TE OGH 1990/1/17 9ObA19/90

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Veröffentlicht am 17.01.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Bauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Dietmar Strimitzer und Dr. Renate Klenner als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Richard T***, Angestellter, Pellendorf, Franz Andrestraße 8, vertreten durch Dr. Georg Griesser, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Fritz N*** Gesellschaft mbH, Schwechat, Hauptplatz 3, vertreten durch Dr. Otto Schuhmeister ua Rechtsanwälte in Schwechat, wegen 229.244,33 S sA (Streitwert im Revisionsverfahren: 8.690 S sA), infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 8. September 1989, GZ 32 Ra 99/89-12, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 6.Juni 1989, GZ 22 Cga 1671/88-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie einschließlich des unangefochten gebliebenen Teiles insgesamt zu lauten haben:

"Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger einen Betrag von 1.529,03 S brutto samt 4 % Zinsen seit 3.10.1988 zu zahlen. Das weitere Begehren des Klägers auf Zahlung eines Betrages von 227.715,30 S sA brutto samt 4 % seit 3.10.1988 wird abgewiesen."

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei 80,- S Barauslagen des Verfahrens erster Instanz sowie 325,- S an Barauslagen des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Die klagende Partei ist weiters schuldig, der beklagten Partei die Kosten des Revisionsverfahrens im Betrag von 2.180,10 S (darin enthalten 200,85 S Umsatzsteuer und 975 S Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war ab 27.3.1972 bei der beklagten Partei als Autolackierer beschäftigt. Zuletzt bezog er im Angestelltenverhältnis ein Monatsgehalt von 23.700 S. Im Unternehmen der beklagten Partei waren zwei Lackierer beschäftigt, die für Lackierarbeiten an PKW eingesetzt werden konnten. Es bestand die Regel, daß diese beiden nicht gleichzeitig auf Urlaub gehen durften, damit immer ein Lackierer zur Verfügung stand. Nach der Ende 1987 getroffenen Urlaubseinteilung war der Urlaub des Klägers in der Woche vom 1. bis 6.2.1988 (Schulferien) vorgesehen, wogegen der Urlaub des zweiten Lackierers T*** für die Karwoche eingeteilt war. Der Kläger erschien jedoch am 1.2.1988 im Betrieb und erklärte, daß er wegen Erkrankung seines Kindes nicht auf Urlaub gehen könne. Zwei Wochen vor der Karwoche fand der Vorgesetzte des Klägers Johann S***, der Leiter der Spenglerei und Lackiererei, auf seinem Schreibtisch einen Zettel, mit dem der Kläger, ohne daß er wie sonst üblich mit S*** Kontakt aufgenommen hätte, ein Urlaubsansuchen für die Karwoche stellte. S*** erklärte dem Kläger unmittelbar darauf, daß eine Urlaubsgewährung in dieser Zeit wegen des Urlaubes des zweiten Lackierers nicht möglich sei und daß er den Urlaubsschein daher nicht unterfertigen und weitergeben werde. Der Kläger war darüber ungehalten, beharrte jedoch S*** gegenüber nicht auf der Urlaubsgewährung. Am vorletzten Arbeitstag vor der Karwoche (Donnerstag 24.3.1988) kam es zu einem Gespräch zwischen dem Kläger und S***, wobei der Kläger erklärte, daß er sich in der Karwoche Urlaub nehmen müsse, weil er ein Arrangement gebucht habe. S*** wies den Kläger neuerlich darauf hin, daß dies nicht möglich sei und stellte ihm anheim, sich diesbezüglich an den Betriebsleiter oder den Prokuristen zu wenden. Dies unterließ der Kläger jedoch. Am Freitag dem 25.3.1988 verließ der Kläger den Betrieb ohne Hinweis auf einen Urlaubsantritt und erschien am Montag der Karwoche nicht zur Arbeit. Die beklagte Partei wartete vorerst zu, ob allenfalls eine Krankmeldung übermittelt werde und veranlaßte, nachdem eine solche Meldung nicht eingelangt war, die Abmeldung des Klägers bei der Gebietskrankenkasse per 25.3.1988. Als der Kläger am 5.4.1988 zur Arbeit erschien, wurde ihm mitgeteilt, daß er als vorzeitig ausgetreten betrachtet werde und seine Abmeldung erfolgt sei. In der Folge geführte Gespräche über eine Wiedereinstellung des Klägers führten zu keinem Ergebnis.

Der Kläger begehrt die Zahlung eines Betrages von 229.244,33 S sA an Kündigungsentschädigung und Abfertigung. Er sei ungerechtfertigt entlassen worden, sodaß ihm die geltend gemachten Ansprüche zustünden.

