Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier und Dr. Bauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Dietmar Strimitzer und Dr. Renate Klenner als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der antragstellenden Partei Ö*** G*** FÜR D*** G***
H***, T***, V***, Wien 1, Teinfaltstraße 7, vertreten durch Dr. Robert Krepp, Rechtsanwalt in Wien, wider die Antragsgegnerin B*** DER G*** W***, Sektion
Verkehr, Fachverband der Autobusunternehmungen, Wien 4, Wiedner Hauptstraße 63, vertreten durch Dr. Johann Pritz, Rechtsanwalt in Wien, über den gemäß § 54 Abs. 2 ASGG gestellten Feststellungsantrag in nichtöffentlicher Sitzung folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Die Anträge auf Feststellung,
1. daß den im Linienverkehr eingesetzten Autobuslenkern abweichend von der Regelung in der Lohnordnung zum Bundes-Kollektivvertrag für Dienstnehmer in den privaten Autobusbetrieben eine Spesenvergütung in gleicher Höhe und unter den gleichen Voraussetzungen zustehe wie den im Gelegenheitsverkehr eingesetzten Autobuslenkern; in eventu:
2. daß den im Linienverkehr eingesetzten Autobuslenkern, soweit sie auf ihren Fahrten das österreichische Staatsgebiet verlassen, abweichend von der Regelung in der Lohnordnung zum Bundes-Kollektivvertrag für Dienstnehmer in den privaten Autobusbetrieben eine Spesenvergütung in gleicher Höhe und unter den gleichen Voraussetzungen zustehe, wie den im Gelegenheitsverkehr eingesetzten Autobuslenkern,
werden abgewiesen.
Text
Begründung:
Der für die Fachgewerkschaft Handel, Transport, Verkehr, auftretende Antragsteller ist eine kollektivvertragsfähige Berufsvereinigung der Arbeitgeber im Sinne des § 4 Abs. 2 ArbVG. Die Antragsgegnerin ist eine gestzliche Interessenvertretung der Arbeitgeber im Sinne des § 4 Abs. 1 ArbVG. Beide Parteien sind daher im Sinne des § 54 Abs. 2 erster Satz ASGG als Parteien dieses besonderen Feststellungsverfahrens legitimiert.
Der Antragsteller führt zur Begründung seiner aus dem Spruch ersichtlichen Feststellungsanträge aus, daß zwischen ihm und der Antragsgegnerin die mehr als drei Arbeitnehmer betreffende Frage strittig geworden sei, ob die unterschiedlichen Regelungen der Spesenvergütung für Arbeitnehmer im Gelegenheitsverkehr und im Linienverkehr noch der Rechtslage entsprechen. Die nach Art. XI des Bundes-Kollektivvertrags für Dienstnehmer in den privaten Autobusbetrieben einen integrierenden Bestandteil des Kollektivvertrags bildende Lohnordnung lautet auszugsweise wie folgt:
1. Spesenvergütungen
Von diesen Sätzen muß der Fahrer die Mehrauslagen, die mit der auswärtigen Dienstleistung entstehen, bestreiten.
Spesenvergütung im Gelegenheitsverkehr:
Für die Zeit, die der Arbeitnehmer im Auftrag des Arbeitgebers von der Betriebsstätte oder seiner eigenen Wohnstätte abwesend ist, sind folgende Spesenvergütungen zu bezahlen:
Bei durchgehender Abwesenheit in der Zeit
von 12.00 Uhr bis 14.00 Uhr ...... S 100,--
von 18.00 Uhr bis 20.00 Uhr ...... S 100,--
Bei Abwesenheit über Nacht zusätzlich ... S 28,--
Lenker, welche auf die Spesenvergütung für durchgehende Abwesenheit für die Zeit von 18.00 Uhr bis 20.00 Uhr keinen Anspruch haben, bekommen eine Spesenvergütung in gleicher Höhe, wenn die Fahrt nach 18.00 Uhr beginnt, der Lenker in der Zeit von 0 Uhr bis 2 Uhr von der Betriebsstätte und seiner eigenen Wohnstätte abwesend ist und er auch keinen Anspruch auf die für Auslandfahrten festgesetzte Spesenvergütung ("wenn er mindestens fünf Stunden im Ausland verbracht hat" mit einer derzeitigen Höhe von S 228) hat. Es besteht aber jedenfalls nur ein Anspruch auf die Spesenvergütung von 18.00 Uhr bis 20.00 Uhr oder von 0 bis 2 Uhr des folgenden Tages.
