossen die Streitteile einen Anstellungsvertrag. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Kläger als fertiger Linienpilot die Berechtigung für die Type Cessna 310, Gewichtsklasse C, für ein- und mehrmotorige Flugzeuge. Der Dienstvertrag hat auszugsweise folgenden Inhalt:

"II: Das Angestelltenverhältnis beginnt am 15.April 1986 und wird auf die bestimmte Dauer von drei Monaten geschlossen. Unter der Bedingung, daß der Dienstnehmer innerhalb dieser drei Monate das Typerating erwirbt, gilt das Dienstverhältnis von Anfang an mit bindender Wirkung auf unbestimmte Zeit geschlossen. Hinsichtlich einer allfälligen Kündigung gelten die Fristen des Angestelltengesetzes. Das Dienstverhältnis endet jedoch auf jeden Fall mit der Vollendung des 60.Lebensjahres des Dienstnehmers. Homebase ist Flughafen Wien. Der jeweilige Einsatzort und die Dienstzeit des Dienstnehmers richten sich nach Dienstanweisungen. Bei der Gewährung von Urlaub sind die betrieblichen Erfordernisse vorrangig. Das gilt auch für die Dauer der Arbeitszeit, wobei jedoch die gesetzlichen Vorschriften einzuhalten sind.

III: Der Dienstnehmer ist im Besitz eines gültigen österreichischen Berufspilotenscheines/Linienpilotenscheines für Motorflugzeuge. Er ist verpflichtet, alle für die Erhaltung seiner Bewilligung im Gesetz geforderten Bedingungen jeweils fristgerecht zu erfüllen. Die Dienstgeberin ist berechtigt, den Dienstnehmer auf Kosten des Unternehmens die Ablegung von Prüfungen zur Erweiterung seiner Berechtigung und der Einräumung der hiefür unbedingt erforderlichen Freizeit aufzutragen, wobei während dieser Zeit das Gehalt weiterzubezahlen ist. Darunter fallen auch jene behördlichen Erlaubnisse, die keine Voraussetzung für die Dienstverwendung bilden. Der Dienstnehmer ist weiter verpflichtet, sich den für seine Dienstverwendung erforderlichen ärztlichen Untersuchungen sowie den von den jeweiligen Gesundheitsbehörden vorgeschriebenen Impfungen zu unterziehen. Verliert der Dienstnehmer, aus welchem Grund immer, auch nur eine der ihm erteilten Berechtigungen, kann die Dienstgeberin die sofortige Beendigung des Dienstverhältnisses erklären.

IV: Die Gesamtbezüge setzen sich zusammen aus Basisgehalt und Auslastungszulage. Als Basisgehalt wird ein Betrag von 10.000 S monatlich vereinbart. Dazu erfolgt die Auszahlung einer Auslastungszulage in der Höhe von ÖS 10,70 je Auslastungspunkt. Das Gehalt kommt 14 x jährlich zur Auszahlung. In diesem Gehalt ist die Abgeltung sämtlicher Sonn- und Feiertagsstunden einbezogen. Bei Flügen mit einer Landung außerhalb des Homebase erhält der Dienstnehmer eine Pauschalabgeltung für Diäten, die nach der Dauer seiner Abwesenheit von der Homebase gestaffelt sind.

Bei einer Abwesenheit von mehr als

12 Stunden                                       ÖS 400,--

6 bis 12 Stunden                                 2/3

6 Stunden                                        1/3

des vollen Taggeldes.

Die Kosten für die Übernachtung übernimmt die Dienstgeberin. Die Auswahl des Hotels bleibt der Dienstgeberin überlassen, hiebei hat sie jedoch Sorge zu tragen, daß kein Hotel unter dem Standard der zweiten Kategorie gewählt wird.