Die beklagte Partei beantragt die Abweisung der Klage. Der Kläger sei zu Recht entlassen worden. Er habe eigenmächtig Urlaub konsumiert und sei damit der Arbeit unerlaubt ferngeblieben. Das Erstgericht gab dem Begehren des Klägers im Umfang eines Teilbetrages von 8.690,- S brutto sA statt und wies das Mehrbegehren ab. Da eine Einigung über den Verbrauch des Urlaubs während der Karwoche nicht zustande gekommen sei, habe die beklagte Partei den Kläger zu Recht entlassen, weil er in der Karwoche unerlaubt der Arbeit fern geblieben sei. Die geltend gemachten Ansprüche auf Kündigungsentschädigung und Abfertigung seien daher nicht berechtigt. Der Kläger sei jedoch wirksam erst durch die Erklärung am 5.4.1988 entlassen worden; bis dahin habe das Dienstverhältnis aufrecht bestanden und die beklagte Partei sei verpflichtet, dem Kläger bis zu diesem Zeitpunkt den Gehalt zu zahlen. Das Berufungsgericht gab der nur von der beklagten Partei erhobenen Berufung nicht Folge; es trat im wesentlichen der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes bei.

Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision der beklagten Partei mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinn einer gänzlichen Klageabweisung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil die Frage, ob der Entgeltanspruch unabhängig von der tatsächlichen Erbringung der Arbeitsleistung bis zum Ende des Dienstverhältnisses besteht, eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des § 46 Abs 2 Z 1 ASGG ist, bei deren Lösung das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgewichen ist. Die Revision ist auch berechtigt.

Gemäß § 4 Abs 1 UrlG ist der Zeitpunkt des Urlaubsantrittes zwischen dem Dienstgeber und dem Dienstnehmer unter Rücksichtnahme auf die Erfordernisse des Betriebes und die Erholungsmöglichkeiten des Arbeitnehmers zu vereinbaren. Ein erlaubter eigenmächtiger Urlaubsantritt im Sinne des § 4 Abs 4 dieser Bestimmung ist nur unter den dort normierten Voraussetzungen gestattet, die aber hier nicht vorliegen. Da eine Urlaubsvereinbarung nicht zustandegekommen war - einem Urlaubsantritt des Klägers stand sogar ein ausdrückliches Verbot des Vorgesetzten entgegen - , kommt der Abwesenheit vom Dienst in der Woche ab 28.3.1988 nicht die Qualifikation eines Urlaubsverbrauches zu. Der Kläger hat vielmehr während dieser erheblichen Zeit die Dienstleistung ohne rechtmäßigen Hinderungsgrund unterlassen (Martinek-Schwarz, AngG6, 624). Der Rechtsansicht der Vorinstanzen, daß der Entgeltanspruch bis zum Zeitpunkt des Ausspruches der Entlassung - beide Teile gehen übereinstimmend von einer Entlassung aus - bestehe, kann nicht beigetreten werden. Aus der Bestimmung des § 8 AngG ergibt sich, daß die Verpflichtung des Dienstgebers zur Leistung des Entgelts grundsätzlich die Leistung der vereinbarten Dienste durch den Dienstnehmer zur Voraussetzung hat. Nur in den im Gesetz ausdrücklich genannten Fällen besteht der Entgeltanspruch auch dann, wenn die Dienstleistung unterbleibt. Unabhängig vom Zeitpunkt der Entlassung besteht daher für die davor liegende Zeit, während der die Dienstleistung unterblieb, ohne daß ein Fall vorlag, für den die Verpflichtung des Dienstgebers zur Weiterleistung der Entlohnung statuiert ist, kein Anspruch auf Entgelt (Arb 9297). Da der Kläger ab 28.3.1988 vom Dienst fernblieb, ist das davor liegende Wochenende, das unmittelbar an die Arbeitswoche anschloß, während der der Kläger seine Dienstleistung noch ordnungsgemäß erbrachte, vom Entfall des Entgelts noch nicht betroffen. Da die beklagte Partei die Entgeltzahlung mit 25.3.1988 beendete, besteht ein restlicher Entgeltanspruch des Klägers von 1.529,03 S brutto (Monatsgehalt 23.700 S/37 x 2), wogegen für die Zeit ab 28.3.1988 zufolge ungerechtfertigten Fernbleibens des Klägers vom Dienst ein Entgelt nicht zusteht.

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens erster Instanz gründet sich auf § 43 Abs 2 ZPO, jene über die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens auf die §§ 43 Abs 1, 50 ZPO. Ausgehend vom Verhältnis des im Rechtsmittelverfahren noch strittigen Betrages zu dem Betrag, mit dem der Kläger letztlich obsiegte, besteht ein Kostenersatzanspruch der beklagten Partei im Ausmaß von 65 % der gesamten Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens.

Anmerkung

E19615

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:009OBA00019.9.0117.000

Dokumentnummer

JJT_19900117_OGH0002_009OBA00019_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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