Eventuelle Nächtigungsspesen sind dem Standard der Reisegruppe entsprechend unter Nachweis derselben zur Verfügung zu stellen oder zu vergüten.
Nach Möglichkeit ist dem Lenker im Hotel, in dem die Fahrgäste untergebracht sind, ein Einbettzimmer mit einer Duschmöglichkeit im Hause zuzuweisen:
Bei Auslandsfahrten beträgt die Spesenvergütung täglich S 228 und gebührt dann, wenn mindestens fünf Stunden im Ausland verbracht werden.
Falls Orte passiert werden, wo besonders hohe Verpflegungskosten entstehen, sind tatsächlich entstandene angemessene Kosten unter Nachweis derselben zu vergüten.
Spesenvergütung im Linienverkehr:
Ist der Arbeitnehmer im Auftrag des Arbeitgebers von der Betriebsstätte oder seiner eigenen Wohnstätte abwesend, so gebührt ihm folgende Spesenvergütung:
Bei durchgehender Abwesenheit in der Zeit
von 12.00 Uhr bis 14.00 Uhr ...... S 68,--
von 18.00 Uhr bis 20.00 Uhr ...... S 68,--
Bei Abwesenheit über Nacht zusätzlich ... S 28,--
Wird vom Arbeitgeber kein Quartier zur Verfügung gestellt, so sind eventuelle Nächtigungsspesen unter Nachweis derselben zu vergüten.
Der Antragsteller brachte dazu vor, daß die unterschiedliche Behandlung der Spesenvergütung nach der Zugehörigkeit des Arbeitnehmers zum Gelegenheitsverkehr oder zum Linienverkehr von den Kollektivvertragsparteien bereits vor vielen Jahren eingeführt worden sei. Diese Unterscheidung habe aber in einer Zeit, in der private Autobusbetriebe grenzüberschreitende Linien unterhielten, keinerlei Berechtigung mehr. Ein bekanntes Wiener Autobusunternehmen unterhalte zum selben Zielpunkt im Ausland, einem Badeort in Ungarn, sowohl Linienverkehr als auch regelmäßigen Gelegenheitsverkehr. In beiden Fällen müßten die Fahrer den Ort der Betriebsstätte etwa um
6.30 Uhr verlassen und kehrten etwa um 20.00 Uhr nach Wien zurück. Es sei nicht ersichtlich, aus welchem Grund der im Linienverkehr eingesetzte Lenker durch die Abwesenheit von der Betriebsstätte bzw. der eigenen Wohnstätte geringere Mehraufwendungen haben sollte als sein im Gelegenheitsverkehr beschäftigter Kollege. Dennoch erhalte der Fahrer im Gelegenheitsverkehr täglich S 228 an Spesenvergütung, während sich der Fahrer im Linienverkehr mit S 136 pro Tag begnügen müsse. Eine sachliche Erklärung für diese Ungleichbehandlung, die zu einer um beinahe 70 % höheren Spesenvergütung führe, lasse sich in diesem besonders signifikanten Fall, aber auch in anderen Fällen nicht finden. Es widerspreche dem im Arbeitsrecht herrschenden Gleichbehandlungsgrundsatz, einzelne Arbeitnehmer oder bestimmte Gruppen von Arbeitnehmern ohne sachliche Rechtfertigung zu diskriminieren.