Der Dienstnehmer trägt ferner die Kosten einer "loss of license"-Versicherung, die die Dienstgeberin nach eigener Wahl zugunsten des Dienstnehmers auf dessen Rechnung abschließt. Der Dienstnehmer ist während seiner Tätigkeit für die Dienstgeberin auf deren Kosten unfallversichert. Die Höhe der Versicherung beträgt derzeit gegen Tod 1 Million Schilling, gegen Dauerinvalidität 1 Million Schilling.

VII: Die Dienstgeberin hat für notwendige Ausbildung (Typeratings) zu sorgen. Die dafür aufgewendeten Kosten werden unter der Voraussetzung einer mindestens 36 Monate dauernden Beschäftigung von der Dienstgeberin getragen. Diese Kosten werden einvernehmlich mit 850.000 S festgesetzt. Sollte der Dienstnehmer nach Ablauf der ersten drei Monate (oder nach Ablauf einer allenfalls einvernehmlich verlängerten Ausbildungszeit) die Fortsetzung des Dienstverhältnisses ablehnen oder sollte die oben vorausgesetzte Beschäftigungsdauer zufolge Kündigung seitens des Dienstnehmers oder zufolge vorzeitigen Austrittes ohne wichtigen Grund oder seitens des Dienstgebers zufolge begründeter Entlassung des Angestellten nicht erreicht werden, so ist der Dienstnehmer unverzüglich nach Beendigung des Dienstverhältnisses zur Rückzahlung eines aliquoten Anteiles der für ihn aufgewendeten Ausbildungskosten verpflichtet. Zurückzuzahlen ist jener Anteil an den Gesamtkosten (ÖS 23.661/M), der dem Verhältnis der tatsächlich zurückgelegten Dienstzeit zur bedungenen Mindestdienstzeit (36 Monate) entspricht."

Voraussetzung dafür, daß der Beklagte als Pilot bei der klagenden Partei eingestellt wurde, war, daß er eine Umschulung auf die Boeing 737 macht; aus diesem Grund hat er die Typerating-Vereinbarung unterschrieben. In der Folge wurde der Beklagte auf der Boeing 737 eingeschult und flog für die klagende Partei. Am 27.Juli 1987 erstattete Flugkapitän S*** über den Beklagten eine Meldung mit folgendem Wortlaut: "Auf halbem Weg (zwischen Malaga und Wien) teilte mir L*** mit, daß er sehr müde sei und etwas schlafen wolle. Ich gab seinem Wunsch statt und er konnte somit seiner Aufgabe als F/Pilot nicht nachkommen. F/O L*** scheint in unausgeschlafenem Zustand nicht in der Lage zu sein, seine Arbeit in vollem Umfang auszuführen." Dieser Pilot's Voyage Report wurde dem Lebenslauf des Aktes des Beklagten beigelegt. Der Meldung des Kapitäns S*** ging eine Auseinandersetzung zwischen L*** und S*** etwa eine Woche vorher am Flughafen Cania voraus. Zwischen L*** und S*** herrschte ein gespanntes Verhältnis. Den Pilot's Voyage Report bekam der Beklagte im Dezember 1987, spätestens nach Weihnachten, zu Gesicht.

Von Juni 1987 bis September 1987 soll die gesetzlich zulässige Arbeitszeit überschritten worden sein. Eine solche (etwaige) Arbeitszeitüberschreitung war dem Beklagten spätestens Ende September bekannt. Der Beklagte ist im Jahr 1987 mehrmals, zuletzt am 20.Dezember 1987, an einem Sonntag geflogen. Nach dem 20.Dezember 1987 ist der Beklagte nicht mehr an Sonntagen geflogen. Der Beklagte hat gegen Flüge am Sonntag niemals remonstriert. Zu dem Zeitpunkt, als der Beklagte am Sonntag flog, gab es noch keinen Kollektivvertrag im Sinne des Luftfahrtsgesetzes der die Ruhezeit abweichend vom Arbeitsruhegesetz geregelt hätte.

