Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch, Dr.Huber, Dr.Graf und Dr.Jelinek als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Franz R*** sen., Pensionist, 8010 Graz, Kaiserwaldweg 74, vertreten durch Dr.Gerald Kleinschuster, Dr.Hans Günther Medwed und Dr.Gerhard Hackenberger, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei Dr.Ferdinand T***-S***, Rechtsanwalt, 8010 Graz, Hans Sachs-Gasse 7, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen des Helmut R***, Inhaber der prot.Einzelfirma Elektrokühlung Franz R***, 8026 Graz, Seidenhofstraße 33, wegen Feststellung einer Forderung im Konkurs (Streitwert S 1,500.000) infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 31.Mai 1989, GZ 2 R 83/89-24, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 30.Jänner 1989, GZ 15 Cg 27/88-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit S 19.362,41 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (einschließlich S 3.227,07 USt.) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 22.12.1976 übergab der am 18.7.1901 geborene Kläger sein Unternehmen "Elektrokühlung Franz R***" in der Seidenhofstraße 33 und 36 in Graz samt den dazugehörenden, je in seinem Hälfteeigentum stehenden Betriebsgrundstücken EZ 715 und EZ 1340 je KG Baierdorf, seinem Sohn Helmut R***. Dieser verpflichtete sich, an seinen Vater eine monatliche Versorgungsrente von S 13.500,-- (wertgesichert nach dem Verbraucherpreisindex, Indexzahl Dezember 1976) zu bezahlen. Über das Vermögen des Gemeinschuldners Helmut R*** wurde mit Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 9.4.1986 zu 20 Sa 4/86 zunächst das Ausgleichsverfahren und mit dem Beschluß vom 30.5.1986 zu 20 S 29/86 der Anschlußkonkurs eröffnet.
Der Kläger meldete im Konkurs eine kapitalisierte Versorgungsrente von S 4,970.125,47 als Konkursforderung an. Dabei ging er von einer Lebenserwartung von 101 Jahren aus. Der Masseverwalter anerkannte die bis zur Eröffnung des Ausgleichsverfahrens anerlaufenen rückständigen Renten von S 54.162,48 und verweigerte die Anerkennung des darüber hinausgehenden Betrages. Die monatliche Leibrente des Klägers betrug im April 1986 S 20.340,30.
Mit der vorliegenden Klage begehrte der Kläger festzustellen, daß seine Leibrentenforderung zusätzlich zu dem vom Masseverwalter anerkannten Betrag mit einem weiteren Betrag von S 3,173.443,33 als Konkursforderung zu Recht bestehe. Dabei ging der Kläger von einer Lebenserwartung von 95 Jahren aus. Diese hohe Lebenserwartung gründe sich auf seinen besonders guten Gesundheitszustand. Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und brachte vor, der im Jahre 1986 85 Jahre alt gewordene Kläger hätte nach der österreichischen Sterbetafel nur eine Lebenserwartung von vier Jahren. In der Tagsatzung vom 29.9.1988 schränkte der Kläger zufolge eines vom Masseverwalter im Konkurs abgegebenen Anerkenntnisses sein Begehren um einen Betrag von S 1,018.867,52 zunächst auf S 2,154.575,92 und nach einer Außerstreitstellung der Inflationsrate von 3 % jährlich um einen weiteren Betrag von S 162.732,40 auf S 1,991.843,52 ein. In der Tagsatzung vom 26.1.1989 erfolgte schließlich eine weitere Einschränkung um S 491.843,92 auf letztlich S 1,500.000,--.