Die Antragsgegnerin beantragte, den Feststellungsantrag abzuweisen. Bei Beurteilung einer Bestimmung normativen Charakters komme es sowohl nach dem arbeitsrechtlichen als auch nach dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Gleichheitsgebot nicht darauf an, ob die Bestimmung in jedem Einzelfall zu einem befriedigenden Ergebnis führe, sondern ausschließlich, ob sie auf den typischen Regelfall zutreffe, wobei auch mögliche (regelwidrige) Härtefälle in Kauf genommen werden müßten. Die in Frage stehenden Kollektivvertragsbestimmungen ließen erkennen, daß die Kollektivvertragsparteien davon ausgegangen seien, daß zwischen den beiden betroffenen Lenkergruppen ein solcher Unterschied bestehe, daß eine unterschiedliche Spesenregelung sachlich gerechtfertigt sei. Soweit Auslandsfahrten im Linienverkehr vorgenommen würden, seien diese für den Linienverkehr zufolge der verschwindend wenigen Auslandslinien nicht typisch.
Es sei allgemein bekannt, daß der Lenker im Kraftfahrlinienverkehr davon ausgehen könne, daß er stets dieselbe Linie nach einem genau vorherbestimmten Fahrplan zu befahren habe. Er wisse genau, ob und wann er nach Hause zurückkehre. Der Lenker sei von den Wünschen der beförderten Personen völlig unabhängig und habe keine abweichenden Dispositionen zu treffen; er sei daher auch in der Lage, seine Verpflegungsmöglichkeit bestmöglich einzuteilen, zumal es dem Wesen des Linienverkehrs entspreche, daß nur solche Orte angefahren würden, die eine stetige regelmäßige Auslastung gewährleisteten und daher über eine dem Fahrer zugutekommende Infrastruktur (Gaststätten udgl.) verfügten.
Hingegen habe der Lenker im Gelegenheitsverkehr stets ganz unterschiedliche Fahrtrouten auch zu entlegenen Reisezielen mit unterschiedlicher Reisedauer und ohne vorherbestimmte Haltestellen zu befahren. Die Abwesenheitsdauer im Gelegenheitsverkehr sei typischerweise wesentlich länger als jene im Linienverkehr. Der Lenker im Gelegenheitsverkehr sei stets auf die Wünsche des Reiseleiters bzw. der Reisegruppe angewiesen. Es komme immer wieder zu unvorhergesehenen Änderungen der Reiseroute und zu nicht vorhersehbaren Situationen, welche die Übernahme auch organisatorischer Funktionen zur Folge hätten. Soweit die Kollektivvertragsparteien eventuelle Nächtigungsspesen auf den Standard der Reisegruppe abstellten, hätten sie damit ihre Auffassung dargelegt, daß die Lenker im Gelegenheitsverkehr zumeist nicht die freie Wahl eines Nächtigungsquartiers hätten, so daß eine Limitierung der hiemit verbundenen Kosten unzumutbar sei. Diese Überlegung müsse auch für die Verpflegskosten gelten, weshalb es naheliege, dieser Lenkergruppe eine höhere Spesenvergütung zuzuerkennen. Selbst wenn ein solcher Lenker grundsätzlich die Möglichkeit habe, sich in einem Lokal niedrigen Standards preisgünstig zu verpflegen, werde dieses Vorhaben oft dadurch zunichte gemacht, daß die Reisegruppe durch ihre Wünsche die Fahrtzeit so verlängere, daß es dem Lenker nur mehr möglich sei, sich zu später Nachtstunde in dem von den Reiseteilnehmern aufgesuchten Hotel zu verköstigen. Der Fahrer im Gelegenheitsverkehr, der ständig wechselnde Fahrziele anfahre, habe im Gegensatz zum Fahrer im Linienverkehr auch nicht die spezifischen Ortskenntnisse, die ihm eine kostengünstige Verpflegung ermöglichten. Dazu kämen noch andere Auslagen wie etwa für die ordnungsgemäße Bekleidung des Fahrers.