Im Dezember 1987 stellte die klagende Partei ihr Besoldungsschema über Wunsch der Mehrzahl der Piloten um. Anstelle der stark schwankenden monatlichen Zahlungen wurden Gehaltsgruppen und Fixgehälter eingeführt. Der Beklagte hat gegen die Gehaltsumstellung nicht protestiert und wußte von dieser Gehaltsumstellung bereits am 9.Dezember 1987. Im Hinblick auf den Austritt des Beklagten am 9.Februar 1988 steht nicht fest, ob die Umstellung des Gehaltes in Pauschalgehälter für den Beklagten im Jahr 1988 zu einer Gehaltserhöhung oder Gehaltsminderung geführt hätte. In der Folge wurde nach dem Ausscheiden des Beklagten zwischen dem Betriebsrat und der klagenden Partei vereinbart, daß alle Piloten einen Fixgehalt bekommen, daß jedoch weiterhin nach Punkten abgerechnet wird und für den Fall, daß ein Pilot bei der früheren Regelung mehr verdient hätte als den nunmehrigen Fixgehalt, er die Differenz erhält. Spätestens im Jahr 1987 hat der Beklagte, der immer wieder persönliche Differenzen auch mit anderen Arbeitnehmern der klagenden Partei hatte, beabsichtigt, seinen Posten zu wechseln. Er trat in Verhandlung mit der Lux-Air und machte dort die Aufnahmetests. Als ihm von der Lux-Air zugesichert wurde, daß die Tests in Ordnung seien und er bei der Lux-Air anfangen könne, war der Beklagte der Meinung, er könne ohne Einhaltung "der Frist" kündigen, nahm sich Urlaub und kündigte bei Urlaubsantritt am 18.Jänner 1988 per 31.Jänner 1988. Das mit 18. Jänner 1988 datierte Schreiben hat folgenden wesentlichen Inhalt:

"Betrifft: Kündigung

Ich möchte Ihnen höflichst mitteilen, daß ich mein aufrechtes Dienstverhältnis mit der Firma Lauda-Air mit 31.Jänner 1988 auflösen möchte.

Hochachtungsvoll....".

Zu diesem Zeitpunkt hatte der Beklagte bereits die Zusicherung von Lux-Air, er könne schon im Februar 1988 in Luxemburg den Kurs für die Einschulung an der luxemburgischen Maschine besuchen und könne ab März 1988 bei der Lux-Air fliegen. Die klagende Partei, die von den Verhandlungen des Beklagten mit der Lux-Air keine Ahnung hatte, nahm mit Schreiben vom 28.Jänner 1988 die Kündigung des Beklagten zur Kenntnis, teilte ihm aber mit, daß er die Kündigungsfrist einhalten müsse und daher die Kündigung erst zum 29. Februar 1988 wirksam sei. Überdies wies die klagende Partei noch auf den bestehenden Resturlaub und den neuen Urlaubsanspruch des Beklagten hin. Gleichzeitig schrieb die klagende Partei dem Beklagten: "Die Kündigung ihrerseits erfordert eine Überprüfung des geltenden Vertrages, nachdem sie zu einer Refundierung der Ausbildungskosten verpflichtet sind, wenn das Dienstverhältnis vor Ablauf der vereinbarten Laufzeit durch Kündigung seitens des Dienstnehmers erfolgt". Aufgrund dieses Briefes ging der Beklagte zu einem Rechtsanwalt, der ihm den Rat gab, seinen Austritt zu erklären, da Austrittsgründe vorlägen. Aufgrund dieser Rechtsberatung erklärte dann der Kläger mit Schreiben vom 9.Februar 1988 mit folgendem Text seinen Austritt: "Sehr geehrte Herren! Am heutigen Tag, dem 9.2.1988, ist mir zur Kenntis gelangt, daß in meinem für die Luftfahrtbehörde angelegten Lebenslaufakt eine mich betreffende Mitteilung eingeheftet wurde. Da eine derartige Meldung geeignet ist, mir in meiner weiteren fliegerischen Laufbahn zu schaden, wäre die Firma verpflichtet gewesen, mir die Möglichkeit einer Stellungnahme zu geben. Durch die Vorgangsweise wurden einschlägige Arbeitnehmerschutzbestimmungen durch die Firma mißachtet. Ich sehe mich daher veranlaßt, zur Wahrung meiner mir zukommenden Rechte sie davon in Kenntnis zu setzen, daß ich mit sofortiger Wirkung meinen vorzeitigen Austritt aus ihrem Unternehmen erkläre". Am 1.März 1988 trat der Beklagte seinen Dienst bei der Lux-Air an. Die klagende Partei hat für den Beklagten die Schulungskosten für den Erwerb einer Lizenz zum Flug einer Boeing 737 gezahlt. Die klagende Partei ist Eigentümerin des ehemaligen Flughafen-Hotels in Salzburg. Bei Übernachtungen in Salzburg benützte die Crew dieses ehemalige Flughafenhotel. Der Beklagte benützte dieses Hotel, dessen Kategorie nicht feststeht, letztmalig vor dem 18.Jänner 1988.