Das Erstgericht stellte mit Urteil fest, daß die vom Kläger im Konkursverfahren angemeldepe Rente über die anerkannten Beträge von S 54.162,48 und S 1,018.867,52 hinaus mit einem weiteren Betrag von S 1,257.260,48 als Konkursforderung zu Recht bestehe. Das Mehrbegehren (Feststellung eines weiteren Betrages von S 242.739,92 als Konkursforderung) wies es ab. Es traf - zusammengefaßt dargestellt - folgende Feststellungen:
Der Kläger ist in seinem Alterungs- und Gesundheitszustand einem Mann von 70 Jahren gleichzusetzen. Er hat die gleiche Lebenserwartung wie ein 70-jähriger. Die Sterbewahrscheinlichkeiten eines Menschen werden durch Beobachtung einer Gruppe von Menschen ermittelt, deren Lebensbedingungen ähnlich seien. Auf dieser Basis werden in vielen Ländern, so auch in Österreich, zur Zeit der Volkszählung, wenn der Altersaufbau der Bevöllkerung bekannt ist, die Sterbetafeln ermittelt. Nach der für Österreich erstellten Sterbetafel 1980/82 hat ein 70-jähriger Mann eine Lebenserwartung von 9,90 Jahren. Der Barwert der wertgesicherten Leibzente des Klägers beträgt bei einem Zinssatz von 4 % insgesamt S 2,276.128,--. Der Kläger, der am 9.4.1986 84,7126 Jahre alt war, hat unter Berücksichtigung der Generationensterblichkeit und unter Berücksichtigung einer Untersterblichkeit von 40 % eine Lebenserwartung von 6,16 Jahren. Der Barwert der Leibrente beträgt bei einem Zinssatz von 4 % diesfalls S 1,424.496,--. Rechtlich war das Erstgericht der Ansicht, daß bei der Ermittlung der Lebenserwartung dem Einzelfall Rechnung zu tragen sei. Der Kläger habe wie ein 70-jähriger eine Lebenserwartung von 9,90 Jahren und diese sei für die Berechnung des Rentenkapitals maßgeblich. Die zu kapitalisierende Leibrentenforderung bestehe daher insgesamt mit einem Betrag von S 2,276.128,-- als Konkursforderung zu Recht, weshalb unter Berücksichtigung der vom Beklagten insgesamt anerkannten Beträge ein weiterer Betrag von S 1,257.260,48 als Konkursforderung festzustellen war. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht Folge. Es verwies darauf, daß wiederkehrende Leistungen, zu denen Leibrentenforderungen zählen, nach ihrem Schätzwert zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beurteilen seien. Wenn auch im allgemeinen die österreichische Sterbetafel zur Grundlage der Rentenberechnung (Lebenserwartung) herangezogen wird, müsse es einem Anspruchsberechtigten auch möglich sein, nachzuweisen, daß seine Lebenserwartung in ungewöhnlicher Weise vom Durchschnitt abweicht und über der in der österreichischen Sterbetafel angegebenen liegt. Weder im § 15 AO noch im § 15 KO sei normiert, daß den Berechnungen der vorliegenden Art ausschließlich die österreichische Sterbetafel zugrundezulegen ist. Aus der Wortfolge "nach ihrem Schätzwert" könne abgeleitet werden, daß der Rentenbetrag zu "schätzen" ist, also alle Umstände des Einzelfalles berücksichtigt werden können, um zu einem für den Berechtigten gerechten Ergebnis zu gelangen. Das Erstgericht habe den in der SZ 48/92 dargelegten Grundsätzen folgend zutreffend seine Entscheidung auf den Einzelfall abgestellt und dabei auf der Grundlage des Zusammenwirkens eines medizinischen Sachverständigen und eines Sachverständigen der Versicherungsmathematik eine richtige Entscheidung gefällt.
Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die Revision des Beklagten aus den Anfechtungsgründen des § 503 Z 2 und 4 ZPO mit dem Antrag, das angefochtene Urteil abzuändern und das Klagebegehren abzuweisen; hilfsweise werden Aufhebungsanträge gestellt.
Der Kläger beantragt in der Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Der Beklagte macht geltend, daß die Feststellung, wonach ein 84-jähriger Mann wie der Kläger in seinem Alterungs- und Gesundheitszustand einem Mann von 70 Jahren gleiche, "illusorisch" sei. Die Schätzungsgrundlage gehöre in den "divinatorischen Bereich". Die Entscheidung SZ 48/92 sei vereinzelt geblieben; ihr könne nicht gefolgt werden.
Diese Ausführungen sind, soweit sie damit die Feststellungen bekämpfen, die die Vorinstanzen auf Grund der Sachverständigengutachten getroffen haben, unbeachtlich, weil sie in diesem Belang in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung der Vorinstanzen in Frage stellen. Auch die Darlegungen zur Errechnung des Kapitalwertes der Versorgungsrente des Klägers sind nicht stichhältig:
Zunächst ist darauf zu verweisen, daß die in der bezogenen Entscheidung des Obersten Gerichtshofs SZ 48/92 = JBl. 1976, 261 dargelegten Grundsätze auch in einem weiteren Fall (8 Ob 580/77) bekräftigt wurden. Darüber hinaus hat der Oberste Gerichtshof in der vom Beklagten zu Unrecht in Zweifel gezogenen Entscheidung eindeutig klargestellt, daß mit der die Umstände des Einzelfalles berücksichtigenden Feststellung des Schätzwertes einer derartigen Rentenforderung eine für beide Teile endgültige und gleich risikobehaftete Rechtslage herbeigeführt wird und dabei auch die Grundsätze aufgezeigt, die für die Beweislage maßgebend sind. Die Vorinstanzen sind dieser Entscheidung mit Recht gefolgt. Der Beklagte vermag keine stichhältigen Argumente vorzubringen, die geeignet wären, die Frage der Errechnung des Kapitalwertes der geltend gemachten Rente in einem anderen Licht zu beurteilen, als dies in der Entscheidung SZ 48/92 der Fall war.
Seiner Revision war somit der Erfolg zu versagen.
Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E19595European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1990:0080OB00050.89.0118.000Dokumentnummer
JJT_19900118_OGH0002_0080OB00050_8900000_000