Der Antragsteller führte ergänzend aus, daß es sich zwar bei dem im Antrag erwähnten Fall um ein signifikantes Beispiel handle, daß es aber außer dem gleichartigen Linien- und Gelegenheitsverkehr nach Bük (Ungarn) noch gleichartige Fahrten nach Siofok (Ungarn) und Karlsbad (CSSR) gebe. Überdies bestehe ein Linienverkehr von Wien nach Neapel, Istanbul und Zagreb, der einen längeren Auslandsaufenthalt für die Buslenker erforderlich mache. Auch im Linienverkehr eingesetzte Lenker seien bei der Wahl ihrer Verpflegungsstätte nicht völlig frei. Einerseits würden die Lenker nicht unbedingt ständig auf derselben Linie eingesetzt und andererseits gebe es auch Linien, etwa die nach Siofok, bei denen der Fahrer am Zielort nach speziellem Auftrag bestimmte Hotels und Kuranstalten anfahren müsse. Gegen die Argumente der Antragsgegnerin spreche auch, daß die Fahrer im Werksverkehr, der dem Gelegenheitsverkehr zuzuzählen sei, praktisch "Linien" einhielten, indem sie die Arbeitnehmer größerer Unternehmen an bestimmten, ihnen ständig vorgegebenen Punkten abholten bzw. absetzten. Eine Besserstellung dieser Lenker gegenüber den Lenkern im Linienverkehr sei ebenfalls nicht begründet.
Rechtliche Beurteilung
Der Feststellungsantrag ist zulässig, da er eine Rechtsfrage des materiellen Rechts auf dem Gebiet der Arbeitsrechtssachen nach § 50 ASGG betrifft, die schon ihrem Wesen nach und auf Grund des hinlänglich behaupteten, von namentlich bestimmten Personen unabhängigen Sachverhalts für mindestens drei Arbeitnehmer von Bedeutung ist. Der Feststellungsantrag ist aber nicht berechtigt.
Soweit man davon ausgeht, daß im normativen Teil von Kollektivverträgen eine Bindung der Kollektivvertragsparteien an ein Gleichbehandlungsgebot besteht und dieses im Fall seiner Verletzung die Nichtigkeit der betreffenden Regelung zur Folge hat, bieten sich als normative Grundlage die spezifisch zivilrechtlichen Gleichbehandlungsgebote wie der arbeitsrechtliche oder der verbandsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz, aber auch der verfassungsrechtliche Gleichheitssatz an (Jabornegg in einem Vortrag in Altmünster am 4. Oktober 1989). Der Meinungsstand dazu ist nicht einheitlich. So wird die Ansicht vertreten, daß auch die kollektive Rechtsgestaltung am arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz zu messen sei (etwa Pernthaler, Verfassungsrechtliche Probleme der autonomen Rechtssetzung im Arbeitsrecht, ZöR 1967, 64 ff; Binder,
Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz, DRdA 1983, 156 ff, 163; Beck-Mannagetta, ZAS 1985, 220; vgl. auch § 5 Abs. 2 GleichbehandlungsG). Im Gegensatz dazu hat der Oberste Gerichtshof unter Hinweis auf Ladislav (Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz in der österreichischen Rechtsprechung, FS Schmitz I, 143) bereits ausgesprochen, daß die Anwendung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgebotes regelmäßig in Bestimmungen von Gesetzen, Kollektivverträgen, Arbeitsordnungen und Betriebsvereinbarungen ihre Grenze finde (Arb. 9.581, 9.523;
kritisch Mayer-Maly, Die Gleichbehandlung der Arbeitnehmer,
DRdA 1980, 261 ff, 270; ders. DRdA 1986, 127). Diese Ansicht wird
nicht nur durch die Erwägungen gestützt, daß sich im
Kollektivvertrag die Verkehrsauffassung der beteiligten Kreise niederschlage, sodaß die Rechtsfolgendifferenzierung die Vermutung der sachlichen Richtigkeit in sich trage (Binder aaO), und daß beim Kollektivvertrag das Verhandlungsgleichgewicht stärker gewährleistet ist als beim einzelnen Arbeitsvertrag (Beck-Mannagetta aaO), sondern auch dadurch, daß das arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgebot in erster Linie auf die Person des Arbeitgebers gerichtet ist (vgl. Mayer-Maly, Die Gleichbehandlung der Arbeitnehmer, DRdA 1980, 261 ff; ders. Österreichisches Arbeitsrecht I, 144; Spielbüchler in Floretta-Spielbüchler-Strasser, Arbeitsrecht3 I, 240; Schwarz-Löschnigg, Arbeitsrecht4, 270 ff. ua.). Demnach darf der Arbeitgeber einzelne Arbeitnehmer nicht willkürlich oder aus sachfremden Gründe schlechterstellen als die übrigen Arbeitnehmer unter den nämlichen Voraussetzungen (Arb. 10.241 uva.). Die Kollektivvertragsparteien agieren aber überbetrieblich. Der verbandsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz (vgl.