Die klagende Partei begehrte ursprünglich die Zahlung eines Betrages von 337.558 S. Der Beklagte sei zur Zahlung dieses Betrages, ausgehend von Ausbildungskosten in der Höhe von 850.000 S und unter Berücksichtigung einer Dienstzeit von 22 Monaten, nach den Bestimmungen des Dienstvertrages zurückzuerstatten verpflichtet. In der Folge wurde das Begehren auf den Betrag von 237.513,37 S eingeschränkt, wobei der wesentliche Teil dieser Einschränkung damit begründet wurde, daß die Ausbildungskosten nicht wie im Dienstvertrag festgelegt, 850.000 S, sondern tatsächlich nur 649.389 S betragen hätten.

Der Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Das Begehren auf Rückforderung der Ausbildungskosten bestehe nicht zu Recht, weil der Beklagte mit Schreiben vom 9.Februar 1988 berechtigt seinen vorzeitigen Austritt erklärt habe. Die beklagte Partei habe nämlich mehrfach gegen den Dienstvertrag verstoßen. In seinem Personalakt sei, ohne daß ihm Gelegenheit gegeben worden sei, zu erhobenen Vorwürfen Stellung zu nehmen, ein nachteiliger Pilot's Voyage Report eingeheftet worden, dessen Inhalt geeignet sei, ihn in seinem weiteren Fortkommen zu schädigen. Für Übernachtungen außerhalb der Homebase seien Unterkünfte zur Verfügung gestellt worden, deren Standard nicht den Vereinbarungen des Dienstvertrages entsprochen habe. Während des Flugbetriebes seien permanent Überziehungen der erlaubten Flugzeiten erfolgt. Die Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes seien nicht eingehalten worden. Die klagende Partei habe überdies anstelle des im Dienstvertrag vereinbarten leistungsbezogenen Entgeltes mit Wirkung ab 1.Jänner 1988 einseitig auf ein Pauschalentlohnungssystem umgestellt und damit die Einkommenssituation des Beklagten verschlechtert, zumal durch die Aufnahme neuer Destinationen im Jahr 1988 mit einer erheblichen Mehrbelastung zu rechnen gewesen sei. Die geltend gemachten Kosten für den Erwerb und Erhalt des Typerating durch den Beklagten seien nicht Ausbildungskosten im Sinn des Punktes III des Dienstvertrages. Die geltend gemachten Kosten seien überdies wesentlich überhöht. Die in den Dienstvertrag aufgenommene Verpflichtung zur Erstattung der Ausbildungskosten sei eine unzulässige Knebelung und die Vereinbarung daher unwirksam.

Diesem Vorbringen hielt die klagende Partei entgegen, daß Austrittsgründe nicht vorgelegen seien; im übrigen lägen die vom Beklagten geltend gemachten Vorfälle so lange zurück, daß ein allfälliges Austrittsrecht "verfristet" sei.