Pernthaler, Die verfassungsrechtlichen Schranken der
Selbstverwaltung in Österreich, Gutachten für den 3. ÖJT (1967),
107 ff; Korinek, Wirtschaftliche Selbstverwaltung (1970), 218,
251 f; Bydlinski, Der Gleichbehandlungsgrundsatz im österreichischen
Privatrecht, Gutachten für den 1. ÖJT (1961), I/1, 40 ff, 46 ff)
scheidet im vorliegenden Fall schon deshalb aus, da es dabei um das
Verhältnis des jeweils am Kollektivvertragsabschluß beteiligten
Verbandes zu seinen Mitgliedern geht (Jabornegg aaO). Bydlinski
vertritt in dem erwähnten Gutachten die Auffassung (aaO 149), daß
eine objektive Normsetzung für Dritte der objektiven Kontrolle durch
das verfassungsrechtliche Gleichheitsprinzip (Art. 2 StGG, Art. 7
B-VG, Art. 14 EMRK) bedürfe. Nicht die Tatsache der Delegation durch
das Gesetz, sondern der Inhalt dieser delegierten Macht begründe
einen wesentlichen Unterschied zwischen der Privatautonomie und der
Kollektivvertragsautonomie. Die Privatautonomie sei inhaltlich nur
auf die Selbstgestaltung der eigenen Lebensverhältnisse gerichtet,
die Kollektivvertragsautonomie hingegen auf die inhaltliche
Gestaltung von Rechtsverhältnissen Dritter. Die
Kollektivvertragspartner könnten Dritten rechtsverbindlich befehlen;
sie hätten Anteil an der objektiven Normsetzung und beschränkten
gerade die Autonomie der Kollektivvertragsunterworfenen, nämlich ihre Befugnis, ihre Rechtsverhältnisse nach eigenem Gutdünken zu gestalten. Wo dies zutreffe, könne nicht mehr die Gerechtigkeitsidee der Privatautonomie gelten, daß die Beteiligten am besten die ihnen angemessene Regelung finden werden. Diese Ansicht, daß der normative Teil des Kollektivvertrags wegen der verbindlichen Normsetzung für Dritte, also wegen der Schaffung von Gesetzen im materiellen Sinn, unmittelbar an den Kriterien des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes gemessen werden müsse, findet sich auch im arbeitsrechtlichen Schrifttum (vgl. Mayer-Maly, Die Gleichbehandlung der Arbeitnehmer, DRdA 1980, 270; ders. Österreichisches Arbeitsrecht I, 146; Strasser in Floretta-Spielbüchler-Strasser, Österreichisches Arbeitsrecht2, 115 f; Spielbüchler aaO, 243; Schwarz-Löschnigg aaO, 271; auch ZAS 1985/25 = DRdA 1986/6 mwH). Im vorliegenden Fall kann es dahingestellt bleiben, ob die Spesenregelung im gegenständlichen Kollektivvertrag gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz oder gegen den verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz verstößt, da von einer willkürlichen, nicht durch entsprechende Unterschiede im Tatsächlichen gerechtfertigten Differenzierung und damit von einem Verstoß gegen den einen oder den anderen Grundsatz nicht gesprochen werden kann. Der Kollektivvertrag unterscheidet sowohl im Art. IV als auch in Z 1 der Lohnordnung mehrfach zwischen dem fahrplanmäßig konzessionierten periodischen Personentransport und dem Gelegenheits- und Ausflugsverkehr. Der Gelegenheitsverkehr ist nicht nur durch die normierten Spesensätze hervorgehoben, sondern auch dadurch, daß eventuelle Nächtigungsspesen dem Standard der Reisegruppe entsprechend zur Verfügung zu stellen oder zu vergüten sind. Ebenso sind besonders hohe Verpflegskosten gegen Nachweis angemessen zu vergüten. Schon daraus folgt, daß die Kollektivvertragsparteien nach ihrer Erfahrung zu Recht und durchaus noch aktuell davon ausgehen, daß für die Lenker im Gelegenheitsverkehr höhere Spesen entstehen können, die über den normierten Sätzen liegen. Der Grund dafür ist, wie die Antragsgegnerin zutreffend ausführt, ein sachlicher. Während sich der Lenker im Linienverkehr typischerweise an einen bestimmten Fahrplan halten und dementsprechende Dispositionen hinsichtlich Verpflegung und allfälliger Nächtigung treffen kann, ist der Lenker im Gelegenheitsverkehr in der Regel von der Reisegruppe und deren Leiter abhängig. Er hat unterschiedlichste Fahrtrouten auch zu entlegenen Reisezielen anzufahren, die Reisedauer ist in der Regel länger und unterschiedlich und der Lenker hat sich jeweils hinsichtlich Verpflegung und Unterkunft individuell dem Standard der Reisegruppe anzupassen. Diese Erwägungen treffen in der Regel auch für Auslandsfahrten zu. Ein Verstoß der Kollektivvertragsparteien gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz ist daher, wegen der grundsätzlich unterschiedlichen Art der Durchführung der Fahrten im Gelegenheitsverkehr und im Linienverkehr zu verneinen. Auch der Gleichheitssatz des Art. 7 B-VG verwehrt es dem Gesetzgeber nicht, sachlich gerechtfertigte Differenzierungen zuzulassen und seine Anordnungen unter Berücksichtigung der Lebenserfahrung auf den Regelfall abzustellen, wobei mögliche (regelwidrige) Härtefälle in Kauf genommen werden können. Daß dabei Härtefälle entstehen, macht das Gesetz nicht gleichheitswidrig (vgl. Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrecht6, 442 ff mwH; Arb. 10.221; ZAS 1985/25 = DRdA 1986/6 ua). Es mag zutreffen, daß die kollektivvertragliche Spesenregelung in den vom Antragsteller aufgezählten (besonders "signifikanten") Fällen, in denen auch vom Gelegenheitsverkehr praktisch eine bestimmte Linie ins Ausland befahren wird, für den diesbezüglichen Linienverkehr als unbefriedigend empfunden wird. Dies ändert jedoch nichts daran, daß die genannten Beispiele, die ebenso wie der Werksverkehr gegenüber der Fülle der einer Durchschnittsbetrachtung zu unterziehenden Gelegenheits- und Ausflugsfahrten einerseits und dem Linienverkehr andererseits doch nur (untypische) Ausnahmen bilden, der objektiven Sachlichkeit der Regelung nicht entgegenstehen.
Die Feststellungsanträge sind daher abzuweisen.
Anmerkung
E20122European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1990:009OBA00514.89.0117.000Dokumentnummer
JJT_19900117_OGH0002_009OBA00514_8900000_000