Das Erstgericht sprach mit Zwischenurteil aus, daß das Klagebegehren "zur Gänze" dem Grunde nach zu Recht bestehe. Die geltend gemachten Austrittsgründe seien verfristet. Eine unzulässige Knebelung liege nicht vor, zumal eine Vereinbarung über die Rückzahlung von Ausbildungskosten bei Beendigung des Dienstverhältnisses vor Ablauf eines bestimmten Zeitraumes wirksam getroffen werden könne. Selbst wenn die tatsächlichen Ausbildungskosten unter der Höhe des begehrten Betrages lägen, wäre der Rest von der beklagten Partei als Konventionalstrafe zu ersetzen. Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge, wobei es lediglich die Fassung des Spruches durch Beseitigung der Worte "zur Gänze" modifizierte. Es verneinte das Vorliegen von Verfahrensmängeln und billigte die Beweiswürdigung des Erstgerichtes. Aus Punkt III und VII des Dienstvertrages ergebe sich, daß die Dienstgeberin zunächst für die notwendige Ausbildung des Dienstnehmers zu sorgen habe, die dafür aufgewendeten Kosten trage, diese aber vom Dienstnehmer aliquot zurückverlangen könne, wenn das Dienstverhältnis vor Ablauf von 36 Monaten durch Kündigung oder unberechtigten Austritt des Dienstnehmers ende. Diese vertraglichen Regelungen seien klar und unmißverständlich. Nach ständiger Rechtsprechung seien Vereinbarungen, wonach die Kosten einer grundsätzlich unentgeltlich zugesicherten Ausbildung des Dienstnehmers nachträglich bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen zurückgefordert werden können, möglich und widersprächen weder den guten Sitten noch zwingenden gesetzlichen Bestimmungen. Es könne nicht in Zweifel gezogen werden, daß die klagende Partei erhebliche Mittel für die notwendige Ausbildung des Beklagten aufgewendet habe, um ihm den Erwerb der Fluglizenz für die Boeing 737 zu ermöglichen. Im Hinblick darauf sei die Vereinbarung, derzufolge sich der Beklagte verpflichtete, 36 Monate bei der klagenden Partei tätig zu sein und bei seinem früheren Ausscheiden die Kosten der Ausbildung aliquot zurückzuerstatten, unbedenklich. Ein Grund, der den Beklagten zum Austritt berechtigt hätte, liege nicht vor, sodaß das Begehren der klagenden Partei dem Grund nach berechtigt sei. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zur Ergänzung ies Verfahrens zurückzuverweisen; hilfsweise wird ein Antrag auf Abänderung des angefochtenen Urteils im Sinn einer Klageabweisung gestellt.

Die klagende Partei beantragt der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der gerügte Verfahrensmangel liegt nicht vor. Der Revisionswerber vertritt die Ansicht, das Berufungsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, daß die Ausführungen der Mängelrüge in der Berufung die Relevanz des dort gerügten Mangels nicht aufgezeigt hätten; durch den Hinweis darauf, daß sich aufgrund der Aussage des Zeugen K*** ergeben hätte, daß dem Beklagten der weitere Verbleib durch die laufenden, von der klagenden Partei verursachten angespannten Ereignisse nicht zumutbar gewesen sei, sei der wesentliche Einfluß des Mangels auf die Verfahrensergebnisse in ausreichender Weise dargelegt worden.

Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Gegenstand einer Beweisaufnahme ist nur die Überprüfung von bestimmt behaupteten Tatsachen. Welche Tatsachen durch die Vernehmung des Zeugen zu erweisen gewesen wären, wird jedoch weder in der Berufung noch in der Revision aufgezeigt. Daß dem Beklagten das Verbleiben im Unternehmen der klagenden Partei unzumutbar gewesen sei, ist keine Tatsachenbehauptung, sondern eine rechtliche Schlußfolgerung und als solche nicht Gegenstand einer Beweisaufnahme.

Auch die Rechtsrüge ist nicht begründet.

Soweit der Revisionswerber darzulegen versucht, daß der Begriff der Ausbildungskosten nach dem Dienstvertrag ausschließlich auf die Kosten einer Ausbildung zum Berufspiloten, nicht jedoch auf die Kosten der Einschulung auf einer neuen Flugzeugtype zu beziehen sei, und daher ein Anspruch der klagenden Partei schon deshalb nicht bestehe, weil der Beklagte bei Abschluß des Dienstvertrages bereits ausgebildeter Berufspilot gewesen sei, läßt er den klaren Wortlaut des Dienstvertrages außer acht. Abgesehen davon, daß auch eine zusätzliche Ausbildung zum Erwerb einer Berechtigung für eine neue Flugzeugtype und damit eine Erweiterung der Berechtigung eine notwendige Ausbildung für den Einsatz auf diesem Fluggerät ist, wird in Punkt III des Dienstvertrages ausdrücklich darauf Bezug genommen, daß der Beklagte bereits im Besitz eines gültigen österreichischen Berufspilotenscheines/Linienpilotenscheines ist. Ausbildungskosten können daher nur darüber hinausgehende Kosten sein. Überdies ist im Punkt VII der Begriff der notwendigen Ausbildung durch den Klammerausdruck dahin präzisiert, daß er auch das Typerating umfaßt. Für die von der beklagten Partei gewünschte Auslegung bietet der Dienstvertrag keine Grundlage.

Die Verpflichtung zur Rückzahlung der Ausbildungskosten ist grundsätzlich zulässig, wenn die Rückzahlung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles nach Treu und Glauben dem Dienstnehmer zuzumuten ist und vom Standpunkt eines verständigen Betrachters einem begründeten und zu billigenden Interesse des Dienstgebers entspricht. Eine Vereinbarung, die Kosten einer zunächst grundsätzlich unentgeltlich zugesicherten Ausbildung nachträglich bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen doch geltend machen zu können, ist daher nicht grundsätzlich sittenwidrig;

vielmehr muß geprüft werden, ob die Interessenabwägung eine grobe

Verletzung rechtlich geschützter Interessen ergibt und ob die

Erfüllung einer solchen Vereinbarung zugemutet werden kann

(SZ 58/189 mwH). Für die Frage der Zumutbarkeit der übernommenen

Verpflichtung ist es wesentlich, ob der Angestellte nur mit den

Eigenheiten einiger Produkte dieses Dienstgebers vertraut gemacht wurde, also bloß eingeschult wurde, oder ob ihm Spezialkenntnisse theoretischer und praktischer Art vermittelt wurden, die auch in anderen Unternehmen verwertet werden können. Hat er eine Ausbildung erlangt, die über die bloße Einschulung eines Neulings hinausgeht und ihm bessere Verdienstmöglichkeiten auch in anderen Unternehmungen verschaffen kann, falls er den Arbeitsplatz wechselt, dann wird ihm die Rückzahlung der für seine Ausbildung tatsächlich aufgewendeten Kosten grundsätzlich zugemutet werden können (SZ 45/122 = Arb 9.065 = EvBl 1973/105).

Daß dem Beklagten durch das Typerating, dessen Kosten den Gegenstand des Prozesses bilden, eine Ausbildung vermittelt wurde, deren Verwertungsmöglichkeit nicht nur auf den Betrieb der klagenden Partei beschränkt ist, sondern weit darüber hinausreicht und dem Beklagten auch bessere Verdienstmöglichkeiten in anderen Unternehmungen verschaffen konnte, liegt auf der Hand. Es kann als bekannt vorausgesetzt werden, daß der Flugzeugtyp Boeing 737 weit verbreitet ist und bei zahlreichen Flugunternehmungen zum Einsatz kommt. Im Hinblick auf die bedeutenden Kosten, die diese Ausbildung erforderte (selbst wenn man dabei von der vom Beklagten behaupteten geringeren Höhe ausgeht), ist eine vertragliche Bindung auf eine Zeit von 36 Monaten keine unzulässige Knebelung, sondern entspricht einem gerechtfertigten Interesse des Dienstgebers. Ob die Rückzahlung der Kosten für den Beklagten mit einer unverhältnismäßig hohen Belastung verbunden ist, ist eine Frage der Anspruchshöhe und im Rahmen der Prüfung der Berechtigung der Ersatzpflicht dem Grunde nach nicht zu erörtern.

Auch soweit sich der Beklagte darauf beruft, daß er berechtigt ausgetreten sei und der Rückersatzanspruch aus diesem Grund nicht zu Recht bestehe, kann seinen Ausführungen nicht gefolgt werden. Nach den Feststellungen wurde das Entlohnungssystem von der beklagten Partei von einer leistungsbezogenen Berechnung des Entgeltes in jedem Einzelfall mit 1.Jänner 1988 auf Pauschalentlohnung umgestellt. Die grundsätzliche Möglichkeit, daß bei Anwendung des neuen Systems ein gegenüber der früheren Entlohnungsmethode geringerer Bezug zur Auszahlung gelangen könnte, vermag den Austritt nicht zu begründen, zumal es keineswegs ausgeschlossen ist, daß im Hinblick auf den Einsatz des Beklagten in der Zeit ab 1.Jänner 1988 sich allenfalls sogar eine Besserstellung ergeben hätte. Es ist aber weder erwiesen, daß die Bezüge des Beklagten tatsächlich verkürzt wurden, noch ergaben sich ausreichende Anhaltspunkte für eine Prognose in dieser Richtung. Als Austrittsgrund hat der Kläger weiters geltend gemacht, daß die Unterbringung bei Übernachtungen außerhalb der Homebase nicht dem im Dienstvertrag vereinbarten Standard entsprochen habe, daß die Zeitdauer seines Einsatzes den zulässigen Umfang überstiegen habe und die Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes verletzt worden seien, sowie daß ein negativer Bericht über sein dienstliches Verhalten in unzulässiger Weise zum Personalakt genommen worden sei. Die Vorinstanzen haben mit Recht eine Prüfung der vorgebrachten Umstände auf ihre Eignung als Austrittsgrund abgelehnt.

Der Ausspruch der vorzeitigen Auflösung eines Arbeitsverhältnisses hat unverzüglich nach Bekanntwerden der wichtigen Gründe zu erfolgen. Dies gilt sowohl für die Entlassung als auch für den Austritt (Schwarz-Löschnig Arbeitsrecht4, 443 mwH). Durch Zuwarten verliert der Dienstnehmer sein Recht, den Austritt geltend zu machen. Grundgedanke dieses Prinzips ist letztlich, daß derjenige, der einen wichtigen Grund gesetzt hat, sich möglichst bald über die Rechtsfolgen im klaren sein soll. Der Verlust des Rechtes zur sofortigen Auflösung wird durch die Unzumutbarkeit einer auch bloß kurzfristigen Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses gerechtfertigt (Floretta-Spielbüchler-Strasser, Arbeitsrecht2 I, 225). Auch wenn der Dienstnehmer mit der Austrittserklärung zögert, weil er sich vorerst versichern will, daß er einen anderen Arbeitsplatz findet, geht das Austrittsrecht verloren, bringt er doch durch die weitere Aufrechterhaltung des Dienstverhältnisses ungeachtet von bestehenden Austrittsgründen zum Ausdruck, daß ihm ein weiterer Verbleib im Unternehmen zumindest für die Dauer der Kündigungsfrist nicht unzumutbar ist.

Zum 18.Jänner 1988 übermittelte der Beklagte der klagenden Partei ein Kündigungsschreiben, in dem er mitteilte, daß er das Dienstverhältnis mit 31.Jänner 1988 auflösen möchte. Wohl ist der genannte Kündigungstermin verfehlt, doch kann dem Schreiben kein Hinweis darauf entnommen werden, daß der Beklagte damit seinen vorzeitigen Austritt erklären wollte. Der Sachverhalt unterscheidet sich diesbezüglich von dem der in der Revision zitierten Entscheidung RdW 1987, 24 (14 Ob 55-63/86) zugrundeliegenden Fall, weil der Dienstnehmer dort wohl die Kündigung seines Dienstverhältnisses erklärte, sich dabei jedoch ausdrücklich auf einen Austrittsgrund berief.

Entscheidende Bedeutung für die Frage ob allfällige Gründe für die vorzeitige Auflösung des Dienstverhältnisses rechtzeitig geltend gemacht wurden, kommt daher der Austrittserklärung vom 9.Februar 1988 zu. Ausgehend von diesem Tag sind jedoch alle Austrittsgründe nicht unverzüglich geltend gemacht worden. Die behaupteten Verstöße gegen Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes (übermäßige Zeitdauer des Einsatzes) fielen in die Zeit vom Juni 1987 bis September 1987; den letzten Sonntagsdienst leistete der Beklagte im Dezember 1987. Die letzte Übernachtung außerhalb der Homebase lag vor dem 18. Jänner 1988. Wohl trifft es zu, daß wiederholte Verletzungen des Dienstvertrages einen Dauertatbestand bilden können und der Umstand, daß der Dienstnehmer durch einige Zeit diesen Verstoß nicht wahrnimmt, ihm nicht das Recht nimmt, den Austrittsgrund letztlich geltend zu machen. Voraussetzung dafür ist allerdings, daß ein vertragswidriges Verhalten des Dienstgebers andauert. Dies ist hier nicht der Fall. Die klagende Partei hat nach den Behauptungen des Beklagten den Dienstvertrag wiederholt verletzt. Es lag jedoch in dem Zeitpunkt, in dem der Beklagte den Austritt erklärte, selbst wenn man seinem Vorbringen folgt, ein in der Vergangenheit gelegenes abgeschlossenes Verhalten der klagenden Partei vor, das mehrere Wochen vor der Austrittserklärung beendet war. Das Austrittsrecht kann jedoch nur so lange geltend gemacht werden, als der Dauerzustand anhält. Auch wenn während früherer Zeiträume ein fortgesetzt vertragswidriges Verhalten der klagenden Partei vorgelegen sein sollte, rechtfertigt es nicht den Austritt mehrere Wochen nach dem letzten Verstoß.

Von dem im Personalakt erliegenden Pilot's Voyage Report hat der Beklagte noch im Dezember 1987 erfahren. Er wäre gehalten gewesen, diesen Umstand unverzüglich als Austrittsgrund geltend zu machen. Dieser Obliegenheit hat er durch die Erklärung des Austrittes vom 9. Februar 1988 nicht entsprochen. Es kann unerörtert bleiben, ob der Beklagte im Hinblick darauf, daß er ein pflichtwidriges Verhalten der klagenden Partei durch längere Zeit toleriert hatte, vor der Erklärung des Austritts verpflichtet gewesen wäre, die klagende Partei auf das Rechtswidrige ihres Verhaltens aufmerksam zu machen und ihr die Möglichkeit einer Änderung zu geben. Selbst wenn man dieser Meinung nicht folgte, wäre der Austritt jedenfalls verspätet erfolgt. Mit der Behauptung, die klagende Partei habe es vertragswidrig unterlassen, eine loss of license-Versicherung abzuschließen, wurde ein weiterer Austrittsgrund geltend gemacht. Dieses Vorbringen wurde erstmalig in der Berufung erstattet. Zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß dadurch in unzulässiger Weise gegen das Neuerungsverbot verstoßen wurde. Der Revision mußte daher ein Erfolg versagt bleiben. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E20139

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:009OBA00319.89.0117.000

Dokumentnummer

JJT_19900117_OGH0002_009OBA00319_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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